Polizeiausrüstung im Spiegelbild gesellschaftlicher Entwicklungen

Von KHK Ralf Schmidt, Wiesbaden*

 

9 Röhrenhosen und Lederjacken


Nach einer Phase der demokratischen Neuausrichtung der Polizei in Deutschland, waren die sog. „Halbstarken-Krawalle“ zwischen 1956 und 1959 ein erster „Vorgeschmack“ auf das, was folgen sollte. 1958 randalierten jugendliche „Radauknilche in ledernen Jacken und Röhrenhosen“ (Der Spiegel 45/1958, „Saat der Gewalt“) bei einem Rock`n´Roll Konzert von Bill Haley in Berlin. 1962, bei den „Schwabinger Krawallen“, griff die Polizei unverhältnismäßig hart ein, viele verletzte Jugendliche waren die Folge. Kein Wunder: Die sog. „Unterkünfte“ der Bereitschaftspolizei waren immer noch eine Art Erziehungsanstalt. Strafexerzieren, ein ordensähnlicher Kodex, Ordnung, Sauberkeit und Kameradschaft galten als „Leit-Tugenden“ und stammten eindeutig noch aus der Nazizeit. Kasernenhofton, Drill und Gehorsam waren allgegenwärtig. Die Polizeianwärter mussten sich vielerorts mindestens sieben Jahre verpflichten und durften vor Vollendung des 27. Lebensjahres nicht heiraten. Baden-Württemberg schaffte erst 1967 die „Prüfung von Polizei-Bräuten“(!) ab. In den Jahren zwischen 1967 und 1972 sorgte der gesellschaftliche Druck zu tiefgreifenden Reformen. Modernere Einsatzkonzepte und neue rechtliche Regelungen folgten. Moderner ging es in Frankfurt am Main und anderen Großstädten zu. Hier kamen die neuen Opel-Limousinen wie das Modell „Kapitän“ mit Panoramascheiben und Heckflossen zum Einsatz.

 

10 Die RAF und der Terror


Als der Demonstrant Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967 von dem Zivilpolizisten Karl-Heinz Kurras erschossen wurde, leitete das eine neue Ära der Auseinandersetzungen zwischen Polizei und bewaffneten linken Gruppierungen ein. Das unverhältnismäßige Verhalten der Westberliner Polizei bei der sog. „Schah-Demonstration“ zeigte auch auf, wie es um das Selbstverständnis der deutschen Polizei bestellt war. Ein Auszug aus dem Gesetz über die Ausübung unmittelbaren Zwangs (UZwG) zeigt exemplarisch in welcher Gedankenwelt die Polizei damals verfangen war: „Einsatz von Handgranaten gegen Störer […] Handgranaten dürfen nur gegen solche Personen eingesetzt werden, die selbst von Schusswaffen oder Explosivmitteln Gebrauch gemacht haben“. Vereinzelt (zum Beispiel in Bayern) gelten ähnlich lautende Reglungen noch heute, da hier und dort noch entsprechende Waffen eingelagert werden. In den Waffenkammern dieser Epoche fanden sich die „Astra 600“, eine Selbstladepistole im Kaliber 9 mm Parabellum und „FN- Browning“ Pistolen im Kaliber 7,65 und 9 mm von der belgischen Waffenproduktionsfirma Fabrique Nationale Herstal (FN). Diese Waffen wurden durch die schon im zweiten Weltkrieg verwendeten Pistolen „Walther PP“ und „PPK“ (7,65 mm) sukzessive ersetzt. Das dazu passende Holster nannte man „Witwenmacher“, es war eher ein Verwahrbehältnis mit „Schulranzenverschluss“, als ein an polizeilichen Bedarfen orientiertes Schnellziehholster. Motorradpolizisten trugen jetzt weiße Mäntel und wurden im Volksmund „weiße Mäuse“ genannt. Vielfach kamen VW-Käfer, Modelle von Opel und bei der Autobahnpolizei auch der Porsche 956 zum Einsatz.

 

11 Lange Haare und Reformen


Das „Saarbrücker Gutachten“ von 1972 enthielt die Beschreibung des Polizeibeamten als eine Art „Sozialingenieur“ und entsprach so dem Zeitgeist der Epoche von „Flower-Power“. Die Polizei sollte nun endlich der „zivilen Welt“ zugeordnet werden. Doch auch die Polizisten selbst meldeten sich zu Wort. Die Medien meldeten „Unglaubliches“ – 1971 kamen in Düsseldorf, 8000 Beamte zu einer von der GdP organisierten Demo. Mit Transparenten wie „Stiefkinder des Staates“, schwarzen Fahnen und in voller Uniform, forderten sie gesellschaftliche und finanzielle Aufwertung. Dringend erforderlichen Reformen standen dann aber gesellschaftliche Entwicklungen, ein starker Beharrungswille innerhalb der Polizei und der aufkommende Terrorismus entgegen. Schon im Sommer 1971 kam es zu mehreren spektakulären Banküberfällen mit Geiselnahmen, und im September 1972 endete die Geiselnahme der israelischen Mannschaft durch palästinensische Terroristen während der Olympischen Spiele in München in einem Blutbad. Der Bundesgrenzschutz als auch die Länderpolizeien stellten neue Einheiten auf: Die GSG 9 des Bundesgrenzschutzes und die Spezialeinsatzkommandos (SEK) der Länder. Ab 1976 führten die Polizeien (Ausnahme Berlin) die sog. „Chemische Keule“ – das Chemical Mace (Smith and Wesson Mk V.) ein. Wirkstoff war das umstrittene Chloracetophenon (CN). Taktisch, sollte das Gerät die „Lücke“ zwischen Schusswaffen- und Schlagstockeinsatz schließen. Ein Arbeitskreis der Innenministerkonferenz prüfte auch neue, „humane“ Polizeiwaffen auf ihre Verwendbarkeit. Keines der „Geräte“ wurde für tauglich erachtet. 1974 entwickelten Experten ein sog. Pflichtenheft für eine neue Polizeipistole und forderten als Munition das Kaliber 9mm x 19. Die „kleineren“ Vorgängerpistolen hatte sich in vielen Fällen als nicht ausreichend „mannstoppend“ erwiesen. Die Pistole SIG-Sauer Modell „P6“ (Mod. 225) mit einem 8 Patronen Magazin und 15 Patronen (Mod. 226 für Spezialeinheiten) versprach Abhilfe. Auch die Waffenhersteller Walther sowie Heckler und Koch entwickelten neue Waffen. „H und K“ erfüllte mit der „PSP“, später „P 7“, mit innovativer Griffstücksicherung die neuen Forderungen. 1979 wurden die ersten Pistolen getauscht und 1998 war der vollständige Austausch der alten gegen die neuen Dienstpistolen vollzogen.

 

12 Mord an der Startbahn


In den 1980er-Jahren kam es zu einem Bruch in der traditionellen Polizeikultur, der das Erscheinungsbild der Polizei nachhaltig prägte: Nach und nach wurden Frauen für den uniformierten Polizeivollzugsdienst zugelassen. Zwar gab es bereits seit Beginn des 20. Jahrhunderts Polizistinnen („Weibliche Kriminalpolizei“), aber zunächst waren ihnen Aufgaben der „Fürsorge“ vorbehalten. In den 1990er-Jahren erreichte dann der Frauenanteil in der uniformierten Polizei erstmals zweistellige Prozentzahlen. Allerdings begann ein „Polizistenleben“ immer noch wie beim Militär, mit dem Einrücken in eine Kaserne. Disziplin und freiwillige Unterordnung spielten nach wie vor eine große Rolle in der Polizeiausbildung. Das autoritäre Auftreten der Polizei bei Großdemonstrationen sorgte für ein gespanntes Verhältnis zum Bürger. Schlagstock, Helm und Schild waren ihr Sinnbild in dieser Zeit. Einsätze im Rahmen der Friedens- und Anti-AKW-Bewegung sowie die Auseinandersetzungen um den Bau der „Startbahn West“ in Frankfurt prägten die Sozialisation einer ganzen Polizei Generation. 1987 wurden die Polizisten Thorsten Schwalm und Klaus Eichhöfer bei einem Einsatz zum Schutz der Startbahn West in Frankfurt hinterhältig ermordet. Tatwaffe: Eine bei einem dilettantisch durchgeführten Aufklärungsauftrag geraubte Sig Sauer Polizeipistole. Bei den Demonstrationen gegen das Kernkraftwerk Brokdorf trafen im Einzelfall 100.000 (!) Demonstranten auf ca. 10.000 Polizisten. Dabei kam es zu schwersten Auseinandersetzungen und zahlreichen Verletzten auf beiden Seiten. 1983 wurden die letzten Maschinenpistolen Walther Modell L und K gegen das Modell Heckler und Koch MP5 ausgetauscht. Die „MP“, mit dem bis zu 30 Patronen fassenden Magazin, hatte sich schon im Objekt- und Streifendienst der 1970er-Jahre bewährt. Das Konstruktionsprinzip, die Präzision, Zuverlässigkeit und Sicherheit der Waffe ist bis heute weltweit gefragt. In Hessen wurde die Waffe bedauerlicherweise durch ein unhandliches Sturmgewehr ersetzt. Bekannt wurde die „MP5“ auch als Erkennungszeichen der Terrororganisation RAF. Das beruhte allerdings auf einer peinlichen Verwechslung. Das Logo soll aus dem näheren Umfeld der Terroristin Ulrike Meinhof stammen. Der „Designer“ verwechselte die bei „revolutionären Kämpfern“ verbreitete russische „AK-74“ mit der Polizei-MP – ausgerechnet mit der Waffe des „Klassenfeindes“.