Kriminalistik / Kriminologie

Benachrichtigung über Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen

nach dem Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung

Staatsanwalt
Dr. Wolfgang Bohnen
Staatsanwaltschaft Trier

Mit Wirkung zum 1.1.2008 wurde der Bereich der verdeckten Maßnahmen umfassend neu geregelt. Erforderlich war dies einerseits im Hinblick auf die Umsetzung der EU-Richtlinie 2006/24/EG. Aber auch einige Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts gaben Anlass zu der Neuregelung . Mit der Novelle wollte der Gesetzgeber unter anderem Defizite bei der Benachrichtigung abbauen und den nachträglichen Grundrechtsschutz verbessern. Auf die mit der Benachrichtigung verbundenen Fragen soll im Folgenden eingegangen werden. Hier hat nämlich die Novelle weit reichende Folgen für die tägliche Arbeit gebracht. Lösungswege aufzuzeigen, den unstreitigen Mehraufwand rationell zu bewältigen, ist Ziel dieses Beitrages. Die drohende Mehrarbeit darf nämlich nicht dazu führen, wie der Verfasser bereits vernommen hat, im Hinblick auf diese Mehrarbeit von der kriminalistisch gebotenen Durchführung der Maßnahme abzusehen.

1. Benachrichtigung zur Sicherung nachträglichen Grundrechtsschutzes

a. Hintergrund

Die Benachrichtigung dient dem nachträglichen Grundrechtsschutz aller Kommunikationspartner. Grundrechtsschutz kann nämlich nur derjenige in Anspruch nehmen, der Kenntnis vom Eingriff in sein Grundrecht hat. Zwar enthielt bereits bisher
§ 101 StPO in seiner bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung eine Benachrichtigungspflicht. Eine Auswertung des Max-Planck-Institutes für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg von 611 Strafverfahrensakten aus dem Jahre 1998 kam diesbezüglich jedoch zu einem niederschmetternden Ergebnis: Die ausgewerteten Verfahren enthielten 2035 Anordnungen nach §§ 100a und 100b StPO, die sich auf 3.176 Anschlüsse bezogen. Hinsichtlich der Benachrichtigung stellten die Autoren fest, dass bezüglich 67,6 % der Anschlüsse aus den Akten nicht ersichtlich war, dass irgendeine Person von der Überwachung in Kenntnis gesetzt wurde. Diese Defizite in der Praxis bei der Auseinandersetzung mit der Frage der Benachrichtigung wurden ausweislich der Gesetzesbegründung nicht durch die Ausübung der Dienstaufsicht behoben. Deswegen bestand diesbezüglich gesetzgeberischer Handlungsbedarf.

Die Benachrichtigung wurde bisher vernachlässigt.

b. Neuregelung

Da durch eine Telekommunikationsüberwachung in das Grundrecht aller Kommunikationspartner eingegriffen wird und nicht nur in das Grundrecht des Beschuldigten oder Nachrichtenmittlers, verwendet das Gesetz in § 101 Abs. 4 StPO nunmehr den Begriff der Beteiligten der Telekommunikation. Das sind bei 100a-Maßnahmen alle diejenigen, die „telekommuniziert" haben, also der Beschuldigte, der Nachrichtenmittler und die jeweiligen Gesprächspartner. Kein Beteiligter ist aber derjenige, der einem Beschuldigten einen Telefonanschluss zur ausschließlichen Nutzung überlässt. Dieses Phänomen ist bei Mobilfunkanschlüssen sehr häufig festzustellen. In diesem Fall nutzt der Beschuldigte einen zwar auf einen Fremden registrierten, aber eigenen Anschluss. Telekommuniziert hat der angebliche Anschlussinhaber mit diesem Gerät nie. Im Rahmen von 100g-Maßnahmen sind die Beteiligten der Telekommunikation die Personen, deren Verkehrsdaten den Ermittlungsbehörden mitgeteilt wurden.

Neuer Begriff: Beteiligter der Telekommunikation.

c. Zuständigkeit für die Benachrichtigung

Die Benachrichtigung ist Aufgabe der Staatsanwaltschaft. Sie kann nicht auf die Behörden des Polizeidienstes delegiert werden. Nach § 161 Abs. 1 Satz 2 sind die Behörden und Beamten des Polizeidienstes nämlich nur dann verpflichtet, dem Ersuchen oder Auftrag der Staatsanwaltschaft zu genügen, wenn Ermittlungen verlangt werden. Die Benachrichtigung dient jedoch dem Rechtsschutz und stellt ersichtlich keine Ermittlungsmaßnahme dar. Ferner ist mit der Benachrichtigung auch der Hinweis auf den möglichen nachträglichen Rechtsschutz nach § 101 Abs. 7 Satz 2 StPO zu verbinden (§ 101 Abs. 3 Satz 2 StPO). Dadurch stellt das Gesetz klar, dass Kenntnis von der Maßnahme noch keine Benachrichtigung in diesem Sinne ist. Sie ersetzt also die Benachrichtigung nicht. Kenntnis von der Maßnahme kann beispielsweise durch Akteneinsicht erlangt werden. Nach Ablauf dieser zweiwöchigen Rechtsbehelfsfrist sind die Daten zu löschen, es sei denn, sie werden für die weitere Überprüfung in dem Rechtsschutzverfahren benötigt (§ 101 Abs. 8 S. 1 StPO). Wegen der späteren Löschung empfiehlt sich auch eine förmliche Zustellung der Benachrichtigung. Im Hinblick auf die Vernichtung reicht es nicht aus, nach Ablauf dieser Frist Wiedereinsetzung zu gewähren, wie dies beispielsweise bei der Versendung der Einstellungsbescheide gängige Praxis ist.

Die Benachrichtigung ist Aufgabe der Staatsanwaltschaft.

d. Verbot der Benachrichtigung im Einzelfall

Zwar hat das Bundesverfassungsgericht die Notwendigkeit der Benachrichtigung im Hinblick auf den nachträglichen Grundrechtsschutz hervorgehoben . Die Benachrichtigungspflicht steht jedoch ihrerseits unter dem Gesetzesvorbehalt von Art. 10 GG. Dementsprechend kennt das Gesetz auch Ausnahmen von der Benachrichtigungspflicht. Ein Verbot der Benachrichtigung kons-tituiert § 101 Abs. 4 Satz 3 StPO. Sie gilt dem Wortlaut nach auch für den Beschuldigten. Ob benachrichtigt wird, hängt danach von einer Abwägung zwischen dem Interesse des Beschuldigten/Nachrichtenmittlers und sonstiger überwachter Anschlussinhaber an einer geringen Publizität, das man am treffendsten als Ansehensverlust bezeichnen kann, und dem Interesse des anderen Gesprächsteilnehmers an der Information über die ihn betreffende Maßnahme ab. Das Interesse des anderen Gesprächsteilnehmers ist ein rechtliches Interesse und dient nicht der Befriedigung der Neugier. Grundsätzlich ist diejenige Person, deren Anschluss überwacht wurde, also in der Regel der Beschuldigte, von der Maßnahme am stärksten betroffen, während seine Gesprächspartner nur gelegentlich betroffen werden. Der Beschuldigte ist daher – bis auf die Fälle, in denen er das Telefon einem anderen für einen Anruf zur Verfügung gestellt hat, in der Regel immer 100%ig betroffen. Deswegen haben bis in die jüngste Vergangenheit Datenschützer die Benachrichtigung anderer als des Beschuldigten für bedenklich gehalten, weil das zu einer Vertiefung des Grundrechtseingriffs bei dem Beschuldigten führe. Die Neuregelung schärft indes das Bewusstsein dafür, dass auch der andere Gesprächsteilnehmer in seinem Fernmeldegeheimnis betroffen wurde.

Abwägung: Ansehensverlust versus rechtliches Interesse
des anderen Gesprächsteilnehmers.

Neben dem Ansehensverlust gebietet auch die Gefahr, dass die Gesundheit eines der Beteiligten der Telekommunikation durch die Benachrichtigung und weitere gerichtliche Maßnahmen leidet (Gesundheitsschutz), ein Absehen von der Benachrichtigung.

e. Leitlinien für die Abwägung (Ansehensverlust)

Der Fall, dass die Gesundheit eines Beteiligten durch die Benachrichtigung Schaden zu nehmen droht, dürfte selten sein. Von größerer praktischer Bedeutung ist die Frage des Ansehensverlustes. Die Abwägung ist eine Frage des Einzelfalles. Schutzwürdig ist dabei nicht nur der Beschuldigte. Auch seine Familienangehörigen sind vor der Gefahr des Ansehensverlustes im sozialen Leben zu schützen (Art. 6 GG). In die Abwägung sind daher auch deren Interessen einzustellen. Einige Aspekte sollen in der rechts stehenden Tabelle zusammengestellt werden.

f. Fakultatives Absehen von der Benachrichtigung

Für den Bereich der Telekommunikation enthält § 101 Abs. 4 Satz 4 StPO eine weitere Regelung, die ein Absehen von der Benachrichtigung vorsieht . Danach kann von der Benachrichtigung bloßer Gesprächsteilnehmer abgesehen werden, wenn diese Personen nur unerheblich betroffen sind und üblicherweise kein Interesse an der Benachrichtigung haben. Die Gesetzesbegründung nennt insoweit Gespräche mit Handwerkern, Pizzaservice, Frisör und Callcentern.
Diese Regelung dürfte allerdings auch auf nur gelegentliche Gesprächsteilnehmer anzuwenden sein. Ausdrücklich nicht erfasst sind die Personen, gegen die sich die Maßnahme gerichtet hat (Beschuldigter, Nachrichtenmittler, Inhaber eines Anschlusses, den der Beschuldigte nutzt). Hier kann nur nach § 101 Abs. 4 S. 3 StPO von einer Benachrichtigung abgesehen werden.

Benachrichtigungsverbot

Überwiegendes Interesse des Beschuldigten, Nachrichtenmittlers (Schutz vor Ansehensverlust):

kein Benachrichtigungsverbot

Überwiegendes Interesse eines
übrigen Gesprächsteilnehmers
(Benachrichtigung trotz Ansehensverlust):

Der Gesprächsteilnehmer, dem die Maßnahme bekannt wird, etwa weil gegen ihn aufgrund der Erkenntnisse ein eigenes Verfahren eingeleitet wurde,

verzichtet auf die Benachrichtigung.

Die Erklärung des

Beschuldigten, er wünsche nicht, dass andere Gesprächsteilnehmer benachrichtigt werden, ist zu berücksichtigen, aber nicht ausreichend.

Das Ermittlungsverfahren wird

eingestellt. Es kommt also nicht
zur Anklage gegen den Beschuldigten

Gesprächsteilnehmer, die

kernbereichtsrelevante Gespräche geführt haben.

Anklage wird erhoben, wobei der Beschuldigte vollumfänglich geständig ist, die Tatvorwürfe einräumt und die heimliche Maßnahme aller Voraussicht nach nicht im Prozess gebraucht werden muss.

Gespräche mit Berufsgeheimnisträgern

, die auf der Telefonüberwachung eines Beschuldigten aufgelaufen sind. Das Interesse an dem Schutz einer vertrauensvollen Kommunikation dürfte höher zu bewerten sein, als der Ansehensverlust des Beschuldigten.

Der

Schutz des Bestandes der Familie verbietet die Unterrichtung des Ehepartners und der Kinder, selbst wenn kernbereichsrelevante Gespräche geführt werden.

Fakultatives Absehen bei Handwerkern, Pizzaservice, Frisör und Callcenter und gelegentlichen Gesprächsteilnehmern.

Nach § 101 Abs. 4 Satz 5 StPO setzt die Benachrichtigung voraus, dass die Identität der Gesprächsteilnehmer fest steht. Diese Frage wird vor allen Dingen dann relevant, wenn die Identität des Gesprächsteilnehmers nicht überprüft wird, weil das Gespräch mit diesem Teilnehmer für das Ermittlungsverfahren irrelevant war und Anlass für eine Klärung insoweit nicht bestand. Selbst wenn der Anschlussinhaber abgefragt wurde, gibt die Mitteilung einer Telefongesellschaft oder der Bundesnetzagentur, wer als Anschlussinhaber registriert ist, keine Gewähr dafür, dass die genannte Person auch der Gesprächsteilnehmer war. Das gilt insbesondere für Mobilfunkanschlüsse. Auch eine Abfrage der Meldedaten ist noch keine sichere Identitätsfeststellung. Befindet sich der Wohnsitz des möglichen Gesprächsteilnehmers auch noch außerhalb des eigenen Bundeslande kommt weiter hinzu, dass die jeweilige Polizeidienststelle keinen automatisierten Rückgriff auf die Meldedaten des anderen Bundeslandes hat.

Anschlussinhaberfeststellung und Abfrage der Meldeda ten sind keine Identitätsfeststellung.

Zur Frage, was in diesem Fall noch angezeigt ist, lässt sich der Gesetzesbegründung nichts entnehmen . Nachforschungen bei unbekannter Identität sind nach dem Gesetzeswortlaut nur vorgeschrieben, wenn der Eingriff in das Fernmeldegeheimnis gegenüber dieser Person Gewicht hat, der Aufwand zur Identitätsfeststellung und der daraus für diese und andere Personen folgenden Beeinträchtigungen vertretbar ist. Auch hier ist daher eine Abwägung im Einzelfall geboten und die Interessen des Beschuldigten/Nachrichtenmittlers zu berücksichtigen. Grundsätzlich gelten dieselben Abwägungsleitlinien wie oben: Nicht verfahrensrelevante Gespräche von Personen, die nur ein oder wenige Male mit dem Beschuldigten/Nachrichtenmittler kommuniziert haben, lösen daher keine weiteren Ermittlungsmaßnahmen aus. Diese Personen dürften im Hinblick auf ihre nur geringe Betroffenheit auch kein Interesse an der Benachrichtigung haben, so dass auch fakultativ von einer Benachrichtigung abgesehen werden kann
(§ 101 Abs. 4 S. StPO). Nach der Gesetzesbegründung kann deswegen im Bereich der erhobenen Verkehrsdaten gem.
§ 100g-StPO grundsätzlich davon abgesehen werden, die Anschlussinhaber zu unterrichten . Bei Gesprächsteilnehmern, die häufiger telefoniert haben, sind zunächst nur Meldeanfragen veranlasst. Ist danach die Identität noch nicht sicher, sind weitere Ermittlungen, z.B. Zeugenvernehmungen und Vernehmung des Beschuldigten, nur ausnahmsweise angezeigt, etwa weil sie häufig kommuniziert haben.

Der Ermittlungsaufwand ist mit dem rechtlichen Inte- resse des möglichen Gesprächsteilnehmers abzuwägen.

h. Zeitpunkt der Benachrichtigung

Zu benachrichtigen ist grundsätzlich dann, wenn der Untersuchungszweck nicht mehr gefährdet ist (§ 101 Abs. 5 StPO). Daneben können die Gefährdung von Leib, Leben und Freiheit einer Person sowie die Gefährdung von bedeutenden Vermögenswerten Anlass geben, die Benachrichtigung zunächst zurückzustellen. Würde durch die Telekommunikationsüberwachung bekannt werden, dass ein VE- oder VP-Einsatz durchgeführt wurde, reicht das aber nicht aus, von der Benachrichtigung abzusehen (§ 101 Abs. 5 S. 1 2. Alt. StPO). Die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit ist anders als bei § 101 Abs. 1 StPO alte Fassung kein Grund mehr, die Benachrichtigung zu unterlassen. Spätestens 12 Monate nach Beendigung der verdeckten Maßnahme muss benachrichtigt werden (§ 101 Abs. 6 S. 1 StPO). Die Benachrichtigungspflicht kann mit richterlicher Zustimmung weiter zurückgestellt werden. Der Richter kann schließlich bestimmen, dass nie benachrichtigt wird, wenn der Zustand der Nichtgefährdung nie eintreten wird (§ 101 Abs. 6 Satz 3 StPO). Diese Erwägungen dürften aber nur dann relevant werden, wenn das Verfahren eingestellt wird. Im Falle der Anklageerhebung werden nämlich nunmehr alle Erkenntnisse offen gelegt. Deswegen ist der Zeitpunkt der Anklageerhebung grundsätzlich auch der Benachrichtigungszeitpunkt. Etwas anderes gilt nur für die Personen, gegen die sich weitere Maßnahmen richten, wenn deren Untersuchungszweck gefährdet werden würde.

Benachrichtigungszeitpunkt ist grundsätzlich der Tag der Anklageerhebung bzw. der Tag der Einstellung. Ausnahmsweise kann die Benachrichtigung zurück- gestellt werden.

i. Benachrichtigung im Ausgangsverfahren

Soweit auf Grund der Erkenntnisse aus der TKÜ weitere Verfahren gegen andere Personen (Folgeverfahren, Ablegerverfahren) eingeleitet wurden, besteht die Möglichkeit, die Gesprächsteilnehmer auch in dem nunmehr gegen sie geführten Ermittlungsverfahren von der Maßnahme zu unterrichten. Das ist bei Verfahren im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität häufig der Fall. Das Gesetz trifft keine entsprechenden Regelungen. Die Benachrichtigung sollte meines Erachtens grundsätzlich im Ausgangsverfahren erfolgen. Dieses Verfahren löst nämlich die Pflicht zur Benachrichtigung aus. Dadurch ist auch umfassend gesichert und leicht nachvollziehbar, ob und wann die Benachrichtigungen erfolgt sind. Insbesondere bei Verfahrensabgaben an andere Staatsanwaltschaften wäre eine Kontrolle der Benachrichtigung mit großem Aufwand verbunden. Bloße Kenntniserlangung in dem Folgeverfahren durch Vernehmung bzw. Akteneinsicht, wie oben dargelegt, ist nicht ausreichend. Auch ist mit der Vernehmung die vorgeschriebene Rechtsmittelbelehrung nicht verbunden. Erklärt allerdings einer der Beschuldigten eines Folgeverfahrens, er wünsche keine weitere Benachrichtigung (Verzicht auf Benachrichtigung), so ist das dem Ausgangsverfahren mitzuteilen. Diese Person muss dann nicht benachrichtigt werden. Es sollte zum polizeilichen Standard gehören, diese Frage bei Vernehmungen zu stellen.

Soweit in einem Folgeverfahren benachrichtigt wird, ist aber auf jeden Fall sicherzustellen, dass diese Information auch zum Ausgangsverfahren gelangt – etwa durch einen Abdruck des Benachrichtigungsschreibens.

Das Ausgangsverfahren löst die Benachrichtigungs- pflicht aus. Ein eventueller Verzicht auf die Benachrich- tigung sollte im Rahmen der polizeilichen Vernehmung standardmäßig abgefragt werden.

2. Rechtsschutzverfahren nach § 101 Abs. 7 S. 2 StPO

Der Rechtsschutz nach § 101 Abs. 7 Satz 2 StPO richtet sich auf die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Anordnung sowie die Art und Weise des Vollzuges der Maßnahme. Hinsichtlich der Art und Weise des Vollzuges dürfte sich die Überprüfung der Rechtmäßigkeit auf die Frage beschränken, warum ein kernbereichsrelevantes Gespräch nicht gelöscht wurde. Neben der Rechtsschutzmöglichkeit besteht die Befugnis fort, Beschwerde einzulegen . Die Möglichkeit zur Beschwerde hat daher auch derjenige, bei dem zu Recht von der Benachrichtigung abgesehen wurde, der jedoch auf andere Art und Weise von der Telekommunikationsüberwachung Kenntnis erhalten hat. Darüber ist jedoch nicht zu belehren.

a. Akteneinsicht

Der Betroffene, der nicht der Beschuldigte ist, ist zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit auf Aktenkenntnisse angewiesen. Ihm müssen somit die Aktenteile zur Verfügung gestellt werden, die das Gericht benötigt, um die Frage der Rechtmäßigkeit beantworten zu können. Die Vorschrift begründet daher keinen Anspruch auf vollständige Akteneinsicht. Dem Betroffenen braucht damit nur ein entsprechender Sonderband mit den Erkenntnissen zur Verfügung gestellt werden, die dem Ermittlungsrichter zur Beantragung und ggf. Verlängerung der entsprechenden 100a-Anordnung, zugeleitet wurden. Soweit Gespräche verschriftet wurden, müssen ihm auch diese zur Verfügung gestellt werden.
Wurde auf die Anfertigung von TKÜ-Protokollen verzichtet, weil dies für die Ermittlungen gegen den Beschuldigten nicht erforderlich war, besteht kein Anlass, das nunmehr für die Überprüfung zu veranlassen. Die Gesprächsdateien sind Beweisstücke. Überlassen werden dürfen sie ihm daher § 147 Abs. 4 StPO entsprechend nicht. Der Betroffene kann vielmehr die Gesprächsdateien als Beweismittel „besichtigen", sprich anhören. Nur wenn das nicht ausreicht, dürfen ihm auch Kopien der ihn betreffenden Gesprächsdateien übergeben werden .

Ein Anspruch auf vollständige Akteneinsicht und Ver- schriftung besteht nicht. Nur ausnahmsweise sind Kopien der Gesprächsdateien erlaubt.

b. Zuständiges Gericht für die Entscheidung nach § 101 Abs. 7 StPO.

Grundsätzlich zuständig für die Entscheidung ist der Ermittlungsrichter (§ 101 Abs. 7 Satz 1 StPO). Daneben kann auch das mit der Hauptsache befasste Gericht zur Entscheidung berufen sein. Nach dem Gesetzeswortlaut ist dieses Gericht zuständig, wenn Anklage erhoben und der Angeklagte benachrichtigt wurde. Die Entscheidung ergeht mit „seiner abschließenden Entscheidung". Die Regelung und auch der Wortlaut sind vollständig missglückt: Die Zuständigkeit, ob das mit der Hauptsache befasste Gericht entscheidet, kann nicht davon abhängen, ob der Angeklagte benachrichtigt wurde. Ferner ist der (seltene) Fall ausgeklammert, dass das Hauptverfahren nicht eröffnet wird. Erst dann ist der Beschuldigter Angeklagter (§ 157 StPO). In diesem Fall dann von einer Zuständigkeit des Ermittlungsrichters auszugehen, erscheint nicht konsequent. Schließlich ist die Rolle des Antragsstellers in dem Verfahren vollständig ungeklärt.

3. Was sollte im Hinblick auf die Benachrichtigungspflich-ten bereits im Ermittlungsverfahren veranlasst werden?

Die Benachrichtigung ist zwar Aufgabe der Staatsanwaltschaft.
Gleichwohl kann und sollte die Polizei hier Unterstützung leisten. Um die Benachrichtigung nicht zu vergessen, ist bei der Staatsanwaltschaft zunächst ein Sonderband „Benachrichtigungen" anzulegen.

Zu diesem gehört zwingend der TKÜ-Beschluss sowie eine Liste aller Gesprächsteilnehmer. Eine Anschlussinhaberliste wird in der Regel sowieso von den mit der Durchführung der TKÜ beauftragten Polizeidienststelle für die Ermittlungsarbeit geführt. Sie kann für die Benachrichtigung nutzbar gemacht werden. Mit Hilfe einer auf einer Exceltabelle basierenden Gesprächsteilnehmerliste lässt sich dann leicht nach Herausfiltern der entsprechenden Empfänger ein Serienbrief „Benachrichtigung" mit den für den Beteiligten notwendigen Informationen erstellen.

Anlage eines Sonderbandes „Benachrichtigung", Anschlussinhaberliste als Grundlage für die Benach- richtigungsdatei.

Im Hinblick auf die Benachrichtigung sollte die sachbearbeitende Polizeidienststelle auch vermerken, ob die Identität überprüft und positiv festgestellt wurde. Ferner sollte bei nicht für das Ermittlungsverfahren bedeutsamen Kontakten ein Kurzvermerk im Hinblick auf das fakultative Absehen von der Benachrichtigung angebracht werden, aus dem sich ergibt, um welchen Gesprächsinhalt es sich handelte (Geschäftsgespräche, Behördengespräche, Gespräche mit Familienangehörigen soweit nicht Kernbereich, Gespräche mit Handwerkern, Pizzaservice usw.). Im Hinblick auf die Bewertung der Gespräche für die Benachrichtigungspflicht reicht daher der Vermerk „Belangloses Privatgespräch" nicht aus. Ferner sollte die Anzahl der Gespräche der Betroffenen sowie vermerkt werden, ob gegen den betroffenen Gesprächsteilnehmer ein eigenes Verfahren eingeleitet wurde und ob dieser auf eine Benachrichtigung verzichtet hat. Folgende Spalten sollten daher ausgefüllt werden:

g. Identitätsfeststellung

Muster für einen Benachrichtigungsbrief:

Staatsanwaltschaft Trier

Herrn

Anton A.

Willgasse 5

Trier

Ermittlungsverfahren gegen Y - 8004 Js 4711/09 StA Trier –

wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz

hier: Benachrichtigung über eine Telefonüberwachung

Sehr geehrter Herr A,

in der Zeit vom 20.03. bis 17.05.2008 wurde in dem vorbezeichneten Verfahren der von dem Beschuldigten Y benutzte Telefonanschluss aufgrund richterlicher Anordnung überwacht. Das Gesetz schreibt vor, jeden Gesprächsteilnehmer von der Maßnahme zu unterrichten. Auch von Ihnen geführte Gespräche mit dem Beschuldigten sind dabei aufgezeichnet werden.

Sie können innerhalb von zwei Wochen ab Zugang dieses Schreibens bei der Staatsanwaltschaft Trier die gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme sowie der Art und Weise ihres Vollzugs beantragen. Sollten Sie hieran kein Interesse haben, brauchen Sie nichts weiter zu veranlassen. Die von Ihnen mit dem Beschuldigten aufgezeichneten Gespräche werden dann aus datenschutzrechtlichen Gründen unverzüglich vollständig gelöscht werden.

Mit freundlichen Grüßen

 

4. Fazit:

Die Neuregelung der Benachrichtigung bringt einen nicht unerheblichen administrativen Mehraufwand für die Ermittlungsbehörden mit sich. Durch geeignete organisatorische Maßnahmen lässt sich dieser in Grenzen halten, um die Arbeitskraft der
Aufgabe „Verbrechungsbekämpfung" zur Verfügung zu stellen.

Der Beitrag basiert auf dem vom Verfasser gehaltenen Vortrages anlässlich des 57. Arbeitsgesprächs zwischen dem LKA Rheinland-Pfalz und den Leitern der Organisationseinheiten zur Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität bei den Polizeipräsidien sowie mit den Vertretern der Staatsanwaltschaften in Rheinland-Pfalz und des Zollfahndungsamtes Frankfurt am Main am 25.09.2008 in Trier.

Anstatt eines Fußnotenapparates noch einige Literaturhinweise:

Gesetzesbegründung, Bundestags-Drucksache 16/5846, S. 1 ff.,

Dorsch/Krüpe-Gescher/Albrecht, Rechtswirklichkeit und Effizienz der Überwachung der TKÜ und anderer verdeckter Maßnahmen, 2003

Thommes, Verdeckte Ermittlungen im Strafprozess aus der Sicht des Datenschutzes, Strafverteidiger 1997, S. 657

Patzak/Bohnen, Betäubungsmittelrecht, 2008, Kapitel 5 Rn. 26 ff. zur Kernbereichsproblematik