Die Rolle der Unternehmen bei der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität
Von Steffen Salvenmoser, Erlenbach
3.3 Recht der privaten Ermittlungen
Es gibt kein der StPO vergleichbares systematisches Regelwerk, das private Ermittlungen regelt. Vielmehr finden sich Regelungen und Grenzen in einer Vielzahl von Gesetzen. Unstreitig ist, dass die Regeln der StPO nicht anwendbar sind. Unzweifelhaft ist auch, dass Unternehmen bei ihren Untersuchungen geltendes Recht einzuhalten haben. Und zwar unabhängig davon, ob sie dies durch eigene Mitarbeiter oder durch externe Dritte tun. Rechtliche Grenzen setzen neben dem StGB u.a. auch das BDSG und die EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), das Arbeitsrecht sowie das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Dadurch sind zum Beispiel der Einsicht in E-Mail-Accounts von Mitarbeitern – je nach Ausgestaltung der internen Regeln – enge Grenzen gesetzt oder diese gar für den Arbeitgeber gänzlich unzulässig. Welche Auswirkungen ein Verstoß gegen solche Normen hat, ist ebenfalls im Einzelfall zu prüfen. Für den internen Ermittler kann sich ein Verstoß gegen derartige Regel als Straftat oder Ordnungswidrigkeit darstellen. Schon deswegen werden Verantwortliche Ermittler sehr genau prüfen, ob sie einzelne Ermittlungsmaßnahmen im Einzelfall ergreifen dürfen.
Aus einer rechtlich verbotenen Ermittlungshandlung lässt sich nicht automatisch auf die Frage der Verwertbarkeit schließen. Diese wird je nach Prozessordnung unterschiedlich beurteilt. Dabei ist der Maßstab für die Frage der Zulässigkeit der Verwertung im Arbeitsrecht am strengsten und im Strafverfahren am niedrigsten. Dies kann dazu führen, dass ein Beweismittel im Arbeitsgericht nicht berücksichtigt wird, während es im Strafverfahren verwertet werden darf. Neben der Beschlagnahme von Unterlagen aus internen Untersuchungen wird derzeit vor allem die Frage diskutiert, unter welchen Voraussetzungen die Ergebnisse von Befragungen von Mitarbeitern im Rahmen privater Untersuchungen im Strafverfahren verwertet werden können. Hier scheint sich bei den Staatsanwaltschaften und Gerichten eine Tendenz zu entwickeln, diese nur dann für verwertbar zu halten, wenn dem Mitarbeiter das Recht eingeräumt wurde, die Auskunft zu verweigern. Argumentiert wird dabei im Kern mit der Selbstbelastungsfreiheit („nemo-tenetur-Grundsatz“). Dies ist insoweit bemerkenswert, als es arbeitsrechtlich ein solches Auskunftsverweigerungsrecht nicht gibt, sondern der Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber auch dann zur wahrheitsgemäßen Auskunft verpflichtet ist, wenn er sich damit selbst belastet. In der Praxis der internen Untersuchung wird deswegen im Einzelfall abzuwägen sein, ob eine arbeitsrechtlich nicht gebotene Belehrung erfolgen soll. Maßgeblich wird dabei sein, ob das Unternehmen ein Interesse daran hat, die Befragungsprotokolle auch im Strafverfahren zu verwerten.
4 Zum Abschluss
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich der Umgang von Unternehmen mit den Herausforderungen der Wirtschaftskriminalität massiv gewandelt hat. Interne Untersuchungen sind aus Unternehmenssicht unabhängig vom Strafverfahren vor allem aus gesellschaftsrechtlichen Pflichten heraus geboten. Dabei sind die Interessen von Unternehmen und Strafverfolgungsbehörden nicht zwangsläufig deckungsgleich. Interne Untersuchungen stellen aber keine Konkurrenz zum staatlichen Strafverfolgungsmonopol und keine Geheim- oder gar Privatjustiz dar. Um gegenseitige Vorbehalte abzubauen empfiehlt sich ein regelmäßiger offener Erfahrungsaustausch.
Anmerkungen
- Steffen Salvenmoser war bis zum 31.7.2019 Partner im Bereich Forensic Services bei PricewaterhouseCoopers Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit Dienstsitz in Frankfurt am Main und Wien. Seit dem 1.8.2019 ist er als Rechtsanwalt in eigener Kanzlei in Erlenbach am Main tätig. Er hat einen Lehrauftrag im Aufbaustudiengang Wirtschaftsstrafrecht an der Universität Osnabrück.
- Compliance-Systeme und ihre Auswirkungen auf die Verfolgung und Verhütung von Straftaten der Wirtschaftskriminalität und Korruption BKA, Wiesbaden 2015, Hamta Hedayati, Heike Bruhn.
- Eine gute Orientierung geben die Veröffentlichungen des Konstanzer Instituts für Corportae Governance Multistakeholder Analyse / Compliance Essentials (2016) und Leitlinien für das Management von Organisations- und Aufsichtspflichten (2013); www.htwg-konstanz.de/en/research-and-transfer/institutes-and-laboratories/kicg/forschung/abgeschlossene-projekte.
- BGH, NJW 1997, 1926.
- Besteht ein Anspruch? Ist er mit vertretbarem Aufwand durchsetzbar?
- Wirtschaftskriminalität 2018, Mehrwert von Compliance und forensische Erfahrungen, PricewaterhouseCoopers GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.
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