WEISSER RING

Der WEISSE RING: Seit 40 Jahren Stimme der Opfer


Von Karl-Heinz Weber,
Landesvorsitzender Rheinland-Pfalz, Polizeipräsident a.D.

„Wenn alle den Täter jagen, wer bleibt dann beim Opfer?“ Unter diesem Motto haben vor 40 Jahren 17 herausragende Männer und Frauen – unter ihnen der Journalist und bekannte Fernsehmoderator der Sendung „Aktenzeichen XY…ungelöst“ Eduard Zimmermann – den WEISSEN RING gegründet. Ihr Ziel: Opfern von Straftaten eine Stimme geben, auf ihre Belange und Bedürfnisse aufmerksam machen und alles daran setzen, ihre rechtliche und soziale Situation zu verbessern. Denn früher hatten Opfer keine Lobby. Es gab keinen, der für sie einstand. Opfer von Straftaten wurden alleingelassen, waren vor Gericht häufig nicht mehr als Objekt und schlichtes Beweismittel, um den Täter zu überführen. Ob, wie und in welcher Form sie unter den Folgen einer Tat leiden mussten und Entschädigungsleistungen für an ihnen begangenes Unrecht erwarten konnten, blieb häufig unklar oder gänzlich unbeantwortet.

Nach und nach begann sich dies allerdings zu ändern. Die staatliche Unterstützung wurde verbessert, Opfer erhielten schneller und unbürokratischer finanzielle Unterstützung. Darüber hinaus erhielten sie auch im Strafprozess mehr Rechte, Traumabehandlungen und anderweitige Betreuungsmaßnahmen von Opfern nach der Tat wurden ausgeweitet. Die Entwicklungen der vergangenen Jahre sind mehr als erfreulich – möglich geworden sind sie auch durch den massiven und unermüdlichen Einsatz des WEISSEN RINGS. Denn bis heute hilft der Verein Opfern von Straftaten ganz praktisch und behutsam, etwa durch Trost und Beistand, Begleitung zur Polizei oder zu Gerichten oder durch Weitervermittlung an andere Organisationen. Der Verein leistet auch finanzielle Hilfen. Inzwischen ist der WEISSE RING mit über 100.000 Förderern Deutschlands größte Hilfsorganisation für Kriminalitätsopfer und verfügt über ein flächendeckendes Hilfenetzwerk. Rund 3200 ehrenamtliche, professionell ausgebildete Mitarbeiter stehen in bundesweit 420 Außenstellen Menschen in Not mit Rat und Tat zur Seite. Der Verein verfügt auch über ein bundesweites und kostenloses Opfer-Telefon, deren Mitarbeiter an allen sieben Wochentagen unter der Rufnummer 116 006 von 7 bis 22 Uhr Hilfe, Rat und Orientierung geben. Mit der Einrichtung einer Onlineberatung stellt sich der WEISSE RING nun auch aktuellsten Herausforderungen.
Darüber hinaus tritt der Verein aber auch öffentlich für die Belange und Bedürfnisse von Kriminalitätsopfern ein. Als fester und gefragter Ansprechpartner für Medien hat es sich der WEISSE RING zum Ziel gemacht, die Opferperspektive in der Öffentlichkeit zu verankern. Was müssen diejenigen erdulden und durchmachen, denen unverschuldet Leid geschieht? In deren Leben ungefragt eingegriffen wird? Die oft noch jahrelang nach einer an ihnen begangenen Straftaten nicht nur die körperlichen, sondern auch die psychischen und seelischen Folgen einer Straftat spüren und sich den Weg zurück in ein normales Leben mühsam erkämpfen müssen? All dies und mehr möchte der WEISSE RING ins seiner Presse- und Öffentlichkeitsarbeit vermitteln. Der WEISSE RING ist aber auch Dialogpartner der Politik. Konkret heißt das, dass er seine Haltung und seine Erfahrung aus 40 Jahren Opferhilfe in die politische Debatte und in den Prozess der politischen Meinungsbildung einbringt, den Finger in offene Wunden legt und darauf aufmerksam macht, wo es hakt und klemmt und wo Verbesserungsbedarf besteht.
Nicht zuletzt ist auch Prävention fest in der Satzung des WEISSEN RINGS verankert. Vorbeugung ist der beste Opferschutz – nach diesem Grundsatz gehen unsere Mitarbeiter vor, wenn sie beispielsweise in Schulen gehen und mit Kindern und Jugendlichen über Mobbing und Beziehungsgewalt sprechen oder an Infoständen auf Kriminalität gegenüber Senioren aufmerksam machen. Die Bandbreite der Präventionsarbeit beim WEISSEN RING ist sehr groß. Vor allem ist die Präventionsarbeit des Vereins aber auch sehr praktisch ausgelegt. So finden sich beispielsweise auf der Website des WEISSEN RINGS oder in den Broschüren, die der Verein herausgibt, praktische Tipps zur Sicherung des Hauses oder Wohnung, um Einbrechern von vorn herein keine Chance zu geben, aber auch Verhaltenstipps zu den Themen K.O.-Tropfen, Zivilcourage und Blind Dates. Das Ziel ist, über Gefahren und Risiken zu informieren, nicht zu bevormunden, aber auch, nicht künstlich und unnötig Angst zu schüren. Denn gerade auch beim Thema Prävention ist Behutsamkeit angebracht. Dies wird unseren Mitarbeitern konstant vermittelt.

Das Ehrenamt – eine unschätzbar wichtige Säule


In den vier Jahrzehnten seines Bestehens konnte der WEISSE RING vielen hunderttausend Kriminalitätsopfern und ihren Angehörigen helfen. Bereits auf den ersten Blick verdeutlichen das Zahlen sehr gut: Seit Bestehen des Vereins wurden insgesamt mehr als 345.700 materielle Hilfeleistungen erbracht. Für Opferbetreuungsmaßnahmen wie Umzugshilfen, Hilfeschecks für anwaltliche oder psychotraumatologische Erstberatungen oder rechtsmedizinische Untersuchungen wurden mehr als 200 Millionen Euro bereitgestellt. Das Opfer-Telefon verzeichnet seit dem Start der Rufnummer 116 006 im September 2010 über 83.400 Hilfsgespräche mit über 550.000 Gesprächsminuten (alle Angaben: Stand Dezember 2015).
Es gibt darüber hinaus aber noch einen zweiten Blick – einen dahinterliegende und den Zahlen zugrunde liegende Ebene, die in Form von Daten und Werten gar nicht mess- und erfassbar ist: die vielen zigtausend Stunden des ehrenamtlichen Einsatzes, die die Mitarbeiter des WEISSEN RINGS in ihrer praktischen Opferhilfe vor Ort und am Telefon leisten. Sie sind es, die das Rückgrat des Vereins bilden und flächendeckende professionelle Opferhilfe in Deutschland überhaupt erst möglich machen. Sie hören zu, begleiten und sprechen Mut zu. Sie geben Betroffenen nicht nur Selbstvertrauen zurück, sondern helfen auch dabei, wieder Vertrauen in die Gesellschaft zu fassen und ein Gefühl von Sicherheit im täglichen Leben zurückzugewinnen. Und sie vermitteln natürlich auch schnell und unbürokratisch finanzielle Hilfen, wo es nötig wird. Keine Frage: Der Beitrag der ehrenamtlichen Mitarbeiter des WEISSEN RINGS ist von unschätzbarem Wert und eine zentrale Säule, um die Arbeit des Vereins zu gewährleisten. Ein Beispiel aus der Opferhilfe-Praxis des WEISSEN RINGS kann dies ganz plastisch verdeutlichen:

Hilfe nach Stalking

Vier Jahre lang wurde Andrea Mau aus Rotenburg (Wümme) von einem Stalker bedrängt, der tief in ihr Leben eingriff und es massiv einschränkte. Im Dezember 2006 besuchte Mau ein Internet-Chatportal, um neue Bekanntschaften zu machen. Mit einem Kontakt wurde der Austausch intensiver, man traf sich persönlich – und Mau verliebte sich. Ein halbes Jahr nach dem Kennenlernen zog Mau mit ihrer Tochter beim neuen Freund ein.
Anfangs waren es nur Auffälligkeiten des Neuen, denen Mau noch keine Beachtung schenkte: Ärger mit der Ex-Freundin, viele diesbezüglich geführte Telefonate und verschickte SMS, üble Beschimpfungen. Darüber hinaus kam vom neuen Lebensgefährten auch immer wieder Kritik am Erziehungsstil von Andrea Mau, was ihre Tochter betraf. Einmal duschte der neue Freund die kleine Tochter als Erziehungsmaßnahme eiskalt ab. Das Maß war voll, Andrea Mau wollte raus – doch der neue Freund hinderte sie nicht nur am Hinausgehen, sondern schlug auch zu. Vorfälle wie diese wiederholten sich noch viele Male. Nach den Vorfällen kam stets die Reue des Freundes – und Andra Mau vergab ihm. Dann kam allerdings ans Licht, dass der Freund noch ein Verhältnis zur Ex-Freundin unterhielt. Ein Streit folgte. Wieder wurde der Freund gewalttätig, brach Andrea Mau zwei Rippen.


Mau konnte sich noch nicht gegenüber anderen Menschen öffnen und Hilfe holen. Stattdessen folge ein Hin-und Her mit dem Mann, der mal Freund, mal Exfreund war. Der Mann machte auch vor Stalking nicht Halt. So stand er ständig vor der Haustür, rief Andrea Mau immer wieder an. Mau reagierte, zog einen Anwalt hinzu, der eine einstweilige Verfügung erwirkte. Auch dies brachte nicht den gewünschten Effekt: Der Stalker kam wieder, trieb sich auch in der Nacht in der Nähe ihres Hauses herum, schreib Briefe, ließ ihr mit seinen telefonischen Kontaktversuchen auch bei der Arbeit keine Ruhe und suchte sie auch nach Feierabend heim. Eines Tages fand Andrea Mau Nacktfotos von sich selbst im Fahrradkorb, vom Stalker dort hineingelegt. Dieser wartete zudem bereits auf dem Parkplatz der Arbeitsstelle auf sie. Die Situation eskalierte, Mau schlug mit einem Fahrradschloss in die Rückscheibe des Autos des Stalkers und rief die Polizei. Die Beamten reagierten. So wurde das Handy des Stalkers eingezogen und darüber hinaus auch dessen Wohnung durchsucht.
Hilfe fand Andrea Mau aber auch beim WEISSEN RING. Der Verein leistete materielle Hilfe, sorgte aber auch für menschlichen Beistand – in Form des persönlichen Rückhalts, den Jürgen Schulz, der Leiter der Rotenburger Außenstelle des WEISSEN RINGS, geben konnte. Er half Andrea Mau, mit dieser schwierigen Situation überhaupt umgehen zu können und in behutsamer Zusammenarbeit mit ihr die richtigen Schritte auszuloten. Hilfreich war dabei, dass Schulz hauptberuflich bei der Kriminalpolizei tätig war. So konnte er sich sehr gut in den Sachverhalt und in die Situation eines Opfers hineinversetzen. Der Stalker musste sich schließlich vor Gericht für seine Taten verantworten. Andrea Mau und ihre Tochter konnten aufatmen. Sie hatten die schwierige Situation gemeistert – auch durch die Hilfe des WEISSEN RINGS.


Foto: WEISSER RING, Michael Bellaire
Radsportteam des Weißen Rings, bestehend aus sportbegeisterten Hamburger Polizisten

Die Hilfen des WEISSEN RINGS: breites Spektrum der Opferhilfe


Stalking ist natürlich bei weiterem nicht das einzige Delikt, bei dem die Opferhilfe des WEISSEN RINGS greift. Der Verein hilft allen Menschen, die Opfer von Kriminalität geworden sind, und deren Angehörigen. Mord, Totschlag, Körperverletzung, Sexualdelikte, häusliche Gewalt, Mobbing, Betrug, Diebstahl…die Bandbreite von Kriminalität ist vielfältig. Neue Deliktsarten sind über die Jahre dazugekommen, die sich auch im Zuge neuer Technologien verbreiten: Internetkriminalität zum Beispiel war vor 40 Jahren natürlich noch kein Thema. Heute gehört World Wide Web wie selbstverständlich zum Aktivitätsbereich von Kriminellen und stellt natürlich auch Polizeibeamte und Opferhelfer gleichermaßen vor Herausforderungen. Was aber sind die Straftaten, die die Helfer unseres Vereins am meisten beschäftig? Gibt es Deliktsgruppen, die in der Opferhilfepraxis des WEISSEN RINGS eine größere Rolle als andere spielen? Hier gibt die Statistik für 2015 Aufschluss. Die Deliktsgruppe im Bereich der Körperverletzung machte mit 35 Prozent im vergangenen Jahr den größten Anteil aus. Insgesamt 3741 Personen haben sich bundesweit in dieser Hinsicht an den WEISSEN RING gewandt und erhielten materielle Hilfe. Es folgt der Bereich der Sexualdelikte – darunter zählen sexueller Missbrauch, Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, sonstige Sexualdelikte sowie Kindesmisshandlung und Körperverletzung mit Todesfolge. Hier wandten sich 2015 bundesweit insgesamt 2963 Personen an den WEISSEN RING und erhielten materielle Hilfe, was einem Anteil von 28 Prozent entspricht. Es folgt, auf Platz 3, die Deliktsgruppe Diebstahl, unter denen Diebstahl, Trickdiebstahl, schwerer Diebstahl sowie Wohnungseinbruchdiebstahl erfasst sind. Hier erhielten bundesweit insgesamt 1247 Personen 2015 materielle Hilfe, was einem Anteil von 12 Prozent entspricht. Ebenfalls im Opferhilfe-Spektrum enthalten waren auch die Deliktsgruppen Nachstellung, Tötung, Raub, Betrug, Straftaten gegen die persönliche Freiheit sowie sonstige Delikte wie Erpressung, Unterschlagung, Sachbeschädigung und Brandstiftung. Statistisch exakt erfasst werden vom WEISSEN RING die Fälle, in denen materielle Hilfe geleistet wird. Die Anzahl der immateriellen Hilfeleistungen wie Trost, Beistand, und Begleitung werden vom Verein noch nicht statistisch nicht exakt erfasst. Sie liegen aber noch einmal bedeutend höher als die Werte für materielle Hilfe.

Polizistinnen und Polizisten erleben täglich hautnah das Leid der Opfer von Straftaten. Unser Rechtssystem berücksichtigt aus guten Gründen beim Strafmaß für den Täter auch das dem Opfer zugefügte Leid. Aber ein Rachegedanke ist unserem Rechtssystem fremd und oft wird der Person des Täters in einem Strafprozess sehr viel Aufmerksamkeit zuteil. Umso wichtiger ist es aber, den Schutz des Opfers zu stärken und ihm bei der Bewältigung und Linderung des Schadens auch emotional und materiell beizustehen, wie es der Weiße Ring seit vier Jahrzehnten unter großer gesellschaftlicher Anerkennung tut. Wir als Polizisten wollen nicht, dass Menschen Opfer von Straftaten werden. Dafür tun wir alles, rund um die Uhr.
Oliver Malchow, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP)

http://weisser-ring.de/weisser-ring/aktionen/40-jahre-weisser-ring

 

Die Mitarbeiter – das Herz der Opferhilfe


Bei all dem oben genannten Unrecht, das schuldlos in Not Geratenen widerfährt, sind die ehrenamtlichen Mitarbeiter des WEISSEN RINGS zur Stelle. Sie haben es sich explizit zur Aufgabe gemacht, Menschen in Not mit Sensibilität, Professionalität und Einfühlungsvermögen neue Perspektiven zu vermitteln und Auswege sichtbar zu machen. Damit dies auch gelingt, braucht es ein solides Fundament. Der WEISSE RING hat daher hohe Standards bereits in der Aus-, aber natürlich auch in der Weiterbildung seiner ehrenamtlichen Mitarbeiter festgelegt. Die Bedürfnisse und Belange des Opfers stehen dabei immer im Fokus. Die Standards und Richtlinien thematisieren unter anderem Respekt gegenüber dem Opfer, professionelle Distanz, Angemessenheit und Art und Weise der Hilfeleistungen, Schutzbedürftigkeit des Opfers sowie Autonomie des Betroffenen. Sie sind in Form von Broschüren, aber auch über die Website des WEISSEN RINGS öffentlich einsehbar.
Die 3.200 Opferhelfer lernen diese Standards nicht nur. Sie leben sie, haben sie verinnerlicht und sind sich all der damit zusammenhängenden Verantwortung bewusst. Die Dankbarkeit, die Opfer von Straftaten nach erfolgter Hilfeleistung verspüren, ist für die Mitarbeiter wesentlicher Antrieb, weiterzumachen. Gerade hier lässt sich besonders gut beobachten, dass eine ehrenamtliche Mitarbeit beim WEISSEN RING eben kein „Routine-Tagesjob“ ist, bei dem auf die Uhr geschaut und Zeit abgesessen wird, sondern eine Herzensangelegenheit.
Welche Berufsgruppe besonders gerne hilft und ehrenamtlich beim WEISSEN RING tätig ist, lässt sich schlicht nicht sagen. Es ist ein Querschnitt durch unsere Gesellschaft: Studenten, Handwerker, Lehrer, Psychologen, Anwälte, Pfleger, Sozialarbeiter, Rentner, LKW-Fahrer, Förster und viele andere Berufsgruppen schultern die Arbeit des Vereins und sorgen dafür, dass Opfern von Straftaten schnell, unkompliziert und vielfältig geholfen wird. Eine ganz wesentliche Berufsgruppe, die den WEISSEN RING durch ihre Mitgliedschaft oder ihre Mitarbeit unterstützen, sind Polizeibeamte. Viele von ihnen sind noch im aktiven Dienst, für viele von ihnen bietet der Verein aber auch nach der beruflichen Laufbahn eine interessante Perspektive. Zum einen ist Polizisten das Themengebiet, in dem sich der WEISSE RING bewegt, sehr vertraut. Zum anderen ist es aber auch gerade ihnen ein Bedürfnis, für Opfer von Straftaten da zu sein. Denn nur zu gut wissen Polizeibeamte, wie groß die Not von Opfern nach der Tat ist, wie hilflos sich Menschen, in deren Leben massiv eingegriffen wurde, fühlen. Gerade sie können aus ihrem praktischen Berufsalltag heraus nachvollziehen, wie stark sich in der öffentlichen Wahrnehmung alles um den Täter dreht, wie schnell das Opfer hingegen vergessen ist. Dies ist ein sehr wichtiger Punkt: Für sie ist dies keine Erfahrung, die durch Lektüre oder durch Fernsehen und Internet vermittelt wird. Nein, es ist in der Tat eine Selbsterfahrung, mit der die Beamten Tag für Tag neu konfrontiert werden.
Enge Zusammenarbeiten zwischen Polizei und dem WEISSEN Ring gibt es seit jeher und immer wieder. Deutlich wird dies an den vielen, fest in der kriminalpräventiven Arbeit verankerten Projekten, die bereits zusammen durchgeführt wurden. Beispiele hierfür sind die bundesweite Warnschild-Kampagne „Stopp dem Diebstahl“, die auf Parkplätzen, in Tiefgaragen und in Parkhäuser Autofahrer auf das Thema Diebstahlskriminalität aufmerksam macht, die bundesweite Sicherheits-Initiative „K-EINBRUCH“, die unter anderem von Polizei und WEISSEM RING öffentlich vorgestellt wird sowie die Broschüren „Sicher leben“ und „Sicher zu Hause“, die von Polizei und WEISSEM RING herausgegeben wird und die sich gezielt mit der Sicherheit von Senioren befasst. Darüber hinaus wurden inzwischen bereits in zahlreichen Landesverbänden Kooperationsvereinbarungen zwischen dem WEISSEN RING und den jeweiligen Innenministerien getroffen, um die Zusammenarbeit weiter zu vertiefen.

Den Verein unterstützen: Wie Opferhilfe überhaupt möglich wird


Ein weiterer Grundsatz prägt die Arbeit des WEISSEN RINGS seit jeher: Der Verein arbeitet ohne staatliche Finanzierungshilfen. Dies sichert die notwendige Unabhängigkeit, sodass frei von jeglicher Einflussnahme und ohne Rücksicht auf politische Konstellationen allein das Interesse der Opfer im Vordergrund steht. Der WEISSE RING arbeitet souverän und glaubwürdig. Um Umkehrschluss ist er damit allerdings auf andere Formen der Unterstützung angewiesen: Mitgliedsbeiträge, Spenden, testamentarische Nachlässe und Geldbußen.
Eine tragende Säule des Vereins bilden seine Mitglieder. Sie sind es, die durch ihre Förderbeiträge die Vereinsarbeit überhaupt erst möglich machen und sicherstellen, dass beispielsweise Opfer-Hilfsmaßnahmen durchgeführt werden können. Darüber hinaus stärken die Mitglieder den Verein aber auch in seiner Rolle als Dialogpartner der Politik. Denn sie verleihen ihm den nötigen Schub und das nötige Gewicht bei der Durchsetzung berechtigter Opferinteressen im Gesetzgebungsprozess. Auch Spender sind mit ihren finanziellen Zuwendungen essenziell für die Arbeit des WEISSEN RINGS. Die Motive dafür, Gutes tun zu wollen, sind verschieden. Manchmal ist es einfach ein spontaner Gedanke, ein anderes Mal eine wohl durchdachte Überlegung, die mit der Zeit reift und zur Überzeugung wird. Häufig veranlassen auch einschneidende Situationen im Leben wie runde Geburtstage, Hochzeiten oder auch Todesfälle dazu, nicht nur über das eigene Leben, sondern auch über die Situation anderer Menschen nachzudenken und eine Spende zu leisten. Ob regelmäßig oder unregelmäßig, ob zweckgebunden oder als generelle Unterstützung der Vereinsarbeit gedacht – jeder Euro zählt und kommt denen zugute, die Hilfe und Beistand brauchen.
Viele Menschen unterstützen den WEISSEN RING auch durch einen testamentarischen Nachlass. Eigene Kinderlosigkeit, unklare Familienverhältnisse oder einfach der Wunsch, über den eigenen Tod hinaus etwas Gutes zu tun – es gibt viele Gründe, eine gemeinnützige Organisation wie den WEISSEN RING im Testament mit zu bedenken. Denn oft löst der Tod als unabänderlicher Teil des Lebens den Gedanken aus, wie auch danach Verantwortung und Solidarität mit der Gesellschaft gezeigt werden können. Ein testamentarischer Nachlass wird damit nicht nur zum sichtbaren, sondern auch zum bleibenden Zeichen von Menschlichkeit und Hilfsbereitschaft. Geld nimmt der WEISSE RING aber auch ein, wenn rechtswidriges Verhalten sanktioniert wird. Gerichte, Staatsanwaltschaften und andere zuweisende Institutionen sind berechtigt, Geldbußen zu verhängen. Als gemeinnützige Organisation ist der WESSE RING berechtigt, diese Beiträge für seine Arbeit und zur Erfüllung seiner Satzungsziele zu verwenden. Der Verein vertritt dabei die Überzeugung, dass Opferhilfe in einem modernen Rechtsstaat unverzichtbar ist. Da die staatlichen Möglichkeiten, Opfern und ihren meist ebenfalls belasteten Angehörigen unmittelbare und mitmenschliche Hilfe zuteil werden zu lassen, begrenzt sind, ist es daher umso wichtiger, durch finanzielle Zuweisungen das ehrenamtliche Engagement zu stärken, das der WEISSE RING praktiziert. Die einzelnen Zuweisungen und Zahlungen werden zentral in der Bundesgeschäftsstelle des Vereins in Mainz verwaltet, die diese Aufgabe zuverlässig, stetig und zeitnah erfüllt.

Gemeinnütziger Verein zur Unterstützung von Kriminalitätsopfern und zur Verhütung von Straftaten e. V.


Der WEISSE RING wurde am 24. September 1976 von 17 Gründungsmitgliedern in Mainz ins Leben gerufen. Initiator und Mitbegründer ist der Journalist und Fernsehmoderator von „Aktenzeichen XY … ungelöst“, Eduard Zimmermann (1929-2009). Heute zählt der Verein knapp 50.000 Mitglieder und ist Deutschlands größte Hilfsorganisation für Opfer von Kriminalität.
Der WEISSE RING ist in 18 Landesverbände gegliedert und unterhält bundesweit rund 420 Außenstellen für Kriminalitätsopfer mit rund 3.200 ehrenamtlichen, professionell ausgebildeten Helfern. Der Verein leistet seine Hilfe unabhängig von einer Mitgliedschaft oder sonstigen Verpflichtungen. Seine Hilfsmaßnahmen umfassen unter anderem:

  • Menschlichen Beistand und persönliche Betreuung von Kriminalitätsopfern und ihren Angehörigen nach einer Straftat
  • Begleitung zu Terminen bei Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht
  • Vermittlung von Hilfen anderer Organisationen
  • Hilfeschecks für eine vom Opfer jeweils kostenlose und frei wählbare anwaltliche und psychotraumatologische Erstberatung sowie für eine rechtsmedizinische Untersuchung
  • Übernahme von Anwaltskosten, insbesondere zur Wahrung von Opferschutzrechten im Strafverfahren und zur Durchsetzung von Ansprüchen nach dem Opferentschädigungsgesetz
  • Erholungsmaßnahmen für Opfer und ihre Angehörigen in bestimmten Fällen
  • Finanzielle Unterstützung zur Überbrückung tatbedingter Notlagen
  • Das Betreiben des bundesweiten Opfer-Telefons im Auftrag der Bundesnetzagentur, Rufnummer 116 006
  • Der WEISSE RING hat bereits vielen hunderttausend Kriminalitätsopfern und ihren Angehörigen menschlichen Beistand und immaterielle Hilfe geben können.
  • Der Verein setzt dabei auf das ehrenamtliche Engagement: In jährlich vielen zigtausenden Stunden stehen die Helfer des Vereins Opfern mit Rat und Tat zur Seite und geben ihnen persönliche Zuwendung:
  • Der WEISSE RING hat seit seinem Bestehen für die Geschädigten 348.285 materielle Hilfeleistungen erbracht.
  • Der Verein hat für Opferbetreuungsmaßnahmen mehr als 201 Millionen Euro bereitgestellt.
  • Der WEISSE RING erhält die Mittel für seine Arbeit aus Mitgliedsbeiträgen (Mindestbeitrag: 2,50 Euro im Monat), Spenden, Nachlässen sowie durch Geldbußen, die von Gerichten und Staatsanwaltschaften verhängt werden.
  • Der Verein fordert von Politik, Justiz und Verwaltung die Verbesserung der rechtlichen und sozialen Situation von Kriminalitätsopfern und ihrer Angehörigen.
  • Der WEISSE RING kämpft für ein stärkeres gesellschaftliches Bewusstsein für die Situation der durch Kriminalität Geschädigten und hat seit seiner Gründung weit mehr als 65 Millionen Euro für das öffentliche Eintreten für Opferbelange eingesetzt.
  • Der Verein unterstützt die Kriminalitätsvorbeugung und fordert mehr öffentliche Mittel für die Vorbeugung von Kriminalität. Der Verein hat seit seiner Gründung über 43 Millionen Euro zur Kriminalitätsvorbeugung zur Verfügung gestellt.
  • Der WEISSE RING begleitet Projekte der Schadenswiedergutmachung und des Täter-Opfer-Ausgleichs.
  •  Der Verein ist Mitglied im Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband und bei Victim Support Europe, dem Dachverband der Hilfsorganisationen für Kriminalitätsopfer in Europa.
  • Der WEISSE RING ist als ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen und mildtätigen Zwecken dienend anerkannt und beachtet die vom Deutschen Spendenrat entwickelten Grundsätze zur Gestaltung der Spendenwerbung.

Spendenkonto: Deutsche Bank Mainz
BIC: DEUTDE5MXXX
IBAN: DE26 5507 0040 034 3434 00

Bundesvorsitzende:Roswitha Müller-Piepenkötter
Staatsministerin a. D.
Bundesgeschäftsführung:Bianca Biwer
Stellvertretende Bundesgeschäftsführung:Horst Hinger
Bundesgeschäftsstelle:Weberstraße 16, 55130 Mainz
Telefon: 06131 8303-0
Telefax: 06131 8303-45
E-Mail: [email protected]
Internet: www.weisser-ring.de

Aktionen und Botschafter: öffentliches Bewusstsein fördern


Ein ganz zentraler Aspekt, wenn von 40 Jahren Opferarbeit des WEISSEN RINGS die Rede ist, ist auch die Schaffung und Förderung eines öffentlichen Bewusstseins. Das heißt konkret: wachrütteln, Verständnis für die Nöte von Kriminalitätsopfern schaffen und der Öffentlichkeit das Wirken des WEISSEN RINGS in allen Facetten näherbringen. Dies ist mit der Zeit gelungen. Mittlerweile sorgen nicht nur Aktionen dafür, den WEISSEN RING immer wieder öffentlich effektiv zu positionieren. Auch prominente Personen des öffentlichen Lebens konnten dazu gewonnen werden, als Botschafter seinen Bekanntheitsgrad nach oben zu bringen.
Zentrale Aktion des WEISSEN RINGS ist der jedes Jahr am 22. März begangene Tag der Kriminalitätsopfer, der in diesem Jahr bereits sein 25-jähriges Jubiläum feierte. Im Jahr 1991 wurde der Tag vom WEISSEN RING ins Leben gerufen – als Mahnzeichen gegen mangelndes Problembewusstsein in der Gesellschaft hinsichtlich der Situation der Opfer. Inzwischen ist er fest etabliert. Bundesweit gehen die ehrenamtlichen Mitarbeiter nicht nur mit Informationsständen auf die Straße, sondern bringen sich auch im Rahmen von Diskussionsrunden, Presse-Gesprächen, Gottesdiensten, Luftballon-Aktionen und vielen weiteren Veranstaltungsformaten ein in den öffentlichen Diskurs. Sie nutzen den Tag der Kriminalitätsopfer, um zu erinnern und aufmerksam zu machen, aber auch, um Justiz und Politik mit konkreten Missständen zu konfrontieren und zum Handeln aufzufordern.
„Informierte Opfer sind stark“ war das Motto des diesjährigen Tags der Kriminalitätsopfer, der auf die festen, unumstößlichen Rechte von Opfern hinwies – und insbesondere deren Informationsrechte thematisierte. Angestoßen wurde aber auch das weitere Bekanntwerden des Projektes Infovictims, an dem sich verschiedene Opferhilfe-Organisationen aus anderen Ländern Europas beteiligen. Im Rahmen des Projektes werden auf einer eigens eingerichteten Website (www.infovictims.de) anschaulich und in leicht verständlicher Sprache unter anderem Vorgänge eines Strafprozesses aufgezeigt und daran Beteiligte vorgestellt. Darüber hinaus werden Opferrechte detailliert erklärt, aber auch Hilfestellungen beim ersten Umgang mit Tatfolgen gegeben. Dem WEISSEN RING ging es darum, nicht nur die Opfer selbst bestmöglich anzusprechen und sie über ihre Rechte aufzuklären. Sein erklärtes Ziel war es, alle Gruppen, die mit Opfern von Straftaten in Kontakt stehen – unter anderem Polizisten, Anwälte, Richter, Therapeuten und Sozialarbeiter – dafür zu sensibilisieren, mit welchen Ängsten und Widrigkeiten Kriminalitätsopfer kämpfen.
Wie sieht es mit Personen des öffentlichen Lebens aus? Gelingt es, sie für die eigene Sache zu begeistern und dafür zu sorgen, dass eine Botschaft öffentlich Gehör findet? Der WEISSEN RING hat es mit der Zeit in der Tat geschafft, prominente Unterstützer als Botschafter für den Verein zu gewinnen. Darunter zählen die Schauspieler Marek Erhardt, Steffen Schroeder, Til Schweiger, Nora von Collande und Herbert Herrmann, die Sportler Regina Halmich, Kirsten Bruhn, Silke Kraushaar-Pielach und Miriam Welte, die Musiker „Die Amigos“ und Stefan Gwildis sowie der Fernsehmoderator Jean Pütz. Auch die Polizei-Hubschrauberpiloten und „Häkel-Helden“ Tim Pittelkow und Carsten Krämer setzen sich als Botschafter für den Verein ein. Ihr Einsatz hilft dem WEISSEN RING enorm. Denn sie sind es, die sich mit ihrem Status und mit ihrem Bekanntheitsgrad öffentliches und mediales Interesse erregen und letztlich großen Anteil daran haben, den Opferhilfe-Gedanken in Deutschland noch weiter zu etablieren.
Eine sehr gelungene und wertvolle Kombination aus Botschafter-Tätigkeit und Aktion liefert auch immer wieder das Radsportteam des WEISSEN RINGS, bestehend aus sportbegeisterten Hamburger Polizisten. Als Botschafter des WEISSEN RINGS tourte das Team bereits zwei Mal mit dem Fahrrad durch die Bundesrepublik Deutschland – zuletzt im vergangenen Jahr 2015. Das Team repräsentierte den WEISSEN RING, machte an jeder Etappe auf sein Wirken aufmerksam und stellte die praktische Arbeit des Vereins vor. Das Interesse der Medien war groß – und somit im Hinblick auf eine Steigerung des Bekanntheitsgrades sehr effektiv.

Ausblick


Wenn all dies schon erreicht ist und sich die Situation der Opfer verbessert hat – ist der WEISSE RING dann überhaupt noch nötig? Die Antwort kann nicht eindeutiger sein: Ja, das ist er. Denn zum einen ist die Zahl der polizeilich erfassten Straftaten seit 1976, dem Gründungsjahr des WEISSEN RINGS, um fast 99 Prozent gestiegen. Zum anderen dreht sich in der öffentlichen und medialen Wahrnehmung zu häufig noch immer zu viel um den Täter. Das Opfer bleibt mit seinen Nöten und Bedürfnissen außen vor. Hier gegenzusteuern, ist nach wie vor eine Kern-Aufgabe des WEISSEN RINGS.
Eine Gesellschaft ohne Straftaten wäre äußerst wünschenswert. Aber leider wird sie Illusion bleiben, denn Menschen haben schon immer Unrecht begangen und Unbeteiligten Schaden zugefügt. Es gilt also für den WEISSEN RING, weiterhin Opfern praktisch zu helfen, für sie öffentlich und medial einzustehen und alles dafür zu tun, Straftaten bestmöglich vorzubeugen. Dies ist nicht nur eine große Aufgabe. Vor allem ist es auch eine große Herausforderung, die der Verein aber gern annimmt. 40 Jahre Opferhilfe sind kein Grund, sich zurückzulehnen. Der WEISSE RING wird sein Engagement mit aller Kraft und aller Leidenschaft fortsetzen – ganz im Sinne der Opfer.