Einige Anmerkungen zum Einsatz des Tasers

Berliner Rechtslage


Von Prof. Michael Knape, Berlin1

 

1 Allgemeines


Über den Einsatz des Distanz-Elektroimpulsgerätes – kurz: Taser – als neue Waffe der Berliner Polizei bestehen im politischen Raum offensichtlich weiterhin gravierende Uneinigkeiten. Nach einem anfangs zunächst nur auf drei Jahre angelegten Testlauf mit Beginn im Jahr 2017 war geplant, dieses Einsatzmittel letztendlich – nach Verlängerung – am Ende des Jahres 2022 als Standardausrüstung für die Berliner Polizei zu beschaffen.


Das Spezialeinsatzkommando (SEK) verfügt über dieses Einsatzmittel bereits seit 2001. Die Berliner Presse titelte jedoch schon am 18. und 30.3.2017, gestützt auf die Expertise von Polizeirechtswissenschaftlern, dass der Testlauf bei der Berliner Polizei für den Einsatz von „Elektroschockwaffen“ möglicherweise rechtswidrig sei.2 In anderen Bundesländern, in denen der Taser zum Einsatz kommt, ist dieser gesetzlich geregelt. Auf eine Vorschrift der Verwaltung verlässt sich ausschließlich das Land Berlin.3 Die Berliner Innenverwaltung sah dessen Einsatz dennoch von Anfang an als nicht gefährdet an. Der Gebrauch von Schusswaffen sei gesetzlich geregelt. Die Ergänzung in den Ausführungsvorschriften für Vollzugsbeamte der Polizeibehörde zum UZwG Bln (AV Pol UZwG Bln), wonach der Taser als Schusswaffe einzustufen ist, sei völlig ausreichend.4


Im Land Brandenburg existiert für den Taser zwar eine formal-gesetzliche Grundlage. Über die Voraussetzungen seines Einsatzes schweigt das BbgPolG5aber. So lässt z.B. auch Hamburg den Einsatz der Distanz-Elektroimpulsgeräte ausdrücklich durch Gesetz zu; eine Regelung seines Einsatzes – über die Voraussetzungen seines Gebrauchs – findet sich jedoch auch dort nichts.6 Die Partei DIE LINKE im Land Berlin bewertete den Testlauf in der 18. Wahlperiode als grds. kritisch; sie stützt ihre Bedenken auf ein nicht veröffentlichtes Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages, das auf Antrag der Linksfraktion angefertigt wurde. Linke und Grüne lehnen infolgedessen auch in der 19. Wahlperiode den Einsatz dieser Geräte strikt ab, nicht jedoch die meisten SPD-Politiker des linken Regierungsbündnisses.7 Der Autor dieses Beitrags sah schon in DIE POLIZEI, 2015, 135 ff. Distanz-Elektroimpulsgeräte als geeignete und wirksame Einsatzmittel an.8 Er schlug daher ausdrücklich vor, neben der Einfügung in den Waffenkatalog – Begriffsbestimmungen – des § 2 Abs. 4 UZwG Bln eine spezielle gefahrenabwehrende Normierung in § 17 UZwG Bln zu implementieren.9 Insoweit müsste die Vorschrift an eine gegenwärtige Gefahr für Leib, Leben oder Gesundheit anknüpfen. Dies schlösse neben der reinen Gefahrenabwehr auch die Verhinderung von Straftaten bzw. die mit Strafe bedrohten Handlungen als Unterfall derselben keinesfalls aus.10


Umso überraschender verkündete der Berliner Innenstaatssekretär, dass der Probelauf am 31.12.2022 mangels valider Datengrundlage endgültig beendet sei, mit der Folge, außer den Beamten des SEK verfüge dann kein einziger PVB mehr über ein Distanz-Elektroimpulsgerät. Geplant ist, bis März 2023 einen detaillierten Abschlussbericht zu fertigen. Diese Entscheidung revidierte die Senatorin für Inneres, Digitalisierung und Sport insofern, als sie im Einklang mit den Einsatztrainern der Polizeiakademie und den Polizeigewerkschaften den Taser als hervorragendes Einsatzmittel lobte und zugleich betonte, dass durch dessen Einsatz Menschenleben gerettet werden können; kurzum: der Taser muss bleiben.11 Damit stellte sie ihren eigenen Spitzenbeamten bloß.12

 


 

 

2 Einfach-gesetzliche Ausgangslage und Verwaltungsvorschrift


Der Gesetzgeber hat die in Berlin dienstlich zugelassenen Polizeiwaffen in § 2 Abs. 4 UZwG Bln aufgezählt. „Waffen sind die ‚dienstlich zugelassenen‘ Schusswaffen (Pistolen, Revolver, Gewehre, Maschinenpistolen) und Hiebwaffen (Schlagstöcke).“ Der Taser wird in § 2 Abs. 4 UZwG Bln als dienstlich zugelassene Waffe nicht genannt. Es stellt sich die Frage, wie der Gesetzesbegriff „dienstlichzugelassen“ auszulegen ist?


„Dienstlich zugelassen“ impliziert eine dienstliche und keine parlamentarische Stelle. Es muss sich in der Verwaltung um eine Stelle handeln, welche hierarchisch die Kompetenz besitzt, über die Bewaffnung der Polizei zu entscheiden. Dies kann aus Gründen der Dienst- und Fachaufsicht nur die oberste Dienstbehörde, die Senatsverwaltung für Inneres, Digitalisierung und Sport (SenInnDS) sein. In enger Abstimmung mit der Dienstbehörde (PPr), unter gleichzeitiger Mitbestimmung des GPR,13 legt sie den Waffenkatalog fest, über den sodann der Landesgesetzgeber, soweit in einem förmlichen Gesetz (UZwG Bln) notwendigerweise zu regeln (§ 2 Abs. 4 UZwG Bln), letztendlich abschließend entscheidet. Somit bestimmt in erster Linie die Exekutive, welche Waffen bei der Berliner Polizei dienstlich zugelassen sein sollen (§ 2 Abs. 4 UZwG Bln). SenInnDS stellt in der AV Pol UZwG Bln Nr. 11 zu § 2 UZwG Bln fest: „Die Aufzählung der in Absatz 4 zugelassenen Waffen (Schusswaffen und Hiebwaffen) ist abschließend.“ Des Weiteren fügt sie hinzu: „Distanzelektroimpulsgeräte, die mittels Druckgas oder Treibladung an Drähten geführte Elektroden verschießen (wie z.B. der Advanced Air Taser M 26), sind als Schusswaffen anzusehen, solange deren Gebrauch nicht speziell im Gesetz geregelt ist.“ So gut, so schön: Unmittelbare Rechtswirkung nach außen,14 etwa i.S.d. Erfordernisses einer Ermächtigungsgrundlage oder eines förmlichen Gesetzes,entfaltet diese – nur nach innen wirkende – Verwaltungsvorschrift keinesfalls. Die zuständige Senatsverwaltung hat in zwei Ausführungsvorschriften des UZwG Bln den Taser zwar als solchen angesprochen, es dabei aber unterlassen (in der Verwaltungsvorschrift [!]), explizit zu regeln, unter welchen besonderen tatbestandlichen Voraussetzungen dieser gegen Personen eingesetzt werden darf.15 Dieser Vorwurf geht gleichermaßen in Richtung Parlament, weil eine derart wichtige Regelung durch eine förmliche Vorschrift des UZwG Bln inhaltlich bestimmt sein muss. Warum der Gesetzgeber seine Gesetzgebungsbefugnis an dieser so wichtigen Stelle nicht wahrnimmt und der Exekutive – dem Senator für Inneres und Sport – freie Hand lässt, erschließt sich dem objektiven Betrachter nicht. Unstreitig ist, dass der Taser die große Lücke zwischen Schusswaffen einerseits und Schlagstock bzw. Reizstoffen andererseits ausfüllt. Bei Einsatzlagen des „Täglichen Dienstes“ schont dieses Einsatzmittel den angreifenden Störer bzw. Täter, bewahrt ihn womöglich vor einem tödlichen – hoheitlichen – Schusswaffengebrauch; dies gilt auch bei Personen, die sich erkennbar in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand befinden und aufgrund dessen sich oder andere gefährden (z.B. der mit einer Hieb-, Stich- oder Stoßwaffe bewaffnete [angetrunkene] Angreifer: ein PVB setzt den Taser ein, während ihn ein zweiter PVB mit gezogener Schusswaffe, Waffe am langen Arm, sichert; dabei ist die erforderliche Distanz zum Angreifer stets zu wahren). Ob und inwieweit der Taser ein zwecktaugliches Einsatzmittel bei „Einsätzen/Maßnahmen aus besonderen Anlässen“ ist, lässt sich nicht mit gleicher Sicherheit prognostizieren. Dennoch spricht einiges dafür. Während sein Einsatz bei Versammlungslagen nur schwer vorstellbar ist, kann der Taser z.B. bei (Musik-)Veranstaltungen – z.B. gewaltbereite, insb. angetrunkene Besucher –, Ansammlungen bestimmter Szeneangehöriger wie bspw. Rocker, Punker und dgl., d.h., bei gewalttätigen Aktionen16 mit all ihren Facetten oder bei Razzien im kriminellen Milieu, durchaus erfolgreich von Angehörigen der Einsatzeinheiten der BP Verwendung finden. Gleiches gilt bei Fußballlagen – sog. Risiko-/Hochrisikospiele – mit Hooligan- bzw. gewaltsuchenden Ultragruppierungen. Den Gebrauch des Schlagstocks – Hiebwaffe – regelt die AV Pol UZwG Bln Nr. 76 zu § 19 UZwG Bln sehr viel genauer, so dass sich für den Amtswalter Umfang und Grenzen seines Gebrauchs sowie die damit im Zusammenhang stehende Ermessensausübung deutlicher als für den Einsatz des Tasers ergeben. Man bedenke: Für den Gebrauch von Reizstoffen – lediglich Hilfsmittel der körperlichen Gewalt17 – findet der Rechtsanwender, abgesehen von § 21 UZwG Bln,18 im § 21b UZwG Bln eine – wenn auch nur kurze – formal-gesetzliche Regelung, deren Einsatz in der AV Pol UZwG Bln Nr. 80b zu § 21b UZwG Bln darüber hinaus sogar noch eine zusätzliche umfangreiche Ausgestaltung erfährt, was sich wiederum ermessensbindend bzw. -steuernd auswirkt. Dass nach der AV Pol UZwG Bln Nr. 43a zu § 9 UZwG Bln der Gebrauch des Tasers den „gleichen Voraussetzungen wie der aller anderen Schusswaffen“ unterliegt, ist keinesfalls zielführend. Diese Aussage ist zu unbestimmt, weil tatbestandlich nicht genügend konkretisiert. Denn immerhin enthält das UZwG Bln sechs Vorschriften (!), die Fälle des Schusswaffengebrauchs, abgesehen von den allgemeinen Vorschriften für den Schusswaffengebrauch (§§ 8 u. 9 UZwG Bln) einschließlich der Pflicht zur Androhung des Schusswaffengebrauchs (§ 10 UZwG Bln), in bestimmten Situationen regeln (§§ 11-16 UZwG Bln). Nach rechtsstaatlichen Grundsätzen drängt es sich geradezu auf, den Taser als dritte Waffengattung neben Schusswaffen und Hiebwaffen – und nicht etwa nur als bloßes Hilfsmittel der körperlichen Gewalt i.S.d. § 2 Abs. 3 UZwG Bln – zumindest in § 2 Abs. 4 UZwG Bln aufzunehmen. Als Zwischenergebnis lässt sich somit konstatieren, dass die so bedeutsame Polizeibewaffnung nach Landesrecht – ganz überwiegend – in der Hand der exekutiven denn der legislativen Gewalt liegt: Die SenInnDS kann jederzeit nach Belieben die Polizeibewaffnung der Berliner Polizei „erhöhen oder verringern“.19

 

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