Kinder im Ermittlungsverfahren

Möglichkeiten und Grenzen der Vornahme strafprozessualer Maßnahmen (Teil 2)

 

Von KOK`in Ass. jur. Julia Luther, Kiel1

 

3.5 Maßnahmen zur Identifizierung

Unproblematisch ist bei unverdächtigen Kindern, die beispielsweise als Zeugen in Betracht kommen, die Feststellung der Identität gemäß § 163b II StPO möglich.2 Wie aber verhält es sich mit Kindern, die der Begehung einer Straftat verdächtig sind? Der Wortlaut des § 163b I StPO erfordert lediglich den Verdacht der Tatbegehung. Daraus kann geschlossen werden, dass grundsätzlich die Identitätsfeststellung eines Kindes nach dieser Norm zumindest dann möglich sein könnte, wenn das genaue Alter ungeklärt ist3 oder es sich zumindest nicht offensichtlich um eine Person unter 14 Jahren handelt4. Solange Unklarheit über die Strafmündigkeit besteht, handelt die Polizei zulässiger Weise mit dem Ziel, einen verfolgbaren Tatverdächtigen zu ermitteln. Zu diesem Zweck muss es dann eben auch möglich sein, alle Maßnahmen zu ergreifen, die der Altersermittlung dienen.5 Sie sind jedoch sofort einzustellen, sobald sich herausstellt, dass es sich um ein Kind handelt.

3.6 Freiheitsbeschränkungen und -entziehungen

Beim Umgang mit tatverdächtigen Kindern stellt sich die Frage nach Eingriffsmöglichkeiten zum einen im Zusammenhang mit der Festhaltemöglichkeit im Rahmen der Identitätsfeststellung nach § 163b I StPO und zum anderen bei der vorläufigen Festnahme nach § 127 StPO.


Die herrschende Meinung vertritt den Standpunkt, dass es sich bei der „frischen Tat“ im Sinne des § 127 I StPO um eine Straftat handeln müsse und der Zweck der Festnahme ausschließlich der Sicherung des Strafverfahrens gegen den Tatverdächtigen diene. Da Kinder aber in keinem Fall der Strafverfolgung zugeführt werden können, könne auch ihre Festnahme auf der Grundlage des § 127 I 1 StPO nicht zulässig sein.6 Dies wird auch durch die PDV 382 gestützt, die ebenfalls keine Festnahme eines Kindes auf Grundlage des § 127 StPO nennt. Der Rechtsfrieden wird durch den Ausschluss der Jedermann-Festnahme nicht über die Maße belastet, da gemäß § 163b I 2 StPO der Polizei das Festhalten einer tatverdächtigen Person für die Dauer der Identitätsfeststellung möglich ist. Die Maßnahme ist jedoch nur zulässig, solange nicht klar ist, dass es sich um ein Kind handelt.


Die PDV 382 sieht in Nr. 6.1.1 eine Identitätsfeststellung bei Kindern nur auf Grundlage von § 163b II StPO als möglich an. Bei dieser Handlungsanweisung handelt es sich um die logische Konsequenz aus dem oben ausgeführten Vorgehen zur Feststellung der Identität. Bei Kenntnis über die Strafunmündigkeit kann gegen das tatverdächtige Kind nur noch auf Grundlage des § 163b II StPO vorgegangen werden.7

 

3.7 Körperliche Untersuchung und Spurensicherung

Die StPO regelt sowohl die körperliche Untersuchung von Beschuldigten, § 81a StPO, als auch von Dritten, § 81c StPO. Unter Berücksichtigung der vorherigen Aussagen zum Umgang mit tatverdächtigen Kindern läge es nahe, dass der fehlenden Beschuldigtenstatus der Anwendung des § 81a StPO bei Strafunmündigen entgegenstände. Die PDV 382 sieht jedoch ein Abweichen von diesem Grundsatz in Ausnahmefällen vor. Nach Nr. 7.1.1 ist die Untersuchung nach § 81a StPO auch bei Kindern möglich, wenn bei schwerwiegenden Straftaten die Strafmündigkeit anders, also beispielsweise mittel erkennungsdienstlicher Behandlung, nicht festgestellt werden kann. Die Maßnahme darf in einem solchen Fall aber nur zur Altersbestimmung herangezogen werden. Sofern das Alter nicht zweifelsfrei festgestellt werden kann, gilt der Grundsatz in dubio pro reo, das heißt, im Zweifelsfall muss zugunsten des Tatverdächtigen davon ausgegangen werden, dass es sich um ein Kind handelt.8 In allen anderen Fällen ist die körperliche Untersuchung von Kindern nur nach den §§ 81c, 81d StPO möglich, PDV 382 Nr. 7.1.1. Die Untersuchung ist statthaft, wenn festgestellt werden muss, ob sich in oder am Körper eine bestimmte Spur oder die Folgen einer Straftat befinden.9 Dabei ist wichtig, dass Kinder die Untersuchung verweigern können, wenn ihnen das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 StPO zusteht, Nr. 7.2.1. Grundsätzlich sind die Erziehungsberechtigten über das Ergebnis der Untersuchung zu benachrichtigen, Nr. 7.4.

3.8 Die erkennungsdienstliche Behandlung

Erkennungsdienstliche Maßnahmen an Kindern sind gemäß der PDV 382 Nr. 9.1.2 nur zum Zwecke der Identitätsfeststellung an Kontrollstellen nach § 111 I 2, III StPO und zum Zwecke der Aufklärung von Straftaten gemäß § 163b II StPO grundsätzlich zulässig. Dies darf nach Nr. 9.1.3 jedoch nicht gegen den Willen des Kindes passieren.

3.9 Die Durchsuchung

In Abgrenzung zur körperlichen Untersuchung, die stets die Untersuchung des entkleideten Körpers beschreibt10, bezieht sich die Durchsuchung auf Räume, Sachen sowie bekleidete Personen11.


3.9.1 Durchsuchungen bei Verdächtigen und Unverdächtigen


Zweck der Durchsuchung beim Verdächtigen nach § 102 StPO ist zum einen das Ergreifen des Verdächtigen12 sowie das Auffinden von Beweismitteln und Spuren13. Im Sinne dieser Norm bedeutet dies, dass der Tatverdacht noch nicht soweit erhärtet sein muss, dass bereits von einem Beschuldigten gesprochen werden kann.14 Die Maßnahme dient jedoch der Führung des Ermittlungsverfahrens und gegebenenfalls der Konkretisierung des Tatvorwurfs.15 Bei Kindern steht der Realisierung dieses Zweckes das Prozesshindernis des § 19 StGB entgegen. Die Durchsuchung nach § 102 StPO bei Kindern ist somit unzulässig.16 Ein entsprechender Hinweis ergeht auch durch die PDV 382 in Nr. 8.1.1. Die Durchsuchung kann für Zwecke der Strafverfolgung laut PDV jedoch nach § 103 I 1 StPO erfolgen. Dabei ist zu beachten, dass es sich nicht um die Verfolgung des Kindes handeln kann. Wenn ausschließlich dieses als Täter in Betracht kommt, so ist auch die Durchsuchung nach beim Unverdächtigen.17 Bei einer Durchsuchung bei einem Kind ist zu beachten, dass diese in Anwesenheit eines Erziehungsberechtigten erfolgen soll, PDV 382 Nr. 8.2.1. Sofern ein Dritter im Sinne von § 106 StPO hinzugezogen wird, soll gemäß Nr. 8.2.3 zum Schutz der Interessen des Kindes nach Möglichkeit auf die Hinzuziehung von Mitbewohnern, Nachbarn oder Bekannten verzichtet werden.

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