Ein Weg durch zwei Systeme

Eine Karriere in der Kriminalpolizei

 

8 Gewerkschaftsarbeit im Fachausschuss Kriminalpolizei


Daneben arbeitete ich lange als Vorsitzender des Fachausschusses Kriminalpolizei bei dem Geschäftsführenden Landesbezirksvorstand (GLBV) der GdP. In dieser Funktion war ich naturgemäß bei den gewerkschaftlich bedeutungsvollen Problemen innerhalb der Polizei, insbesondere der Kriminalpolizei, involviert. Wir spürten, dass uns eine lange Phase bevorstand, geprägt von zahlreichen Veränderungen der Polizeistruktur. Nach jeder Landtagswahl wechselte der Innenminister, was grundsätzlich eine Strukturreform bedeutete. Diese Eingriffe in das funktionierende polizeiliche Getriebe, zielten im Wesentlichen auf „Verschlankung“. Kostenreduzierung, Personalabbau, Einstellungsstopp, Beförderungsstau und mehrfache Herabstufung ganzer Dienststellen waren einige Symptome dieser Entwicklung. Aus der polizeilich-sicherheitspolitischen Situation war die Notwendigkeit zu derartig einschneidenden Veränderungen meines Erachtens nicht zu rechtfertigen. Man hat es dennoch getan, ohne dem Widerspruch und den sachlichen Argumenten der (leider uneinigen) Polizeigewerkschaften ernsthaft Gehör zu schenken. Unser Fachausschuss Kriminalpolizei hatte einige mahnende Thesenpapiere erarbeitet.


Leider gab es sowohl in „meiner“ GdP als auch bei der Konkurrenz zu viele Hardliner, die nicht bereit waren, ihre Positionen aufzugeben. Ich halte das für einen entscheidenden Grund, warum wir es nicht geschafft haben, „einige besonders dicke Bretter zu bohren“ und schmerzhafte Einschnitte zu verhindern. Die Polizei wurde regelmäßig radikalen Umbrüchen ausgesetzt. Es wurde besonders am Personal gespart, koste es was es wolle. Darin und nicht in strategisch-polizeilichen Erwägungen lag aus meiner Sicht der Hauptgrund für sämtliche Umwälzungen in der Polizei, die der Dienstherr „liebevoll“ Strukturreformen nannte.


Diese Veränderungen im Rhythmus der Wahlperioden bedeuteten für viele Polizeibeamte einschneidende Konsequenzen. Man war wiederholt gezwungen, sich um Dienstposten in neuen Strukturen zu bewerben. Das führte z.B. dazu, dass ausgewiesene Fachleute in der Kriminalpolizei, in der Hoffnung irgendwann befördert zu werden, sich auf völlig sachfremde Dienstposten beworben haben, was einen großen Kompetenzverlust zur Folge hatte. In diesem Prozess wechselte ich vom Zentralen Kriminaldienst der PD auf die Ebene Polizeirevier. Ich wurde 2003 Sachgebietsleiter im Kriminaldienst des zusammengeführten Polizeireviers Aschersleben-Staßfurt. Im Jahr 2008, in Folge der nächsten Strukturreform, wurden Aschersleben und Staßfurt – beide ehemals eigenständige Reviere – wieder getrennt und nunmehr in zwei Polizeikommissariate verwandelt. Dieser gefühlte Abstieg hatte natürlich Auswirkungen auf den Etat. Ich wurde für fünf Jahre Leiter Kriminaldienst im Kommissariat Staßfurt. Ungeachtet der Personalknappheit blieb der Erfolgsdruck dennoch hoch, die vorgegebenen Kennzahlen mussten erreicht werden und Kreativität war gefragt- In dieser Zeit lernte ich, wie wichtig es ist, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fair zu behandeln und vertrauensvoll im Team zusammenzuarbeiten. Dies war nicht einfach, da wir uns seit Jahren in einem Beförderungsstau befanden, dessen Auswirkungen auf die Motivation unübersehbar waren. Den „Verdacht“, das Beurteilungssystem könnte damit in einem Zusammenhang stehen, bin ich nie losgeworden. Nach der nächsten Landtagswahl trat eine erneute Strukturreform in Kraft. Die beiden Polizeireviere der ehemaligen Kreisstädte Aschersleben und Staßfurt wurden nunmehr, für mich völlig unverständlich, ersatzlos als selbständige Dienststellen abgewickelt. Sie teilten das Schicksal weiterer Dienststellen, die über viele Jahrzehnte Revierstatus hatten. Mein Dienstposten, Leiter Kriminalpolizei, ging dabei mit unter. So schlossen sich im Jahr 2014 unfreiwillig mein allgemeiner beruflicher Lebenskreis und meine Beamtenkarriere.

 

9 Rückkehr an die Polizeischule


Ich holte also meinen alten Plan, noch einmal Lehrer an der Polizeischule zu werden, wieder ins Blickfeld. Da gerade dringend Lehrkräfte gebraucht wurden, stimmte man einer Versetzung zu. Mein Comeback wurde doch noch Realität. Für die letzten drei Jahre bis zur Pensionierung unterrichtete ich als Fachlehrer „Kriminalistik“. Diese Zeit war von einer „Wiederaufrüstung“ der Personalstärken in der Polizei gekennzeichnet, was auch dringend erforderlich war. Man stelle sich einen Fußballverein vor, der über viele Jahre keinen Nachwuchs generiert hatte und nun, mit einer überalterten Mannschaft und gerade einmal sieben einsatzfähigen Spielern, dem unvermeidlichen Abstieg entgegenstürzt. Nun steuert man gegen und ist froh über jeden jungen Spieler. Ob die Zugänge wirklich über siegversprechende Tugenden verfügen, wird sich zeigen. Inwieweit die „Vereinsstruktur“ den zukünftigen Anforderungen nachhaltig genügen kann, ist eine weitere Frage, die sich stellt. Alte und erfahrene Teamplayer sind inzwischen abgedankt und können das Geschehen nur noch aus einer skeptischen Distanz verfolgen.

 

10 Hilfe, ich werde pensioniert


Im Frühjahr 2017 kam meine Pensionierung unaufhaltsam näher. Der Unterricht machte mir Spaß, ich fühlte mich fit. Auch der morgendliche Blick in meinen Spiegel gaukelte mir regelmäßig ein positives Feedback vor. Also unterbreitete ich der Polizeischule das Angebot, noch ein bis zwei Jahre anzuhängen. Obwohl man jede Lehrkraft brauchte und mein Antrag befürwortet wurde, bekam ich einen ablehnenden Bescheid aus dem Innenministerium. So erging es meines Wissens allen Beamten des Jahrganges 1957, die eine Verlängerung ihrer Dienstzeit beantragt hatten.


Am 30.11.2017, um 23.59 Uhr, trat ich beamtenrechtlich in den Ruhestand. Der Karriereweg durch zwei Systeme hatte sich geschlossen. Als Honorarlehrkraft erteilte ich jedoch weiterhin Unterricht! Im November 2020, wegen der beispiellosen Pandemie-Krise, sah ich mich jedoch gezwungen, diese Tätigkeit endgültig zu beenden. Niemand ist eben allein Schmied seines Glückes, vielmehr hängt ein persönlicher Lebensweg auch von Zufällen und äußeren Umständen ab, die man nur bedingt oder gar nicht beeinflussen kann. Das spürt man besonders, wenn man von einem System in ein anderes wechselt.


Ein Polizeiseelsorger aus Niedersachsen sagte 1990, in der Phase der politischen und persönlichen Orientierungsfindung, einen sehr klugen Satz zu mir, der mir damals sehr geholfen hat und den ich mit den Jahren immer besser verstanden habe. Er lautet sinngemäß: „Junger Mann, Sie müssen lernen, aus den vielen Übeln des Lebens das für sie geringste herauszufinden. Auf den Idealfall werden sie niemals treffen.“ Recht hat er gehabt!


Bildrechte: Fachhochschule Polizei Sachsen-Anhalt.

 

Anmerkungen

 

  1. Mit diesem Slogan hatte das Land Sachsen-Anhalt lange Zeit für sich geworben.
  2. Eintritt des Autors in den Ruhestand.
  3. Die Transportpolizei wurde nach der deutschen Vereinigung ersatzlos aufgelöst. Die Aufgaben gingen an den Bundesgrenzschutz über. Die Zuständigkeitsbereiche waren deckungsgleich mit den Reichsbahndirektionen.
  4. Die Offiziersschule des Ministeriums des Innern „Wilhelm Pieck“ war die zentrale Ausbildungsstätte für zukünftige Offiziere der Deutschen Volkspolizei (vergleichbar mit dem gehobenen Dienst).
  5. Vergleichbar mit „Kommissar“ (gehobener Dienst, in LSA Laufbahngruppe II).
  6. Entspricht dem „höheren Dienst“.
  7. Der Abschluss „Diplom-Jurist“ wurde im „Einigungsvertrag“ dem Ersten Juristischen Staatsexamen gleichgestellt.
  8. Dieser Begriff wurde hinter vorgehaltener Hand verwendet. Er steht für die Entlassung wegen nachgewiesener Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit (Stasi) und geht auf den ehemaligen Beauftragten für die „Stasiunterlagen“ und späteren Bundespräsidenten Joachim Gauck zurück.
  9. Das war die damalige Bezeichnung für „Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft“.
  10. Der Zuständigkeitsbereich erfasste die sachsen-anhaltinische Harzregion.

 

 

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