Internationale Zusammenarbeit

Gemeinsame Ermittlungsgruppen

– der neue Königsweg der internationalen Rechtshilfe?

von Regierungsdirektor Dr. Ralf Riegel, Bundesamt für Justiz, Referat für Auslieferung, Vollstreckungshilfe, Rechtshilfe und das Europäische Justizielle Netz, Bonn

Regierungsdirektor
Dr. Ralf Riegel
Bundesamt für Justiz

Gemeinsame Ermittlungsgruppen – schon der Name ist Programm! Geht es doch nicht mehr darum, mehr oder minder engagiert für ein ausländisches Ermittlungsverfahren Rechtshilfe zu leisten, sondern gemeinsam zu überlegen, anzufassen und eine Straftat aufzuklären. Könnte diese Form der Zusammenarbeit nicht die internationale Rechtshilfe in strafrechtlichen Angelegenheiten revolutionieren und ohne allen formalen Ballast des Rechtshilferechts Ermittlungserfolge erlauben? In diesem Beitrag soll dieser Frage nachgegangen werden, indem rechtliche Grundlagen und erste praktische Erfahrungen mit gemeinsamen Ermittlungsgruppen dargestellt werden.

Zum Begriff „gemeinsamer Ermittlungsgruppen"

Der Begriff einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe wird weder im deutschen nationalen Recht noch in völkerrechtlichen Verträgen festgelegt. Verschiedene justizielle und polizeiliche Zusammenarbeitsformen werden mit gemeinsamen Ermittlungsgruppen in Verbindung gebracht, ohne dass aus der Begrifflichkeit sachliche Konsequenzen gezogen werden. Zunächst lässt sich feststellen, dass gemeinsame Ermittlungsgruppen der justiziellen und nicht der polizeilichen Rechtshilfe zuzuordnen sind, denn sie setzen regelmäßig1 in allen beteiligten Staaten die Einleitung eigener Ermittlungsverfahren voraus. Eine der Bedeutungen gemeinsamer Ermittlungsgruppen liegt gerade darin, dass nicht – wie bei der „klassischen„ Rechtshilfe – lediglich ein fremdes Verfahren unterstützt wird, sondern jeweils eigene Verfahren durch abgestimmte, intensive Zusammenarbeit gefördert werden.
Übereinstimmende Kriterien völkerrechtlicher Verträge und nationaler deutscher Gesetzgebung erlauben dann folgende Definition: Gemeinsame Ermittlungsgruppe stellen eine besondere Form der bilateralen oder multilateralen justiziellen Rechtshilfe in strafrechtlichen Angelegenheiten dar, die neben der Bewilligung den Abschluss einer Errichtungsvereinbarung voraussetzt, und die den Zugang aller Beteiligten zu den in der Ermittlungsgruppe gewonnenen Erkenntnissen erlaubt.
Aus der Definition ergeben sich drei wesentliche Konsequenzen: Erstens müssen der Errichtung einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe gegenseitige Rechtshilfeersuchen vorausgehen, die, um später Schwierigkeiten mit der Verwertung von Beweismitteln zu vermeiden, bereits erkennbare wesentliche zu erwartende Erkenntnisse skizzieren sollten. Der Vorteil gemeinsamer Ermittlungsgruppen liegt in der Folge darin, dass keine weiteren Rechtshilfeersuchen zum Austausch der gewonnenen Erkenntnisse erforderlich sind. Zweitens greifen die rechtshilferechtlichen Sicherungen: Maßnahmen, die im Wege der sonstigen Rechtshilfe nicht zulässig sind, können auch in einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe nicht ausgeführt werden. Drittens hat die Staatsanwaltschaft als zuständige Vornahmebehörde im Anschluss an die Bewilligung des Rechtshilfeersuchens die Errichtungsvereinbarung zu unterzeichnen und – aus deutscher Sicht – als Herrin des Ermittlungsverfahrens die Arbeiten der Gruppe zu leiten und zu verantworten.

Rechtsgrundlagen

Gemeinsame Ermittlungsgruppen sind durch Art. 13 EU-RhÜbk 2000 in den Fokus des Interesses gerückt. Es sind erstmals detaillierte Regelungen entworfen worden, die dadurch besondere Bedeutung erlangen, dass das Übereinkommen inzwischen in den meisten Mitgliedsstaaten der Europäischen Union in Kraft gesetzt worden ist.2 Da man befürchtete, dass bis zur Umsetzung des umfassenden EU-RhÜbk 2000 einige Zeit vergehen dürfte, wurden 2002 weitgehend deckungsgleiche Regelungen zu gemeinsamen Ermittlungsgruppen in einem Rahmenbeschluss vereinbart, der eine zügigere Behandlung in den Mitgliedsstaaten erlauben sollte.3 In Deutschland besteht nach Inkrafttreten des EU-RhÜbk 2000 am 02.02.2006 kein gesonderter Umsetzungsbedarf aus dem Rahmenbeschluss.
Art. 20 des Zweiten Zusatzprotokolls zum EuRhÜbk sieht gleichfalls die Errichtung gemeinsamer Ermittlungsgruppen vor. Das Protokoll ist von Deutschland bislang unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert worden4. Von Interesse ist jedoch, dass zum Beispiel Albanien, Israel und die Schweiz das Protokoll ratifiziert und damit im nationalen Recht die Möglichkeit zur Errichtung gemeinsamer Ermittlungsgruppen eröffnet haben. Russland hat dieses Protokoll nicht gezeichnet, aber gleichwohl gegenüber der EU Interesse an der Errichtung gemeinsamer Ermittlungsgruppen geäußert. Ob dies auf vertragloser Grundlage möglich sein kann und ob fehlende völkerrechtliche Grundlagen durch eine umfassende Errichtungsvereinbarung ersetzt werden können, wird im Einzelfall zu prüfen sein. Art. 24 Neapel II spricht in der deutschen Übersetzung von „gemeinsamen Ermittlungsteams„ und macht damit möglicherweise ungewollt einen Unterschied zu Art. 13 EU-RhÜbk 2000 deutlich. Diese Teams können nur im Anwendungsbereich von Neapel II, einem Übereinkommen zur zollrechtlichen Zusammenarbeit, errichtet werden. Die Teams sehen die Einbeziehung von Staatsanwälten und Beteiligten europäischer Organisationen nicht notwendig vor. Die Regelungen zur Verwertung der Beweismittel in den jeweiligen Ermittlungsverfahren sind in Art. 24 Neapel II nicht sehr detailliert. Die Rechte entsandter Mitglieder in anderen Teilnehmerstaaten werden unterschiedlich ausgestaltet. Eine Erwähnung finden gemeinsame Ermittlungsgruppen auch in Art. 19 des Übereinkommens der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität. (UNTOC). Das Übereinkommen ist für Deutschland am 14.06.2006 in Kraft getreten5. Die Regelung des Übereinkommens ist sehr kursorisch und fordert damit eine detaillierte Ausgestaltung der Zusammenarbeit in der Errichtungsvereinbarung. Auf dieser Grundlage ist bislang keine gemeinsame Ermittlungsgruppe errichtet worden.
Art. 5 des Vertrages zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika über die Rechtshilfe in strafrechtlichen Angelegenheiten sieht gleichfalls die Errichtung gemeinsamer Ermittlungsgruppen vor. Die Bestimmung wird in Art. 12 bis US-RhV, der noch nicht in Kraft getreten ist, umgesetzt.6 Die vertragliche Regelung ist sehr allgemein. Von Seiten des U.S. Department of Justice sind bislang noch keine Überlegungen zur praktischen Ausgestaltung gemeinsamer Ermittlungsgruppen gemacht worden. Verträge über die polizeiliche Zusammenarbeit mit Österreich7, der Schweiz8 und den Niederlanden9 sehen gleichfalls Zusammenarbeitsformen vor, die jedoch die polizeiliche Amtshilfe oder die Kriminalprävention betreffen. Auf diese Bestimmungen soll hier nicht näher eingegangen werden.
Das deutsche nationale Recht enthält in § 83k IRG eine Spezialregelung für gemeinsame Ermittlungsgruppen. In Absätzen 1 und 2 werden das Recht zur Teilnahme an einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe und zur Übertragung von Ermittlungsaufgaben auf deutschem Hoheitsgebiet geregelt. Wichtig ist insoweit, dass ausländische Beamte nur unter der Leitung eines deutschen Beamten, der jederzeit eingreifen können muss, handeln dürfen. Absätze 3 und 4 verhalten sich über die Verwertung der durch die Gruppe erlangten Informationen und Erkenntnisse. Weiterer Umsetzungsbedarf für die in völkerrechtlichen Verträgen eingegangenen Verpflichtungen besteht nicht.
Unabhängig von dieser Spezialregelung gelten die allgemeinen rechtshilferechtlichen und strafverfahrensrechtlichen Bestimmungen. Wesentlich ist zunächst, dass eine rechtshilferechtliche Maßnahme nur dann ergriffen werden darf, wenn sie notwendig und verhältnismäßig ist. Eine Vereinbarung, die lediglich dazu geschlossen wird, die Zusammenarbeit auszuprobieren oder die politische Bereitschaft zur Nutzung dieser neuen Zusammenarbeitsformen zu dokumentieren, ist damit nach deutschem Recht ausgeschlossen. Die Erfahrungen mit einer derart gewollten Ermittlungsgruppe zeigen, dass Aufwand und Ertrag, auch wenn man die gewonnenen Erfahrungen als Zusatznutzen wertet, nicht in angemessenem Verhältnis stehen. Bei der Bewilligung des Rechtshilfeersuchens sind § 73 IRG und insbesondere der allgemeine ordre public-Vorbehalt zu berücksichtigen. Ferner gelten die rechtshilferechtlichen Grundvoraussetzungen für einzelne Maßnahmen: Sind etwa für den Einsatz verdeckter Ermittler oder Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen besondere Voraussetzungen zu beachten, so gilt das auch, wenn diese Maßnahmen im Rahmen einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe durchgeführt werden sollen. Allgemein gilt, dass sich die einzelnen Maßnahmen der Mitglieder nach dem Verfahrensrecht an dem Ort der Handlung richten.
Die Richtlinien über den Verkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten (RiVASt) enthalten in der derzeitigen Fassung keine Bestimmungen zu gemeinsamen Ermittlungsgruppen. Es besteht Einvernehmen zwischen der Bundesregierung und den Landesregierungen, dass die Errichtung gemeinsamer Ermittlungsgruppen jedenfalls vorerst als Angelegenheit von besonderer Bedeutung nach Nr. 8 Abs. 1 der Zuständigkeitsvereinbarung10 anzusehen ist, so dass auch im Verkehr mit Mitgliedsstaaten der Europäischen Union schon bei Beginn der Planungen das Bundesamt für Justiz zu beteiligen ist. Damit soll sichergestellt werden, dass Erfahrungen an zentraler Stelle gesammelt werden können, auf die im Einzelfall auch zurückgegriffen werden sollte.
Europol und Eurojust haben eine Sammlung nationaler Vorschriften in der Europäischen Union erstellt. Diese Sammlung liegt auf einer CD vor und ist noch nicht im Internet zugänglich. Der besondere Nutzen liegt darin, dass schon im Planungsstadium berücksichtigt werden kann, was im Ausland möglich ist. Die Ermittlungstaktik kann und muss darauf abgestellt werden.

Errichtungsvereinbarung

Die Erarbeitung einer Errichtungsvereinbarung stellt die größte administrative Herausforderung zu Beginn der Zusammenarbeit dar. Um die Verhandlungen zu erleichtern, sind verschiedene Mustervereinbarungen entwickelt worden. Das bedeutendste Muster ist in der Empfehlung des Rates vom 08. Mai 2003 zu einem Modell für eine Vereinbarung über die Bildung einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe enthalten11. Ausgehend davon wurde im bilateralen Verkehr zwischen Deutschland und Frankreich im Jahr 2006 ein Modell entwickelt, das auf die jeweiligen nationalen Besonderheiten zugeschnitten ist12. Es ist beabsichtigt, gemeinsam mit Italien ein vergleichbares, im bilateralen Verkehr gebräuchliches Muster zu entwickeln. Die Darstellung orientiert sich im Folgenden an diesen Mustern.Vielfach wird eine KISS-Formel propagiert: Keep it short and simple. Finnische Praxis ist es, lediglich grundlegende Erwägungen in die Vereinbarung aufzunehmen und Detailfragen in einer geheimen Zusatzabsprache zu regeln. Vor dem Hintergrund der in Deutschland geltenden Regelungen zur Aktenführung und Akteneinsicht in Strafsachen scheint diese Praxis nicht zulässig.

Vertragsparteien
Vertragspartei ist, wer die Ermittlungen im Einzelfall verantwortlich leitet. Diese Kompetenz richtet sich nach dem jeweiligen nationalen Recht der Vertragspartei. Nach deutschem Verständnis hat die Staatsanwaltschaft eine umfassende Leitungskompetenz, die alle Maßnahmen und damit auch die Errichtung gemeinsamer Ermittlungsgruppen umfasst. In fremden Rechtsordnungen können die Kompetenzen anders verteilt sein. Beispiel dafür ist der Ermittlungsrichter nach französischem Vorbild, der formal Vertragspartei würde. Denkbar ist auch eine Lösung, nach der bestimmte Maßnahmen vom Justizministerium verantwortet werden, wie dies zum Beispiel derzeit in Italien und Portugal der Fall ist.
Davon zu unterscheiden ist die nach internem Recht zu beantwortende Frage, ob weitere Stellen zu beteiligen sind. In Deutschland ist das Bundesamt für Justiz zu unterrichten. In elf anderen Mitgliedstaaten der EU sind das Justizministerium oder die Generalstaatsanwaltschaft zu beteiligen. Andere Staaten sehen keine Mitwirkung zentraler Behörden vor.

Zweck
In der Errichtungsvereinbarung ist der Zweck der gemeinsamen Zusammenarbeit festzulegen. Der zu ermittelnde Sachverhalt ist dabei möglichst konkret zu umschreiben. Grund dafür ist zunächst, dass den Mitgliedern der Gruppe bei Ihrer Arbeit Rechte auf fremdem Hoheitsgebiet zugebilligt werden, deren Grenzen bestimmt sein müssen. Zudem erlaubt die Zusammenarbeit, Ergebnisse der gemeinsamen Ermittlungen ohne zusätzliche Rechtshilfeersuchen im nationalen Strafverfahren zu nutzen. Eine zu allgemeine Formulierung könnte diese Verfahrenserleichterung unzulässig machen. Letztlich wird eine Erfolgskontrolle der Zusammenarbeit, die für eine Verlängerung und die laufenden strategische Planung von immenser Bedeutung sind, nur dann möglich, wenn Ziele genau umschrieben werden können.

Geplante Ermittlungsmaßnahmen
Am Anfang jeder Ermittlung stehen taktische Überlegungen, die Richtung, Maßnahmen und Personaleinsatz planen. Gleiches gilt auch für gemeinsame Ermittlungsgruppen: Bereits im Vorfeld ist eine Verständigung darüber erforderlich, welche Schritte zunächst unternommen werden sollen. Gerade das macht die Kooperation, die in den beteiligten Staaten Eingriffe in die Hoheitsrechte bewirkt, erst vorhersehbar. Dass eine Planung laufend dem neuesten Erkenntnisstand anzupassen ist, ist selbstverständlich und im Rahmen einer Vereinbarung regelmäßig einfach möglich. Lediglich einen Katalog aller denkbaren Maßnahmen aus den jeweiligen Strafprozessordnungen abzuschreiben genügt einer ausreichenden Vorplanung weder in rein nationalen Verfahren noch bei internationaler Zusammenarbeit.
Vereinbart werden kann an dieser stelle auch, ob und durch wen Rechtshilfeersuchen an dritte Staaten, die nicht an der Gruppe beteiligt sind, gestellt werden sollen. Grundsätzlich reicht ein Ersuchen der gemeinsamen Ermittlungsgruppe aus, das zur Vermeidung von Spezialitätsproblemen ausdrücklich die Verwendung der Unterstützung in allen Ermittlungsverfahren der beteiligten Staaten erbitten sollte.

Dauer
Die Dauer einer solchen Zusammenarbeit ist begrenzt. Nach den bisher gewonnenen Erfahrungen bietet sich eine Überprüfung nach sechs, spätestens acht Monaten an. Nach diesem Zeitpunkt ist eine erste Erfolgskontrolle möglich, lässt sich aufgrund der Ergebnisse feststellen, ob eine weitere Zusammenarbeit die nationalen Ermittlungen noch optimal fördert, lassen sich die geplanten Maßnahmen aktualisieren und der möglicherweise geänderte Personalbestand und -bedarf anpassen.

Leiter und Mitglieder
Jeder teilnehmende Staat bestimmt eine Leiterin oder einen Leiter der Gruppe. Auf deutscher Seite wird dies regelmäßig der Staatsanwalt sein, der die Verantwortung für die Ermittlungen trägt. Gerade im Hinblick auf die Bedeutung einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe, die in der Praxis große personelle Kapazitäten bindet und den Gang der nationalen Ermittlungen weitgehend bestimmen wird, und im Hinblick darauf, dass gemeinsame Ermittlungsgruppen bei Straftaten von besonderer Bedeutung errichtet werden, ist eine Übertragung der Leitung auf einen Polizeibeamten meist nicht opportun.
In der Praxis werden die Arbeiten tatsächlich von der Führungsperson geleitet, in deren Staat die Gruppe agiert. Wird also eine Zwangsmaßnahme auf deutschem Hoheitsgebiet durchgeführt, geschieht dies unter der Aufsicht und Verantwortung des deutschen Leiters oder der deutschen Leiterin.
Die Zahl der Mitglieder der Gruppe sollte auf das erforderliche Maß beschränkt werden. Nur die Personen sind zu benennen, die tatsächlich benötigt werden und die bestimmte Aufgaben übernehmen sollen. Diese Beschränkung dient der Reduzierung des personellen und finanziellen Aufwandes und der Effizienzsteigerung für die Gruppe. Denn zum einen ist Grundlage der Zusammenarbeit die Kenntnis des Verfahrensrechts am Einsatzort. Daher ist zunächst eine allgemeine Einweisung erforderlich, die Zeit in Anspruch nimmt. So begann in einem Fall ohne deutsche Beteiligung die Zusammenarbeit mit einer zweiwöchigen Schulung. Daneben ist eine Gewöhnung an die gemeinsame Arbeitssprache nötig. Und nicht zuletzt setzt eine erfolgreiche Zusammenarbeit ständigen Informationsaustausch und regelmäßige Absprachen voraus. Wenn Videokonferenztechnik nicht zur Verfügung steht oder nicht ausreicht, fallen Reisekosten und -zeiten für jedes Mitglied an.
Das schließt es nicht aus, dass weitere nationale Ermittler zur Erledigung begrenzter Aufgaben herangezogen werden, wenn für diese Aufgabe nicht die Einbindung in das Gesamtgeschehen der Gruppe und in die internationalen Absprachen erforderlich ist. Auch insoweit gleicht die gemeinsame Ermittlungsgruppe einer großen nationalen Ermittlungseinheit, bei der auch nicht alle Beamten in der Führungsgruppe beteiligt sind.

Weitere Teilnehmer
Gemeinsame Ermittlungsgruppen werden in Fällen grenzüberschreitender Kriminalität eingesetzt. Damit können auch die besonderen Fähigkeiten supranationaler Organisationen Bedeutung erlangen. Das gilt zunächst für Eurojust. Die nationalen Mitglieder von Eurojust und deren Stellvertreter können die Zusammenarbeit gerade im Errichtungsstadium durch ihre besonderen Kenntnisse erleichtern und bei strittigen Fragen vermitteln. Eurojust kann Räumlichkeiten und technische Ausstattung für Sitzungen stellen. Diese wichtige Rolle spiegelt sich in der Verpflichtung aus § 6 EurojustG für die beteiligte deutsche Staatsanwaltschaft wieder, Eurojust über die Planungen zu unterrichten. Die Hilfestellung durch Eurojust ist nicht von einer formalen Stellung als Teilnehmer der Gruppe abhängig.
Europol kann im Rahmen der Zuständigkeiten nach Art. 2 EuropolÜbk die Errichtung einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe anregen, Art. 3b EuropolÜbk, bei der Ausgestaltung der Errichtungsvereinbarung Hilfe leisten, förmlich Mitglieder einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe stellen oder an den gemeinsamen Ermittlungen teilnehmen, Art. 3a EuropolÜbk. Die Teilnahme bietet vor allem Vorteile bei der operationellen Unterstützung, der Analyse von Daten und der Beschaffung ergänzender Grundlagenerkenntnisse. Mitarbeiter von Europol werden in den Grenzen des Rechts am jeweiligen Handlungsort tätig; eine Teilnahme an Zwangsmaßnahmen ist nicht zulässig.
OLAF, die Betrugsbekämpfungsbehörde der Europäischen Union, stellt nach deutschem Verständnis keine Justizbehörde dar, die strafrechtliche Verfahren führt. Ein Rechtshilfeverkehr mit OLAF ist nicht möglich. Daher kann OLAF kein förmliches Mitglied einer Gruppe sein.

Rechte der entsandten Mitglieder
In der Errichtungsvereinbarung sollten die Rechte entsandter Mitglieder der Ermittlungsgruppe auf fremdem Hoheitsgebiet festgelegt werden. Der maximale Umfang möglicher Handlungen wird durch das Recht am Handlungsort festgelegt. Ein deutscher Beamter wird auch im Ausland keine Maßnahmen ergreifen, die ihm im Inland nicht gestattet sind. Gerade um Unsicherheiten für die beteiligten Beamten, die den Erfolg eines gemeinsamen Einsatzes gefährden könnten, auszuschließen sollte vorab geklärt werden, welche genauen Regelungen gelten.

Organisatorische Rahmenbedingungen
Regelmäßig wird für eine Gruppe ein gemeinsamer Sitz festzulegen sein, an dem zentral die Ermittlungen koordiniert werden und an dem alle Beweismittel zugänglich sind. Das schließt nicht aus, dass einzelne Maßnahmen in anderen Staaten geplant und geleitet werden. Zu klären ist, wer für die Räumlichkeiten und die technische Ausstattung Sorge trägt und wer sich in welchem Umfang an den Kosten beteiligt.
Bei der Nutzung technischer Ausstattung ist auf deren Kompabilität zu achten. In Deutschland dürfte beispielsweise die Nutzung ausländischer Funkgeräte nicht sinnvoll sein, da damit ohne aufwändige technische Maßnahmen nicht das deutsche Funknetz genutzt werden kann. Der Einsatz von GPS-Sendern sollte so geplant werden, dass die Signale von allen beteiligten Einheiten verfolgt werden können. Die zur Auswertung genutzte Software sollte bei allen beteiligten Dienststellen vorhanden sein.
Die Errichtungsvereinbarung kann Regelungen zum Mitführen von Waffen auf fremdem Hoheitsgebiet enthalten. Die rechtliche Grundlage für das Tragen von Dienstwaffen ergibt sich aus dem Recht des Handlungsortes. Das deutsche Waffengesetz ist nach § 55 Absatz 3 WaffG nicht anwendbar auf Bedienstete anderer Staaten, die dienstlich mit Waffen oder Munition ausgestattet sind, wenn diese Bediensteten auf Grund einer konkreten Anforderung oder einer allgemeinen Zustimmung einer zuständigen inländischen Behörde oder Dienststelle tätig werden. Damit kann die in die Ermittlungsgruppe eingebundene Polizeibehörde über das Tragen von Waffen entscheiden. Sonderregelungen zu diesem Punkt können sich in bilateralen Polizeiverträgen finden. Von der Möglichkeit, Waffen auf fremdem Hoheitsgebiet zu tragen, sollte nur zurückhaltend Gebrauch gemacht werden. Denn auch die rechtlichen Regeln zum Einsatz der Waffen folgen dem Recht des Handlungsortes, das den handelnden Beamten möglicherweise gerade in einer Notfallsituation nicht hinreichend geläufig ist.
Die Vereinbarung sollte eine Bestimmung zur Arbeitssprache, in der sich die Mitglieder der Gruppe verständigen, enthalten. Ferner ist zu regeln, in welcher Sprache die Akten der Ermittlungsgruppe geführt werden. In diese Sprache sind regelmäßig alle Unterlagen und Beweismittel zu übersetzen, um zu gewährleisten, dass alle Gruppenmitglieder auf dem gleichen Kenntnisstand sind. Vernehmungen, die in anderen Sprachen geführt werden, sind gleichfalls zu übersetzen. Über die Verteilung der entstehenden Kosten ist bereits bei Errichtung der Gruppe eine Einigung zu finden.

Sonstiges
Die Teilung von sichergestellten und eingezogenen Werten könnte in einer Errichtungsvereinbarung geregelt werden. Derzeit fehlt im deutschen Recht jedoch noch eine Rechtsgrundlage für ein asset sharing.
Falls absehbar ist, dass in mehreren Staaten eine internationale gerichtliche Zuständigkeit zur Verhandlung des Strafverfahrens gegen einen Beschuldigten besteht, sollte möglichst frühzeitig eine Abstimmung zu der Frage herbeigeführt werden, wo Anklage erhoben wird. Dadurch wird einerseits Doppelarbeit vermieden, andererseits kann bei der Beweiserhebung auf strafverfahrensrechtliche Besonderheiten dieses Staates in größerem Maße Rücksicht genommen werden.
Wenn besondere Maßnahmen geplant werden, deren verfahrensrechtliche Grundlagen unterschiedlich sind, sollte auch dazu eine Absprache getroffen werden. Das gilt beispielsweise für die Durchführung einer Telekommunikationsüberwachung, die nicht in jeder Rechtsordnung und in jedem Verfahren zulässig ist, und bei der die Datenübermittlung an andere Staaten an bestimmte datenschutzrechtliche Voraussetzungen geknüpft werden kann.

Erfahrungen

Zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind inzwischen etwa vierzig gemeinsame Ermittlungsgruppen errichtet worden. Deutschland ist an fünf bilateralen Vereinbarungen mit der Slowakei, den Niederlanden, Frankreich und Bulgarien beteiligt. Das ermöglicht es, eine erste Bewertung vorzunehmen. Ein Erfahrungsaustausch erfolgt zudem auf europäischer Ebene im Europäischen Netzwerk der Kontaktstellen für Gemeinsame Ermittlungsgruppen. Deutsche Kontaktstelle ist im Bereich der Justiz

Dr. Ralf Riegel
Bundesamt für Justiz
Telefon 0228/99 410 5329
E-Mail Ralf.Riegel@bfj.bund.de

und im Bereich der Polizei
Sabine Wenningmann, Bundeskriminalamt.

Aufgabe der Kontaktstellen ist es auch, bei der Errichtung gemeinsamer Ermittlungsgruppen Unterstützung zu leisten und Fragen zu beantworten.
Die Erfahrungen, die in den letzten Jahren in Deutschland und in den übrigen Mitgliedsstaaten der EU mit gemeinsamen Ermittlungsgruppen gemacht wurden, sind weitgehend positiv. Das Instrument wird bislang vor allem im Terrorismusbereich und zur Bekämpfung der Betäubungsmittel- und Schleusungskriminalität eingesetzt. Gruppen mit mehr als zwei teilnehmenden Staaten sind selten. Der mit der Errichtung und Führung einer Gruppe verbundene Aufwand ist, so die Erfahrung in allen Mitgliedsstaaten der EU, hoch. Zwar kann eine sorgfältige Planung die Arbeit der Gruppe erleichtern. Insbesondere eine konkrete Formulierung der Aufgaben, der geplanten Maßnahmen und der Ziele der Gruppe in der Errichtungsvereinbarung bildet ein solides Fundament für den späteren Einsatz. Am Anfang der ermittlungstaktischen Planung muss jedoch die Frage stehen, ob die Ziele mit dieser oder einer anderen, klassischen Methode der internationalen Rechtshilfe leichter zu erreichen sind. Wiederholt wurde die Erfahrung gemacht, dass bei politisch gewollten Leuchtturmprojekten Aufwand und Ertrag nicht in angemessenem Verhältnis stehen. Die Auswahl der Mitglieder der gemeinsamen Ermittlungsgruppe sollte sorgfältig vorgenommen werden. Dabei ist neben fachlichen und kommunikativen Fähigkeiten auch auf Sprachkenntnisse Wert zu legen. Bei Arbeitstreffen und insbesondere bei gemeinsamen Maßnahmen im Ausland muss eine adäquate Verständigung auch ohne Dolmetscher gewährleistet sein, um koordinierte Zusammenarbeit zu ermöglichen und Gefahren für die teilnehmenden Beamten oder die Ermittlungen zu vermeiden. Die Ermittlungsverfahren in den beteiligten Staaten sollten sich in einem vergleichbaren Stadium befinden. Der Wunsch einer Seite, Anklage zu erheben, kann auf den Umfang und die Tiefe der übrigen Ermittlungen Einfluss nehmen und Differenzen auslösen. Wird das erste Verfahren abgeschlossen, so werden regelmäßig alle Ergebnisse der gemeinsamen Ermittlungsgruppe dem Gericht und dem Beschuldigten offen gelegt. Weitere Ermittlungen können dadurch gefährdet werden. Erfahrungen haben gezeigt, dass eine gemeinsame Ermittlungsgruppe schon in einem sehr frühen Stadium der Ermittlungen eingesetzt werden kann. Zwar wird der Auftrag der Gruppe dann noch nicht sehr genau umrissen werden können, aber die gemeinsame Überlegungen und arbeitsteiligen Maßnahmen können frühzeitig eine Effizienzsteigerung der Arbeiten bewirken.

Fazit

Eine gemeinsame Ermittlungsgruppe erhöht die Effizienz der Arbeit und hilft, Doppelermittlungen zu vermeiden. Der Verfolgungsdruck, den die Täter aus allen beteiligten Staaten spüren, steigt. Über den Einzelfall hinaus wird die internationale strafrechtliche Zusammenarbeit verbessert, Berührungsängste werden abgebaut und Kontakte geknüpft. Die beteiligten Ermittler werden durch die gemeinsame Arbeit und durch die Möglichkeit, über den Tellerrand deutscher Ermittlungspraxis hinausblicken zu können, weiter qualifiziert. Nachteile sind die hohen Kosten und der administrative Zusatzaufwand. Diese Nachteile werden sich reduzieren, wenn mehr Erfahrungen mit dem neuen Instrument vorliegen. Möglicherweise wird es künftig auch zusätzliche Fördermittel aus einer Kasse der Europäischen Union für gemeinsame Ermittlungsgruppen geben.
Gemeinsame Ermittlungsgruppen sind weder ein Königsweg, der künftig jeden Rechtshilfeverkehr obsolet machen wird, noch besteht Anlass zu Berührungsängsten gegenüber dieser Form der Kooperation. Es gibt zwischen den verschiedenen Formen der Rechtshilfe keine Rangordnung. Es wird immer Aufgabe der Leiter der Ermittlungen sein, unter Berücksichtung der völkerrechtlichen und der nationalen Rechtsgrundlagen in allen beteiligten Staaten festzustellen, auf welche Weise im konkreten Einzelfall am einfachsten, schnellsten und effektivsten die Unterstützung geleistet werden kann, die zum Erfolg der Ermittlungen erforderlich ist. Dabei wird jedenfalls zunächst eine gemeinsame Ermittlungsgruppe eher bei Fällen schwerer grenzüberschreitender Straftaten etwa in den Bereichen des Terrorismus, der Drogen- oder Schleusungskriminalität oder anderen vergleichbaren Taten erwogen werden.

Fußnoten:

1 Eine Ausnahme kann insbesondere ein Ermittlungsteam nach Art. 24 Neapel II darstellen; vgl. dazu unten 2.
2 Noch nicht in Kraft in Griechenland, Irland, Italien, Malta.
3 Rahmenbeschluss vom 13. Juni 2002 über gemeinsame Ermittlungsgruppen, Amtsblatt C 162 vom 20.06.2002, S. 1.
4 Vgl. zum aktuellen Stand der Zeichnung und des Inkrafttretens www.conventions.coe.int.
5 Vgl. zum aktuellen Stand der Zeichnung und des Inkrafttretens www.unodc.org.
6 BTDrs. 16/4377
7 Art. 19 Vertrag vom 10. November und 19. Dezember 2003 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zur polizeilichen Gefahrenabwehr und in strafrechtlichen Angelegenheiten (BGBl. 2005 II S. 85, 1307).
8 Art. 20 Vertrag vom 27. April 1999 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit (BGBl. 2001 II S. 946); Art. 22 des Abkommens vom 26.Oktober 2004 über die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedsstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits zur Bekämpfung von Betrug und sonstigen rechtswidrigen Handlungen, die ihre finanziellen Interessen beeinträchtigen (BGBl. 2008 II S. 182).
9 Art. 19 Vertrag vom 2. März 2005 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit und die Zusammenarbeit in strafrechtlichen Angelegenheiten (BGBl. 2006 II S. 194).
10 Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Landesregierungen über die Zuständigkeit im Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten vom 28. April 2004.
11 Amtsblatt C 121 vom 23.05.2003, S. 1.
12 Das Modell ist über die Landesjustizverwaltungen oder das Bundesamt für Justiz zugänglich.