Recht und Justiz

„London calling – Pro-Palästina-Demonstrationen“

Über die Abgrenzung geschützter Versammlungs- und Meinungsäußerungsfreiheit von strafbarer Sympathie für Terrorismus

2.5 § 111 StGB – Öffentliche Aufforderung zu Straftaten

§ 111 StGB kriminalisiert Fälle der Provokation von Straftaten, die den Zurechnungskriterien der Anstiftung nicht genügen, deren besondere Gefährlichkeit und Strafwürdigkeit aber aus der öffentlichen Begehungsweise resultiert.34 Der Tatbestand erfordert, dass der Täter öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts zu einer rechtswidrigen Tat auffordert. Auch wenn die Aufforderung ohne Erfolg bleibt, ist dies gemäß § 111 Abs. 2 StGB strafbar. Verlangt wird eine Kundgebung mit „Appellcharakter“, bei der durch Einwirkung auf andere Personen der Wille des Täters erkennbar wird, dass von den Adressaten seiner Äußerung strafbare Handlungen begangen werden. Nicht vorausgesetzt ist, dass der Entschluss zu der Tat erst durch den Auffordernden geweckt wurde.35 Die Tathandlung muss sich auf eine Straftat beziehen, die in der Aufforderung wenigstens ihrem rechtlichen Wesen nach gekennzeichnet ist.36 Die Aufforderung muss auch nicht zwingend bereits Zeit, Ort sowie Details zur Tatausführung enthalten.37 Dies gilt insbesondere, wenn eine jederzeitige Ausführung intendiert und es auf eine Individualisierung nach der Art der konkreten Aufforderung nicht ankommt.38 Umstritten ist hingegen – ähnlich bezüglich § 140 StGB -, ob die Tat, zu welcher der Täter auffordert, im Inland begangen werden muss. In der juristischen Literatur wird diese Auffassung teilweise im Hinblick auf das geschützte Rechtsgut des inneren Gemeinschaftsfriedens vertreten.39 Dagegen spricht jedoch der Rechtsgedanke aus § 9 Abs. 2 StGB, nach welchem eine im Inland begangene Aufforderung zu einer Auslandstat strafbar ist, wenn die Tat nach deutschem Strafrecht strafbar ist, unabhängig ob sie nach ausländischem Recht strafbar ist.40 Auch das Verwaltungsgericht Berlin hat in Entscheidungen über das Verbot pro-palästinensischer Versammlungen vom 13. Mai 202241 und 11. Oktober 202342 dargestellt, dass im Ausland zu begehende Taten dem § 111 StGB unterfallen, indem es den Ausruf „Bombardiert Tel Aviv“ als öffentliche Aufforderung zu Straftaten im Sinne von § 111 StGB bewertet hat. Diese Aufforderung dürfte den dargestellten Anforderungen auch ohne nähere Benennung von Ort, Zeit oder konkreten Opfern genügen, da es bei Bombenanschlägen durch die Hamas oder Hisbollah zum Nachteil Israels nicht auf eine nähere Individualisierung ankommen kann.

2.6 § 104 StGB – Verletzung von Flaggen und Hoheitszeichen ausländischer Staaten

§ 104 schützt die Ehre ausländischer Staaten.43 Nach dieser Vorschrift wird derjenige bestraft, der eine aufgrund von Rechtsvorschriften oder nach anerkanntem Brauch öffentlich gezeigte Flagge eines ausländischen Staates oder ein Hoheitszeichen eines solchen Staates, das von einer anerkannten Vertretung dieses Staates öffentlich angebracht worden ist, entfernt, zerstört, beschädigt oder unkenntlich macht oder wer beschimpfenden Unfug daran verübt. Nach § 104 Abs. 1 Satz 2 StGB wird ebenfalls bestraft, wer öffentlich die Flagge eines ausländischen Staates zerstört oder beschädigt und dadurch verunglimpft. Nach § 104 Abs. 1 Satz 3 StGB stehen den genannten Flaggen dabei solche gleich, die ihnen zum Verwechseln ähnlich sind.


Sofern im Rahmen eines Demonstrationsgeschehens Flaggen des Staates Israel oder solche Flaggen, welche dieser zum Verwechseln ähnlich sehen, zerrissen oder verbrannt werden, ist eine Strafbarkeit nach § 104 Abs. 1 Satz 2 StGB gegeben. Bei der Tathandlung geht es demnach um einen physischen Zugriff auf die Flagge mit dem äußeren Sinngehalt eines besonderen Maßes an Verächtlichmachung des Flaggenstaats. Der Gesetzgeber hatte bei der Formulierung dieser Tathandlung das Verbrennen von Flaggen vor Augen, mit dem das Existenzrecht des Flaggenstaats symbolhaft bestritten wird44.

2.7 §§ 129a Abs. 5, 129b Abs. 1 StGB – Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland

Unter einem Unterstützen i.S.v. §§ 129 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, 129 b StGB ist nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds zu verstehen, das die innere Organisation der Vereinigung und deren Zusammenhalt unmittelbar fördert, die Realisierung der von ihr geplanten Straftaten – wenngleich nicht unbedingt maßgebend – erleichtert oder sich sonst auf deren Aktionsmöglichkeiten und Zwecksetzung in irgendeiner Weise positiv auswirkt und damit die ihr eigene Gefährlichkeit festigt.45 Gemessen an diesen Voraussetzungen wird ein strafbares Unterstützen einer terroristischen Vereinigung im Ausland, vorliegend der Hamas oder Hisbollah, durch Sympathiebekundungen im Rahmen von pro-palästinensischen Versammlungen, insbesondere bezüglich des Angriffs vom 7. Oktober 2023, nicht zu begründen sein.


Darüber hinaus stellen Sympathiebekundungen wie das Verharmlosen, Befürworten und Billigen der Verbrechen vom 7. Oktober 2023 regelmäßig auch kein strafbares Werben um Mitglieder oder Unterstützer für die Hamas oder Hisbollah dar. Der Bundesgerichtshof sieht ein Werben um Mitglieder für eine terroristische Vereinigung im Sinne von § 129a Abs. 5 S. 2 StGB dann als gegeben an, wenn der Täter sich um die Gewinnung von Personen bemüht, die sich mitgliedschaftlich in die Organisation einer bestimmten Vereinigung einfügen. Um Unterstützer wirbt, wer bei anderen die Bereitschaft wecken will, die Tätigkeit oder die Bestrebungen einer solchen Vereinigung direkt oder über eines ihrer Mitglieder zu fördern, ohne sich selbst als Mitglied in die Organisation einzugliedern.46 Davon abzugrenzen ist das straflose Werben um bloße Sympathie zu einer terroristischen Vereinigung. Nicht ausreichend ist das befürwortende Eintreten für eine konkrete terroristische Vereinigung, die Rechtfertigung ihrer Ziele oder der aus ihr heraus begangenen Straftaten sowie die Verherrlichung der Ideologie, aus der verschiedene derartige Vereinigungen ihre Tätigkeit legitimieren und die gegebenenfalls auch Einzelpersonen zur Legitimation der Begehung von Straftaten dient. Der Umstand, dass derartige Äußerungen regelmäßig auch mit der stillschweigenden Erwartung einhergehen werden, beim Adressaten Überlegungen hin zu einem Anschluss an die Vereinigung oder zu deren Unterstützung auszulösen und dieser so neuen Zulauf zu verschaffen, vermag eine Strafbarkeit ebenfalls nicht zu begründen.47

 

3 Resümee


Die Darstellung hat gezeigt, dass typische Äußerungen bei derartigen Demonstrationen eine Vielzahl von Straftatbeständen erfüllen können. Insofern ist für die eingesetzten Polizeibeamten und insbesondere die Einsatzleitung eine grundlegende Kenntnis der Materie unerlässlich. Des Weiteren sollte regelmäßig Einsicht in die relevanten Vereinsverbote des Bundesministeriums des Innern genommen werden. Nur so lässt sich vermeiden, dass von Verboten erfasste Äußerungen auf Versammlungen verkannt werden und deshalb eine Identitätsfeststellung der Täter aufwändig durch nachträgliche Ermittlungen erfolgen muss, was erfahrungsgemäß wenig Aussicht auf Erfolg bietet. Um eine leichtere strafrechtliche Überprüfbarkeit noch vor Ort zu ermöglichen, sollten zuständige Versammlungsbehörden ferner die Auflage erteilen, Redebeiträge, Parolen und Plakate auf die deutsche und/oder englische Sprache zu beschränken.48 Niemals sollte jedoch auch während solch fordernder Einsätze die umfänglich dargelegte Bedeutung der Meinungsfreiheit i.S.d. Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG aus dem Blick geraten. Bei Zweifeln über die Zulässigkeit einer Äußerung sollte deshalb grundsätzlich diese den Ausschlag geben. Der jedoch erfahrungsgemäß beste Weg, Eskalationen jeglicher Art bei Versammlungen zu verhindern, bleibt nach wie vor, die stete, direkte, aber freundliche und offene Kommunikation mit der Versammlungsleitung. So erübrigen sich auch komplexe Ermittlungen bezüglich der Strafbarkeit der Beteiligten.