Vermögensabschöpfung im kriminalpolizeilichen Alltag
8 Vorläufige Maßnahmen
Vorläufige Maßnahmen erhalten durch die Reform einen höheren Stellenwert. Bei dringendem Tatverdacht sollen sie jeweils ergriffen werden (§§ 111b Abs. 1 S. 2, 111e Abs. 1 S. 2 StPO).
8.1 Beschlagnahme
Sofern eine Einziehung von Taterträgen in Betracht kommt, das ursprünglich Erlangte also noch vorhanden ist, kann es nicht nur als Beweismittel gemäß §§ 94, 98 StPO sichergestellt oder beschlagnahmt werden, es kann auch zur Sicherung der Vollstreckung der Einziehungsanordnung gemäß §§ 111b, 111j StPO beschlagnahmt werden. Anders als bei Beweismitteln ist bei Einziehungsgegenständen eine Sicherstellung nicht möglich. Die Anordnungskompetenz liegt jeweils beim zuständigen Gericht. Lediglich bei Gefahr im Verzug dürfen auch die Staatsanwaltschaft und – dann allerdings im Rahmen des § 111b StPO beschränkt auf bewegliche Sachen – die Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft die Beschlagnahme anordnen.
Sofern die Beschlagnahme einer beweglichen Sache gemäß § 111b StPO bei Gefahr in Verzug durch die Polizei erfolgt ist, ist zunächst – anders als im Rahmen des § 98 StPO, der vorsieht, dass bei einer Beschlagnahme, bei der weder der davon Betroffene noch ein erwachsener Angehöriger anwesend war oder wenn eine der genannten anwesenden Personen gegen die Beschlagnahme ausdrücklichen Widerspruch erhoben hat, binnen drei Tagen die richterliche Bestätigung der Beschlagnahme zu beantragen sein soll – eine gerichtliche Bestätigung insofern nicht vorgesehen (§ 111j Abs. 2 S. 2 StPO). Da aber einer beweglichen Sache, die durch eine Straftat erlangt wurde, zumindest insoweit Beweisfunktion zukommt, dass es gerade die erlangte Sache ist, die an genau diesem Ort bzw. bei dieser Person gefunden wurde, sind kaum Fälle anzunehmen, in denen nicht zugleich auch eine Beschlagnahme gemäß § 94 StPO anzuordnen wäre. Es sollte dann eine doppelfunktionale Beschlagnahme sowohl zu Beweiszwecken als auch zur Sicherung der Einziehung erfolgen. Eine Beschränkung nur auf die Beschlagnahme zu Beweiszwecken hätte zur Folge, dass die Sicherungswirkung der insolvenzfesten Beschlagnahme gemäß §§ 111b, 111d Abs. 1 StPO nicht einträte, bei einer Beschränkung nur auf die Beschlagnahme zur Vermögenssicherung würde man sich dem Verdacht aussetzen, das Recht des Betroffenen aus § 98 Abs. 2 StPO umgehen zu wollen.
Eine Beschlagnahme hat bereits dann stattgefunden, wenn der Polizeibeamte den Gegenstand an sich genommen hat, ohne dass der Betroffene diesen freiwillig herausgegeben hätte. Ob dies als Beschlagnahme bezeichnet wird, ist unerheblich. Wird also z.B. bei einem Ladendieb die im Hosenbund versteckte und vorher nicht freiwillig herausgegebene Schnapsflasche durch den Polizeibeamten gefunden und in Gewahrsam genommen, sind bereits die Regeln der Beschlagnahme anzuwenden.20 Dazu zählt auch – sowohl bei der Beschlagnahme zu Beweiszwecken wie auch bei der Beschlagnahme zur Vermögenssicherung – gemäß §§ 94 Abs. 4, 111n Abs. 1 StPO die Regelung des § 111n StPO. Dieser sieht in seiner gegenwärtigen Fassung vor, dass eine Herausgabe nicht durch die Polizei (§ 111o StPO) und nur bei Offenkundigkeit an andere als den letzten Gewahrsamsinhaber erfolgen darf, § 111n Abs. 4 StPO.21 Die gestohlene und beschlagnahmte Schnapsflasche dürfte daher – selbst bei Zustimmung des Beschuldigten – erst nach einer (in der Praxis hinderlichen) Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft an den Ladeninhaber herausgegeben werden.22
Sofern Gegenstände aufgefunden werden, die der Einziehung unterliegen, sollte tunlichst auf eine Beschlagnahmeanordnung hingewirkt werden bzw. die Beschlagnahme im Falle der Gefahr im Verzug selbst angeordnet werden. Ein Verzicht auf eine vorläufige Sicherung hat – abgesehen von dem Beweismittelverlust und der fehlenden Möglichkeit, die Sache an den Verletzten zurückzugeben – zur Folge, dass im Rahmen einer Einziehungsanordnung zunächst gemäß §§ 73, 75 StGB der ursprünglich erlangte Gegenstand eingezogen werden muss. Dies kann eine erneute Durchsuchung durch die Polizei im Vollstreckungsverfahren gemäß § 459g Abs. 3 i. V. m. §§ 102 bis 110 StPO erforderlich machen. Gegebenenfalls muss nach einer erfolglosen Durchsuchung gemäß § 76 StGB auf eine Wertersatzeinziehung umgestellt werden und dann wiederum die Polizei mit der Durchführung der Pfändungsmaßnahmen gemäß § 459g Abs. 3 i. V. m. §§ 102 bis 110, 111f Abs. 1 StPO beauftragt werden.
Die Verwaltung der gesicherten Vermögenswerte erfolgt durch den Rechtspfleger der Staatsanwaltschaft.23 Dieser muss jederzeit in der Lage sein, die Voraussetzungen z.B. einer nach neuer Rechtslage erleichterten Notveräußerung24 zu prüfen, und ist daher zeitnah von einer Beschlagnahme zu unterrichten. Es bietet sich insofern an, für beschlagnahmte Gegenstände einen Beschlagnahmevollziehungsband anzulegen, der neben der Beschlagnahmeanordnung auch das Beschlagnahmeprotokoll enthält, und diesen der Staatsanwaltschaft zu übersenden. Dieser allein der Verwaltung der Gegenstände dienende Band verbleibt auch beim späteren gerichtlichen Verfahren bei der Staatsanwaltschaft, § 111m Abs. 1 S. 1 StPO.
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