Organisierte Kriminalität

Das Kooperationskonzept Rheinland-Pfalz

Das Kooperationskonzept Rheinland-Pfalz als wirksames Mittel zur Bekämpfung des Menschenhandels

Von Karl-Otto Dornbusch, Polizeidirektor, Landeskriminalamt Mainz

Vorbemerkung

Mit dem Tag der so genannten Osterweiterung der EU am 01.05.2004 erhielten zehn ost- und mitteleuropäische Staaten die Vollmitgliedschaft in der EU. Dieser bedeutende Schritt in Richtung der europäischen Einigung gab den Bürgern durch den Status eines EU-Bürgers sowie auch der Wirtschaft neue Zukunftsperspektiven.
Mit gleichem Datum wurden jedoch auch die westeuropäischen Länder für die kriminellen Machenschaften von Menschenhändlern und Schleusern deutlich attraktiver. Die Einwohner der mittel- und osteuropäischen Staaten haben nunmehr die Möglichkeit sich legal über einen längeren Zeitraum im gesamten Bereich der EU und damit auch in Deutschland aufzuhalten. Das Gefälle von Arm und Reich wird nicht mehr durch Ländergrenzen behindert. Diese neue Situation eröffnete der genannten Klientel deutlich verbesserte Möglichkeiten der Gewinnmaximierung bei gleichzeitiger Senkung des Strafverfolgungsrisikos.


Karl-Otto Dornbusch,
Polizeidirektor,
Landeskriminalamt Mainz

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit effektiven Verfolgungsmöglichkeiten des Menschenhandels. Trotz vieler Parallelen zur Schleuserkriminalität bleibt dieses Deliktsfeld jedoch bei der nachfolgenden Betrachtung außer Acht.
Menschenhandel ist seit vielen Jahren ein Verbrechen, das der organisierten Kriminalität (OK) zugerechnet wird. Die Beweisführung ist jedoch extrem schwierig, da die Abschottungsmechanismen hervorragend funktionieren. Die Opfer werden durch entsprechende Konditionierung mundtot gemacht. Die Aussage der Opfer ist jedoch das stärkste und oft auch einziges Beweismittel. Herausragende finanzielle Einkünfte aus legalen und illegalen Geschäften versetzen die Hintermänner der Rotlichtkriminalität in die Lage, sich subtil die notwendigen Kontakte in Politik und Wirtschaft aufzubauen. Es ist oftmals sehr einfach, Personen aus diesen Kreisen über die Prostitution zu kleinen Gefälligkeiten, „kleinen Diensten“ oder Gegenleistungen anzuhalten und für sich zu gewinnen. Einmal damit begonnen wird der Betroffene erpressbar und es gibt kein Ende mehr, außer die Öffentlichkeit erfährt davon. Über diese Gefälligkeiten werden die Macher in die gesellschaftlichen Kreise eingeführt und gewinnen somit noch mehr an Einfluss und Macht. Der Menschenhandel ist insofern für die OK notwendiges Mittel zum Zweck. Zum einen sind enorme Gewinne zu erzielen und zum anderen eröffnet er die Möglichkeiten, einflussreiche Personen aus Politik und Wirtschaft zur weiteren Abschottung des Rotlichtmilieus gegenüber den Strafverfolgungsbehörden zu gewinnen.


Wie funktioniert der Menschenhandel?

Zum Gesamtverständnis ist es unabdingbar, den typischen Ablauf des Menschenhandels zu beschreiben. Zielpersonen der Täter sind junge Frauen und Mädchen aus Mittel- und Osteuropa, Afrika, Asien und Lateinamerika. Die oftmals sehr verbreitete Armut und vor allem Perspektivlosigkeit in den Heimatländern dieser Menschen treibt sie in die Hände von Schleusern und Menschenhändlern. Dies geschieht auf ganz unterschiedliche Weise.

Anwerbungsmethoden
Inserate
Über Inserate in den Zeitungen ihrer Heimatländer werden die Frauen mit scheinbar guten und seriösen Beschäftigungsverhältnissen und damit verbunden hohen Verdienstmöglichkeiten in den Westen gelockt. So werden Tätigkeiten im Hotel- und Gaststättengewerbe, im Haushalt als Au-pair-Mädchen, Köchin, Kindermädchen oder Haushaltshilfe angeboten. Viele Frauen lassen sich von der Möglichkeit, schnell viel Geld zu verdienen blenden und willigen in Maßnahmen zur Beschaffung von notwendigen Unterlagen und Dokumenten ein. Dies wiederum ist mit enorm hohen Kosten verbunden, die nur durch den Auslandsaufenthalt zu begleichen sind. Somit beginnt der Teufelskreis.
Es werden jedoch auch eindeutig zweideutige Inserate geschaltet, in denen die Täter Tänzerinnen, Stripteasetänzerinnen, Animierdamen oder Fotomodelle suchen. Viele dieser Frauen ahnen, worauf sie sich einlassen und sprechen dies z. T. auch bei den Anwerbern an. Sie geben sich mit Erklärungen zufrieden, dass sie der Prostitution nicht nachgehen müssen, dies jedoch sehr wohl können, wenn sie schnell viel Geld verdienen möchten. Außerdem hätten sie „dort“ die Möglichkeit, sich in schönen Etablissements die Freier weitgehend selbst auszusuchen und innerhalb von wenigen Monaten das Geld für eine sorgenfreie Zukunft verdient zu haben.

Partnerschaftsvermittlungen/
Heiratsinstitute
Auch über solche Institute lassen sich betroffene Frauen blenden. Ihnen werden oft sehr gut konzipierte Dossiers über die künftigen Ehemänner vorgezeigt, denen sie kaum widerstehen können. Die Realität sieht dann meist anders aus. Auch hier endet der Aufenthalt in aller Regel in der illegalen Prostitution bzw. beginnt schon darin.

Fabriken/Wohnheime
Die Armut der Frauen, verbunden mit der meist unendlichen Perspektivlosigkeit und Tristesse am Arbeitsplatz, sind häufige Anlaufpunkte für die Anwerber. Hier fallen die Versprechungen, schnell und viel Geld zu verdienen, natürlich auf sehr fruchtbaren Boden.

Öffentliche Plätze/Straßen
Auf öffentlichen Plätzen und Straßen sowie auch in Diskotheken oder Gaststätten werden potentielle Opfer von den Anwerbern angesprochen und mit den Verdienstmöglichkeiten sowie klar strukturierten Handlungsanleitungen gelockt.

Familien
Auch in den eigenen oder bekannten Familien suchen die Anwerber ihre Ware Mensch. Man spielt mit der Sorge der potentiellen Opfer um die Zukunft ihrer Angehörigen. Den jungen Frauen wird vorgemacht, man müsse nur für eine Weile mit dem „guten Mann“ in die Großstadt. Solche Angebote stellen für diese Familien scheinbar einmalige Gelegenheiten zur Verbesserung des Lebensstandards dar.

Woher kommt die „Ware Mensch“?

Die Mädchen und Frauen, die zur Prostitution benötigt werden, rekrutieren sich vornehmlich aus den Ländern, in denen große Armut herrscht. Nur bei diesen Menschen sind die Druckmechanismen aufzubauen mit denen man eine solche Vielzahl von „Prostituierten“ auf den westeuropäischen Markt bringen kann.

Hieraus erklärt sich, dass 80 Prozent der Opfer aus den mittel- und osteuropäischen Staaten stammen, ca. 11 Prozent aus dem übrigen Europa, ca. 3 Prozent aus Afrika, ca. 3 Prozent aus Asien, der Rest aus Amerika und sonstigen Ländern. Diese aus der BKA-Statistik 2003 entnommenen Werte beleuchten nur die bekannt gewordenen Fälle. Es handelt sich hierbei um 1.235 Opfer. Diese Zahl dürfte jedoch nur die Spitze des Eisberges darstellen, da auf Grund der polizeilichen Erfahrungen das Dunkelfeld
erheblich höher sein dürfte. Eine Dunkelfeldforschung für diesen Deliktsbereich gibt es jedoch nicht, so dass die im Umlauf befindlichen Dunkelfeldzahlen keinen verwertbaren Anhalt darstellen.

Wie kommen die Opfer nach Deutschland/Westeuropa ?

Durchführungspraktiken
Die Mädchen und Frauen werden auf ganz unterschiedliche Art und Weise in den Westen verbracht. Dies geschieht mit öffentlichen Bussen, Kleinbussen, der Bahn, Pkw, Flugzeug und anderen Transportmitteln. Mittlerweile werden die Frauen mit Dokumenten ausgestattet, die größtenteils echt sind. Gleichwohl müssen auch noch Dokumente gefälscht werden oder Visa sind zu beschaffen. Gerade bei den Mädchen wird das Geburtsjahr verfälscht oder bei den Frauen aus den Nicht-EU-Ländern auch das Herkunftsland.
Darüber hinaus wird den Frauen erklärt, daß Dokumente notwendig sind für den Aufenthalt in Deutschland/Westeuropa, die private Besuche oder Geschäftsaufenthalte vortäuschen. Die Beschaffung dieser Dokumente wäre mit erheblichen Kosten verbunden. In der Tat unterhalten einzelne Organisationen Firmen oder Agenturen, um auf diese Weise seriöse Geschäftsbeziehungen vorzutäuschen und entsprechende Einladungen fertigen zu können. Sind die Frauen in Deutschland angekommen; werden sie häufig von zentralen Stellen an entsprechende bordellartige Betriebe verbracht. Diese zentralen Stellen sind meist auch Bordellbetreiber (-innen), die den Frauen zunächst das weitere Procedere erklären. Oft geschieht dies in Privathäusern, Clubs oder den Betrieben selbst. Sie lassen ihnen nur eine theoretische Möglichkeit, zu der geplanten Prostitutionsverwendung nein zu sagen. Ein unüberwindbarer Berg von Schulden für die Beschaffung der vorgenannten Dokumente und den Reisekosten ist bereits entstanden. Vielfach ist allein dieses Argument, verbunden mit der Schmach der direkten Rückkehr ohne Geld, für die Frauen Anlass genug, sich auf das als lukrativ und rosarot dargestellte Prostitutionsgeschäft einzulassen. Notfalls wird der entgegenstehende Wille auch mit Gewalt gebrochen.
Es erfolgt eine eingehende Konditionierung der Frauen durch die Täterseite auf ihr zukünftiges Leben in der Prostitution. Dieser Konditionierung gilt es entgegen zu wirken um die Frauen aus ihrer „Gefangenschaft“ zu befreien, sie zu enttraumatisieren, sie als Personalbeweise zu gewinnen und ihnen die Rückzugsmöglichkeit in ihre Heimatländer ohne Gesichtsverlust zu ermöglichen. Hierzu bedarf es einer Vielzahl von klar strukturierten und ineinander greifenden Maßnahmen, um den Menschenhandel sowohl präventiv als auch repressiv zu bekämpfen.




Ein neuer Bekämpfungsansatz

Zur repressiven Bekämpfung gehören sicherlich Ermittlungseinheiten, die sowohl vom fachlichen als auch von den personellen Ressourcen her in der Lage sind, Menschenhandelsdelikte zu verfolgen. Um dies effizient zu ermöglichen kommt der Gewinnung und Sicherung des Personalbeweises eine enorm hohe Bedeutung zu. In der Praxis bedeutet dies, dass Frauen, die in Bordellen oder bordellartigen Betrieben als potentielle Opfer entdeckt werden, die Möglichkeit bekommen, aus diesem Teufelskreis auszusteigen. Hierzu wiederum benötigen sie klare Zukunftsperspektiven, d.h. in erster Linie Schutz vor dem Milieu, soziale Absicherung, Enttraumatisierungshilfe, Reintegrationsmöglichkeiten.
Über allem steht jedoch, dass es gelingen muss, das Vertrauen der Opfer in die Wirksamkeit der aufgezeigten Maßnahmen zu gewinnen. Nur dann besteht die Chance, dass sie ihre Angst überwinden und bereit sind auch in einem Gerichtssaal auszusagen. Für die Realisierung dieser Maßnahmen ist ein interdisziplinäres Zusammenwirken von Behörden und Institution notwendig.
Die Landesregierung in Rheinland-Pfalz hat diesen Anforderungen im Sinne eines ganzheitlichen Ansatzes durch ein Kooperationskonzept Rechnung getragen, in dem das Zusammenwirken der Ministerien

– für Bildung, Frauen und Jugend,
– der Justiz
– des Innern und für Sport,
– für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit,
sowie
– der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände
und der
– Fachberatungsstelle Solwodi e.V.

geregelt wird. Sie will mit diesem Konzept zu adäquatem Schutz und Hilfe für die Opfer von Menschenhandel und in der Folge damit auch zu einer wesentlich effektiveren Bekämpfung dieses Phänomens beitragen. Insofern soll das Konzept die Rahmenbedingungen schaffen, um ein koordiniertes, strukturiertes und konsequentes Vorgehen aller beteiligten Stellen zur Bekämpfung des Menschenhandels und damit zur Verbesserung des Opferschutzes zu ermöglichen.
Unter Federführung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wurde 1999 ein Bundeskooperationskonzept erarbeitet und in die Länder gegeben mit der Empfehlung, dieses in eigener Zuständigkeit umzusetzen.
In Rheinland-Pfalz wurde das Kooperationskonzept offiziell zwar erst zum 01.01.2004 in Kraft gesetzt, verfahren wurde jedoch schon seit dem Jahr 2000 danach. Der Grund für die verzögerte Inkraftsetzung waren die Schwierigkeiten, zu finanziellen Regelungen zu kommen. Im Rahmen der nunmehr folgenden Darstellung des Kooperationskonzeptes Rheinland-Pfalz werden diese ebenfalls erläutert.



Das Kooperationskonzept Rheinland-Pfalz

Aufgaben und Zuständigkeiten

- Aufgaben der Strafverfolgungsbehörden
Staatsanwaltschaft und Polizei haben den Sachverhalt zu erforschen und dabei alle be- und entlastenden Umstände zu ermitteln. In dem Kooperationskonzept ist das Einvernehmen aller daran beteiligten Stellen geregelt, dass die psychosoziale Betreuung der Opfer vor allem bei der Vorbereitung und Durchführung der Hauptverhandlung keinesfalls zu einer inhaltlichen Einflussnahme auf das Aussageverhalten führen darf. Die Polizei Rheinland-Pfalz hat organisatorisch eine zweite Ebene Zeugenschutz geschaffen, die ebenfalls auf der Grundlage des Zeugenschutzharmonisierungsgesetzes arbeitet. Durch diese Dienststellen werden in erster Linie die Zeugenschutzmaßnahmen für die Opferzeuginnen ausgeführt. Eine spezielle „Richtlinie des Landeskriminalamtes zur Durchführung von Maßnahmen zum Schutz gefährdeter Zeugen“ regelt in Rheinland-Pfalz die Voraussetzungen, Zuständigkeiten und Durchführungsmodalitäten für das Tätigwerden in diesem Bereich.

- Aufgaben der Fachberatungsstellen
Die Fachberatungsstellen sollen die betroffenen Frauen und Mädchen beraten und eine Zeuginnenbetreuung und -begleitung übernehmen. Sie sollen ein umfassendes und langfristig angelegtes Zeugenbetreuungsangebot für ausländische Opferzeuginnen des Menschenhandels anbieten. Dieses beinhaltet eine anonyme Unterbringung, psychosoziale Betreuung, Prozessbegleitung sowie Reintegrationsmaßnahmen.

- Aufgaben des Ministeriums für Bildung, Frauen und Jugend (MBFJ)
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fachberatungsstellen bzw. Inobhutnahmeeinrichtungen, die im Rahmen durchzuführender Strafverfolgung und Zeugenschutzmaßnahmen mit der Polizei zusammenarbeiten, werden vom MBFJ gemäß dem Verpflichtungsgesetz verpflichtet.
- Aufgaben der Ausländerbehörden
Die Ausländerbehörden sind angehalten, den Opferzeuginnen, soweit sie die Voraussetzungen erfüllen, einen Aufenthaltsstatus zu gewähren, den es mit der Zeugenschutzdienststelle abzusprechen gilt.

- Aufgaben der örtlichen Sozialhilfeträger/ Arbeitsagenturen
Das Sozialamt oder auch die Arbeitsgemeinschaft der Arbeitsagenturen und Sozialämter in der Kommune, in der die Zeugin untergebracht wurde, gewährt den Betroffenen Leistungen nach den jeweils gültigen Bestimmungen. Diese im Rahmen des Kooperationskonzeptes gewährten Leistungen werden vom Land, über ein anonymisiertes Verfahren der Zentralstelle Zeugenschutz des Landeskriminalamtes Rheinland-Pfalz, an die Kommunen zurückerstattet.

Rahmen für die Zusammenarbeit
Eine erfolgreiche Kooperation erfordert Wissen und Akzeptanz hinsichtlich der unterschiedlichen Zielsetzung aller beteiligten Stellen. Für ein kooperatives Zusammenwirken und eine klare Aufgabenverteilung zwischen Strafverfolgungsbehörden, anderen Behörden, Fachberatungsstellen und anderen mitbetreuenden Einrichtungen gelten die folgenden Regelungen.

- Entscheidungskriterien für Zeugenschutzmaßnahmen
Ähnlich wie bei den Voraussetzungen für das insgesamt umfangreichere und aufwändigere Zeugenschutzprogramm müssen auch Kriterien für die Aufnahme der Opferzeugin in Zeugenschutzmaßnahmen erfüllt werden. Allerdings ist es hier nicht erforderlich, dass eine Zeugin Aussagen zur Struktur einer verbrecherischen Organisation machen kann. Die Person muss lediglich in der Lage sein, verfahrensrelevante Angaben zu machen und bereit sein, diese in einer späteren Gerichtsverhandlung zu wiederholen.
Des Weiteren werden die Unverzichtbarkeit der Aussage, das Bestehen einer Gefahrenlage und die Freiwilligkeit der Zeugin für die beabsichtigten Schutzmaßnahmen geprüft.

- Einbindung der Staatsanwaltschaft
Das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft über das Vorliegen der Entscheidungskriterien, insbesondere der Unverzichtbarkeit der Aussagen, ist ausnahmslos herzustellen.

- Einbindung der Fachberatungsstelle
In Rheinland-Pfalz wird die Fachberatungsstelle zum frühestmöglichen Zeitpunkt eingebunden. Aufgrund dieser Vorgabe im Kooperationskonzept hat das Landeskriminalamt ein so genanntes Razziakonzept (siehe unten) erarbeitet. Dieses sieht vor, dass der Zeugenschutz in Zusammenarbeit mit den Fachberatungsstellen schon bei der Planung von Razzien/Durchsuchungsmaßnahmen mitwirkt. Dadurch ist nicht nur eine gewisse Perseveranz in der Betreuung und Versorgung der Opfer gewährleistet, sondern auch der früheste Zeitpunkt der Einbindung gewählt. Die Vermittlung einer Vertrauensbasis, einer entsprechenden Versorgung und die Eröffnung einer neuen Lebensperspektive ist oft auch die Grundlage für eine Aussagebereitschaft einer Opferzeugin.

- Fortbildungen
Die Polizei berät die Fachberatungsstellen hinsichtlich möglicher Maßnahmen zum Schutz ihrer Mitarbeiterinnen. Darüber hinaus werden interdisziplinäre Schulungs- und Informationsveranstaltungen über Möglichkeiten und Grenzen der Kooperation durchgeführt, die den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Polizei, Ausländer- und Justizbehörden sowie den Fachberatungsstellen und anderen mitbetreuenden Einrichtungen offen stehen. Konkrete und intensive Fortbildungsprojekte werden zwischen den Zeugenschutzmitarbeitern und den Fachberaterinnen, gerade auch im Hinblick auf die Kooperation in den Razzia-/Durchsuchungseinsätzen, durchgeführt.



Flankierende Maßnahmen

Handlungsempfehlung/Razziakonzept
Menschenhandelsdelikte werden in der Regel durch die Sachbereiche/Kommissariate bearbeitet, die auch für Sittendelikte zuständig sind. Nur selten befassen sich OK-Dienststellen mit der Verfolgung von Tätern des Menschenhandels. Die „Sitten“-Kommissariate sind nicht zuletzt wegen der Verfolgung der Sexualstraftaten in Zusammenhang mit der Internetkriminalität meist hoffnungslos überlastet und nur bei Gefahr im Verzuge in der Lage zu reagieren jedoch nicht zu agieren. Ermittlungen im Bereich Menschenhandel benötigen jedoch einen speziellen Sachverstand und einschlägiges Erfahrungswissen, da in diesem Bereich der Sachbeweis eine untergeordnete Rolle spielt. Gefragt ist der Personalbeweis, d.h. die unmittelbare Aussage des Opfers. Damit Menschenhandelsverfahren erfolgreich angeklagt werden können und zu adäquaten Verurteilungen führen, hat das Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz eine Handlungsempfehlung zur Bearbeitung von Fällen des Menschenhandels erstellt. Sie wird in Kürze den mit dieser Materie befassten Dienststellen als Informationssammlung für Verdachtsschöpfung, Sachbearbeitung und Durchführung von Razzien in Fällen des Menschenhandels zur Verfügung stehen.

Zentrale Ermittlungsgruppen
Erfolg versprechend erscheint die Einrichtung von zentralen und gemeinsamen Ermittlungsgruppen in den einzelnen Bundesländern. In diesen Ermittlungsgruppen sollten auch der Zoll, die Finanzkontrolle und der Bundespolizei vertreten sein. Die Strukturen des organisierten Menschenhandels könnten sehr schnell erhellt werden und durch eine bundesweite Auswertung des BKA eine „organisierte Bekämpfung des Menschenhandels“ eingeleitet werden. Dies würde den Menschenhandel empfindlich treffen. Die Täter würden effektiver verfolgt und vermutlich zu hohen Haftstrafen verurteilt. Die illegal erworbenen Mittel könnten abgeschöpft werden. Der Menschenhandel würde auch für die Täter erheblich risikoreicher und deutlich weniger lukrativ.

Ergebnisse
Zwischenzeitlich können erste Ergebnisse präsentiert werden. So gelang es unter anderem, im Rahmen einer in einem bordellartigen Betrieb durchgeführten Razzia mehrere Frauen aufzugreifen und ihnen in der geschilderten Weise Zeugenschutzmaßnahmen angedeihen zu lassen. Die Opferzeuginnen konnten psychisch stabilisiert und ihnen eine Arbeitsstelle vermittelt werden. Nach einer angemessenen Zeit der Betreuung gelang die Integration und damit die Schaffung einer Grundlage für ein eigenständiges Leben.
Diese Frauen waren bereit auszusagen. Allein der Umstand, dass die Zeuginnen im Gerichtssaal präsent waren, beeindruckte die Täterseite und deren Rechtsbeistände. Man erkannte nach monatelangem Leugnen im Rahmen der Ermittlungen im Gerichtssaal sehr schnell die Chancenlosigkeit und war zu Geständnissen und einem „Deal“ mit dem Gericht und der Staatsanwaltschaft über die Höhe der Strafe bereit. Die Angelegenheit konnte in einem einzigen Verhandlungstag abschließend behandelt werden und endete mit mehrjährigen Haftstrafen für die Täter.
Das Beispiel zeigt, dass eine deutlich verkürzte und ökonomischere Verfahrensabwicklung möglich wird, wenn der Personalbeweis gesichert ist.
Ein weiterer Aspekt ist die nicht zu unterschätzende Präventivwirkung in die Täterkreise hinein sowie auch die Stärkung des Vertrauens der potentiellen Opfer in die Wirksamkeit der Zeugenschutzmaßnahmen. Dies wiederum dürfte die Aussagebereitschaft von zukünftigen Zeuginnen fördern.


Fazit

Das in Rheinland-Pfalz verfügbare Handlungsinstrumentarium erscheint im Sinne eines ganzheitlichen Ansatzes zur Bekämpfung des Phänomens „Menschenhandel“ nahezu vollständig und damit in einer ersten Rückschau ein durchaus Erfolg versprechender Weg, der weiter gegangen werden sollte. Die praktische Umsetzung durch die am Kooperationskonzept beteiligten Stellen und deren Zusammenarbeit erfolgt bislang reibungslos.
Ein Beleg dafür könnte sein, dass man sich zwischenzeitlich auch über die Grenzen des Landes hinaus für diesen rheinland-pfälzischen Weg interessiert.