Einige Anmerkungen zum Einsatz des Tasers

Berliner Rechtslage


Von Prof. Michael Knape, Berlin1

 

1 Allgemeines


Über den Einsatz des Distanz-Elektroimpulsgerätes – kurz: Taser – als neue Waffe der Berliner Polizei bestehen im politischen Raum offensichtlich weiterhin gravierende Uneinigkeiten. Nach einem anfangs zunächst nur auf drei Jahre angelegten Testlauf mit Beginn im Jahr 2017 war geplant, dieses Einsatzmittel letztendlich – nach Verlängerung – am Ende des Jahres 2022 als Standardausrüstung für die Berliner Polizei zu beschaffen.


Das Spezialeinsatzkommando (SEK) verfügt über dieses Einsatzmittel bereits seit 2001. Die Berliner Presse titelte jedoch schon am 18. und 30.3.2017, gestützt auf die Expertise von Polizeirechtswissenschaftlern, dass der Testlauf bei der Berliner Polizei für den Einsatz von „Elektroschockwaffen“ möglicherweise rechtswidrig sei.2 In anderen Bundesländern, in denen der Taser zum Einsatz kommt, ist dieser gesetzlich geregelt. Auf eine Vorschrift der Verwaltung verlässt sich ausschließlich das Land Berlin.3 Die Berliner Innenverwaltung sah dessen Einsatz dennoch von Anfang an als nicht gefährdet an. Der Gebrauch von Schusswaffen sei gesetzlich geregelt. Die Ergänzung in den Ausführungsvorschriften für Vollzugsbeamte der Polizeibehörde zum UZwG Bln (AV Pol UZwG Bln), wonach der Taser als Schusswaffe einzustufen ist, sei völlig ausreichend.4


Im Land Brandenburg existiert für den Taser zwar eine formal-gesetzliche Grundlage. Über die Voraussetzungen seines Einsatzes schweigt das BbgPolG5aber. So lässt z.B. auch Hamburg den Einsatz der Distanz-Elektroimpulsgeräte ausdrücklich durch Gesetz zu; eine Regelung seines Einsatzes – über die Voraussetzungen seines Gebrauchs – findet sich jedoch auch dort nichts.6 Die Partei DIE LINKE im Land Berlin bewertete den Testlauf in der 18. Wahlperiode als grds. kritisch; sie stützt ihre Bedenken auf ein nicht veröffentlichtes Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages, das auf Antrag der Linksfraktion angefertigt wurde. Linke und Grüne lehnen infolgedessen auch in der 19. Wahlperiode den Einsatz dieser Geräte strikt ab, nicht jedoch die meisten SPD-Politiker des linken Regierungsbündnisses.7 Der Autor dieses Beitrags sah schon in DIE POLIZEI, 2015, 135 ff. Distanz-Elektroimpulsgeräte als geeignete und wirksame Einsatzmittel an.8 Er schlug daher ausdrücklich vor, neben der Einfügung in den Waffenkatalog – Begriffsbestimmungen – des § 2 Abs. 4 UZwG Bln eine spezielle gefahrenabwehrende Normierung in § 17 UZwG Bln zu implementieren.9 Insoweit müsste die Vorschrift an eine gegenwärtige Gefahr für Leib, Leben oder Gesundheit anknüpfen. Dies schlösse neben der reinen Gefahrenabwehr auch die Verhinderung von Straftaten bzw. die mit Strafe bedrohten Handlungen als Unterfall derselben keinesfalls aus.10


Umso überraschender verkündete der Berliner Innenstaatssekretär, dass der Probelauf am 31.12.2022 mangels valider Datengrundlage endgültig beendet sei, mit der Folge, außer den Beamten des SEK verfüge dann kein einziger PVB mehr über ein Distanz-Elektroimpulsgerät. Geplant ist, bis März 2023 einen detaillierten Abschlussbericht zu fertigen. Diese Entscheidung revidierte die Senatorin für Inneres, Digitalisierung und Sport insofern, als sie im Einklang mit den Einsatztrainern der Polizeiakademie und den Polizeigewerkschaften den Taser als hervorragendes Einsatzmittel lobte und zugleich betonte, dass durch dessen Einsatz Menschenleben gerettet werden können; kurzum: der Taser muss bleiben.11 Damit stellte sie ihren eigenen Spitzenbeamten bloß.12

 


 

 

2 Einfach-gesetzliche Ausgangslage und Verwaltungsvorschrift


Der Gesetzgeber hat die in Berlin dienstlich zugelassenen Polizeiwaffen in § 2 Abs. 4 UZwG Bln aufgezählt. „Waffen sind die ‚dienstlich zugelassenen‘ Schusswaffen (Pistolen, Revolver, Gewehre, Maschinenpistolen) und Hiebwaffen (Schlagstöcke).“ Der Taser wird in § 2 Abs. 4 UZwG Bln als dienstlich zugelassene Waffe nicht genannt. Es stellt sich die Frage, wie der Gesetzesbegriff „dienstlichzugelassen“ auszulegen ist?


„Dienstlich zugelassen“ impliziert eine dienstliche und keine parlamentarische Stelle. Es muss sich in der Verwaltung um eine Stelle handeln, welche hierarchisch die Kompetenz besitzt, über die Bewaffnung der Polizei zu entscheiden. Dies kann aus Gründen der Dienst- und Fachaufsicht nur die oberste Dienstbehörde, die Senatsverwaltung für Inneres, Digitalisierung und Sport (SenInnDS) sein. In enger Abstimmung mit der Dienstbehörde (PPr), unter gleichzeitiger Mitbestimmung des GPR,13 legt sie den Waffenkatalog fest, über den sodann der Landesgesetzgeber, soweit in einem förmlichen Gesetz (UZwG Bln) notwendigerweise zu regeln (§ 2 Abs. 4 UZwG Bln), letztendlich abschließend entscheidet. Somit bestimmt in erster Linie die Exekutive, welche Waffen bei der Berliner Polizei dienstlich zugelassen sein sollen (§ 2 Abs. 4 UZwG Bln). SenInnDS stellt in der AV Pol UZwG Bln Nr. 11 zu § 2 UZwG Bln fest: „Die Aufzählung der in Absatz 4 zugelassenen Waffen (Schusswaffen und Hiebwaffen) ist abschließend.“ Des Weiteren fügt sie hinzu: „Distanzelektroimpulsgeräte, die mittels Druckgas oder Treibladung an Drähten geführte Elektroden verschießen (wie z.B. der Advanced Air Taser M 26), sind als Schusswaffen anzusehen, solange deren Gebrauch nicht speziell im Gesetz geregelt ist.“ So gut, so schön: Unmittelbare Rechtswirkung nach außen,14 etwa i.S.d. Erfordernisses einer Ermächtigungsgrundlage oder eines förmlichen Gesetzes,entfaltet diese – nur nach innen wirkende – Verwaltungsvorschrift keinesfalls. Die zuständige Senatsverwaltung hat in zwei Ausführungsvorschriften des UZwG Bln den Taser zwar als solchen angesprochen, es dabei aber unterlassen (in der Verwaltungsvorschrift [!]), explizit zu regeln, unter welchen besonderen tatbestandlichen Voraussetzungen dieser gegen Personen eingesetzt werden darf.15 Dieser Vorwurf geht gleichermaßen in Richtung Parlament, weil eine derart wichtige Regelung durch eine förmliche Vorschrift des UZwG Bln inhaltlich bestimmt sein muss. Warum der Gesetzgeber seine Gesetzgebungsbefugnis an dieser so wichtigen Stelle nicht wahrnimmt und der Exekutive – dem Senator für Inneres und Sport – freie Hand lässt, erschließt sich dem objektiven Betrachter nicht. Unstreitig ist, dass der Taser die große Lücke zwischen Schusswaffen einerseits und Schlagstock bzw. Reizstoffen andererseits ausfüllt. Bei Einsatzlagen des „Täglichen Dienstes“ schont dieses Einsatzmittel den angreifenden Störer bzw. Täter, bewahrt ihn womöglich vor einem tödlichen – hoheitlichen – Schusswaffengebrauch; dies gilt auch bei Personen, die sich erkennbar in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand befinden und aufgrund dessen sich oder andere gefährden (z.B. der mit einer Hieb-, Stich- oder Stoßwaffe bewaffnete [angetrunkene] Angreifer: ein PVB setzt den Taser ein, während ihn ein zweiter PVB mit gezogener Schusswaffe, Waffe am langen Arm, sichert; dabei ist die erforderliche Distanz zum Angreifer stets zu wahren). Ob und inwieweit der Taser ein zwecktaugliches Einsatzmittel bei „Einsätzen/Maßnahmen aus besonderen Anlässen“ ist, lässt sich nicht mit gleicher Sicherheit prognostizieren. Dennoch spricht einiges dafür. Während sein Einsatz bei Versammlungslagen nur schwer vorstellbar ist, kann der Taser z.B. bei (Musik-)Veranstaltungen – z.B. gewaltbereite, insb. angetrunkene Besucher –, Ansammlungen bestimmter Szeneangehöriger wie bspw. Rocker, Punker und dgl., d.h., bei gewalttätigen Aktionen16 mit all ihren Facetten oder bei Razzien im kriminellen Milieu, durchaus erfolgreich von Angehörigen der Einsatzeinheiten der BP Verwendung finden. Gleiches gilt bei Fußballlagen – sog. Risiko-/Hochrisikospiele – mit Hooligan- bzw. gewaltsuchenden Ultragruppierungen. Den Gebrauch des Schlagstocks – Hiebwaffe – regelt die AV Pol UZwG Bln Nr. 76 zu § 19 UZwG Bln sehr viel genauer, so dass sich für den Amtswalter Umfang und Grenzen seines Gebrauchs sowie die damit im Zusammenhang stehende Ermessensausübung deutlicher als für den Einsatz des Tasers ergeben. Man bedenke: Für den Gebrauch von Reizstoffen – lediglich Hilfsmittel der körperlichen Gewalt17 – findet der Rechtsanwender, abgesehen von § 21 UZwG Bln,18 im § 21b UZwG Bln eine – wenn auch nur kurze – formal-gesetzliche Regelung, deren Einsatz in der AV Pol UZwG Bln Nr. 80b zu § 21b UZwG Bln darüber hinaus sogar noch eine zusätzliche umfangreiche Ausgestaltung erfährt, was sich wiederum ermessensbindend bzw. -steuernd auswirkt. Dass nach der AV Pol UZwG Bln Nr. 43a zu § 9 UZwG Bln der Gebrauch des Tasers den „gleichen Voraussetzungen wie der aller anderen Schusswaffen“ unterliegt, ist keinesfalls zielführend. Diese Aussage ist zu unbestimmt, weil tatbestandlich nicht genügend konkretisiert. Denn immerhin enthält das UZwG Bln sechs Vorschriften (!), die Fälle des Schusswaffengebrauchs, abgesehen von den allgemeinen Vorschriften für den Schusswaffengebrauch (§§ 8 u. 9 UZwG Bln) einschließlich der Pflicht zur Androhung des Schusswaffengebrauchs (§ 10 UZwG Bln), in bestimmten Situationen regeln (§§ 11-16 UZwG Bln). Nach rechtsstaatlichen Grundsätzen drängt es sich geradezu auf, den Taser als dritte Waffengattung neben Schusswaffen und Hiebwaffen – und nicht etwa nur als bloßes Hilfsmittel der körperlichen Gewalt i.S.d. § 2 Abs. 3 UZwG Bln – zumindest in § 2 Abs. 4 UZwG Bln aufzunehmen. Als Zwischenergebnis lässt sich somit konstatieren, dass die so bedeutsame Polizeibewaffnung nach Landesrecht – ganz überwiegend – in der Hand der exekutiven denn der legislativen Gewalt liegt: Die SenInnDS kann jederzeit nach Belieben die Polizeibewaffnung der Berliner Polizei „erhöhen oder verringern“.19

 

 

3 Verfassungsrechtliche Bedenken zu der Berliner Rechtslage


Zu berücksichtigen ist, dass mit dem Gebrauch des Tasers schwerwiegende Beeinträchtigungen der Grundrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit verbunden sind bzw. sein können, wobei in erster Linie das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit betroffen ist. Der Einsatz des Tasers kann aber auch in Einzelfällen tödlich wirken, man denke z.B. hierbei an herzkranke oder schwangere Personen.20 In aller Regel wird eine getroffene Person aufgrund der ausgesendeten Stromstöße schlagartig zusammensacken. Sie kann dabei unglücklich stürzen, so dass irreparable Verletzungen am Schädel die Folge sein können. Allein diese Beispiele verdeutlichen, dass existierende Gedankenspiele bei der Berliner Innenverwaltung und bei den Gewerkschaften, den Taser als bloßes Hilfsmittel der körperlichen Gewalt i.S.d. § 2 Abs. 3 UZwG Bln einzustufen, sich von vornherein aus Gründen der Verhältnismäßigkeit (§ 4 UZwG Bln) verbieten. Diese Beispiele verdeutlichen, dass zudem eine formal-gesetzliche Vorschrift dringend notwendig ist, die den Gebrauch – die tatbestandlichen Voraussetzungen (!) – des Einsatzes eines Tasers explizit regeln muss.21 Ob und inwieweit zusätzlich auch eine Verletzung der Menschenwürde in Betracht kommen kann – durch den Taser-Beschuss beim Getroffenen setzt immerhin ein Kontrollverlust durch Muskelkrämpfe ein, der zur Folge haben kann, dass die betroffene Person uriniert bzw. Exkremente ausscheidet – kann durchaus kontrovers diskutiert werden. In einer Reihe von Entscheidungen brachte die Rechtsprechung jedenfalls zum Ausdruck, dass Art. 1 Abs. 1 GG die Degradierung eines Menschen zum Spielball staatlicher Machtentfaltung verhindert.22 Ob der Betroffene infolge des Taser-Beschusses und der insoweit beschriebenen Folgen zum bloßen Objekt staatlichen Handelns gemacht wird und ob darin auch tatsächlich ein Akt der Geringschätzung zu erblicken ist (sog. „Objektformel“), ist nach hier vertretener Auffassung strittig, eröffnet jedoch einmal mehr die Notwendigkeit, dass der zuständige Gesetzgeber gefordert ist, den Einsatz des Tasers normenklar und eindeutig zu regeln, mithin die Voraussetzungen festzulegen, wann und unter welchen Voraussetzungen dessen Gebrauch erfolgen darf. Zudem müssen derartige Eingriffe für den Betroffenen „messbar“ und „vorhersehbar“ sein. Das zu leisten, vermag nur eine normenklare gesetzliche Regelung. Diesbezüglich ist vom verfassungskräftigen Bestimmtheitsgebot, einer Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips, die Rede. Das Gebot ausreichender Bestimmtheit von Rechtsvorschriften23 verlangt stets normenklare gesetzliche Regelungen. Diesem rechtsstaatlichen Erfordernis wird dann entsprochen, wenn der zuständige Gesetzgeber die zulässige Polizeibewaffnung – nach Inhalt, Umfang bzw. Ausmaß – festlegt, kurzum, diese Festlegung nicht der Verwaltung überlässt. Man spricht hierbei auch vom Parlamentsvorbehalt.24 Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot verpflichten also den Gesetzgeber, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen im Wesentlichen selbst zu treffen und diese nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive zu überlassen; dabei besteht eine Pflicht zum Tätigwerden des Gesetzgebers nicht erst dann, wenn mehrdimensionale, komplexe Grundrechtskonstellationen betroffen sind.25 Zum Kernbestand des Rechtsstaates gehört zudem die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Das darin aufgehobene Prinzip vom Vorbehalt des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) verlangt „kein Handeln ohne einGesetz“. Es verlangt, dass staatliches Handeln vorhersehbar und berechenbar ist.26 Dem folgend, ist nach dem Rechtsstaatsprinzip und dem dieses Prinzip prägenden Art. 20 Abs. 3 GG ein derart belastender Eingriff in die körperliche Unversehrtheit nur zulässig, wenn dieser in einem förmlichen Gesetz geregelt ist.27 Diese Rechtsschutzgarantie bedeutet: Ein Hoheitsträger darf ggü. einem Bürger nur dann einen belastenden Eingriff vornehmen, wenn es dafür eine gesetzliche Grundlage gibt.28 Für den Eingriff bedarf es zwingend einer eigenständigen formal-gesetzlichen Rechtsgrundlage. Das ist der Vorbehalt des Gesetzes.29 Dieser Aspekt der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verlangt demnach, dass staatliches Handeln in bestimmten grundlegenden Bereichen durch ein förmliches Gesetz legitimiert wird.30


Diese verfassungsrechtliche Formel wird zudem noch durch die Wesentlichkeitstheorie, besser „das Wesentlichkeitsprinzip“, erweitert. Danach ist der Gesetzgeber verpflichtet, „im Bereich der Grundrechtsausübung“ – soweit diese einer staatlichen Regelung überhaupt zugänglich ist – alle wesentlichen Entscheidungen (normenklar) selbst zu treffen.31 Hierzu zählt zweifelsohne die Anwendung unmittelbaren Zwanges durch den Gebrauch des Tasers, der in die körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG eingreift. Der Vorbehalt des Gesetzes statuiert letztlich auch den bereits oben angesprochenen Parlamentsvorbehalt. Ohne gesetzliche Regelung verstößt, so Arzt mit seiner berechtigten Kritik,32 die Berliner Rechtslage zum Gebrauch des Tasers zudem gegen die EMRK.33 Bereits Wacke, einer der vier Autoren des bekanntesten Werkes deutscher Polizeiliteratur, und zwar das Lehrbuch der Gefahrenabwehr von Drews/Wacke/Vogel/Martens, 9. Auflage (1986),34 quasi die „Bibel“ des Polizeirechts für den Verwaltungsbeamten, Richter, akademischen Lehrer sowie für den Studierenden, ein Werk, das sich aus dem verwaltungsrechtlichen Schrifttum nicht mehr fort denken lässt, in seiner Tradition bis in die Weimarer Republik zurückgeht, hat schon kurz nach In-Kraft-Treten des UZwG Bund die Form der „dienstlichen Zulassung“ der Polizeiwaffen kritisiert. „Das Waffengebrauchsgesetz, (Anm.: z.B. das UZwG Bln), muss also selbst mit Blick auf Art. 2 Abs. 2 GG nicht nur die Zulässigkeit des Waffeneinsatzes, sondern auch die zulässigen Waffen selbst bestimmen. Erst wenn diese gesetzlichen Bestimmungen geschaffen sind, kann der einzelne Polizeibeamte oder polizeiliche Einheitsführer ‚auf Grund‘ dieses Gesetzes nach Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG in das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit eingreifen. Erst dann ist ihm sein Handwerkszeug, die Waffen, vom Gesetzgeber in die Hand gegeben. Die Überantwortung der Waffenbestimmung an die ‚dienstliche Zulassung‘ entspricht also nicht der Verfassung, weil diese ein förmliches Gesetz verlangt. So ergibt sich, dass sowohl nach allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen (‚Eingriffe in Freiheit und Eigentum‘), wie nach unserer positiven Verfassungslage eine nur ‚dienstliche‘,d.h. verwaltungsseitige Zulassung nicht angängig ist“.35 In Teilen der Literatur wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass § 2 Abs. 4 UZwG (Bund) und somit auch die inhaltlich korrespondierende Vorschrift des UZwG Bln sprachlich missglückt ist; „denn man wird den Begriff der Waffe nicht von einer dienstlichen Zulassung abhängig machen können.“36 Anders stellt sich die Rechtslage bei den Hilfsmitteln der körperlichen Gewalt dar. Das Wort „insbesondere“ macht deutlich, dass die Aufzählung nicht abschließender Natur, sondern ergänzbar ist.37 Es sind aber stets nur solche Gegenstände – außer den in § 2 Abs. 3 UZwG Bln „insbesondere“ genannten – als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt zu verwenden, deren Wirkung in einem angemessenen Verhältnis (§ 4 Abs. 2 UZwG Bln) zu dem entsprechenden Erfolg steht. § 36 Abs. 4 ME PolG 197738 sieht folgerichtig vor, dass die Polizeibewaffnung gesetzlich abschließend festgelegt wird. Diese Vorschrift bestimmt, dass „als Waffen Schlagstock, Pistole, Revolver, Gewehr, Maschinenpistole, Maschinengewehr und Handgranate zugelassen sind“.39 Es fehlt – völlig zu Recht – die Formulierung „dienstlich zugelassene“ Waffen mit anschließender Aufzählung.

 

4 Folgerungen


Der Gebrauch des Tasers ist keine Minusmaßnahme – er ist dem Grunde nach auch keine mildere Maßnahme – ggü. dem Schusswaffengebrauch, insb. jenem mit einer Pistole. Sein Gebrauch ist vielmehr ein Aliud und bedarf daher einer eigenen gesetzlichen Regelung. Die Ausführungsvorschriften zum UZwG Bln vom 20.6.2016 sind zwar an einer Stelle inhaltlich geändert worden.40 Die AV Pol UZwG Bln Nr. 43a zu § 9 UZwG Bln hat insofern eine Änderung erfahren, als in dieser Ausführungsvorschrift der Gebrauch des Tasers nicht mehr nur „Einsatzkräften des SEK“ gestattet ist, sondern nunmehr auch all jenen „Vollzugsdienstkräften gestattet sein soll, die nach spezieller Ausbildung dienstlich damit ausgestattet sind und grundsätzlich einen planvollen Geräteeinsatz (Schusssicherung, Fallsicherung und Fixierung der betroffenen Person) gewährleisten können“. Diese behördeninterne Regelung vermag die existierende gesetzliche Regelungslücke zum Gebrauch des Tasers jedoch nicht zu schließen.


Bildrechte: Landespolizei Schleswig-Holstein.

 

 

Anmerkungen

 

  1. DPPr a.D. Prof. Michael Knape war Direktionsleiter der Polizei Berlin und während dieser Zeit auch Polizeiführer „Schwerstkriminalität“. Er lehrte an der HWR Berlin, zudem von 2018 bis Ende 2021 an der HPol Brandenburg im Studienfach Eingriffsrecht. Ferner erhält er seit mehreren Jahren Lehraufträge an der FHöVPR Mecklenburg-Vorpommern.
  2. Vgl. Knape, Ein Plädoyer für Distanz-Elektroimpulsgeräte – Standardausrüstung für die Berliner Polizei?, Die Polizei 2015, 135 ff.; ders., Waffen der Berliner Polizei – Rechtslage: Taser als neue Polizeiwaffe –, Die Polizei 2017, 204 ff., ders., Waffen der Berliner Polizei – Rechtslage: Taser (Distanz-Elektroimpulsgerät) als neue Polizeiwaffe und fehlende gesetzliche Regelung des Rettungsschusses, Die Polizei, 2021, 342 ff.
  3. Vgl. dazu Feldmann, Berlin auf dem Holzweg? – Einsatz von Distanz-Elektroimpulsgeräten, mobile.twitter.com/Djeron7/status/854274460022603776/photo/1
  4. Vgl. BERLINER MORGENPOST v. 18.3.2017, S. 15 u. v. 30.3.2017, S. 10; dazu Nr. 11 Abs. 1 Satz 2 AV Pol UZwG Bln v. 20.6.2016 (ABl. S. 2268) zu § 2 UZwG Bln.
  5. Der Taser wird als Distanz-Elektroimpulsgerät in § 61 Abs. 3 BbgPolG, Kap. 4, Abschn. 2, über die Anwendung unmittelbaren Zwanges zwar im abschließend definierten Waffenkatalog aufgeführt; gleichwohl fehlt aber auch dort eine Vorschrift über die Art u. Weise seines Gebrauchs gegen Personen, was verfassungsrechtlich unter den Gesichtspunkten der Wesentlichkeitstheorie des BVerfG als Teil des Vorbehalts des Gesetzes inakzeptabel ist.
  6. Distanz-Elektroimpulsgeräte werden auch hier nur im Waffenkatalog des § 18 Abs. 4 HmbSOG genannt.
  7. Vgl. BERLINER KURIER v. 24.8.2022, S. 12.
  8. Man denke z.B. an den bundesweit bekannt gewordenen „Neptunbrunnenfall“ v. 28.6.2013 in Berlin-Mitte, als ein nackter Mann mit einem 20 cm langen Sägemesser bewaffnet Polizeibeamte (PVB) im Brunnen angriff u. von einem PVB mit der Schusswaffe (Pistole) erschossen wurde.
  9. Vgl. Knape, DIE POLIZEI 2015, 135 ff.; der Schusswaffengebrauch im Bereich der Demarkationslinie wurde in § 17 UZwG Bln mit der wiedererlangten Einheit Deutschlands am 3.10.1990 nachträglich ersatzlos gestrichen.
  10. Kriminalitätsbekämpfung durch Polizeirecht.
  11. Vgl. BILD-BERLIN v. 27.8.2022, S. 9.
  12. Vgl. BILD-BERLIN, a.a.O.
  13. Vgl. Hoffmann, Mitbestimmung beim Beschaffen von Schusswaffen, DP 10/22, S. 18 ff. unter Hinw. auf Rspr. des BVerwG, 5 P – 7.20.
  14. Vgl. dazu Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 23. Aufl. (2022), Rn. 124 zu § 35.
  15. AV Pol UZwG Bln Nr. 43a zu § 9 UZwG Bln vermag daran nichts zu ändern; vgl. Kritik in diesem Abschn.; zum Vorschlag einer neuen Regelung in § 17 UZwG Bln vgl. Abschn. 1.
  16. Zum Begriff vgl. PDV 100, 5.7.
  17. Vgl. dazu § 2 Abs. 3 UZwG Bln.
  18. § 21 UZwG Bln regelt die Androhung ggü. einer Menschenmenge beim Gebrauch von Hiebwaffen u. Hilfsmitteln der körperlichen Gewalt.
  19. Vgl. dazu auch schon Peilert in: Heesen/Hönle/Peilert/Martens, Bundespolizeigesetz mit Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz und Gesetz über den unmittelbaren Zwang, 5. Aufl. (2012), S. 1374, Rn. 12 zu § 2 Abs. 4 UZwG.
  20. Am 19.10.2022 meldete der WELT-TICKER: Ein 44-jähriger betrunkener herzkranker Mann kollabierte u. verstarb nach einem Taser-Einsatz der Polizei in Dortmund. Ob der Taser-Einsatz ursächlich für dessen Tod war, konnte laut StA trotz Obduktion „nicht sicher festgestellt werden“, abgerufen am 20.10.2022: amp.zdf.de//nachrichten/panorama/taser-polizei-dortmund-100.html; dazu BILD DEUTSCHLAND, S. 8 u. BERLINER KURIER, S. 25, beide v. 20.10.2022.
  21. Nahezu mustergültig hier die Regelung in § 258a LVwG SH.
  22. Vgl. z.B. BGH, NJW 1961, 1397 ff.; BVerfGE 19, 93 (99); E 57, 250 (275).
  23. Vgl. BVerfGE 49, 168 (181); E 59, 104 (114); E 62, 169 (183); E 80 103 (107 f.).
  24. Vgl. dazu auch Peilert, a.a.O.
  25. Vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v.19.12.2019 – 9 S 838/18, DVBl. 2020, 1600 (1601, Absatz-Nr. 41) mit Hinw. auf BVerfG, Beschl. v. 21.4.2015 – 2 BvR 1322/12, 2 BvR 1989/1, BVerfGE 139, 19, m.w.N.; st. Rspr.; dazu auch Senatsurt. des VGH v. 21.11.2017, a.a.O..
  26. Vgl. BVerfGE 21, 73 (79).
  27. Vgl. schon Sadler, VwVG/VwZG, 8. Aufl. (2011), Einleitung I. zum VwVG.
  28. Vgl. Sadler, a.a.O.
  29. Vgl. Sadler, a.a.O.; dazu Rn. 19 u. 284 zu § 6 VwVG sowie Rdnr. 95 zu § 13 VwVG, jeweils mit umfangreichen Hinw. auf die Rspr. des BVerfG u. BVerwG.
  30. Vgl. BVerfGE 98, 218 (251).
  31. Vgl. BVerfGE 77, 170 (230 f.); E 98, 218 (251); E 101, 1 (34); E 108, 282 (312); BVerwGE 68, 69 (72).
  32. BERLINER MORGENPOST, a.a.O.
  33. BERLINER MORGENPOST, a.a.O.; dazu in: Feldmann, a.a.O.
  34. 9. völlig neu bearbeitete Aufl., zuletzt im Carl Heymanns Verlag erschienen, jetzt Wolters Kluwer Deutschland.
  35. Vgl. Wacke, Das Bundesgesetz über unmittelbaren Zwang, JZ 1962, 137 (141).
  36. Zum Problem vgl. schon Engelhard/App, VwVG/VwZG, z.B. in 7. Aufl. (2006), Rdnr. 12 zu § 12 VwVG m. w. N.
  37. Vgl. Engelhard/App, a.a.O.
  38. ME PolG: Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes.
  39. § 58 Abs. 4 PolG NRW verzichtet ebenfalls auf die gesetzliche Formulierung „dienstlich zugelassene“ Waffen. Die VV zu § 58 Abs. 4 bestimmt zudem, dass die Aufzählung der zugelassenen Waffen abschließend ist.
  40. Diese Ausführungsvorschriften sind im Amtsblatt für Berlin (ABl. 2016, S. 2268) veröffentlicht worden.