Tötungsdelikte durch Frauen

Kindstötungen und Intimizide

 

5 Erweiterte Suizide nach vorherigem Intimizid


Bei den erweiterten Suiziden oder „Murder Suicides“ ist von großer Bedeutung, wer bei dem Mord vor dem Suizid getötet wird. Am häufigsten sind es die eigenen Kinder oder der Liebespartner oder beides. In den Medien wird dann oft von Familientragödien gesprochen. Erweiterte Suizide werden überwiegend von Männern begangen. Die Konstellation, dass der Mann seine Partnerin tötet und dann sich selbst ist deutlich häufiger als die umgekehrte Version, dass die Frau ihren Partner tötet und dann sich selbst.


Hierzu ist ein Fall aus Lauf aus dem Jahr 2009 besonders interessant, bei dem eine Polizistin ihren Geliebten, der ebenfalls Polizist war, per Kopfschuss niederstreckte und anschließend sich selbst per Kopfschuss tötete. Bei dieser Tat waren Beziehungsprobleme und Eifersucht im Spiel. Aufsehenerregend war der Fall dadurch, dass ein Sondereinsatzkommando der Polizei vor Ort war und stundenlang mit der Täterin verhandelte, die finale Tat aber nicht verhindern konnte.14


Beim erweiterten Suizid sind am Ende der Tragödie beide tot. Es gibt dann keine weiteren Ermittlungen. Gegen Tote wird nicht ermittelt. Und es gibt keine Gerichtsverhandlungen, die die Hintergründe der Tat ans Licht bringen könnten. Die Motive und Hintergründe der Tat bleiben dann oft verborgen. Die Polizei und Staatsanwaltschaft stellen die Ermittlungen meist bald ein, wenn nach Obduktion und vermutetem Tathergang weitgehend ausgeschlossen ist, dass dritte Personen beteiligt waren oder als Täter in Frage kommen könnten. Insofern bleiben viele erweiterte Suizide rätselhaft. Der Tod der bekannten Grünen-Politiker Petra Kelly und Gert Bastian aus dem Jahr 1992 ist auch heute noch – mehr als 30 Jahre später – umstritten. Mehrere Bücher wurden darüber geschrieben und TV-Dokumentationen ausgestrahlt – das Rätsel blieb ungelöst: War es Mord oder erweiterter Suizid?

 

6 Tötungsdelikte in lesbischen Beziehungen


Intimizide in lesbischen Beziehungen sind eine Rarität, aber sie kommen vor. Unter männlichen Homosexuellen kommen Intimizide weit häufiger vor. In Senden bei Münster ereignete sich im Jahr 2015 eine besonders grausame Bluttat, die von einer 18 Jahre alten Frau an ihrer jüngeren lesbischen Liebespartnerin verübt wurde.15


Am 7. Oktober 2015 tötete die 18-jährige Megi B ihre 17-jährige Liebespartnerin Melina R. Es war eine entsetzliche und brutale Tat im Blutrausch. Der zuständige Staatsanwalt Ralph Hinkelmann sagte dazu bei seinem Schlussplädoyer: „Es ist ein zutiefst erschütterndes Verbrechen, was in der Geschichte des Strafverfahrens in Münster so ohne Beispiel ist.“ Mit einem Keramikmesser, dessen Klinge zehn Zentimeter lang war, fügte Megi ihrer Ex-Geliebten 49 Stiche zu, die ersten in den Rücken, schließlich 41 Stiche ins Gesicht. Vor allem das Gesicht sollte wohl entstellt und zerstört sein. Dieses blutige Ende einer gescheiterten Liebe, ein Drama zwischen zwei Jugendlichen, erregte großes Aufsehen in der gesamten Bundesrepublik und wurde auch in überregionalen Medien ausführlich diskutiert. Megi und Melina waren Klassenkameradinnen in der Edith-Stein-Hauptschule in Senden bei Münster. Melina war bereits Schülerin dieser Schule und Megi ist im Jahr 2010 nach einem Wohnortwechsel neu in ihre Klasse gekommen. Sie freundeten sich schnell an und wurden bald ein Liebespaar. Die Mutter Melinas wusste von dieser Beziehung und sagte: „Als Melina dann vierzehn war, hat sie mir gesagt, sie seien jetzt zusammen.“ Die neue Schülerin ist ein Jahr älter und einen Kopf größer als die meisten Schülerinnen der Klasse. Megi wurde bald zur Meinungsführerin und zum „Leitwolf“ der Klasse. Beide Jugendlichen hatten Migrationshintergrund. Melinas Eltern kamen 1992 aus Kirgisien nach Deutschland, Megis Eltern kamen 1996 aus Polen hierher. Die Beziehung zwischen Melina und Megi wurde immer enger und sie schmiedeten sogar Hochzeitspläne. Megi hatte seit dem 11. Lebensjahr fast keinen Kontakt mehr zu ihren Eltern, war Heimkind und unter Betreuung des zuständigen Jugendamtes. Die Eltern Melinas hatten das Gefühl, dass ihre Tochter der sehr dominant auftretenden Megi hörig sei. Die Beziehung war wohl stark geprägt von Abhängigkeit und Manipulation. Sehr ambivalent und zunehmend aggressiv wurde die Beziehung zwischen Megi und Melina, als Melinas Schwester schwanger wurde und Melina immer begeisterter von deren Baby erzählte. Sie sprach nun manchmal davon, dass sie vielleicht doch mal später eine Familie mit einem Mann und Kindern haben möchte. Bei Megi lösten solche Äußerungen massive Wut und Aggression aus. Es kam schließlich am Valentinstag im Jahr 2015 zu einer Trennung. Megi war äußerst empfindlich und verletzlich durch Trennungen. Denn gerade schmerzhafte Trennungen hat sie in ihrem Leben wiederholt hinnehmen müssen. Ihre Eltern hatten in ihrer frühen Kindheit schon wiederholte Trennungen und versöhnten sich dann wieder. Der Vater war Alkoholiker und verprügelte die Mutter oft. Die Mutter ging regelmäßig fremd und verprügelte Megi. In ihrem 11. Lebensjahr trennten sich die Eltern endgültig und Megi kam in ein Heim. Die Schwester von Megi sagte im Gerichtssaal: „Megi war nie in ihrem Leben so glücklich wie mit Melina.“ Doch gerade dieses Glück ist für sie zerbrochen und sie konnte damit nur destruktiv umgehen. Zuerst überwog die autodestruktive Seite: Sie hatte Suizidgedanken – wie schon so oft in ihrem Leben – sie wurde depressiv, nahm Medikamente und fügte sich intensiv Selbstverletzungen durch brennende Zigaretten zu. Der ganze Körper sah aus wie ein Schlachtfeld durch Brandnarben. Die autodestruktiven Tendenzen wurden zunehmend durchsetzt von Rachegedanken und Mordphantasien. Kurz, bevor sie schließlich getötet hat, schrieb Megi an eine Bekannte: „Ich bin so psycho wegen der, ich bring die um und fertig.“ 


An diesem Abend trafen sich Melina, eine ihrer Freundinnen und Megi. Sie gingen zuerst in ein Schnellrestaurant essen und dann in die Wohnung von Melinas Freundin. Dort tranken sie einiges an Alkohol. Morgens um 06.00 Uhr verließen Melina und Megi die Wohnung der Freundin. Auf dem Weg zum Busbahnhof fragte Megi Melina plötzlich: „Warum hast du mich verlassen, warum stehst du plötzlich auf Männer? Warum bist du so gemein zu mir?“ Dann stach sie mit voller Wucht Melina mit dem Keramikmesser in den Rücken. Die folgende Raserei und den Blutrausch beschrieb Daniel Müller in seinem Dossier wie folgt: „Megi schleift ihre große Liebe vom Rasen eine Kellertreppe hinunter, trampelt auf dem noch lebenden Körper herum, die Leber reißt. Mit einer rostigen Zange schlägt sie ihr mehrere Zähne aus dem Kiefer. Megi setzt sich auf Melina, legt beide Hände fest um ihren Hals und würgt sie, mindestens drei, wahrscheinlich fünf Minuten lang. Zum Schluss rammt sie ihr das Messer immer und immer wieder ins Gesicht. Es ist ein Overkill. Ein Schlachtfest.“


Der forensische Psychiater Norbert Leygraf und die Psychologin Christina Kruse sprachen elf Stunden mit der Täterin Megi. Sie fanden eine „geschundene Seele“, eine traumatisierte Jugendliche, die überwiegend durch Gewalt, Trennungen, Verlassenwerden und zahlreiche Umzüge „beschädigt“ wurde. Bei diesen „desaströsen Entwicklungsbedingungen“ gab es keine Liebe und keine Zuwendungen. Die Gutachter diagnostizierten eine Borderline-Persönlichkeitsstörung (emotionale instabile Persönlichkeitsstörung) mit ausgeprägten dissozialen Zügen und erheblichen Gewalttendenzen. Im Mai 2016 fand die Gerichtsverhandlung an der Jugendstrafkammer des Landgerichts Münster statt. In der Anklageschrift wurde Megi Mord aus niedrigen Beweggründen vorgeworfen. Im Laufe des Prozesses und nach Anhörung der forensischen Gutachter verstärkte sich die Einschätzung des Gerichts, dass nicht die niedrigen Beweggründe eines Mordes vorlagen. Vielmehr habe eine traumatisierte und geschädigte Jugendliche keinen anderen Ausweg mehr gefunden. Selbst der Staatsanwalt plädierte auf Totschlag. Megi wurde schließlich zu sieben Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, verbunden mit der Auflage einer Unterbringung in der Psychiatrie.