Polizeilicher Opferschutz Rheinland-Pfalz

Von Angela Düpper, Polizeioberkommissarin, Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz

Bei der Strafverfolgung richtet sich der Blick zunehmend auch auf die Situation des Opfers. Opfer von Straftaten werden nicht länger nur als wichtige Zeugen im Strafverfahren betrachtet. Ihre besondere Situation unmittelbar nach einer Straftat und darüber hinaus sowie ihre Interessen werden heute mehr denn je wahrgenommen.

Dem hat auch der Gesetzgeber Rechnung getragen. Opfer von Straftaten haben gesetzlichen Anspruch auf staatliche Hilfe, z.B. nach dem Opferentschädigungsgesetz. „Prävention-Reaktion-Opferhilfe“, das sind die drei Säulen des Sicherheitskonzeptes der Landesregierung „ P.R.O.: Sicherheit in Rheinland-Pfalz“ , welches einen wesentlichen Grundbaustein, auch für den Polizeilichen Opferschutz, darstellt. 
Der Polizei kommt eine besondere Verantwortung im Umgang mit Opfern zu, denn sie ist häufig die erste formelle Instanz, an die sich ein Opfer nach dem schädigenden Ereignis wendet. Es ist ein wichtiges Ziel der Polizei, durch die Orientierung polizeilichen Handelns an den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen und zu erhalten.

 Polizeilicher Opferschutz umfasst Verständnis und Sensibilität für die Situation und Belange der Opfer, sachgerechten Umgang mit der Opfersituation, unvoreingenommene Anerkennung des Opferstatus sowie kompetente Opferberatung.


Das Prinzip: „Die Polizei, Dein Freund und Helfer“ findet auch in der 2009 vom Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur herausgegebenen Rahmenkonzeption „Polizeilicher Opferschutz in Rheinland-Pfalz“, seine Grundlage und stößt auf große Dankbarkeit seitens der Opfer.
 Das Opfer ist inzwischen immer mehr in das Zentrum des polizeilichen Handels gerückt. Opfer brauchen schnelle Hilfe. Jede zeitliche Verzögerung von Hilfsmaßnahmen kann dazu führen, dass die oder der Geschädigte durch das Erlebte in einen psychischen instabilen Zustand gerät. 



Dabei sind es nicht nur schwerwiegende Straftaten wie Sexualdelikte oder Raub, die Menschen nachhaltig in ihrer Lebensqualität einschränken. Auch vermeintliche Bagatellen wie Beleidigung und „einfache“ Körperverletzungen können Ängste und Traumata hervorrufen. 
Opfern von Straftaten, Verkehrsunfällen oder anderen schädigenden Ereignissen Schutz anzubieten und Hilfe zu leisten ist Aufgabe aller Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten. 
Es ist unserer Job, den Umgang mit Geschädigten und Zeugen sowie deren Angehörigen stetig zu verbessern und dem Anspruch, den diese Menschen an ihre Polizei haben, gerecht zu werden.
Der polizeiliche Opferschutz zielt darauf ab, die Tatfolgen zu mindern, eine sekundäre Viktimisierung zu vermeiden und professionelle Hilfe zu vermitteln. 



Daher zählt der geschulte und einfühlsame Umgang mit Opfern zu einem festen Bestandteil in der polizeilichen Aus- und Fortbildung. 
Die bereits erwähnte Rahmenkonzeption „Polizeilicher Opferschutz“ dient der Orientierung. Sie erklärt die Problematik, erläutert Begrifflichkeiten, geht auf die Hilfemöglichkeiten und den sachgerechten Umgang mit Geschädigten ein. 
Im Extrapol der Polizeien der Länder hat die Zentrale Geschäftsstelle des Programms Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes (ProPK) das Opferschutzprogramm „Viktim“ (www.viktim.extrapol.de/viktim)  eingerichtet. „Viktim“ bietet allen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten ein umfangreiches Informationsspektrum zum Thema „Opferschutz, Opferhilfe“ an. Allgemein werden die verschiedenen Opferrollen, Deliktgruppen und Kontaktsituationen aufgezählt, bevor im Speziellen auf die einzelnen Opfersituationen mit ihren Besonderheiten eingegangen wird. Hilfeeinrichtungen und Hilfsorganisationen vor Ort können dort aktuell recherchiert werden. 
Die Bedeutung des polizeilichen Opferschutzes spiegelt sich zu dem durch die Etablierung der Ansprechstellen Opferschutz bei den jeweiligen Beratungszentren der Polizeipräsidien in Rheinland-Pfalz wieder.
Neben der persönlichen Betreuung und Beratung der Betroffenen werden dort Informationen zu finanziellen und weiteren persönlichen Hilfen gegeben und über Opferrechte aufgeklärt. 
Dabei arbeiten die Opferschutzbeauftragten eng mit externen Opferhilfeeinrichtungen zusammen und vermitteln auf Wunsch an eine für den speziellen Einzelfall ausgesuchte Fachstelle weiter. 
Die Beratungen durch die Opferschutzbeauftragten, welche zum Teil Diplom- Sozialarbeiterinnen sind, stehen allen von Kriminalität, Unglücksfällen oder Verkehrsunfällen Betroffenen zur Verfügung. Angehörige von Opfern, Vermissten, Suizidanten und Zeugen sowie Helfer in solchen Situationen können sich ebenfalls Rat suchend an die Opferschutzbeauftragten wenden. 
Das schnelle Tätigwerden der Beauftragten leistet einen entscheidenden Beitrag dazu, dass es zu keiner erneuten Belastung und/ oder Retraumatisierung kommt. 
Weitere Informationen zum Thema polizeilicher Opferschutz und die Erreichbarkeiten der Opferschutzbeauftragten finden sich auf der Internetseite der Polizei Rheinland-Pfalz (www.polizei.rlp.de) unter dem Navigationspunkt „Opferschutz“.
Bürgerinnen und Bürger erhalten dort nützliche Informationen, z.B. zum Ablauf eines Strafverfahrens, den Opferrechten oder Hilfsangeboten.
Eine Übersicht über die Situation von Opfern gibt der zwischenzeitlich dritte, von der rheinland-pfälzischen Landesregierung erstellte Opferschutzbericht (www.mjv.rlp.de/Ministerium/Opferschutz/Opferschutzbericht/). 



Dieser schildert zunächst eingehend die vielschichtige Rechtslage vor dem Hintergrund unterschiedlicher Aspekte des Opferschutzes sowie die Entwicklung der Opferzahlen. Anschließend dokumentiert er die Bandbreite der in Rheinland-Pfalz ergriffenen Maßnahmen wie geförderten Projekte und Programme im Bereich des Opferschutzes. Maßnahmen des Polizeilichen Opferschutzes werden zudem transparent und ausführlich dargestellt. 

Wie sieht die Zukunft aus? Was bringt die neue EU- Direktive?


Die im Oktober 2012 von der EU- Kommission verabschiedeten „Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern von Straftaten“ stellen eine neue Herausforderung an die Opferhilfearbeit und somit auch für die Polizei dar.
Die EU- Mitgliedsstaaten haben drei Jahre Zeit, die darin aufgeführten Maßnahmen umzusetzen und mit Leben zu erfüllen. Mit den Mindeststandards sollen die teilweise sehr unterschiedlichen nationalen Rechtsvorschriften der 28 Mitgliedstaaten auf dem Gebiet des Opferschutzes angeglichen werden.
Der EU-Vorschlag soll sicherstellen, dass jedes Verbrechensopfer, unabhängig vom Ort des Verbrechens und dem Wohnort des Opfers, unterstützt wird. Besonders schutzbedürftige Personen, u.a. Kinder und Frauen, aber auch Opfer von Hasskriminalität, sollen mehr eine auf ihre besonderen Bedürfnisse zugeschnittene Unterstützung erhalten. Die stärkere Unterstützung und der Schutz von den Familienangehörigen der Opfer ist ebenso ein wichtiger Schritt, damit die Betroffenen besser mit der schwierigen Lage umgehen können. Mit den Maßnahmen soll mehr Vertrauen in die Justizsysteme der verschiedenen Mitgliedstaaten geschaffen und eine bessere Zusammenarbeit ermöglicht werden.
In der EU geht man derzeit davon aus, dass geschätzte 15 % der Europäer, d.h. 75 Millionen Menschen in der Europäischen Union, Opfer eines Verbrechens werden. 
Die neue EU- Richtlinie über Mindeststandards für den Opferschutz soll, so Kommissionsvizepra?sidentin Viviane Reding, in den EU-Staaten u.a. folgendes gewährleisten 

  • Opfer werden respektvoll behandelt, Polizei, Staatsanwaltschaft und Richterschaft werden in einem angemessenen Umgang mit Opfern geschult. 
  • Opfer werden in einer für sie verständlichen Form über ihre Rechte aufgeklärt und über ihren Fall informiert. 
  • In allen Mitgliedstaaten ist für Opferhilfe gesorgt. 
  • Opfer können sich auf Wunsch am Verfahren beteiligen und werden unterstützt, wenn sie dem Prozess beiwohnen wollen. 
  • Besonders schutzbedürftige Opfer wie Kinder, Vergewaltigungsopfer oder Behinderte werden angemessen geschützt. 
  • Opfer werden während der polizeilichen Ermittlungen und des Gerichtsverfahrens geschützt. 

HINWEIS DER REDAKTION
Im Rahmen ihres 30jährigen Jubiläums veröffentlicht "Die Kriminalpolizei" Artikel zu Themen, die in den vergangenen Jahren immer wieder diskutiert wurden und deren zukünftige Entwicklung die kriminalpolizeiliche Arbeit beeinflussen wird.
In dieser Ausgabe beschreibt Angela Düpper, Mitglied des Leitungsstabes des rheinland-pfälzischen Landeskriminalamtes, den Stellenwert des Opferschutzes im Rahmen der polizeilichen Arbeit. Und sie wirft einen Blick auf zukünftige Herausforderungen, die sich aus den im Oktober 2012 von der EU- Kommission verabschiedeten "Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern von Straftaten" für die polizeiliche Arbeit ergeben.
 
Die gezeigten Darstellungen sind Projektarbeiten von Studierenden der FHöV Rheinland-Pfalz.