Strafrechtliche Rechtsprechungsübersicht
§§ 176, 176a Abs. 1, 184?h Nr. 1 StGB – Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern; hier: Erheblichkeit. §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB – Gefährliche Körperverletzung; Beibringung von anderen gesundheitsschädlichen Stoffen; hier: Aufsprühen alkoholhaltiger Flüssigkeit auf Kleidung; Inbrandsetzen. § 226 Abs. 1 Nr. 2 StGB – Schwere Körperverletzung; dauerhaftes nicht mehr gebrauchen können; hier: nicht wahrgenommene Operationsnachsorge. (...)
II Prozessuales Strafrecht
§§ 94, 102, 105, 110 StPO – Durchsuchung; hier: Sicherstellung elektronischer Speichermedien (hier: Handy) zwecks Auslesen; keine Beschlagnahme. Es bestanden zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass sich der Beschuldigte wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß §§ 176, 176a Abs. 2 Nr.1 StGB schuldig gemacht hat. Es wurde auch ein Handy gesucht, mit dem mehrfach Nachrichten an die Zeugin gesandt und diese aufgefordert worden sein soll, erneut in seine Wohnung zu kommen.
Werden im Rahmen einer Durchsuchung Geräte aufgefunden, die als elektronisches Speichermedium dienen, so sind sie zunächst nach § 110 StPO durchzusehen und auszulesen, um eine Entscheidung darüber herbeizuführen, welche beweiserheblichen Daten sich auf dem elektronischen Speichermedium befinden. Ist eine derartige Auswertung nicht sogleich an Ort und Stelle möglich, so können diese Geräte zum Zwecke der Durchsicht und Auswertung vorübergehend sichergestellt werden. Die Sicherstellung der elektronischen Speichermedien stellt jedoch noch keine Beschlagnahme dar, sondern ist gemäß § 110 StPO noch Teil der Durchsuchung. Erst dann, wenn die Beweisgeeignetheit bzw. die mögliche Einziehung der sichergestellten Gegenstände nach der Auswertung bejaht werden kann, ist eine Beschlagnahmeanordnung zu treffen. Im Übrigen stehen Datenträger „Papieren“ prozessual gleich. (LG Dessau-Roßlau, Beschl. v. 3.1.2017 – 2 Qs 236/16)
§§ 99, 94 StPO - Auskunft über Postsendungen; hier: Gewahrsam des Postunternehmens; sog. retrospektives Postsendungsprofil. Es ging um ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Beihilfe zur Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gem. §§ 89?a, 27 StGB. Der Generalbundesanwalt hat u.a. beim BGH beantragt, dem Paketzustelldienst X aufzugeben, für die Zeit ab einem bestimmten Datum Auskunft zu erteilen über sämtliche Lieferungen, die an eine bestimmte Person gerichtet waren. Die Auskunft solle sich insbesondere auf die Namen und Anschriften der Absender, Hinweise auf den Inhalt der Lieferung(en), den Sendungsverlauf sowie alle Unterlagen, die Aufschluss über die Person(en) geben, die die Lieferung(en) in Empfang genommen hat/haben beziehen. Der Antrag wurde abgelehnt.
Im Hinblick auf das Postgeheimnis aus Art. 10 Abs.1 GG, § 39 PostG kommt als einzig denkbare Rechtsgrundlage § 99 StPO in Betracht. Nach dieser Vorschrift ist die Beschlagnahme der an den Beschuldigten gerichteten Postsendungen, die sich im Gewahrsam des Postunternehmens befinden, zulässig. Als weniger einschneidende Maßnahme zur Beschlagnahme enthält die Vorschrift einen Auskunftsanspruch gegen das Postunternehmen. Das Auskunftsverlangen ist jedoch nur dann zulässig, wenn sich zum Zeitpunkt des Auskunftsersuchens die Postsendung noch im Gewahrsam des Postunternehmens befindet. Postunternehmen können betreffend sich nicht mehr in deren Gewahrsam befindlicher Postsendungen weder gem. § 99 StPO noch gem. § 94 StPO zur Auskunft verpflichtet werden. (BGH, Beschl. v. 27.10.2016 – 1 BGs 107/16)
§§ 100a, 101 Abs. 7 StPO – Telekommunikationsüberwachung; hier: Anforderungen an den Tatverdacht; Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. § 100a StPO (in der damals gültigen Fassung) erforderte nur einen einfachen Tatverdacht, der allerdings auf bestimmten Tatsachen beruhen musste. Dabei sind mit Blick auf das Gewicht des in Rede stehenden Grundrechtseingriffs Verdachtsgründe notwendig, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen; der Verdacht muss sich auf eine hinreichende Tatsachenbasis gründen und mehr als nur unerheblich sein. Es müssen solche Umstände vorliegen, die nach der Lebenserfahrung, auch der kriminalistischen Erfahrung, in erheblichem Maße darauf hindeuten, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine Katalogtat begangen hat; erforderlich ist, dass der Verdacht durch schlüssiges Tatsachenmaterial bereits ein gewisses Maß an Konkretisierung und Verdichtung erreicht hat. Den die Maßnahme anordnenden Stellen steht bei der Prüfung des Tatverdachts ein gewisser Beurteilungsspielraum zu. Maßstab für die auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit beschränkte Prüfung nach § 101 Abs. 7 S. 2 StPO ist insoweit, ob die genannten Stellen diesen Beurteilungsspielraum gewahrt oder überschritten haben. Die Tatsachengrundlage hierfür bietet der jeweilige damalige Ermittlungs- und Erkenntnisstand. Erkenntnisse, die den Ermittlungsbehörden erst nach Beschlusserlass bekannt werden, können eine rechtswidrige Anordnung nachträglich nicht rechtfertigen. (BGH, Beschl. v. 11.8.2016 – StB 12/16)
§§ 147, 100a StPO – Akteneinsicht in TKÜ-Aufzeichnungen; hier: Übersendung aufgezeichneter Daten; ausländische Sprache. Eine Übersendung der TKÜ-Aufzeichnungen an den Verteidiger ist angezeigt, wenn die Überwachung der Telekommunikation umfangreich und zudem überwiegende in ausländischer Sprache ist. (LG Stade, Verf. v. 8.5.2017 – 105 KLs 1/17)
III Sonstiges
Zwei informative Beiträge zum Thema „Verbotene Kraftfahrzeugrennen, § 315d StGB“ bieten die Aufsätze von StA Tobias Kulhanek in der Juristischen Ausbildung 6/2018, S. 561-567 und von Dr. Fabian Stam in dem StV 7/2018, S. 464-469.
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