Die strafrechtlichen Aufgaben der Wasserschutzpolizeien

Von EPHK Uwe Jacobshagen, Hamburg

2.2 Gemeingefährliche Straftaten

Im 28. Abschnitt des StGB sind die gemeingefährlichen Straftaten enthalten, die nur in den o.g. Bereichen für die WSP von Bedeutung ist. Gefährliche Eingriffe in den Schiffsverkehr und die Gefährdung des Schiffsverkehrs werden von der WSP regelmäßig im Zusammenhang mit Störungen des Schiffsverkehrs durch verschiedene Umweltschutzorganisationen ermittelt.

2.2.1 Gefährdungstatbestände

Die Gruppe „Smash Cruiseshit“ besetzte am 9. Juni 2019 einen Kran, blockierte den Zugang zu den Pollern und kreuzte mit kleinen Booten vor dem Bug des Schiffes, teilte die Polizei in Kiel mit. Mit der Aktion wollten die Aktivisten den Schadstoffausstoß des Kreuzfahrtschiffes „Zuiderdam“ unterbrechen und auf die ausbeuterischen Arbeitsbedingungen an Bord aufmerksam machen. Am Abend räumte dann die Polizei die Blockade und die „Zuiderdam“ konnte den Kieler Hafen gegen 22.00 Uhr mit sechs Stunden Verspätung verlassen.9


Diese Einsätze werden mittlerweile durch die sehr hohe Qualität der maritimen Einsatzeinheiten (MEE), die seit 2002 immer besser professionalisiert wurden, im Rahmen der Gefahrenabwehr wahrgenommen und bearbeitet. Bei der notwendigen Straftaterforschung spielt auch die entscheidende Frage in der Subsumtion eine Rolle, ob die Tatbestände der Straftatbestände erfüllt sind (Kausalität) und ob eine konkrete Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert (doppelte Kausalität) dadurch erfüllt wurde.


Regelmäßige Einsätze, gerade mit Beteiligung maritimer Einheiten von Greenpeace, führen immer dazu, die Gefährdungstatbestände zu ermitteln. Jedoch kommt es nur in Ausnahmefällen zu konkreten Gefährdungen durch die Störer, so dass im Rahmen dieser Einsätze selten die Tatbestände der §§ 315 ff StGB erfüllt werden.

2.2.2 Trunkenheit

Besondere Bedeutung in der strafrechtlichen Arbeit der WSP hat natürlich der Verstoß gegen die Vorschriften zur Verhinderung des Führens von Fahrzeugen unter Alkoholeinfluss. Wer kennt nicht das bekannte Seemannslied „What shall we do with the drunken sailor?“ Das Klischee von betrunkenen Seeleuten ist auch heute noch weit verbreitet. Dabei konsumieren Seeleute nicht mehr Alkohol als die durchschnittliche deutsche Bevölkerung. Das ist ein Ergebnis einer Fachkonferenz, die vor kurzem in Hamburg stattfand.10Der Beruf des Seemanns zählt zu den risikoreichen Stressberufen, d.h. sie sind besonderen Anforderungen ausgesetzt. Neben der sozialen Isolation, die durch die lange Abwesenheit von zu Hause kein normales Familienleben oder gar die Pflege von Freundschaften zulässt, stressen zusätzlich die Pflicht zum Schichtdienst und meist eine zu geringe Zahl an Besatzungsmitgliedern. Auch Gefahren durch die Wetterlage, durch Flüchtlinge, die sich nicht selten vor den Augen der Mannschaften in Seenot befinden, belasten die Seeleute. Hier wie auch in der Sportschifffahrt sollte nach Auffassung der Experten der verstärkte Einsatz von präventiven, zufallsgesteuerten nicht angekündigten Messungen von Alkohol und Drogen für risikobehaftete Arbeitsplätze erfolgen. Hierzu fehle aber der politische Wille.11


„(Ein) angeklagter Kapitän fuhr mit seinem Sportmotorboot auf einem Gewässer aus dem Berliner Stadtgebiet kommend in Richtung Brandenburg. Wegen des vorherigen Konsums alkoholischer Getränke war er nicht in der Lage, das Boot sicher zu führen. Er fühlte sich noch fahrtüchtig, hätte aber bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen müssen, dass dies nicht der Fall war. Der Angeklagte wurde mit seinem Boot von der Wasserschutzpolizei gesichtet und sodann kontrolliert. Eine bei ihm entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,26 mg/g. Er war damit absolut fahruntüchtig im Sinne von § 316 Abs. 1 StGB. Der Angeklagte wurde erstinstanzlich wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 20 Euro verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Berufung wurde verworfen.“12


Der für den Straßenverkehr mit Kraftfahrzeugen entwickelte Grenzwert für die absolute Fahruntüchtigkeit von 1,1 Promille ist nach der Auffassung des Schifffahrtsobergerichts beim OLG Brandenburg auch für die motorisierte Schifffahrt anzuwenden.13


Tatsächlich erfordert die Ermittlung dieser einfach erscheinenden Strafrechtsnorm nach § 316 StGB eine tiefgreifende Rechtskenntnis der Kollegen der WSP. Nicht nur der Tatbestand des Verkehrs – und damit die Öffentlichkeit – ist dabei richtig zu subsumieren, sondern auch die nicht im Gesetz genannten, aber durch Rechtsprechung anwendbaren Grenzwerte müssen bei der Erforschung solcher Straftaten berücksichtigt werden. Auch wenn Schiffe meist langsamer unterwegs sind als Autos, gelten Menschen am Steuer ab einem Promillewert von 1,1 nicht mehr als fahrtüchtig. Das Schifffahrtsobergericht beim OLG Karlsruhe hat seine Rechtsprechung geändert und den Wert von 1,3 herabgesetzt.14

 

2.3 Nötigung

Aktivisten von Greenpeace schrieben am 2. Juli 2017, wenige Tage vor Beginn des G20-Gipfels in Hamburg, in zwei Meter großen Lettern die Parole „End Coal“ an die Bordwand eines Kohlefrachters, der nach Greenpeace-Angaben etwa 75.000 Tonnen Steinkohle aus Russland nach Hamburg lieferte. Die Aktivisten aus Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und anderen europäischen Ländern forderten von der damaligen Bundeskanzlerin Merkel und ihren G20-Kollegen, aus der Kohleverstromung auszusteigen. „Nur der Ausstieg aus der Kohle kann verhindern, dass die Energiewende auf halbem Wege stecken bleibt“, sagte Greenpeace-Energieexperte Andree Böhling.15


Gleichzeitig verhinderten Greenpeace-Aktivisten das Anlegen des Frachters im Sandauhafen, indem sie sich mit Überlebensanzügen in das Wasser des Hafens sprangen. Der Kohlefrachter konnte so nicht den eigentlichen Löschhafen anlaufen, sondern musste am Ausweichhafen Finkenwerder festmachen, bis die Störung beseitigt war.

 


Abb. 1: Greenpeace im Hamburger Hafen.


Nach Auffassung der ermittelnden WSP wurden damit die Tatbestände der Nötigung (§ 240 StGB) erfüllt, weil für die Besatzung des Kohlefrachters keine Möglichkeit bestand, die Ladung vertragsgemäß zu löschen und somit ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden eingetreten ist. Ob die Tat dann als rechtswidrig anzusehen ist, weil die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist (§ 240 Abs. 2 StGB), obliegt der Einschätzung der Staatsanwaltschaft bzw. des urteilenden Gerichts.


Über 40 Greenpeace-Aktivisten protestieren am 10.11.2005 mit Schlauchbooten im Hafen von Lübeck gegen Urwaldzerstörung in Finnland. Kletterer befestigen an der Herrenbrücke über der Trave ein zwölfmal 40 Meter großes Transparent mit dem Spruch: „Stoppt Urwaldzerstörung, stoppt Stora Enso“. Sie wollen damit auf den Frachter „Antares“ aufmerksam machen, der Papier aus Finnland nach Lübeck liefert.16 Im Anschluss wurde von Greenpeace der Schriftzug mit weißer Farbe an der Bordwand der „Antares“ angebracht.


Zu ermitteln wäre in den genannten Fällen natürlich auch, ob durch die Beschriftung der Bordwand eine Sachbeschädigung (§ 303 Abs. 2 StGB) vorliegen könnte. In der Regel wurde in der Vergangenheit bei ähnlichen Taten durch die Reedereien als Geschädigte auf den Strafantrag verzichtet und das besondere öffentliche Interesse von den Staatsanwaltschaften verneint.