Neue Strategien der Sicherheitsorgane

„Genetischer Fingerabdruck“

– künftig eine Standardmaßnahme der Kriminalitätsbekämpfung?

Von Stephan Schwentuchowski, Altenholz (Der Berichterstatter ist Dozent im Fachbereich Polizei der Fachhochschule für Verwaltung und Dienstleistung in Schleswig-Holstein.


Die Frage, ob eine konsequente Nutzung des „genetischen Fingerabdrucks" zu einem bedeutsamen Effektivitätsgewinn in der Kriminalitätsbekämpfung führen kann, ohne zugleich die Freiheitsrechte der Menschen über Gebühr zu beeinträchtigen, wurde während einer Podiumsdiskussion am 14. April 2004 im Fachbereich Polizei der Fachhochschule für Verwaltung und Dienstleistung in Schleswig-Holstein in fachkompetenter Runde erörtert.


Etwa 300 Besucher aus Polizei, Justiz und Verwaltung waren der Einladung des Fachbereichs gefolgt und konnten in der durch Arno Reimann vom NDR-Studio Lübeck moderierten Veranstaltung unterschiedliche Argumente mit-einander abgleichen.

Nach der Begrüßung durch den Rektor der Fachhochschule, Karl Wagner, und einem Einführungsreferat durch den Dekan des Fachbereichs Polizei, Hartmut Brenneisen, zum Thema „Sicherheit im freiheitlichen Rechtsstaat" machte zu-nächst der Innenminister des Landes Schleswig-Holstein und derzeitige Vorsitzende der Innenministerkonferenz (IMK), Klaus Buß, deutlich, dass er sich im Zusammenhang mit dem Thema der molekulargenetischen Untersuchung mehr Sachlichkeit wünsche. Auf der Grundlage eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen Aspekten der Freiheit und der Sicherheit seien Überlegungen hinsichtlich einer effektiveren Kriminalitätsbekämpfung allerdings unabdingbar. Die Polizei sei schließlich kein Selbstzweck, sondern habe Sicherheit zu gewährleisten.


In dieser Einschätzung wurde Innenminister Buß vom Generalstaatsanwalt des Landes Schleswig-Holstein, Erhard Rex, und vom Direktor des Landeskriminalamtes, Hans-Werner Rogge, unterstützt. Aufgrund der „denkbar geringen Grundrechtstiefe der DNA-Analyse" hielten Rex und Rogge den derzeit bestehenden umfassenden Richtervorbehalt für entbehrlich und plädierten statt dessen für eine Kompensation durch erweiterte Löschungsmöglichkeiten.


Als Landesdatenschutzbeauftragter sprach sich Dr. Helmut Bäumler keinesfalls gegen die DNA-Analyse aus und bekräftigte die hohe kriminalistische Relevanz des Instruments. Er warnte jedoch auch vor einer uferlosen Ausdehnung der Maßnahme und forderte eine eingehende Diskussion über die rechtsstaatlichen Grenzen. Der reine Effizienzgedanke dürfe nicht entscheidend sein.

In diesen Überlegungen wurde Dr. Bäumler durch den Bundesjustizminister a.D., Prof. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, unterstützt, der forderte, dass die allgemeine Sensibilität der Bürgerinnen und Bürger bei der Diskussion über den „genetischen Fingerabdruck" berücksichtigt werden müsse, zumal niemand genau wisse, was wissenschaftlich in einigen Jahren möglich sei. Weiter kritisierte er die fehlende Übersichtlichkeit der Rechtslage, die nur schwer mit dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot in Einklang zu bringen sei.

Einvernehmen bestand allerdings in der Feststellung, dass die Bundesrepublik Deutschland auch mit einer Erweiterung der bereichsspezifischen Befugnisse zur DNA-Analyse von einem Überwachungsstaat weit entfernt sei und keinen Vergleich mit dem Standard westlicher Nachbarländer zu scheuen brauche.