Editorial September 2006
Liebe Leserin, lieber Leser,
Herbert Klein, Kriminaldirektor, LKA Rheinland-Pfalz, Chefredakteur
Geblieben ist der Alltag und damit auch Phänomene wie „Zwangsprostitution und Menschenhandel“. Heidemarie Rall, Kriminalhauptkommissarin beim Bundeskriminalamt hat mit ihrem Lagebeitrag in der Ausgabe 2/2006 „Menschenhandel in Deutschland“ einen Einblick in die aktuelle Lage aus der polizeilichen Perspektive vermittelt. Damit hat sie zweifellos auch zu einer Versachlichung einer teilweise überzeichneten Diskussion beitragen können, wenngleich es sich nach wie vor um eine überaus ernst zu nehmende Problematik handelt.
An dieser Stelle knüpfen die Beiträge von Dr. phil. Markos Maragkos, Diplom-Psychologe an der Ludwig-Maximilians-Universität München, und Erster Kriminalhauptkommissar Heinrich Minzel, Kriminalkommissariat 12 beim Polizeipräsidium Dortmund, an.
Dr. Markos Maragkos befasst sich in seinem Beitrag mit der „Vernehmung traumatisierter Opfer“. Er beschreibt die Situation des Opfers während seiner Vernehmung aus klinisch-psychologischer Sicht. Einleitend werden die Begriffe „Trauma“ und „Traumatisierung“, so wie sie in der Klinischen Psychologie und den entsprechenden Klassifikationssystemen definiert sind, dargestellt und erläutert. Dabei ist es ihm wichtig, den Begriff „traumatisches Ereignis“ nur für solche Situationen zu reservieren, die mit drohendem Tod oder ernsthafter Verletzung der eigenen oder einer fremden Person einhergehen. Der Betroffene reagiert mit intensiver Angst, Hilflosigkeit oder Entsetzen. Die Folgen bei den Opfern sind Erinnerungslücken oder fragmentarische Erinnerungen. Auch können Aussagen zerfahren und inhaltlich inkonsistent erscheinen, was nicht zwingend die Glaubwürdigkeit des Opfers in Frage stellt. Abschließend werden Möglichkeiten und Strategien dargestellt, welche die Arbeit des vernehmenden Beamten erleichtern und gleichzeitig das Opfer stabilisieren sollen.
Kollege Minzel stellt das „Dortmunder Modell“ vor, in dessen Mittelpunkt die gewerberechtliche Anmeldung und Konzessionierung von Prostitutionsstätten steht. Bereits 1995 hat man beim Polizeipräsidium Dortmund die Bekämpfung der Kriminalität rund um das „Rotlicht“, insbesondere die Delikte „Menschenhandel“ und „illegaler Aufenthalt durch Ausübung der Prostitutionstätigkeit“, als besonderes Ziel definiert.
Die entsprechende Konzeption führte nach ersten Razzien und zahlreichen Festnahmen von Prostituierten zu konkreten Hinweisen auf schweren Menschenhandel. Die „Dortmunder Mitternachtsmission“, eine Beratungsstelle für Opfer von Menschenhandel, wurde eingebunden. Nach kurzer Zeit entwickelte sich ein „Runder Tisch“, an dem neben Vertretern der Staatsanwaltschaft, der Polizei und der Dortmunder Mitternachtsmission auch das Ausländer-, das Ordnungs- und das Sozialamt sowie soziale bzw. beratende Einrichtungen teilnahmen. Maßnahmen gegen Bordellbetriebe, Wohnungs- und Straßenprostitution werden seither durch alle Beteiligte abgestimmt und umgesetzt. Kollege Minzel schließt mit der Feststellung, dass nur durch ständige Präsenz und Kontrollen im Milieu das „Dortmunder Modell“ erfolgreich weitergeführt werden kann.
Am 14. Dezember 2004 hat in Berlin das neue Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) seine Arbeit aufgenommen. Seither arbeiten dort Spezialisten von Polizei und Nachrichtendiensten aus Bund und Ländern eng zusammen, um den Gefahren des internationalen Terrorismus wirksamer begegnen zu können. Vor diesem Hintergrund ist zweifellos die Beantwortung der Frage von Interesse, ob es sich bei dem sogenannten Trennungsgebot von Polizei und Nachrichtendiensten lediglich um ein politisches Schlagwort oder eine verfassungsrechtliche Vorgabe handelt. Regierungsdirektor Dr. jur. Jens Singer, Bundeskanzleramt, hat sich in seinem Beitrag mit diesem Problem auseinander gesetzt.
Generalstaatsanwalt Klaus Pflieger und Oberstaatsanwalt Armin Striewisch, Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart, stellen in ihrem Beitrag „Neue Kronzeugenregelung?“ die aktuelle Rechtslage dar. Ihr Fazit: Die Wiedereinführung der Kronzeugenregelung für terroristische Delikte und Straftaten der organisierten Kriminalität ist – insbesondere zur Abwehr drohender Attentate des islamistischen Terrorismus – dringend geboten. Im Übrigen sollte sie – wie in dem Gesetzentwurf vom 13. Januar 2004 vorgesehen – zumindest auf vergleichbare Straftaten der allgemeinen Kriminalität ausgedehnt werden.
Dr. Harald Olschok, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen e. V. (BDWS), Bad Homburg, informiert unter der Überschrift „Sicherheitsgewerbe in Deutschland: Bestandsaufnahme und Ausblick“ insbesondere über die Aufgaben und Entwicklungen in diesem Bereich. Von besonderem Interesse sind zweifellos Fragen der Zusammenarbeit zwischen Polizei und Sicherheitsgewerbe, beispielsweise auch im Rahmen der WM 2006. Denn trotz einer bereits über Jahre zurück reichenden Zusammenarbeit sehen Kritiker Entwicklungen, die auch das von der Polizei ausgeübte Gewaltmonopol beeinträchtigen können.
Herbert Klein
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