Kolumne

Die amerikanisch-iranischen Beziehungen

– ein Blick in die Zukunft

von Dr. Marwan Abou-Taam, Mainz

Dr. Marwan Abou-Taam

Seit dem 11. September 2001 und mit dem darauf folgenden Krieg gegen den Terror haben sich die Verhältnisse im Nahen Osten fundamental verschoben. Zunehmend kristallisiert sich ein neuer regionaler Spieler heraus, der vom amerikanischen Kampf gegen den Terror nicht nur profitiert hat, sondern es geschafft hat, sich als Hauptfigur im Kampf um einen stabileren Nahen-Osten darzustellen. Es ist der Iran, der seine beiden Hauptfeinde dank den Amerikanern verloren hat. Der Niedergang der Taliban, die Zerstörung des Saddamregimes und die Schwächung der Araber, die für die Unterstützung der al Qaida politisch abgestraft worden sind, ließen den iranischen Stern aufgehen. Die iranische Führung pokert um ihre neue Rolle als Ordnungsmacht im Nahen Osten sehr hoch und hat sehr gute Karten. Der Iran kommuniziert in die islamische Welt durch seine offene Unterstützung für Hamas und Hisbollah, sowie durch eine kluge antiwestliche Propaganda, seine Rolle als Beschützer islamischer Interessen gegen einen empfundenen Neo-Kolonialismus des Westens. Dies tat er mit Erfolg, jedoch führte die „öffentliche„ Hinrichtung von Saddam Hussein zum Opferfest durch das schiitisch dominierte Regime im Irak dazu, dass sich die mehrheitlich sunnitische arabische Straße zunehmend vom mehrheitlich schiitischen Iran distanziert.

Die Initiierte Hinrichtung von Saddam muss mit vielen Fragezeichen versehen werden. Musste er wirklich am höchsten Feiertag des Islams gehängt werden? Wussten die Verantwortlichen nicht, dass dieser Feiertag die Abschaffung des Menschenopfers symbolisiert? Saddam Husseins letzten Worte waren „Es gibt keinen Gott außer Allah„. Den zweiten Teil des islamischen Glaubensbekenntnis „Mohamad ist sein Prophet„ ließ man ihn nicht aussprechen. Was für europäische Ohren peripher ist, ist für Muslime skandalös, denn es bestätigt vorherrschende Verschwörungstheorien, wonach die Amerikaner den Islam bekämpfen. Ehemalige Gegner von Saddam reiten nun auch diese Welle. Auf islamistischen Internetforen wird er zum Beschützer des Islams aufgewertet. Ahnte man diese Folge wirklich nicht? Damit ist aus dem Massenmörder eben ein Märtyrer für die Sunniten geworden. Anhänger pilgern zum Grab in seinem Heimatdorf und schwören Rache, während seine ehemaligen Opfer seine Hinrichtung feiern. Eine Versöhnungspolitik im Irak ist derzeit undenkbar. Ethnische und konfessionelle Gräben wurden tiefer. Für die Stabilität des gesamten Nahen Ostens könnte das verheerende Auswirkungen haben, denn diese Region der Welt ist ein ethnisch-religiöser Fleckenteppich.

Die US-amerikanische Administration hat noch nicht verstanden, wie der Orient funktioniert. Die Basarmentalität ihrer Verbündeten Regierungen nutzte ihnen bislang nicht, vielmehr wurden sie in dort vorherrschenden Konflikten eingebunden, von denen sie nicht mal ahnten, dass sie existieren. Die Großmachtallüren nutzen der Besatzungsmacht im Irak nicht viel, denn die notwendige Legitimität und die damit in Verbindung stehende Autorität fehlen den USA. Bei den Vorbereitungen für die Irakinvasion verließ man sich auf seine hochentwickelte Waffentechnologie und auf den Rat weniger Verbündeter, die nur die halbe Wahrheit verrieten. Sie sagten dem Präsidenten, dass die Mehrheit der irakischen Bevölkerung Saddam hasst. Das stimmte zweifellos, aber genau so richtig ist die Tatsache, dass die Mehrheit der Iraker, die USA noch mehr hassen. Im Nahen und Mittleren Osten ist alles mit allem verbunden.

Das arabische Gedächtnis ist sehr selektiv aber besonders geprägt durch das arabisch-israelische Trauma. Die USA werden als Schutzmacht für Israel verstanden, damit verlieren sie an Legitimität, zumal jeder in der arabischen Welt weiß, dass arabische Diktatorenregime lange von den USA unterstützt worden sind und manche noch unterstützt werden. Die Amerikaner liefern ausreichend Argumente für ihre Gegner. Das Ergebnis ist ein Desaster für den Irak. Dort tobt ein Bürgerkrieg. Die USA mussten ihre Niederlage zugestehen und erkennen, dass moderne Kriegstechnologien im Nahen Osten zerstören aber keinen Sieg herbeiführen können. Dafür mussten sie eine umfangreiche Iraq Study Group einrichten, die Monate lang tagte, Unsummen verschlang und hohe Erwartungen weckte. Ihre Empfehlungen beinhalteten eigentlich nichts neues, außer die Erkenntnis, man solle das Spiel nach den orientalischen Spielregeln spielen, die eigenen Partner ernster nehmen und die Gegner nicht unterschätzen.

Staaten kennen keine Gefühle, Staaten haben Interessen. Interessen kennen ihrerseits weder Hass noch Liebe, so dass die Kunst der Diplomatie darin besteht, möglichst „preisgünstig„ die eigenen politischen, wirtschaftlichen und geostrategischen Interessen durchzusetzen. Arabische Monarchien und Erbrepubliken beschränken ihre Interessen auf Machterhalt für den eigenen Clan. Damit stehen Stammes- und nicht Staatsinteressen im Vordergrund. Langfristig angelegte Strategien und Visionen sucht man dort meistens vergeblich. Das macht sie flexibel, ungreifbar und vor allem unzuverlässig. Dazu kommt, dass die meisten arabischen Regime schwach sind und der islamistischen Gegenelite nichts entgegenstellen können. Es ist davon auszugehen, dass der Islamismus dort in den nächsten Jahren an Stärke zunehmen und viele Regime in ihrer Existenz maßgeblich gefährden wird.

Lediglich Israel, die Türkei und der Iran sind im Nahen Osten Nationen mit Ambitionen. Sie haben strategische Interessen und suchen Mittel und Möglichkeiten, diese zu erreichen. Die ersten beiden sind enge Verbündete der USA. In einer neuen geostrategischen Situation werden auch amerikanische und iranische Interessen sich überlappen. Das führt wahrscheinlich dazu, dass der Iran wieder eine zentrale Rolle spielen wird bei der Neuordnung einer Region, die von Außen kaum kontrollierbar ist, für die USA aber eine wichtige geostrategische Funktion hat. Eine iranisch-amerikanische stillschweigende Kooperation gab es sowohl während des Afghanistankrieges gegen die Taliban und Al Qaida als auch in Vorbereitung des Irakkrieges. Die USA werden langfristig den Iran für sich gewinnen müssen. Der Iran kennt seine mögliche Rolle, läuft jedoch Gefahr mit seiner Atompolitik, sich zu überschätzen. Obwohl der Iran Teil der Region und damit Teil der dort vorherrschenden Mentalität ist, gelingt es ihm kaum, die emotionalen Ausbrüche zu händeln und seine Pläne auf das sensible System von staatlichen Interessen und emotionalen Verwundbarkeiten einzustimmen.

Für Demokratien, die ihre Politik innenpolitisch legitimieren müssen, ist es umso komplizierter. Der Nahe Osten ist wie Treibsand, denn dort sind Bündnisse nicht viel Wert und strategische Rahmenbedingungen ändern sich so schnell, dass die Lösung eines Problems stets ein neues Problem darstellt. Das ist das Dilemma der Amerikaner.