Polizeiausrüstung im Spiegelbild gesellschaftlicher Entwicklungen

Von KHK Ralf Schmidt, Wiesbaden*

 

Die Polizei als eine der wichtigsten Säulen unserer demokratischen Gesellschaft übernimmt Aufgaben der Prävention, der Gefahrenabwehr und ist für die repressive Aufklärung und Verfolgung von Normenverletzungen zuständig. Der ständige Wandel einer modernen Zivilgesellschaft und neue Erscheinungsformen der Kriminalität stellen die Polizei ständig vor neue Herausforderungen. Jede Zeitepoche und Gesellschaftsform in Deutschland hatten „ihre Polizei“. Ein sichtbares Merkmal dieser Veränderungsprozesse war und ist das Erscheinungsbild, die persönliche Ausstattung und Bewaffnung der Einsatzkräfte. Diese Entwicklungen stellen einen wesentlichen Teil Polizeigeschichte selbst dar. Auf der einen Seite der vielzitierte „Freund und Helfer“, auf der anderen Seite der in der Verfassung verankerte Träger des staatlichen Gewaltmonopols, bewegt sich die Polizei heute mehr denn je in diesem kritisch beobachteten Spannungsfeld. Um zu verstehen wie diese gegensätzlichen Situationen in einer pluralistischen Gesellschaft funktionieren, müssen bei Veränderungen innerhalb der Polizei immer auch die gesellschaftlichen Entwicklungen mitgedacht werden.

 

 

1 Die Kaiserzeit 1871 bis 1918


Ansätze einer „vormodernen Polizei“ gab es in Deutschland ab dem Jahr 1800 in Form von militärisch ausgerichteten Gendarmarien (franz. Gens d`armes – Waffenleute, Männer, die beruflich Waffen trugen). 1871 glichen Kaisers Gendarmen nicht nur äußerlich Kaisers Soldaten. Vor 1918 konnte kein Deutscher Polizist werden, der nicht bei der Armee gedient hatte. Das Selbstverständnis der Polizei war auf ein Obrigkeitsdenken ausgerichtet und die Bürger wurden als Untertanen betrachtet. So saßen in Theatervorstellungen Schutzleute, um zu überwachen, ob in den aufgeführten Stücken nicht abfällig über Gott oder gar den Kaiser gesprochen wurde. Der Beginn des Jahrhunderts war zudem geprägt von Massendemonstrationen, Streiks und politischen „Klassenkämpfen“. Im April 1906 kam es in Breslau im Rahmen eines Streiks zu Polizeieinsätzen gegen Arbeiter. „Vor mit gezogenem Säbel heranstürmenden Schutzleuten floh der Arbeiter Franz Bienwald […] ein Polizist folgte ihm und hieb ihm mit einem Säbel eine Hand ab“ (Vossische-Zeitung, „Rache für Bienwald“). Neben der Pickelhaube als Kopfbedeckung, wurde dieser Vorfall in ganz Deutschland zum Sinnbild für das preußische Polizeiregime. Auf Streifengängen standen den Polizisten, abgesehen von Trillerpfeifen (Notsignal: „Kurz, kurz, lang“ – Antwortsignal: „dreimal kurz“), keine Telekommunikationsmittel zur Verfügung, um Verstärkung anzufordern. Der Fluchtgefahr wurde dadurch begegnet, dass nicht nur eine Fessel oder Knebelkette angelegt wurde, sondern auch die Schnürsenkel der Schuhe und die Hosengürtel weggenommen wurden. Zur Not wurden auch Stricke als „Fesselwerkzeug“ benutzt. Die Art der Bewaffnung, vornehmlich Vorderlader, Knüppel und Säbel, hatte dazu geführt, dass viele Polizisten ihr Leben lassen mussten. Ein Angreifer hatte Zeit, mit eigenen Waffen oder bloßen Händen anzugreifen. Den Gendarmen stand ein Revolver zur Verfügung. Dieser Armeerevolver Modell 1883 – umgangssprachlich „Reichsrevolver“ – genannt, wurde ab 1908 durch Pistolen ersetzt. Die erste technische Sensation dieser Zeit war allerdings keine waffentechnische Errungenschaft. Straßenbeleuchtungen aus Öllampen, die täglich befüllt werden mussten, waren zu Beginn des 19. Jahrhundert eine Sensation und erleichterten der Polizei die Arbeit gegen das „lichtscheue Gesindel“.

 

2 Polizei in der Weimarer Republik


Mit der Weimarer Republik sollte der erste demokratische Staat auf deutschem Boden entstehen. Die alten kaiserlichen Polizeistrukturen waren nach dem Horror des Ersten Weltkriegs zusammengebrochen. Viele Polizisten lehnten jedoch die neue Staatsform konsequent ab und rechtsextreme Tendenzen in der Polizei trugen zum Scheitern der Republik bei. Den innenpolitischen Konflikten nach dem Krieg folgte eine konsequente „Modernisierung“ als militärische Eingreiftruppe: Die Polizei der Weimarer Republik wurde für den bürgerkriegerischen Einsatz im Landesinnern mit Maschinengewehren, Handgranaten, Panzerfahrzeugen und Artillerie aus Armeebeständen ausgestattet. Weiterhin geprägt durch obrigkeitsstaatliche Strukturen, setzte die Polizei unter anderem bei den Berliner Maiunruhen 1929 Gewehre und Pistolen gegen demonstrierende Arbeiter ein – 33 Menschen wurden getötet, Unzählige verletzt und mehr als 1.200 Personen verhaftet. Sinnbildlich für die Ära, als Teil der Uniform, war der „Tschako“ als Kopfbedeckung. Während der Nazizeit wurde der ursprüngliche Polizeistern dann durch einen Hoheitsadler mit Hakenkreuz ersetzt.

 

3 Der Streifenwagen


Die Einführung von Funkstreifenwagen – eine „amerikanische Erfindung“ – zunächst Schnellpatrouillenwagen genannt, ermöglichte ab 1920 die Schaffung von Großrevieren, die nun nicht mehr nach dem „Prinzip der Fußstreife“ angelegt werden mussten. Die sog. „Radiostreifenwagen“ folgten dann gegen Ende der 1940er-Jahre. Bereitschaftspolizei und „Überfallkommandos“ nutzten offene Mannschaftswagen vom Typ Opel Blitz, um die Kräfte zum Einsatzort zu transportieren.

 

4 Die Nazizeit 1933 bis 1945


Die dunkelste und unrühmlichste Zeit deutscher Polizeigeschichte begann spätestens im Jahr 1933. Mit ihrer Machtübernahme legten die Nazis großen Wert darauf, so schnell als möglich die gesamte Polizei unter ihre Kontrolle zu bekommen. Dabei gab es kaum Widerstand aus den Reihen der Polizei. Zu dieser Zeit entstand auch die berüchtigte Geheime Staatspolizei (Gestapo). Die Rechtsstaatlichkeit in Deutschland wurde nach und nach abgeschafft. Im Juli 1932 kam es zum „Altonaer Blutsonntag“, dabei kamen 16 unbewaffnete Anwohner des Arbeiterviertels durch Schüsse aus Polizeikarabinern ums Leben. 1935 wurde die Polizei geschlossen in die „Wehrmacht“ eingegliedert. In der Folgezeit machten sich Polizisten bei Deportationen und bei der Unterstützung von Wehrmacht und SS zahlreicher Kriegsverbrechen schuldig. Doch es gab Ausnahmen dieses unterwürfigen „Kadavergehorsams“: So bewahrte der Frankfurter Schutzpolizist Otto Kaspar jüdische Familien vor der Deportation, indem er unter hoher Eigengefahr Meldekarteien veränderte. Da die gesamte Wirtschaft auf „Kriegsindustrie“ umgestellt war, fanden die serienstarken Standardpistolen (sog. „Ordonnanzwaffen“ – offiziell eingeführt und persönlich zugeteilt) der Wehrmacht auch als Dienstpistolen der Polizei Verwendung. Vornehmlich handelte es sich um Fabrikate der Firmen Mauser, Walther und Sauer & Sohn. Weltweite Bekanntheit erlangten die Waffen der Fa. Walther, wie die Polizeiwaffen Walther PP (für „Polizeipistole“) und Walther PPK („Polizeipistole Kriminal“)im Kaliber 7,65 mm. Beide Waffen wurden noch bis in die 1970er-Jahre in modifizierter Form bei der Polizei genutzt. Auch die schon im Ersten Weltkrieg verwendete „Mauser C96“ und die „Pistole 08“ (Kal. 7,65 oder 9 mm), auch als „Luger“ oder „Parabellumpistole“ bezeichnet, prägten das polizeiliche Erscheinungsbild. Ab 1935 kam massenhaft die „P38“ der Firma Walther aus Zella-Mehlis bei Militär und Polizei zum Einsatz. Die Pistole war als Ersatzwaffe für die technisch anspruchsvolle „08“ vorgesehen. Auch nach 1945 gehörte die Waffe noch zur Ausrüstung vieler Länderpolizeien.

 

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