Salafismus als ideologisches Fundament des Islamischen Staats (IS)
Währenddessen setzt Baden-Württemberg sein Deradikalisierungskonzept um. Die dortigen Sicherheitsbehörden arbeiten mit der baden-württembergischen Landeszentrale für politischen Bildung eng zusammen. Es werden Fortbildungen und Sensibilisierungsmaßnahmen realisiert. Das Konzept des LKA Hamburg „Verstehen-Verbünden-Vorbeugen“ basiert auf einem netzwerkorientierten Ansatz gegen den „islamistischen Extremismus“. Unter der Prämisse, dass Prävention im Bereich des islamistischen Extremismus eine Aufgabe für Spezialkräfte ist, werden Wissenschaft, Sicherheitsorgane und muslimische Akteure vernetzt. In der praktischen Umsetzung konzentriert sich das Konzept auf die Mikroebene. Hauptzielgruppe für Sensibilisierungsmaßnahmen sind Mitarbeiter von Institutionen, die mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen in unterschiedlichen Stadtteilen zu tun haben. Auf Bundesebene wurde beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die „Beratungsstelle Radikalisierung eingerichtet, an die sich jene wenden können, die sich um die Radikalisierung eines Angehörigen oder Bekannten sorgen und zu diesem Themenbereich Fragen haben.
Deradikalisierung ist einerseits ein individueller Prozess, bei dem eine radikalisierte Person ihr Bekenntnis und Engagement für extremistische Denk- und Handlungsweisen, insbesondere die Befürwortung von Gewalt zur Durchsetzung seiner Ziele, aufgibt. Andererseits beschreibt Deradikalisierung Maßnahmen, die darauf abzielen, Personen oder Gruppen dazu zu bewegen bzw. dabei zu unterstützen, sich aus dem extremistischen Umfeld herauszulösen und extremistische Handlungen aufzugeben (Disengagement) sowie entsprechende Denkweisen abzulegen. Die beste Form der Deradikalisierung ist die (Rück)Gewinnung von jungen Menschen für Demokratie. Toleranz, Respekt gegenüber Andersdenkenden und ziviler Umgang mit Konflikten sind Kernkompetenzen der modernen Gesellschaft. Jungen Menschen muss verdeutlicht werden, dass dies einen ausreichenden Rahmen für die Selbstentfaltung bietet und mit der Religion in keinem Konflikt steht. Es ist kein Widerspruch, Muslim und Demokrat zu sein. Somit bedarf es als Folge dessen der Dekonstruktion allgemein gültiger Vorstellungen von Rollenzuschreibung und der Rekonstruktion des Bürgerbegriffs entlang einer verfassungsrechtlich garantierten Bürgerschaft. Dies geschieht natürlich nicht durch eine Direktive des Politischen, vielmehr müssen zivilgesellschaftlich orientierte Kräfte den politischen Diskurs mitbestimmen, um verändernde Kräfte in der Gesellschaft entwickeln zu können.
Zur erfolgreichen Umsetzung von Deradikalisierungsmaßnahmen ist die Vernetzung von Teilkompetenzen (Polizei, Jugendämter, Migrationsbeauftragte, Integrationsministerium usw.) eine wichtige Voraussetzung. Dies gilt ebenfalls für die Einbindung muslimischer Partner. Die einzelnen Akteure können somit ihre jeweiligen Erfahrungen in islamisch geprägte Milieus einbringen und Synergien entwickeln, die in Zeiten knapper finanzieller Mittel von besonderer Bedeutung sind.
Anmerkungen
- Heitmeyer, in: Heitmeyer (Hrsg.), Deutsche Zustände: Folge 9, 2010, S. 69.
- Foroutan/Schäfer, APuZ 5/2009, 11 (12 f.).
- Negative Identitäten sind sozial unerwünschte oder vom Individuum als Abweichung von der Norm bewertete Verhaltensmuster. Negative Identität äußert sich hauptsächlich als Trotz und Ablehnung gegen gesellschaftliche Vorgaben. Auf dieser Ebene können keine normalen sozialen Beziehungen aufgebaut werden, denn in einer instabilen und widerspruchs-vollen Kultur ist es Menschen kaum möglich, eine stabile Persönlichkeit zu bilden.
- Häusler, Die „PRO-Bewegung“ und der antimuslimische Kulturrassismus von Rechtsaußen, Friedrich-Ebert-Stiftung, Forum Berlin, 1/2011, S. 3.
- Ramelsberger, SZ v. 10.10.2012, S.61.
*AUTOREN:
Dr. Marwan Abou Taam ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Landeskriminalamtes Rheinland-Pfalz und assoziierter Partner des Projekts „Identitäts- und Abgrenzungsrituale von Menschen mit muslimischem Migrationshintergrund im deutsch-europäischen Innen- und Außenverhältnis (Heymat)„ an der Humboldt-Universität zu Berlin.Aladdin Sarhan ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Landeskriminalamtes Rheinland-Pfalz und Lehrbeauftragter an der Fakultät für Kulturreflexion der Universität Witten/Herdecke.
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