Die Polizei im Wandel der Zeit: Ein Hauptpersonalratsvorsitzender blickt zurück

Von EPHK Karsten Bech, Wiesbaden*

 

5 Beurteilungen


Eingruppierungen und Beförderungen haben etwas mit dem Leistungsprinzip zu tun und fußen oft auf einem Arbeitszeugnis oder einer Beurteilung. Aber genau diese werden von Menschen über Menschen erstellt und wer fühlt sich schon immer gerecht beurteilt? Wer reflektiert seine eigene Leistung richtig? Waren Vorgesetzte bei der Erstellung objektiv oder haben sie sich beeinflussen lassen? Oder wurden gar Beurteilungsfehler begangen? Leider sind mir in meiner langjährigen Tätigkeit als Personalratsvorsitzender alle dieser Varianten begegnet. Einige konnten durch eine offene und faire Aussprache gelöst, andere mussten hingegen verwaltungsgerichtlich geklärt werden. Damit verbunden ist auch die Problematik, gerechte und nachvollziehbare Beurteilungsrichtlinien zu erstellen. Dies war der Grund, warum es in Hessen zu keinen landeseinheitlichen Normen gekommen ist, die sowohl vom Hauptpersonalrat der Polizei als auch vom Landespolizeipräsidium getragen werden konnten. Zu verschieden waren die Vorstellungen. Hauptgründe waren die unterschiedlichen Strukturen und Größen der Behörden, die Bildung von Vergleichsgruppen, prozentuale Festlegungen in den Notenstufen und der Beurteilungszeitraum. Eine Anmerkung sei mir dazu erlaubt: Niemand hat es verdient schlecht beurteilt zu werden, nur weil es mathematisch vorgegeben ist oder das System zu einem Ergebnis kommt. Auch wenn es die letzte Beurteilung vor dem Ruhestand ist, keine Beförderung mehr im Raum steht und nicht mehr Geld verdient werden kann: Die Beurteilung muss das tatsächliche Leistungsbild wiedergeben. Nur das ist gerecht und wertschätzend.

 

6 Flexibilisierte Arbeitszeit und mobiles Arbeiten


In den letzten Jahren haben sich viele Dinge positiv entwickelt. So gibt es in Hessen fast alle Schicht- und Wechselschichtdienstmodelle und die sog. flexibilisierte Arbeitszeit im Tagesdienst. Natürlich müssen Mindestwachstärken gehalten und Servicezeiten berücksichtigt werden, bis heute ist es aber immer noch möglich, im Rahmen der Experimentierklausel über veränderte Arbeits- bzw. Schichtdienstzeiten abzustimmen und diese nach durchgeführter Probezeit einzuführen. Sicher ist unter den Bedingungen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht jeder Einzelfall optimal zu lösen, jedoch bestehen vielfältige Möglichkeiten, einen akzeptablen Kompromiss zu finden. Trotz aller Probleme hat die zurückliegende Corona-Pandemie zudem eines gezeigt: Das mobile Arbeiten ist unter bestimmten Bedingungen auch im Polizeidienst möglich. Ein Meilenstein im Wandel der Polizei in den letzten Jahren. Deshalb entstehen zurzeit auch Dienstvereinbarungen zwischen den Behörden und den örtlichen Personalräten zur Regelung dieser Arbeitsform, ohne damit bereits bestehende Regelungen auszuhebeln. Es gilt Möglichkeiten abzustimmen, an die vor der Pandemie nie zu denken war. Ein richtiger Weg zu einer modernen Polizei.

 

7 Ergebnisse der Expertenkommission


Nun ist es schon viele Monate her, dass sich eine Expertenkommission mit der hessischen Polizei, ihrer Struktur, Problemen, Fehlern, deren Ursachen und daraus resultierenden Veränderungserfordernissen beschäftigt hat. Weit über hundert Themen wurden als Empfehlungen an die dafür eingerichtete Stabsstelle „Fehler- und Führungskultur“ weitergegeben. In vielen Projekten nahmen sich zahlreiche Beschäftigte diesen Empfehlungen an und versuchten Lösungsansätze zu entwickeln. Dabei dürfte es jedem klar sein, dass positive Entwicklungen innerhalb der Polizei nicht über Nacht erreicht werden können. Deshalb war und ist es nach wie vor schwierig, aus theoretischen Empfehlungen auch handhabbare Prozesse für den Dienstalltag abzuleiten.


Bei der Einführung neuer Maßnahmen, Ideen und Verfahrensweisen sind wir mit dem Hauptpersonalrat in der Beteiligung. Um aber am Ende auch für die hessische Polizei, jedes Präsidium und alle Beschäftigten ein befriedigendes Ergebnis zu erreichen, ist es noch ein langer Weg. Hier sollte der Grundsatz „Qualität vor Geschwindigkeit“ gelten. Zu einigen Maßnahmen sind bereits Pilotdienststellen (z.B. Führungskräfteauswahl) bestimmt worden und man versucht die Theorie sinnvoll in den Dienst zu integrieren. Viele Denkansätze sind sehr gut, müssen sich jedoch in der Praxis noch bewähren. Deshalb stehen die örtlichen Personalräte und der Hauptpersonalrat auch im ständigen Austausch und evaluieren gemeinsam mit den Behörden.


Die Übertragung der Prozesse aus der Stabsstelle „Fehler- und Führungskultur“ in die Polizeipräsidien und damit die Allgemeine Aufbauorganisation (AAO) bindet naturgemäß Ressourcen. Das eh schon knapp bemessene Personal muss sich bspw. um die Umsetzung und vor allem die spätere Fortführung der Projekte sowie grundlegende Fragen der Aus- und Fortbildung kümmern. Die zwingende Folge von fehlendem Personal bei zunehmenden Aufgaben ist die Festlegung von Prioritäten. Dass die sich fortentwickelnde Kriminalität im Vordergrund der polizeilichen Arbeit stehen muss, ist unbestritten. Denn die Gefahrenabwehr und die Kriminalitätsbekämpfung gehören zu den Kernaufgaben der Polizei, die nicht vernachlässigt werden dürfen. Gute Ansätze dürfen zudem nicht verpuffen, nur weil sie im Einzelfall halbherzig gelebt oder sogar abgelehnt werden. Dies gilt z.B. für das viel zitierte Leitbild. Also muss die Fehler- und Führungskultur in allen Ebenen auch gelebt werden. Doch getreu dem Motto „Packen wir es gemeinsam an“ bin ich sicher, dass mit der notwendigen Gründlichkeit und ausreichendem Personal die Polizei modernisiert werden kann.

 

8 Zum Abschluss


Leider zeigen die aktuellen Zahlen, dass sich viele Kolleginnen und Kollegen nach der Einstellung in die Polizei umorientieren. Teilweise wird das gebotene Leistungsniveau nicht erreicht, teilweise werden die bestehenden Rahmenbedingungen jedoch auch nicht akzeptiert. Dies muss uns nachdenklich machen. Ich würde mich freuen, wenn ich demnächst unserem Nachwuchs wieder aus ganzem Herzen von einem tollen Polizeiberuf mit überzeugenden Rahmenbedingungen erzählen kann, mit dem man sich in jeder Form identifizieren kann. Diese positive Berichterstattung muss wieder unser aller Ziel sein. Dann sehe ich auch dem nächsten Rückblick unter dem Motto „Die Polizei im Wandel der Zeit“ gelassen entgegen.

 

Anmerkungen


*Der Autor ist Erster Polizeihauptkommissar und Vorsitzender des Hauptpersonalrates der hessischen Polizei.

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