Wissenschaft  und Forschung

Intimizide durch Polizisten

Von Prof. Dr. Herbert Csef, Würzburg

3.3 März 2014 – Tatort: Kehlheim, eigene Wohnung

Der 28 Jahre alte Polizist erschießt seine 18 Jahre alte Freundin mit der Dienstwaffe seiner Polizeikollegin. Der Polizist war bereits mehrere Wochen krankgeschrieben, ging zu seiner Dienststelle, entwendete die Pistole der Kollegin, tötete seine Freundin und dann sich selbst.

3.4 Dezember 2015 - Tatort: Jever, eigene Wohnung

Der 30 Jahre alte Polizist erschießt mit seiner Dienstwaffe seine 29 Jahre alte Ehefrau, eine im Ort beliebte Geschäftsfrau. Das Ehepaar hat zwei Töchter, zwei und acht Jahre alt, die überleben. Nach der Tat erschießt er sich selbst. Im Vorfeld des Tötungsdelikts gab es intensives Stalking des Ehemannes.

3.5 März 2017 – Tatort: Emmendingen, eigene Wohnung

Der verheiratete 58 Jahre alte Polizist erschießt mit seiner Dienstwaffe seine 42 Jahre alte Ehefrau und dann sich selbst. Das Paar war kinderlos.

3.6 Mai 2017 – Tatort: Echzell/Wetterau bei Gießen, eigene Wohnung

Das Ehepaar (Polizist 57 Jahre alt, Ehefrau 46 Jahre alt) hatte wie schon öfter heftigen Streit und vermutlich erhebliche Eheprobleme. Die Nachbarn alarmierten die Polizei. Der Polizist hatte seine Ehefrau mit seiner Dienstwaffe bereits erschossen, als seine Polizeikollegen kamen. Er richtete die Waffe gegen sich selbst, die Kollegen sahen dies und riefen ihm noch zu, er solle es nicht tun, doch er erschoss sich selbst. Das Ehepaar hatte fünf Kinder, die nicht bei der Tat involviert waren.

3.7 November 2018 – Tatort: Merzig (Saarland), eigene Wohnung

Der 49 Jahre alte Polizist erschoss mit seiner Dienstwaffe seine 45 Jahre alte Ehefrau und dann sich selbst. Die Ehefrau hatte Trennungsabsichten.

3.8 Oktober 2021 – Tatort: in Niederösterreich, eigene Wohnung

Ein 44 Jahre alter Drogenfahnder, der beim Landeskriminalamt Wien arbeitete, erwürgte seine 43 Jahre alte Verlobte. Nach der Tat floh der Polizist. Unterwegs rief er seine Eltern an und gestand ihnen die Tat. Nach dem Polizisten wurde tagelang von einem Einsatzkommando gefahndet. Schließlich wurde er tot in seinem Auto gefunden. Er hatte sich mit seiner Dienstwaffe erschossen.

3.9 Februar 2022 – Tatort: Kirchheim/Teck, Parkplatz vor einem Supermarkt

Auf einem Parkplatz vor einem Supermarkt wurde eine 58 Jahre alte Frau erschossen, die gerade das Geschäft verließ, in dem sie arbeitete. Kurze Zeit später wurde in einem Auto ein 59 Jahre alter Polizist entdeckt, der sich dort mit seiner Dienstwaffe erschossen hatte. Er war Beamter des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg. Das Ehepaar lebte getrennt. Der Polizist hatte im Vorfeld mehrmals gedroht, sie umzubringen.

 

4 Erweiterter Suizid (versuchte Partnertötung durch Polizistin, die sich suizidierte)


Ein spektakulärer Fall von Polizisten-Intimizid ereignete sich am 3. Januar 2009 in Lauf an der Pegnitz. Eine 25 Jahre alte Polizistin lebte seit zwei Jahren mit einem 30 Jahre alten Polizisten derselben Dienststelle in einer festen Beziehung. Das Paar hatte Probleme und er trennte sich von ihr. Sie konnte die Trennung nicht akzeptieren und bat den Polizistenkollegen bereits Stunden nach der Trennungsmitteilung um eine klärende Aussprache in der Dienststelle noch am selben Abend. Weiterhin bat sie den Dienststellenleiter um eine Vermittlerrolle. Lange sprach das Paar allein. Als in der Dienststelle bekannt wurde, dass die Polizistin wohl ihre Dienstwaffe bei sich hatte und nach stundenlangen Diskussionen wohl das Gespräch entglitt oder eskalierte, wurden ein Spezialeinsatzkommando (SEK), Polizeipsychologen und Rettungskräfte angefordert. Ein stundenlanger Nervenkrieg zog sich für alle Beteiligten hin. Die Polizistin war nicht zu bewegen, ihre Waffe abzugeben. Lange wurde debattiert, ob ein Zugriff und Entwaffnungsversuch durch das SEK durchgeführt werden sollte. Die Polizistin beteuerte mehrmals „Ich will ja keinem wehtun“. Die ganzen Verhandlungen wurden telefonisch geführt. Plötzlich fielen Schüsse. Die Polizistin hatte zuerst ihrem Partner in den Kopf geschossen, dann sich selbst. Er wurde durch eine sofortige Notoperation im Klinikum Erlangen gerettet, die Polizistin ist verstorben. Die Vorgesetzten, die SEK-Beamten und alle Polizeikollegen waren schockiert. In der Polizeiführung und polizeinahen Gremien wurde dieser Fall lange diskutiert.10

 

5 Erweiterter Suizid (Partnertötung und Tötung zweier Kinder, anschließend Suizid des Polizisten)


In Vöhl (Nordhessen) erschoss am 23. Mai 2003 ein 51 Jahre alter Polizist mit seiner Dienstwaffe seine 48 Jahre alte Ehefrau und seine beiden Söhne. Die Söhne (14 und 19 Jahre alt) wurden tot am Esstisch sitzend vorgefunden. Anschließend beging der Polizist Suizid, indem er sich mit seiner Dienstwaffe selbst erschoss. Der Polizist hinterließ einen Abschiedsbrief, in den er von persönlichen Motiven für seine Tötungshandlung schrieb.

 

6 Dreifacher Mord durch einen Polizisten


In Wien kam es im Oktober 2016 zu einem aufsehenerregenden Dreifachmord eines 23 Jahre alten Polizisten. Er tötete seine schwangere Lebensgefährtin, mit der er einen gemeinsamen Sohn hatte und die von ihm zum zweiten Mal schwanger war, mit seiner Dienstwaffe. Am nächsten Morgen erwürgte er seinen Sohn. Im Juli 2017 wurde er wegen zweifachen Mordes und wegen Schwangerschaftsabbruch ohne Einwilligung zu lebenslanger Haft verurteilt.


Unter den hier geschilderten Intimiziden ist dieser Mordfall am aussagekräftigsten, weil hier ausführliche Berichterstattung und ein längeres Gerichtsverfahren stattfanden. Bei den meisten Fällen gab es ja keine Gerichtsverhandlung, weil sich der Täter nach dem Intimizid selbst tötete. Weiterhin wurden in dem Mordprozess zahlreiche Zeugen gehört, etwa 11.000 WhatsApp-Nachrichten ausgewertet und teilweise vorgelesen. Als Sachverständige kamen ein Rechtsmediziner und ein Forensischer Psychiater zu Wort. Der Täter wurde vom letztgenannten Gutachter als voll schuldfähig eingeschätzt.