Die Strafbarkeit von Mitgliedern der „Letzten Generation“

Von Prof. Dr. Dennis Bock und Benjamin Mischke, Kiel

 

1 Einleitung

 

In den letzten Monaten ist insbesondere durch Protestaktionen der „Letzten Generation“ (LG) das Thema Klimaaktivismus in den Fokus der politischen Debatte gerückt und hat – neben aktuellen weltpolitischen Themen – die Berichterstattung der Medien geprägt.2 Der Protest besteht meist in Straßenblockaden, bei denen die Mitglieder der LG ihre Hände mit Sekundenkleber auf der Fahrbahn fixieren und erhebliche Staus auslösen. Ebenfalls kam es vor, dass die Aktivisten in das Gelände eines Flughafens eingedrungen sind, um dort zu demonstrieren.3 Bei den verschiedenen Protestaktionen kommt es häufig zu Beschädigungen von Gegenständen, oft zu einer Beeinträchtigung der Fahrbahn. Hinter den Protestaktionen steht eine zentrale Organisationsstruktur, die sich über Spenden der Mitglieder, vorwiegend aber externer Befürworter der Protestaktionen finanziert. Der nachfolgende Beitrag beschäftigt sich zunächst mit der Strafbarkeit der Mitglieder der LG, die sich an den Protestaktionen beteiligen. In einem weiteren Schritt wird die Strafbarkeit der bloßen Mitgliedschaft erörtert und ferner überprüft, inwieweit eine Strafbarkeit von Unterstützern der LG, insbesondere Spendern, gegeben ist.

 

 

2 Strafbarkeit des Verhaltens

 

2.1 Strafbarkeit der Protesthandlungen

 

2.1.1 Nötigung gem. § 240 StGB


In Frage kommt für die Straßenblockaden eine Strafbarkeit wegen Nötigung nach § 240 I StGB. Danach macht sich strafbar, wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt.


2.1.1.1 Nötigungserfolg: Handlung, Duldung oder Unterlassung


Nach § 240 I StGB muss der Nötigungserfolg in einer Handlung, Duldung oder Unterlassung liegen. In Betracht kommen vorliegend sowohl die Handlung eines jeden Fahrers, dass Kfz zum Stehen zu bringen als auch das Unterlassen des Weiterfahrens. Somit ist ein hinreichender Nötigungserfolg gegeben.


2.1.1.2 Nötigungshandlung


Der Tatbestand der Nötigung beinhaltet zwei Verhaltensalternativen: Gewalt und Drohung mit einem empfindlichen Übel. Letzteres kommt im Falle der Straßenblockaden durch Teilnehmer der LG nicht in Betracht.


In Frage kommt jedoch die Anwendung von Gewalt. Unter Gewalt versteht man jede körperliche Tätigkeit, durch die körperlich wirkender Zwang ausgeübt wird, um geleisteten oder erwarteten Widerstand zu überwinden.4 Fraglich ist, ob durch das Blockieren einer befahrenen Straße durch Menschen für die Autofahrer eine physische Zwangswirkung überhaupt entfalten kann.


Jedenfalls gegenüber den Fahrzeugen, die in erster Reihe stehen, ist eine physische Zwangswirkung zu verneinen. Ein Mensch kann allein mit seinem Körper – ob an der Fahrbahn fixiert oder nicht – ein motorbetriebenes Kfz nicht aufhalten und entfaltet daher allenfalls für den Fahrer des Kfz eine psychische Zwangswirkung,5 die allerdings nicht dem heutigen Verständnis des Gewaltbegriffs des § 240 StGB6 entspricht. Eine Nötigung der Kfz-Führer in der ersten Reihe scheidet demnach mangels ihnen gegenüber ausgeübter Gewalt aus.


Allerdings kommt eine Gewaltausübung in mittelbarer Täterschaft gem. § 25 I 2 StGB gegenüber den Autofahrern ab der zweiten Reihe in Betracht.7 Denn diese können im wahrsten Sinne des Wortes „weder vor noch zurück“, da ihnen gegenüber physische Hindernisse in Gestalt der anderen Kfz bereitet werden. Die für die Gewalt erforderliche Körperkraft wird durch die in erster Reihe stehenden Kfz-Führer als sog. gerechtfertigt handelnde Werkzeuge8 ausgeübt, da sie den Verkehr gem. § 12 StVO zwar blockieren, allerdings um die Vermeidung eines Unfalls willen gem. § 34 StGB, § 16 OWiG gerechtfertigt handeln.9 Die in der ersten Reihe stehenden Autofahrer werden von den Demonstranten bewusst zu diesem Verhalten veranlasst, um den Verkehr zum Stehen zu bringen, sodass auch von einem „planvoll lenkendem Handeln“10 gesprochen werden kann.


2.1.1.3 Zusammenhang zwischen Nötigungshandlung und Nötigungserfolg


Ohne die Gewalt der Demonstranten würden die hinter dem ersten Fahrzeug stehenden Autos nicht blockiert. Somit ist Kausalität i.S.d. condicio-sine-qua-non-Formel11 gegeben. Da sich in diesem Erfolg auch die typische Gefahr der Blockade verwirklicht, ist der Nötigungserfolg dem Verhalten der Demonstranten auch objektiv zurechenbar.12


2.1.1.4 Vorsatz und Nötigungsabsicht


Vom Vorliegen des gem. § 15 StGB erforderlichen Vorsatzes der Protestierenden ist auszugehen. Eine Nötigungsabsicht13 ist bereits darin zu sehen, dass es den Demonstranten als notwendiges Zwischenziel14 darauf ankommt, dass der Verkehr an der blockierten Stelle zum Erliegen kommt.

 

 

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