Die Aufgaben der Wasserschutzpolizeien im Bereich der Küsten- und Seeschifffahrt

Von EPHK Peter Berg, Hamburg*

 

3 Ein exemplarischer Fall


Am Morgen des … fällt den Beamten der WSP-Leitstelle in Cuxhaven ein sonderbares Fahrverhalten eines Seeschiffes auf. Die sich dann anschließenden Recherchen des Leitstellenapparats im Maritimen Sicherheitszentrum ergeben folgendes Lagebild:


Ein unter türkischer Flagge fahrender Chemikalientanker löscht im Hafen von Bergen seine hochsensible, giftige Fracht und verlässt anschließend den norwegischen Hafen mit Ziel Hamburg, wo ein Werftaufenthalt geplant ist. Die Crew steuert jedoch nicht auf direktem Weg in Richtung deutsche Bucht, sondern fährt zunächst mit Südwestkurs in Richtung niederländischer Küste und weicht somit um mehrere hundert Seemeilen von der direkten Route ab. Kurz vor dem Verlassen der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ), ein spezieller Abschnitt der hohen See in dem der Küstenstaat, hier Deutschland, nach dem Internationalen Seerechtsübereinkommen besondere, souveräne Rechte hinsichtlich der wirtschaftlichen Nutzung hat, fährt das Schiff mehrere Kreise und gerät damit ins Recherchemuster der Kollegen in Cuxhaven. Diese wie oben beschriebene Spezialdienststelle der WSP Niedersachsen, an dem auch alle anderen Küstenländer beteiligt sind, überwacht dort mit den benachbarten Behörden, wie BuPol See, See-Zoll, Wasserstraßen- und Schifffahrtspolizei, Marine und Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung, vertreten durch die Fischereiaufsicht, den gesamten Seeraum im deutschen Einflussbereich und teilweise auch darüber hinaus. Der Leitstelle stehen dabei umfangreiche Recherche- und Ermittlungsmöglichkeiten bis hin zur Satellitenüberwachung zur Verfügung. Unterstützt von den Überwachungsfliegern des Havariekommandos und der Bundespolizei, versuchen die Kollegen dort die Schnittstelle zwischen Feststellungen auf See und den sich anschließenden Ermittlungen an Bord der Schiffe auf den Reeden oder in den Häfen zu bilden.


An diesem Morgen werden die Kollegen vom Kursverhalten des genannten Chemikalientankers aufgeschreckt. Bei der Örtlichkeit, ca. 80 Seemeilen westnordwestlich Helgoland, handelt es sich nicht mehr um deutsches Staatsgebiet, wodurch die Anwendbarkeit deutschen Rechts nach § 3 StGB grundsätzlich nicht mehr gegeben ist. Jedwedes Einschreiten muss sich am internationalen Recht und damit am Internationalem Seerechtsübereinkommen (SRÜ) messen lassen. Aber genau dieses Übereinkommen hat sich dem Schutz und die Bewahrung der Meeresumwelt verschrieben und erlaubt den Küstenstaaten ihr Recht, insbesondere zum Schutz der Umwelt dorthin auszudehnen. Deutschland hat dies über § 5 Nr. 11 StGB in der Form umgesetzt, dass Verstöße speziell gegen den 29. Abschnitt des StGB, namentlich den §§ 324, 326, 330 und 330a StGB, dort zur Anwendung kommen und auch geahndet werden können. Und das SRÜ geht noch weiter, es hält sogar internationales Strafprozessrecht für die Küstenstaaten bereit, wonach den staatlichen Behörden Möglichkeiten und Ermächtigungen geboten werden, auch außerhalb ihres Hoheitsgebietes tätig zu werden. Hätte sich die Situation einige Seemeilen weiter in der niederländischen AWZ abgespielt, so hätten Mechanismen in Gang gesetzt werden müssen, um zunächst den betroffenen Küstenstaat zu informieren und ein Rechtshilfeersuchen zu stellen. In dieser Sachlage jedoch sind die Kollegen nur den internationalen und deutschen Vorschriften unterworfen. Formvorschriften aus dem SRÜ gilt es allerdings auch hier zu beachten, allem voran diejenige, dass derlei Verstöße lediglich mit Geldstrafen zu ahnden sind.


Nach den ersten Feststellungen beginnt die auf den obigen Vorschriften basierende Maschinerie zu laufen. Der Mitarbeiter in der WSP-Leitstelle informiert die Kollegen in der Leitstelle des Bundes und die entsenden ein in der deutschen Bucht eingesetztes Schiff der BuPol See. Die Dienstschiffe der BuPol See sind speziell für diese Gebiete im Einsatz und unterstützen die Ermittlungen der Wasserschutzpolizeien im Seebereich. Sie erfahren durch ihr Zuständigkeitsrecht, wie die Seschifffahrtsaufgaben-Übertragungsverordnung und die Zuständigkeitsverordnung See, entsprechende Kompetenzen und Rechte, die sich dann wiederum aus internationalem Recht herleiten.


Das betroffene Seegebiet liegt zwar vor der deutschen Küste, ist aber dennoch nicht mal soeben zu erreichen. Nach einigen Stunden Anfahrt in Richtung des Tankschiffes erreicht das Dienstboot die Örtlichkeit und nimmt Kontakt zur Schiffsführung auf.


Das SRÜ erlaubt in diesen speziellen Fällen lediglich die Abfrage bestimmter Informationen zum Schiff, zur Besatzung und zum Routenverlauf, die Möglichkeit den Tanker zu borden und Ermittlungen an Bord durchzuführen besitzen die Kollegen des Bundes aber nicht. Grund dafür ist die Situation, dass es sich bei der Position nicht mehr um deutschen Grund und Boden und auch nicht um deutschen Seeraum handelt. Während der Kontaktaufnahme mit dem türkischen Schiff suchen die Kollegen der BuPol parallel dazu den Meeresbereich nach Verunreinigungen ab. Im Gegensatz zu Öl hinterlassen Chemikalien in vielen Fällen keine Rückstände auf der Wasseroberfläche, was den Verstoß nicht weniger gravierend macht. Auch ist das Einleiten von Resten der Ladung aus Chemikalientankschiffen nicht grundsätzlich verboten, allerdings hält das Internationale Meeresumweltschutzübereinkommen MARPOL spezielle Vorschriften dazu bereit. Ob und in welcher Form diese Regelungen eingehalten oder die Besatzung gegen internationale Vorschriften und damit auch gegen deutsches Strafrecht verstoßen hat, sollte sich in den Folgetagen im Hamburger Hafen ergeben. Hätten die Ermittlungen vor Ort ergeben, dass eindeutige objektive Beweise für eine schwere Verschmutzung mit einer Gefahr für die deutsche Küste bestanden hätte, wären die Kollegen der BuPol See nach dem SRÜ ermächtigt gewesen das Schiff zu betreten, Ermittlungen durchzuführen und bei entsprechender Beweislage auch eine Sicherheitsleistung zu nehmen.


Nach dem Willen der internationalen Staatengemeinschaft, verbrieft im SRÜ, sollen Umweltverstöße auf dem Meer lediglich mit einer Geldstrafe geahndet werden. Auch die Anwendung der Seeumweltverhaltensverordnung wäre in diesem Bereich, auf Grundlage des SRÜ möglich. Diese Vorschrift hält bei derlei Verstößen, flankierend zum StGB, noch Bußgeldvorschriften bereit. Zuständig für diese Verstöße ist aus strafrechtlicher Sicht die Staatsanwaltschaft Hamburg und für die Ordnungswidrigkeiten obliegt die Ahndung dem Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) in Hamburg.


Die Ermittlungen und Nachfragen der eingesetzten Kräfte ergeben schlussendlich, dass das Schiff nun auf direktem Weg in Richtung Elbe und damit in Richtung des Bestimmungshafen Hamburg ist. Die vor Ort gewonnenen Erkenntnisse werden über die Bundesleitstelle an die WSP- Leitstelle und schlussendlich an das zuständige Wasserschutzpolizeikommissariat im Hamburger Hafen gesteuert. 24 Stunden später erreicht der Tanker Hamburg, wo auch schon die Fachleute aus der Umweltabteilung auf ihn und die Verantwortlichen warten.


Die Überwachung der Einhaltung der Vorschriften zum Thema Meeresumweltschutz obliegt nach dem Seeaufgabengesetz grundsätzlich dem BSH, das sich bei dieser Tätigkeit im Rahmen der Aufgabenübertragung zum schifffahrtspolizeilichen Vollzug der Wasserschutzpolizeien der Länder bedient. Hiernach sind diese grundsätzlich im Rahmen der Gefahrenabwehr für die Überwachung der Einhaltung der dem Umweltschutz dienenden Vorschriften sachlich zuständig. Gemäß den Kontrollermächtigungen aus dem Marpol-Übereinkommen selbst, soll eine Kontrolle der Überwachung dienen, ob vom Schiff Schadstoffe entgegen den Normen eingeleitet wurden. Genau hierzu ist es erforderlich, an Bord des Tankers Tagebücher zu kontrollieren, Rohrleitungen zu verfolgen, elektronische Aufzeichnungen auszuwerten und am Ende die Besatzung zu befragen. Eine Tätigkeit die sehr viel Sachverstand, Erfahrung und die Fähigkeit erfordert, sich in englischer Sprache verständigen zu können. Speziell bei dem Umgang mit der Ladung auf Chemikalientankern handelt es sich um komplexe Vorgänge, die strengen Regelungen unterworfen sind, wird hier doch mit hochgiftigen Stoffen umgegangen.


Die Wasserschutzpolizeien der Küstenländer sind in diesem Zusammenhang recht unterschiedlich aufgestellt. In den Ländern Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein gibt es spezielle Abschnitte oder Fachdienste an den jeweiligen Dienststellen, die sich ausschließlich mit dem Thema Meeresumweltschutz befassen. Niedersachsen leistet diesen Dienst aus dem normalen Wechselschichtdienst heraus und Mecklenburg-Vorpommern fast diese Tätigkeit in einem Resort zusammen, das zusätzlich noch für Gefahrgut und Seeunfalluntersuchung zuständig ist. Die Philosophie „Umweltschutz ist wichtig!“ haben jedoch alle Länder gemeinsam auf ihrer Agenda. Auch finden ein steter fachlicher Austausch und gemeinsame Schulungen an er Wasserschutzpolizei-Schule in Hamburg statt. In enger Zusammenarbeit mit den Fachbehörden BSH und der Abteilung Schiffssicherheit der BG Verkehr sind alle Beteiligten stets daran interessiert, dass die Umwelt nicht auf der Strecke bleibt. Am Ende bleibt es eine Materie, die stark von international recht unterschiedlicher Sichtweise geprägt ist. Da hilft es auch wenig, dass sich die International Maritime Organisation (IMO) auf einen einheitlichen Standard geeinigt hat und diesen im Marpol-Übereinkommen als Umweltschutzvorschrift verschriftet hat. Sieht man die nationalen, deutschen oder etwa die EU-Vorschriften als Gegenpol, kommt man schnell zu dem Ergebnis, dass es sich beim Marpol-Übereinkommen um eine „Umweltverschmutzungsvorschrift“ handelt. Kann man doch in vielen Regeln hieraus eine Erlaubnis im Rahmen der Verwaltungsakzessorietät erkennen. Darüber hinaus lässt der Wortlaut der Anlage II zum Marpol-ÜE, hier „Vorschriften zur Überwachung der Verschmutzung durch als Massengut beförderte schädliche Stoffe“, deutlich erkennen, dass es häufig nicht um die Verhinderung einer Verschmutzung geht und damit nicht unmittelbar dem Wohle der Meeresumwelt dient.


Die in diesem Fall eingesetzten WSP-Kollegen aus Hamburg können den verantwortlichen Offizieren an Bord des Tankschiffes einen unsachgemäßen Umgang mit den Chemikalienrückständen nachweisen. Der dem Ladungsoffizier konkret zu Last gelegt Verstoß beschränkt sich hierbei darauf, dass sich das Schiff nicht „on Route“ befand, sondern von seiner direkten, navigatorisch erforderlichen Route abgewichen ist, um quasi eine sog. Verklappungsfahrt durchzuführen. Regelmäßig stellen solche Verstöße Straftaten im Sinne der §§ 324, 326 StGB dar. In diesem speziellen Fall sollte jedoch eine Ahndung über die Seeumweltverhaltensverordnung erfolgen. Eine Art und Weise der Ahndung, die seit einiger Zeit mit deutlich höheren und damit zugleich empfindlichen Bußgeldern einhergehen. So hat die Ordnungsbehörde in Punkto Sicherheitsleistungen im vergangenen Jahr von Fall zu Fall den vollen Rahmen ausgeschöpft, was zum Teil zu Beträgen von mehr als 100.000 Euro führte.

 

4 Zum Abschluss


Das entschlossene hoheitliche Handeln wirkt inzwischen auch durchaus abschreckend. Leider werden die Küstenstaaten erst nach und nach problembewusst und fordern inzwischen die Einführung sog. Sondergebiete, in denen eine solche Einleitung vollständig verboten ist. Allerdings arbeiten die Mühlen recht langsam und somit ist mit einer Einführung einer Schutzzone wohl nicht in naher Zukunft zu rechnen. Aus diesem Grund starten Tag für Tag die Umweltsachbearbeiter der Wasserschutzpolizeien zu Kontrollen und werden nicht müde, zumindest die Einhaltung des kleinsten gemeinsamen Nenners zu überwachen – ohne Zweifel eine besondere Aufgabe für hochmotivierte Mitarbeiter.


Bildrechte: Erik Krüger, MSZ.

 

Anmerkungen


* Peter Berg war viele Jahre im Bereich der maritimen Umweltüberwachung der WSP Bre-men/Bremerhaven tätig und ist heute als Fachbereichsleiter Küste an der Wasserschutzpolizei-Schule Hamburg verantwortlich für die Aus- und Fortbildung der WSP-Beamten der Küstenländer. Er ist sowohl Schiffsbetriebstechniker wie auch Inhaber eines nautischen Befähigungszeugnis und verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung im Bereich Umweltschutz. 2021 ist von ihm das Buch „Navigation für jedermann“ erschienen.

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