„Herr X ist leider verhindert“

Von den Besonderheiten des Einsatzes von Vertrauenspersonen und deren Sperrerklärungen für die Hauptverhandlung


Von Oberstaatsanwalt Dr. Sören Pansa und Staatsanwalt Dr. Felix Doege, Schleswig/Kiel1

 

1 Einleitung

 

Verdeckte Ermittlungsmethoden gehören, insbesondere im Bereich der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität, oftmals zum Alltag polizeilicher und staatsanwaltschaftlicher Tätigkeit. Dies resultiert aus dem typischerweise konspirativen Vorgehen der Zielpersonen, welches andere Ermittlungsmaßnahmen wenig erfolgversprechend erscheinen lässt. Diese Klientel meidet aufgrund befürchteter Überwachung oftmals die Nutzung technischer Geräte. Tatrelevante Kommunikation findet daher nur bei persönlichen Treffen mit streng reglementierten Personenkreisen statt. In diesen schwierigen Konstellationen können durch die Nutzung „menschlicher“ Ermittlungswerkzeuge dennoch Erfolge erzielt werden. Hierzu zählen sog. Vertrauenspersonen (VP). Jedoch sind sowohl deren Einsatz als auch die Nutzung der gewonnenen Erkenntnisse in einer späteren Hauptverhandlung mit zahlreichen potentiellen Hindernissen verbunden. Diesbezüglich ist nunmehr eine Entscheidung des 2. Strafsenates des Bundesgerichtshofes ergangen, welche erfreulicherweise klarstellt, dass es so viele Probleme hinsichtlich der Verwertbarkeit wohl gar nicht gibt.2 Anlass genug, sich mit diesem Themenkreis (mal wieder) vertieft auseinander zu setzen.

Wer sich ferner für den Einsatz weiterer personaler Ermittlungswerkzeuge, wie Informanten, den Verdeckten Ermittler (VE) und den nicht offen ermittelnden Polizeibeamten (noeP) interessiert, dem seien die Beiträge in der „Kriminalpolizei“ 3/2021, 13 ff. und 4/2021, 8 ff. ans Herz gelegt. Bezüglich VP sowie aller übriger genannter personaler Ermittlungswerkzeuge, mit Ausnahme des Verdeckten Ermittlers gem. §§ 110a ff. StPO, existieren keine ausdrücklich auf diese bezogenen Gesetzesvorschriften. Regelungen finden sich lediglich in Anlage D der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) bzw. in ministeriellen Erlassen auf Landesebene.3 Im Folgenden soll zunächst allgemein auf das Institut der VP eingegangen und anschließend das bezeichnete Urteil erläutert werden.

 

2 Vertrauenspersonen (VP)

 

Vertrauenspersonen gehören keiner Strafverfolgungsbehörde an und sind bereit, diese bei der Aufklärung von Straftaten auf längere Zeit vertraulich zu unterstützen, wobei ihre Identität grundsätzlich geheim gehalten wird (RiStBV Anl. D, I. Nr. 2.2). Der Einsatz einer VP kommt grundsätzlich nur bei schweren Delikten, etwa aus dem Bereich der Betäubungsmittel- und Organisierten Kriminalität in Betracht. Straftaten unterhalb dieser Schwelle können ebenfalls hierfür ausreichen, wenn durch deren vermehrtes Auftreten die Erfüllung öffentlicher Aufgaben oder die Allgemeinheit in erheblichem Maße gefährdet erscheint (RiStBV Anl. D, I. Nr. 3.1). Diesbezüglich ist etwa an Straftaten i.S.d. §§ 242, 243 StGB zu denken, wenn diese aus international operierenden Bandenkonstrukten oder Clanstrukturen heraus begangen werden. Die Entscheidungen bezüglich der Zusicherung der Vertraulichkeit treffen grundsätzlich der Behördenleiter der zuständigen Staatsanwaltschaft bzw. ein besonders bezeichneter Staatsanwalt und auf polizeilicher Seite die „Leitungsebene“ (vgl. RiStBV Anl. D, I. Nr. 5.1). Obwohl VP vergleichbar mit Verdeckten Ermittlern seitens der Strafverfolgungsbehörden oftmals in umfangreichen Ermittlungskomplexen gegen bestimmte Beschuldigte eingebunden werden, sind die §§ 110a ff. StPO auf diese nicht anwendbar.4 Jedoch stellen die RiStBV und entsprechende Erlasse aufgrund ihrer Rechtsnatur als interne Verwaltungsvorschriften bzw. innerdienstliche Weisungen im Sinne des § 146 GVG keine tragfähige Rechtsgrundlage für Grundrechtseingriffe dar.5 Insofern wird sich daher über die Anwendung der §§ 161, 163 StPO beholfen, welche als für den Einsatz der VP ausreichende Rechtsgrundlage angesehen werden.6 Mangels weiterer gesetzlicher Vorschriften waren daher in der Vergangenheit bereits zahlreiche Konstellationen der Beweisgenerierung durch VP und deren Verwertbarkeit in der Hauptverhandlung Gegenstand der höchstrichterlichen Rechtsprechung. So ist etwa die Zeugenaussage einer Vertrauensperson über Äußerungen von Angehörigen des Angeklagten auch dann als verwertbar angesehen worden, wenn die Angehörigen in der Hauptverhandlung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machten. Dies resultiert grundsätzlich aus dem fehlenden Vernehmungscharakter der Handlungen einer Vertrauensperson.7 Eine weitere grundsätzliche Frage betrifft die Auswirkung einer Sperrerklärung für die Teilnahme der VP an der Hauptverhandlung auf die Verwertbarkeit der erlangten Informationen. Hiermit beschäftigt sich unter anderem das bereits bezeichnete und nun detailliert darzustellende Urteil des 2. Strafsenates des Bundesgerichtshofes.

 

 

3 Urteil vom 15. Februar 2023 – 2 StR 270/22 –


Das Landgericht hat zwei Angeklagte wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu Gesamtfreiheitsstrafen verurteilt, im Übrigen jedoch wegen mehrerer ebensolcher Tatvorwürfe freigesprochen. Begründet wurden die Freisprüche mit einem Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der Angaben einer Vertrauensperson. Auf den diesbezüglichen durch das Landgericht festgestellten Sachverhalt geht der Bundesgerichtshof ausführlich ein:


Anfang Juni erhielt das Landeskriminalamt von einer Person, der durch die Staatsanwaltschaft Vertraulichkeit zugesichert wurde, den Hinweis, dass der Angeklagte A seit etwa einem halben Jahr Handel mit Kokain und Marihuana treibe. Er könne regelmäßig über Marihuana im Kilogrammbereich verfügen. Durch den Hinweisgeber wurde die Vermutung geäußert, dass der Angeklagte A die Betäubungsmittel von dem Angeklagten B erwerbe. Aufgrund dieses Hinweises wurde die Vertrauensperson mit dem Decknamen V eingesetzt, bei der es sich nicht um den Hinweisgeber handelte. Die Vertrauensperson V erwarb am 15. Juni vom Angeklagten A 1 Kilogramm Marihuana. Nunmehr beabsichtigten die Ermittlungsbehörden, eventuelle Mittäter des Angeklagten A und den Lagerort der Betäubungsmittel zu ermitteln. Die Vertrauensperson V sollte nunmehr von dem Angeklagten A ein weiteres Kilogramm Marihuana ankaufen. Hierzu traf sich V mit dem Angeklagten A am 2. Juli. Dieser begab sich sodann zur Wohnung des Angeklagten C. Bei ihm holte er 1 Kilogramm Marihuana und übergab dieses im Austausch gegen Bargeld an V. In der Folge sollte ermittelt werden, ob der Angeklagte A auch weitere Betäubungsmittelarten, insbesondere Crystal Meth, im Angebot hatte. In der Zeit zwischen dem 2. Juli und dem 10. Juli vereinbarten der Angeklagte A und die Vertrauensperson V die Übergabe von weiteren fünf Kilogramm Marihuana. Zudem sollte an V auch eine unbekannte Menge eines unbekannten Betäubungsmittels, mutmaßlich 500 Gramm Crystal Meth, übergeben werden, was jedoch durch den Angeklagten A kurz vor dem Treffen abgesagt wurde. Am 10. Juli gegen 19 Uhr begaben sich die Angeklagten A und B zur Wohnung des Angeklagten C. Die Vertrauensperson V wartete absprachegemäß in einem Fahrzeug vor dem Mehrfamilienhaus. Die Angeklagten A und B stiegen dann in das Fahrzeug ein, wobei sie eine Plastiktüte mit 5 Kilogramm Marihuana bei sich trugen. Darauf erfolgte der Zugriff der eingesetzten Polizeibeamten, wobei auch der Angeklagte C beim Verlassen des Gebäudes festgenommen wurde. Das Landgericht hat ein Verwertungsverbot hinsichtlich der Angaben der wegen einer vollumfänglichen Sperrerklärung in der Hauptverhandlung nicht vernehmbaren Vertrauensperson V angenommen und dieses auch auf den polizeilichen Vernehmungsbeamten sowie der mit dem Einsatz der Vertrauensperson zusammenhängenden akustischen Überwachung außerhalb von Wohnraum gemäß § 100f StPO erstreckt.


Diesen Wertungen des Landgerichts begegnen zahlreiche rechtliche Bedenken. Hierbei geht der Bundesgerichtshof revisionsrechtlich bedingt jedoch nicht auf sämtliche Problemfelder ein. Die Autoren stellen daher im Folgenden auch solche beachtenswerten Aspekte ausführlich dar, welche in dem Urteil nur marginal bzw. nicht angesprochen worden sind.

3.1 Rechtsstaatswidrige Tatprovokation

Das Handeln der VP könnte eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation darstellen. Die größte Schwierigkeit dieses Konstrukts resultiert aus dem Umstand, dass es an einer konkreten gesetzlichen Regelung fehlt. Insofern hat sich jedoch eine umfangreiche höchstrichterliche Rechtsprechung entwickelt, welche die zugrundeliegenden Grenzen detailliert umschreibt und sich an Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) orientiert. Hinsichtlich der Rechtsfolge wurde dem Angeklagten bis vor wenigen Jahren grundsätzlich lediglich ein „Strafrabatt“ gewährt8, während inzwischen ein Verfahrenshindernis angenommen wird, welches bezüglich der betroffenen Taten zu einer Einstellung des Verfahrens gemäß § 206a StPO führt.9 Jedoch kann sich nur der derjenige Angeklagte darauf berufen, der auch von der Tatprovokation betroffen wurde.10 Der Bundesgerichtshof und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) haben in einer Vielzahl von Entscheidungen Kriterien entwickelt, nach welchen eine unzulässige Tatprovokation vorliegen könnte11: Wenn eine unverdächtige und zunächst nicht tatgeneigte Person durch eine von einem Amtsträger geführte Vertrauensperson in einer dem Staat zurechenbaren Weise zu einer Straftat verleitet wird und dies zu einem Strafverfahren führt. Ein in diesem Sinne tatprovozierendes Verhalten ist gegeben, wenn eine polizeiliche Vertrauensperson mit dem Ziel des Weckens der Tatbereitschaft oder einer Intensivierung der Tatplanung mit einiger Erheblichkeit auf einen Betroffenen einwirkt. Auch bei anfänglich bereits bestehendem Anfangsverdacht kann eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation vorliegen, soweit die Einwirkung im Verhältnis zum Anfangsverdacht „unvertretbar übergewichtig“ ist. Im Rahmen der erforderlichen Abwägung sind insbesondere Grundlage und Ausmaß des gegen den Betroffenen bestehenden Verdachts, Art, Intensität und Zweck der Einflussnahme sowie die eigenen, nicht fremdgesteuerten Aktivitäten des Betroffenen in den Blick zu nehmen. Spricht eine VP einen Betroffenen lediglich darauf an, ob dieser Betäubungsmittel beschaffen könne, handelt es sich nicht um eine Tatprovokation. Ferner ist von Bedeutung, ob eine Person tatgeneigt war, wofür verschiedene Indizien herangezogen werden können, wie etwa die erwiesene Vertrautheit mit aktuellen Preisen von Betäubungsmitteln, die Fähigkeit, solche kurzfristig zu beschaffen, sowie eine Gewinnbeteiligung bei den verfahrensrelevanten Taten. Des Weiteren ist die Intensität der Einwirkung entscheidend, etwa ob das Angebot trotz anfänglicher Ablehnung erneuert wird oder der Betroffene mit den Marktwert übersteigenden Preisen überzeugt worden ist.


Die Vielzahl und hohe Detaildichte dieser Kriterien zeigt, dass es sich um Entscheidungen handelt, die sich an den Gegebenheiten des Einzelfalls orientiert haben. Grundsätzlich sind nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung jedoch die über eine VP erlangten Informationen im Rahmen des Strafprozesses verwertbar, wenn nicht „rechtsstaatswidrige Sonderkonstellationen“ vorliegen.12 Dementsprechend führt der 2. Strafsenat auch lediglich aus: „Eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation, die zu einem von Amts wegen zu beachtenden Verfahrenshindernis führen würde, liegt nicht vor. Zum einen war der Angeklagte A tatgeneigt, zum anderen ist nicht ersichtlich, dass eine Verstrickung des Angeklagten A in Taten mit einem erheblich höheren Unrechtsgehalt aufgrund einer Einwirkung durch die Vertrauensperson erfolgte“.13

3.2 Kein Verstoß gegen §§ 110a ff. StPO und gegen § 163a Abs. 4 i.V.m. §§ 136 Abs. 1 bzw. 136a Abs. 1 StPO

Dem Einsatz einer VP sind konspirative und täuschende Elemente immanent. Ferner handelt es sich um Privatpersonen, mit denen Behörden, unter anderem für die Zwecke der Strafverfolgung, kooperieren. Diese Kombination wird teilweise kritisch und mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nur schwerlich vereinbar angesehen.14 Als gängiges Argument wird dabei vorgebracht, die restriktiven Regelungen für den Einsatz Verdeckter Ermittler i.S.d. §§ 110a ff. StPO würden so gezielt umgangen werden. Diesem Ansatz erteilt der 2. Strafsenat eine deutliche Absage: „Die Einfügung der §§ 110a ff. StPO […] rechtfertigt nicht den Schluss, dass der Gesetzgeber die traditionell als zulässig anerkannte Inanspruchnahme anderer Personen ausschließen wollte. Die Kontaktaufnahme solcher anderen Personen mit dem Beschuldigten hat der Gesetzgeber in diesem Gesetz bewusst nicht geregelt. Diese sollte weiterhin zulässig sein“.15


Doch unterliegt der Einsatz einer VP natürlich auch Grenzen. Ein Verstoß gegen die Belehrungspflicht gemäß § 163a Abs. 4 i.V.m. § 136 Abs. 1 StPO besteht jedoch grundsätzlich nicht. Die für eine Beschuldigtenvernehmung relevanten Vorschriften sind nicht unmittelbar anwendbar. Denn zum Begriff der Vernehmung im Sinne der Strafprozessordnung gehört, dass der Vernehmende der Auskunftsperson in amtlicher Funktion gegenübertritt und in dieser Eigenschaft von ihr Auskunft verlangt.16 Eine VP hat jedoch weder eine unmittelbare amtliche Funktion noch tritt sie „offen“ auf.


In der Befragung durch eine VP liegt auch kein Verstoß gegen die – unmittelbar oder entsprechend angewandten – Regelungen der § 163a Abs. 4 i.V.m. § 136a Abs. 1 StPO. Der Begriff der Täuschung i.S.d. § 136a StPO wird von der höchstrichterlichen Rechtsprechung als zu weit gefasst angesehen, was sich aus einer systematischen, die anderen in § 136a Abs. 1 StPO aufgeführten verbotenen Mittel berücksichtigenden Betrachtung ergibt. Denn die verdeckte Befragung eines Beschuldigten lässt sich nicht mit der Schwere der übrigen in § 136a StPO genannten Modalitäten, wie der Beeinträchtigung der Willensentschließungsfreiheit durch Misshandlung oder Quälerei vergleichen.17


Eine relevante Grenze bildet jedoch regelmäßig die Selbstbelastungsfreiheit des Beschuldigten. Nach der Kernaussage dieses Prinzips darf im Strafverfahren niemand gezwungen werden, sich selbst einer Straftat zu bezichtigen und damit zu seiner Überführung beizutragen. Unzulässig ist es etwa, einen Beschuldigten in gezielten vernehmungsähnlichen Befragungen, die auf Initiative der Ermittlungsbehörden ohne Aufdeckung der Verfolgungsabsicht durchgeführt wurden, selbstbelastende Angaben zur Sache zu entlocken, obwohl er in einem gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahren gegenüber den Ermittlungsbehörden erklärt hatte, schweigen zu wollen.18


Der 2. Strafsenat prüft die grundsätzlichen Voraussetzungen für den Einsatz einer VP und bejaht diese aufgrund der Schwere des Tatverdachtes gegen den Angeklagten A. Ferner wären auch die Grenzen der Selbstbelastungsfreiheit im Umfang der bezeichneten höchstrichterlichen Rechtsprechung eingehalten worden. Denn es ist gerade nicht unzulässig für eine VP, gezielt Nachforschungen anzustellen.

3.3 Beweisrechtliche Schwierigkeiten infolge der Sperrerklärung

3.3.1 Grundlagen der Sperrerklärung


Auch wenn hiernach die die durch den VP-Einsatz erlangten Erkenntnissen grundsätzlich verwertbar sind, schließt sich in der Praxis doch regelmäßig das Problem an, wie diese in die Hauptverhandlung einzuführen sind. Der naheliegende Weg, die VP als Zeugen zu vernehmen, wird häufig – wie auch in dem vorliegenden Sachverhalt – versperrt sein. Die Polizeibehörden haben regelmäßig ein virulentes Interesse daran, die Identität der VP geheim zu halten – sei es, um diese vor möglichen Repressalien zu schützen, sei es, um sie weiterhin einsetzen zu können. Das Instrument, um dieses Interesse durchzusetzen, ist die sog. Sperrerklärung, die ihre Rechtsgrundlage in § 96 S. 1 StPO findet. Hiernach kann die Vorlegung oder Auslieferung von Akten oder anderen in amtlicher Verwahrung befindlichen Schriftstücken durch Behörden und öffentliche Beamte nicht gefordert werden, wenn deren oberste Dienstbehörde erklärt, dass das Bekanntwerden des Inhalts dieser Akten oder Schriftstücke dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde. Über den Wortlaut („Auslieferung von Akten“) hinaus, erlaubt die Norm jedwede Form von Auskunftsverlangen zurückzuweisen.19 Für den Verdeckten Ermittler verweist § 110b Abs. 3 StPO explizit auf § 96 StPO; die Einschlägigkeit für das Zurückhalten der Identität einer VP ist jedoch ebenso anerkannt.20 Die Voraussetzung der dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes zu bereitenden Nachteile konkretisiert § 110b Abs. 3 StPO für den Verdeckten Ermittler dahingehend, dass ein Sperrgrund i.S.d. § 96 StPO vorliegt, „wenn Anlass zu der Besorgnis besteht, dass die Offenbarung Leben, Leib oder Freiheit des Verdeckten Ermittlers oder einer anderen Person oder die Möglichkeit der weiteren Verwendung des Verdeckten Ermittlers gefährden würde.“ Nach den Gesetzesmaterialien soll diese Auslegung auch für VP gelten.21


Bei der Entscheidung hat die Behörde die Beeinträchtigung der Aufklärungsmöglichkeiten im Strafverfahren und der rechtsstaatlichen und fairen Verfahrensgestaltung zu berücksichtigen und daher zu prüfen, ob nicht auf anderem Wege ein schonenderer Ausgleich zwischen den strafprozessualen Interessen und dem Schutz des Zeugen zu erreichen ist.22 Als derartige vorrangige Instrumente zum Schutz des Zeugen kommen namentlich die Geheimhaltung seiner Identität gem. § 68 Abs. 3 StPO, ggf. einschließlich der Verhüllung des Gesichts (§ 68 Abs. 3 S. 3 StPO), die Entfernung des Angeklagten während der Vernehmung gem. § 247 S. 2 Var. 2 StPO sowie die audiovisuelle Vernehmung (§ 247a StPO) unter optischer und akustischer Verfremdung in Betracht.23 Zudem kann der Umfang der Vernehmung kontrolliert werden, indem dem Zeugen nur eine beschränkte Aussagegenehmigung gem. § 54 Abs. 1 StPO erteilt wird. VP sind andere Personen des öffentlichen Dienstes i.S.d. Vorschrift, wenn sie förmlich nach dem Verpflichtungsgesetz24 zur Verschwiegenheit verpflichtet wurden, und dürfen daher Angaben zu dem Einsatz nur mit Genehmigung machen.25


Die Sperrerklärung wird von der obersten Dienstbehörde abgegeben, d.h. regelmäßig dem Bundes- oder Landesministerium des Innern.26 Die Erklärung ist für das Strafverfahren bindend.27 Gericht oder Staatsanwaltschaft haben keine Handhabe, eine für rechtswidrig oder unzweckmäßig gehaltene Sperrerklärung aufzuheben. Sie sind in derartigen Fällen darauf verwiesen, zu versuchen, das Ministerium im Rahmen von Gegenvorstellungen zu überzeugen.28 Anfechtbar ist die Sperrerklärung allein auf dem Verwaltungsrechtsweg (§ 40 VwGO).29 Will der Angeklagte – Gericht oder Staatanwaltschaft sind hier nicht antragsbefugt30 – diesen beschreiten, hat er keinen Anspruch darauf, das Strafverfahren bis zum Abschluss des Verwaltungsrechtsstreits auszusetzen.31 Das (Straf-)Gericht hat vielmehr nach Maßgabe der Amtsaufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) über einen entsprechenden Antrag zu entscheiden und hierbei die Erfolgsaussichten zur prognostizieren.32


3.3.2 Beweisrechtlicher Ausgangspunkt des Umgangs mit der gesperrten VP


Befindet sich das Gericht nun in der Situation, durch die Sperrerklärung an der Vernehmung der VP selbst gehindert zu sein, bedeutet dies nicht, dass es auf die Erkenntnisse aus dem Einsatz der VP verzichten müsste. Die Sperrerklärung zwingt – wie der BGH vorliegend entgegen der Auffassung des Tatgerichts betont – nicht etwa dazu, ein Verwertungsverbot hinsichtlich der Erkenntnisse der VP anzunehmen.33 Vielmehr ist es zulässig – und mit Blick auf die Amtsaufklärungspflicht auch geboten –, die Erkenntnisse auf anderem Wege als durch die Vernehmung der VP einzuführen (sog. Beweissurrogate). Das typische Vorgehen besteht darin, den VP-Führer dazu zu vernehmen, welche Angaben die VP ihm gegenüber gemacht hat. Das deutsche Strafprozessrecht lässt solche mittelbaren oder „Zeugen vom Hörensagen“ grundsätzlich zu. Der Unmittelbarkeitsgrundsatz des § 250 StPO verbietet lediglich, den Zeugen- durch den Urkundenbeweis zu ersetzen, enthält aber keine Regel für die Auswahl unter mehreren Zeugen.34 Diese ist vielmehr allein nach Maßgabe der Amtsaufklärungspflicht zu treffen, die zwar regelmäßig die Vernehmung des unmittelbaren Zeugen diktiert, die des mittelbaren aber nicht generell ausschließt.35 Daneben kommt auch die Verlesung von Vernehmungsprotokollen gem. § 251 Abs. 1 Nr. 3 in Betracht.36 Problematisch ist die Verwendung von Beweissurrogaten einerseits aufgrund des Verlusts der Beweisqualität, da der mittelbare Zeuge eben keine eigene Wahrnehmung schildert, sowie andererseits, weil es den Beschuldigten in den Verteidigungsmöglichkeiten einschränkt, da es ihm – bzw. seinem Verteidiger – die Möglichkeit nimmt, den unmittelbaren Zeugen selbst zu befragen, um so die Glaubhaftigkeit der Angaben zu überprüfen. Um den sich hier ergebenen Risiken effektiv zu begegnen, hat die Rechtsprechung besondere Regelungen zum Umgang mit der Konstellation des gesperrten oder aus anderen Gründen nicht verfügbaren Zeugen entwickelt.

3.4 Das Konfrontationsrecht

3.4.1 Grundlagen


Das Recht, Fragen an Belastungszeugen zu stellen (sog. Konfrontationsrecht), ist ausdrücklich in Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK als Mindestgarantie eines fairen Verfahrens normiert. Zwar gilt die EMRK als völkerrechtlicher Vertrag nur im Rang eines Bundesgesetztes (Art. 59 Abs. 2 GG) und der ihre Einhaltung überwachende EGMR hat nicht die Kompetenz, Urteile aufzuheben37, sondern kann die Vertragsstaaten lediglich zu Schadensersatzzahlungen verurteilen (Art. 41 EMRK). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) folgert in ständiger Rechtsprechung aus der „Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes“ aber ein verfassungsrechtliches Gebot, die Vorgaben der EMRK – in ihrer Ausformung durch die Rechtsprechung des EGMR – bei der Anwendung des einfachen Rechts zu beachten.38 Zudem wird das Recht auf ein faires Verfahren auch als eigenständiges von der EMRK unabhängiges Verfassungsprinzip anerkannt.39


Der EGMR bestimmt die Verletzung der Garantie des fairen Verfahrens (Art. 6 Abs. 1 EMRK) stets anhand einer einzelfallbezogenen Gesamtschau des Verfahrens, sodass sich seiner Rechtsprechung nur schwer Aussagen entnehmen lassen, die über den Einzelfall hinausgehende Gültigkeit beanspruchen40. Bei der Feststellung von Fairnessverstößen aufgrund der Verletzung des Konfrontationsrechts berücksichtigt er insbesondere41, ob ein sachlicher Grund für die Beschränkung des Konfrontationsrechts besteht, ob die hierdurch entstehenden Nachteile durch kompensierende Maßnahmen ausgeglichen wurden und ob das Beweismittel für die Verurteilung wesentlich war.42 Der BGH übernimmt diese – teilweise als 3-Stufen-Theorie“ bezeichneten43 – Kriterien und formuliert regelmäßig, es komme darauf an, ob die Nichtgewährung des Konfrontationsrechts im Zurechnungsbereich der Justiz liegt (hierzu unter 3.4.2), mit welchem Gewicht die Verurteilung des Angeklagten auf die Bekundungen eines nicht konfrontativ befragten Zeugen gestützt worden ist (3.4.3) und ob das Gericht die Unmöglichkeit der Befragung des Zeugen durch den Angeklagten oder seinen Verteidiger kompensiert habe (3.4.4).44


3.4.2 Staatliche Zurechnung


Im ersten Schritt unterscheidet der BGH danach, ob es der Justiz zurechenbar ist, dass der Zeuge in der Hauptverhandlung nicht vernommen werden kann. Die Sperrerklärung entstammt offensichtlich der staatlichen Sphäre und begründet daher eine solche Zurechnung.45 Des Weiteren sind hier insbesondere Auskunfts- (§ 55 StPO)46 und Zeugnisverweigerungsrechte (§ 52 StPO)47 sowie der Tod48 und der unbekannte Aufenthalt des Zeugen praktisch geworden. Während die drei erstgenannten Aspekte der Justiz offensichtlich nicht zuzurechnen sind49, kommt es bei dem unbekannten Aufenthalt darauf an, ob der Staat alles Erforderliche unternommen hat, um den Aufenthaltsort zu ermitteln50 oder es unterlassen hat, eine Vernehmung durchzuführen, solange diese noch möglich war51.


Die Relevanz dieser Unterscheidung dürfte jedoch nicht zu überschätzen sein. Der erweckte Eindruck, nach dem für von der Justiz zu vertretende und nicht zu vertretende Hindernisse unterschiedliche Maßstäbe gälten, finden durch den Vergleich entsprechender Entscheidungen keine Bestätigung. Vielmehr fordert der BGH ausdrücklich unabhängig von der Frage der Zurechnung eine sorgfältige und kritische Überprüfung der Angaben.52


3.4.3 Gewicht des Beweismittels


Neben diesem Erfordernis der sorgfältigen und kritischen Überprüfung wird als weitere Anforderung an die Beweiswürdigung formuliert, dass die Angaben durch außerhalb der Aussage liegende Umstände bestätigt werden. Diese Anforderung findet sich – was wiederum die geringe Relevanz der Unterscheidung aufzeigt – auch in Entscheidungen, die außerhalb der Sphäre der Justiz liegende Umstände betreffen.53 Sie wird aber gerade bei von der Justiz zu vertretenden Hindernissen betont.54 Häufig wird die Anforderung dahingehend relativiert, es bedürfe „regelmäßig“ der Bestätigung durch weitere Indizien.55 Es finden sich aber auch Formulierungen, die sich in dem Sinne verstehen lassen, es sei per se unzulässig, die Verurteilung allein auf die unkonfrontierten Angaben zu stützen.56 Da es noch in keiner Entscheidung darauf ankam, ist unklar, ob der BGH diesen Schluss tatsächlich ziehen würde. Ausdrücklich infrage gestellt wird das Erfordernis ergänzender Umstände vom 3. Strafsenat, der sich hierbei auf den EGMR berufen kann.57 Während sich der Rechtsprechung des EGMR zwischenzeitlich eine solche strenge Relation entnehmen ließ,58 wurden die Anforderungen in jüngeren Entscheidungen gelockert.59


Die Zurückhaltung gegenüber einem solchen Automatismus ist berechtigt. Er verknüpft mit der Verfahrensfairness und der Beweisqualität zwei Umstände, zwischen denen kein Zusammenhang besteht.60 Die fehlende Möglichkeit der unmittelbaren konfrontativen Befragung wirkt sich zwar auf beides aus, es ist aber erforderlich, die Aspekte bei Auflösung der Gemengelage auseinanderzuhalten.


Dass die nur mittelbare Einführung der Aussage unter Beweiswürdigungsgesichtspunkten problematisch ist, versteht sich von selbst. Der Zeuge vom Hörensagen schildert keine eigene Wahrnehmung, sondern lediglich Erkenntnisse aus zweiter Hand. Nicht nur der Verteidigung, sondern auch bereits dem Gericht ist es so verwehrt, Nachfragen an den unmittelbaren Zeugen zu stellen und sich einen persönlichen Eindruck von ihm zu machen. An die mittelbare Schilderung dürften sich die üblichen Glaubhaftigkeitskriterien von vornherein schwer anlegen lassen.61


Dies bedingt naturgemäß einen Verlust an Beweisqualität gegenüber der unmittelbaren Vernehmung, der es häufig ausschließen wird, allein in der Aussage eine ausreichende Verurteilungsgrundlage zu erblicken. Soweit die bezeichneten Anforderungen der Rechtsprechung in diesem Sinne zu verstehen sind, sind sie ebenso zutreffend wie selbstverständlich. Gelangt das Gericht aber im Einzelfall allein auf Grundlage der Aussage zu der für die Verurteilung erforderlichen Überzeugung, ist nicht eingängig, warum es auf das Erfordernis weiterer – nach Beweiswürdigungsgrundsätzen nicht erforderlicher – Indizien verwiesen werden sollte.


Ebenso kann es aus der Warte der Beweisqualität keine Rolle spielen, ob die Unmöglichkeit der konfrontativen Befragung von der Justiz zu vertreten ist.62 Die mittelbar eingeführte Aussage ist nicht deshalb überzeugender, weil der unmittelbaren Vernehmung statt einer Sperrerklärung der Tod des Zeugen entgegensteht.


Den Beweiswert derart an Fairnesserwägungen zu koppeln, ist nicht nur nicht logisch, sondern auch mit dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 261 StPO) unvereinbar63.


Umgekehrt kann es aus der Warte der Verfahrensfairness nicht darauf ankommen, ob die Angaben durch weitere Indizien gestützt werden. Erkennt man in der fehlenden Konfrontationsmöglichkeit einen die Verfahrensfairness insgesamt beeinträchtigenden Umstand, ändern ergänzende Umstände, die für den Wahrheitsgehalt der Angaben sprechen, nichts an dieser Einschätzung. Man hätte dann die Kompensation auch in der Verfahrensfairness entspringenden Rechtsinstituten, namentlich einem Verwertungsverbot, zu suchen. Die mit dem Erfordernis zusätzlicher Indizien erfolgende Kreation einer Beweisregel vermengt die Aspekte von Verfahrensfairness und Beweiswürdigung in einer Weise, die weder aus der einen noch aus der anderen Perspektive stimmig erscheint. Da die Rechtsprechung – zu Recht – kein Verwertungsverbot annimmt, erscheint dieses Erfordernis inkonsequent. So hat auch das BVerfG betont, dass ein Beweisverbot nicht geboten ist und entsprechende Einschränkungen der Beweiswürdigung einem solchen gerade nahekämen.64 Die Kritik des 3. Strafsenats an dieser Entwicklung ist daher zu begrüßen.


3.4.4 Kompensation


Dem Kriterium der Kompensation der Unmöglichkeit der Befragung kommt dann eine eigenständige Bedeutung zu, wenn man derartige Kompensationsmöglichkeiten in der Anwesenheit des Verteidigers bei der Zeugenvernehmung im Ermittlungsverfahren65 oder einer Videovernehmung66 erblickt. Nachdem sowohl BGH67 als auch EGMR68 aber erlauben, die Kompensation in der besonders kritischen und zurückhaltenden Beweiswürdigung zu erblicken, geht dieses Kriterium in den bereits formulierten Anforderungen auf.


3.4.5 Abschließende Betrachtung des Konfrontationsrechts


Es kann konstatiert werden, dass die Anforderungen der Rechtsprechung nur prima facie wie ein abgestuftes System mehrerer Kriterien anmuten, sich bei Lichte betrachtet aber in der Aussage erschöpfen, dem mittelbaren Beweismittel sei im Rahmen der Beweiswürdigung ein geringeres Gewicht beizumessen. Bereits aus Erwägungen der Beweiswürdigung wird sich regelmäßig ergeben, dass dieses nicht allein, sondern nur gestützt auf weitere Indizien eine ausreichende Verurteilungsgrundlage bilden kann. Ist dies jedoch ausnahmsweise doch der Fall, kann auch kein Anlass bestehen, die freie Beweiswürdigung aufgrund von Fairnesserwägungen einzuschränken.


Besonderes Augenmerk verdient die Annahme des BGH in der vorliegenden Entscheidung, ein derartiger ergänzender Umstand sei in der gem. § 100f StPO gefertigten Aufzeichnung des Gesprächs zwischen VP und Beschuldigtem zu erblicken.69 Dies überzeugt, da hiermit ein Beweismittel von einer Qualität vorliegt, die die Diskussion um die Überzeugungskraft der Angaben der VP müßig erscheinen lässt. Für die Ermittlungsbehörden sollte dies Anlass geben, regelmäßig zu prüfen, ob ein entsprechendes Vorgehen möglich ist. Zugleich gilt zu beachten, dass die Beweisführung mit der VP allein wenig erfolgsversprechend ist. Ihr Einsatz sollte daher primär auf die Erschließung weiterer und von ihr unabhängiger Beweismittel zielen.

 

4 Resümee


Die besprochene Entscheidung verdeutlicht einmal mehr, dass der Einsatz von Vertrauenspersonen ein wirkungsvolles Werkzeug zur Beweisgewinnung darstellt. Die höchstrichterlich entwickelten Grenzen bilden dabei einen Rahmen, der Vertrauenspersonen weiterhin genug Entscheidungsmöglichkeiten einräumt, um sich effektiv im kriminellen Milieu bewegen zu können. Doch Vertrauen ist naturgemäß keine Einbahnstraße. Insofern können sich wiederum Vertrauenspersonen darauf verlassen, dass die Strafverfolgungsbehörden deren Identität auch in einer Hauptverhandlung notfalls umfassend geheim halten können, ohne ein Beweisverwertungsverbot befürchten zu müssen. Entgegen der in der jüngeren Vergangenheit geäußerten Kritik kann daher auch zukünftig grundsätzlich an der Praxis der „Rekrutierung“ und verdeckten Ermittlungshandlungen von Vertrauenspersonen festgehalten werden. Angesichts dieser Umstände erscheint es kaum vertretbar, bei geeigneten Sachverhalten nicht unverzüglich auf Vertrauenspersonen zurückzugreifen. Wer nicht handelt, macht zwar grundsätzlich auch weniger Fehler. Es werden dabei jedoch auch zahlreiche vielversprechende Chancen zur Aufklärung von Straftaten vertan. Dies widerspricht nicht nur dem gesunden Menschenverstand, sondern auch den in §§ 152 Abs. 1, 163 Abs. 1 StPO geregelten Aufgaben der Ermittlungsbehörden. Laut übereinstimmenden Presseberichten liegt dem Bundesinnenministerium seit Juli 2023 der „Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Einsatzes von Verdeckten Ermittlern und Vertrauenspersonen sowie zur Tatprovokation“ des Bundesjustizministeriums vor. Es bleibt zu hoffen, dass die diesbezügliche höchstrichterliche Rechtsprechung hierdurch nicht konterkariert werden wird. Die dargestellte Entscheidung jedenfalls legt dem Einsatz von Vertrauenspersonen keine Steine in den Weg.

Anmerkungen

 

 

  1. Dr. Sören Pansa ist bei der Generalstaatsanwaltschaft Schleswig-Holstein und Dr. Felix Doege bei der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Kiel tätig. Der Beitrag gibt ausschließlich die persönliche Auffassung der Verfasser wieder.
  2. BGH, Urteil vom 15. Februar 2023 – 2 StR 270/22 –, juris.
  3. Vgl. etwa den gemeinsamen Runderlass des Ministeriums für Justiz, Europa, Verbraucherschutz und Gleichstellung sowie des Ministeriums für Inneres, ländliche Räume und Integration des Landes Schleswig-Holstein vom 27. November 2017 – II 302/4100-307 SH-IV 433/1461 –; SchlHA 2017 Nr. 12, S. 458.
  4. BGH, Urteil vom 22. Februar 1995 – 3 StR 552/94 –, BGHSt 41, 42.
  5. Vgl. statt vieler BGH, Beschluss vom 20. Februar 2019 – StB 51/18–, NStZ-RR 2019, 280.
  6. BGH, Urteil vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99 –, BGHSt 45, 321.
  7. BGH, Urteil vom 21. Juli 1994 – 1 StR 83/94 –, BGHSt 40, 211.
  8. Vgl. BGH, Beschluss vom 7. Oktober 2019 – 1 StR 206/19, NStZ-RR 2020, 30 mit weiteren Nachweisen.
  9. BGH, Urteil vom 16. Dezember 2021 – 1 StR 197/21 –, NStZ 2023, 243.
  10. BGH, Urteil vom 5. Juli 2023 – 5 StR 17/23 –, NStZ-RR 2023, 282.
  11. Vgl. BGH, Urteil vom 7. Dezember 2017 – 1 StR 320/17 –, NStZ 2018, 355 mit zahlreichen Nachweisen.
  12. Vgl. statt vieler etwa BGH, Beschluss vom 14. August 2019 – 5 StR 228/19 –, juris.
  13. BGH, Urteil vom 15. Februar 2023 – 2 StR 270/22 –, juris.
  14. Vgl. Soiné, ZRP 2021, 47 mit weiteren Nachweisen.
  15. BGH, Urteil vom 15. Februar 2023 – 2 StR 270/22 –, juris.
  16. Vgl. statt vieler BGH, Beschluss vom 13. Mai 1996 – GSSt 1/96 –, BGHSt 42, 139.
  17. Vgl. statt vieler BGH, Beschluss vom 13. Mai 1996 – GSSt 1/96 –, BGHSt 42, 139.
  18. BGH, Urteil vom 26. Juli 2007 – 3 StR 104/07 –, BGHSt 52, 11.
  19. BGH, Beschluss vom 17. Februar 1981 – 5 StR 21/81 –, BGHSt 30, 34.
  20. KK-StPO/Greven, 9. Aufl. 2023, StPO § 96 Rn. 21.
  21. BT-Drs. 12/989 S. 42.
  22. Vgl. VGH Kassel, Beschluss vom 29. Mai 2013 – 8 B 1005/13, 8 D 1006/13 –, NJW 2014, 240.
  23. Vgl. VGH Kassel, Beschluss vom 29. Mai 2013 – 8 B 1005/13, 8 D 1006/13 –, NJW 2014, 240.
  24. Gesetz über die förmliche Verpflichtung nichtbeamteter Personen (Verpflichtungsgesetz) vom 2. März 1974, BGBl. I S. 547.
  25. BGH, Urteil vom 5.November 1982 - 2 StR 250/82 –, NStZ 1983, 228.
  26. Vgl. BGH, Urteil vom 16. Februar 1995 – 4 StR 733/94 –, BGHSt 41, 36.
  27. BGH, Urteil vom 16, April 1985 - 5 StR 718/84 –, NJW 1985, 1789.
  28. Vgl. BGH, Urteil vom 16, April 1985 - 5 StR 718/84 –, NJW 1985, 1789.
  29. BVerwG, Urteil vom 27. April 1984 – 1 C 43/83 –, juris.
  30. BeckOK StPO/Gerhold, 48. Ed. 1.7.2023, StPO § 96 Rn. 17.
  31. BGH, Urteil vom 3. Mai 1985 – 2 StR 824/84 –, juris.
  32. BGH, Urteil vom 3. Mai 1985 – 2 StR 824/84 –, juris.
  33. BGH, Urteil vom 15. Februar 2023 – 2 StR 270/22 –, juris.
  34. BGH, Beschluss vom 8. April 2003 - 3 StR 92/03 – NStZ 2004, 50.
  35. BGH, Beschluss vom 8. April 2003 - 3 StR 92/03 – NStZ 2004, 50.
  36. BGH, Urteil vom 10. Oktober 1979 – 3 StR 281/79 –, NJW 1980, 464.
  37. Vgl. aber § 359 Nr. 6 StPO, wonach eine durch den EGMR festgestellte Verletzung der EMRK einen Wiederaufnahmegrund darstellt.
  38. BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 2004 – 2 BvR 1481/04 –, BVerfGE 111, 307-332.
  39. Vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. März 2009 – 2 BvR 2025/07 –, juris mit weiteren Nachweisen.
  40. Vgl. Esser, NStZ 2022, 499 (500).
  41. In EGMR, Schatschaschwili v. Deutschland, Urteil vom 15. Dezember 2015 – 9154/10 –, juris stellt der Gerichtshof dar, dass die Kriterien nicht abschließend sind.
  42. EGMR, Schatschaschwili v. Deutschland, Urteil vom 15. Dezember 2015 – 9154/10 –, juris mit weiteren Nachweisen.
  43. Vgl. aber Arnoldi, NStZ 2018, 55 (56) der zutreffend darauf hinweist, dass die Dreistufigkeit gerade aufgegeben wurde.
  44. BGH, Urteil vom 15. Februar 2023 – 2 StR 270/22 –, juris.
  45. BGH, Urteil vom 15. Februar 2023 – 2 StR 270/22 –, juris.
  46. BGH, Urteil vom 19. Februar 2015 – 3 StR 597/14 –, juris.
  47. BGH, Urteil vom 25. Juli 2000 – 1 StR 169/00 –, BGHSt 46, 93.
  48. BGH, Urteil vom 16. Januar 2013 – 2 StR 106/12 –, juris.
  49. Vgl. aber BGH, Urteil vom 25. Juli 2000 – 1 StR 169/00 –, BGHSt 46, 93, wo die Zurechnung darauf gestützt wurde, dass die zeugnisverweigerungsberechtigte Zeugin im Ermittlungsverfahren unter Verletzung der Beteiligungsrechte vernommen wurde und sodann im Hauptverfahren die Aussage verweigerte.
  50. BGH, Beschluss vom 26. April 2017 – 1 StR 32/17 –, juris.
  51. BGH, Urteil vom 4. Mai 2017 – 3 StR 323/16 –, NStZ 2018, 51; BGH, Beschluss vom 29. November 2006 – 1 StR 493/06 –, BGHSt 51, 150.
  52. BGH, Beschluss vom 16. August 2023 – 5 StR 126/23 –, NStZ-RR 2023, 322.
  53. BGH, Urteil vom 13. Januar 2022 – 3 StR 341/21 –, juris; BGH, Beschluss vom 17. März 2010 – 2 StR 397/09 –, BGHSt 55, 70-79; BVerfG, Beschluss vom 8. Oktober 2009 – 2 BvR 547/08 –, NJW 2010, 925; BGH, Beschluss vom 17. März 2010 – 2 StR 397/09 –, BGHSt 55, 70.
  54. BGH, Urteil vom 15. Februar 2023 – 2 StR 270/22 –, juris; BGH, Beschluss vom 29. November 2006 – 1 StR 493/06 –, BGHSt 51, 150.
  55. BVerfG, Beschluss vom 8. Oktober 2009 – 2 BvR 547/08 –, NJW 2010, 925; BGH, Urteil vom 19. Februar 2015 – 3 StR 597/14 –, juris; BGH, Beschluss vom 22. Juni 2005 – 2 StR 4/05 –, juris; BGH, Beschluss vom 17. März 2010 – 2 StR 397/09 –, BGHSt 55, 70.
  56. BGH, Urteil vom 15. Februar 2023 – 2 StR 270/22 –, juris; BGH, Beschluss vom 29. November 2006 – 1 StR 493/06 –, BGHSt 51, 150.
  57. BGH, Urteil vom 4. Mai 2017 – 3 StR 323/16 –, NStZ 2018, 51.
  58. Vgl. zur Entwicklung Gaede, StV 2018, 175 mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung.
  59. EGMR, Schatschaschwili v. Deutschland, Urteil vom 15. Dezember 2015 – 9154/10 –, juris; EGMR, Strassenmeyer v. Deutschland, Urteil vom 2. Mai 2023 – 57818/18 –, juris.
  60. Vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 2017 – 3 StR 323/16 –, NStZ 2018, 51.
  61. Vgl. BGH, Urteil vom 25. Juli 2000 – 1 StR 169/00 –, BGHSt 46, 93.
  62. Mosbacher, JuS 2017, 742 (747).
  63. Mosbacher, JuS 2017, 742 (747).
  64. BVerfG, Beschluss vom 8. Oktober 2009 – 2 BvR 547/08 –, NJW 2010, 925.
  65. BGH, Urteil vom 25. Juli 2000 – 1 StR 169/00 –, BGHSt 46, 93; BGH, Beschluss vom 16. August 2023 – 5 StR 126/23 –, juris.
  66. BGH, Beschluss vom 17. März 2010 – 2 StR 397/09 –, BGHSt 55, 70-79.
  67. BGH, Urteil vom 15. Februar 2023 – 2 StR 270/22 –, juris; BGH, Beschluss vom 26. April 2017 – 1 StR 32/17 –, juris.
  68. EGMR, Schatschaschwili v. Deutschland, Urteil vom 15. Dezember 2015 – 9154/10 –, juris.
  69. BGH, Urteil vom 15. Februar 2023 – 2 StR 270/22 –, juris.