Editorial

Editorial September 2010

Liebe Leserin,
lieber Leser,

es ist immer wieder faszinierend, wenn man beobachten kann, wie junge Kolleginnen und Kollegen in der polizeilichen Ausbildung unter fachkundiger Anleitung mit großem Engagement und beeindruckender Kreativität Themenstellungen bearbeiten.

Herbert Klein Kriminaldirektor, Polizeipräsidium Mainz , Chefredakteur

> Ein eindrucksvolles Beispiel ist der Beitrag von Rainer Hofmann, Kriminaldirektor an der rheinland-pfälzischen Fachhochschule für öffentlich Verwaltung – Fachbereich Polizei. Unter dem Titel „Opferhilfe in der polizeilichen Ausbildung„ stellt er einen Ideenwettbewerb als einen möglichen alternativen Weg im Repetitorium vor. Sich um Verletzte, Geschädigte und Opfer von Straftaten zu kümmern, ist eine aktuelle Herausforderung für Polizei und Justiz. Insbesondere ist es Aufgabe der Polizei – die in der Regel zuerst den Kontakt mit dem Opfer einer Straftat hat – im Interesse des Opferschutzes und der Opferhilfe Tatfolgen zu mindern und auch eine sekundäre Viktimisierung zu vermeiden, so Hofmann. Anknüpfend an eine Reihe von Initiativen, Vereinbarungen und Konzepten beschreibt Hofmann die Einbettung der Thematik in die Ausbildung. Ausgangspunkt sind die Fragestellungen, ob die Studierenden auch in der Lage sind, ihr Wissen, ihre Kenntnisse in geeigneter Weise bei Opfern anzuwenden, ob sie über das notwendige Maß an Sensibilität verfügen und ob Sie sich in eine Opfersituation hineinversetzen bzw. sich emotional mit der Rolle eines Opfers identifizieren können. Über ein Projektthema und Arbeitsgruppensitzungen wurden Ideen entwickelt, das Empfinden eines Opfers, die Gedanken der Opferhilfe oder des Opferschutzes, in einem Ausstellungsprodukt zum Ausdruck zu bringen. Im Ergebnis liegen durch die Projektarbeiten der Studierenden aus dem Jahr 2009 insgesamt 14 Filmbeiträge auf DVD, verschiedene Gedichte, Skulpturen sowie Zeichnungen und über 50 Bilder und Plakate vor. Beispielgebend sind einige der Resultate in diesem Artikel dargestellt. Im Rahmen eines abschließendes Thementages Opferhilfe unter dem Motto: „Opferhilfe: Opferbelange ernst nehmen – Opferinteressen berücksichtigen fand eine vielbeachtete Ausstellung und Präsentation der erarbeiteten Produkte statt.
> Tötungskriminalität ist vornehmlich Männersache, es gibt beispielsweise (fast) keine Amokläuferin, Sexualmörderin, Raubmörderin oder Massenmörderin. Männliche Gewalt ist der gesellschaftlich akzeptierte Maßstab für Normverletzungen und Unterdrückung, die tötende Frau hingegen ist der betörende und verstörende Gegenentwurf, stellt Stephan Harbort, Kriminalhauptkommissar beim Polizeipräsidium Düsseldorf, fest. Gerade deshalb weckt nicht nur der Titel „Wenn Frauen töten„, sondern insbesondere die Bearbeitung besonderer Formen weiblicher Tötungsdelinquenz großes Interesse. Das Gefühl der Beunruhigung kann sich bis zum Entsetzen steigern, wenn nicht einfach nur ein Mensch getötet wird, sondern dabei gleichsam grundlegende gesellschaftliche Erwartungen verletzt werden. Wenn Frauen morden, ist das so, stellt er fest. Über die Betrachtung von Neugeborenentötungen, Patiententötungen und Serientötungen kommt Harbort zu dem Ergebnis, dass sich die Täterin an das Töten gewöhnen und vielleicht sogar Gefallen daran finden kann. Es bedarf dann keinerlei Rechtfertigung mehr, um auch weiterhin Tötungsdelikte zu begehen, es genügt schon ein Bedürfnis, gleich welcher Art. Und Gefühle wie Reue oder Scham verkümmern bis zur Bedeutungslosigkeit, es wird vornehmlich in Opfer- und Nichtopfer-Kategorien gedacht und gelebt. Irgendwann geht jedes Maß verloren. Doch das innere oder äußere Spannungsverhältnis, die Diskrepanz zwischen dem So-sein-Müssen und dem Anders-sein-Wollen ist nicht aufzulösen, Mord bleibt ein untaugliches Mittel. Auch wenn die Täterin sich durch ihre Taten immer wieder über alle und alles hinwegsetzt, kann sie sich doch ihrer eigenen psycho-sozialen Beeinträchtigung nicht entziehen.

Herbert Klein