Konfrontationsgewalt zwischen Links- und Rechtsautonomen

Von Dr. Udo Baron, Historiker, Hannover

Hamburg, 1. Mai 2008. Etwa 1.500 Rechtsextremisten marschieren durch den Stadtteil Barmbek, unter ihnen rund 350 schwarz gekleidete Demonstranten, die sich zu einem „Schwarzen Block" formieren. Gegen Mittag kreuzen plötzlich ebenfalls in einem „Schwarzen Block“ organisierte Linksautonome ihren Weg. Wie auf Kommando gehen die beiden sich zum Verwechseln ähnelnden „Schwarzen Blöcke“ aufeinander los. Barrikaden werden errichtet, Böller und Steine geworfen, Autos gehen in Flammen auf. Hätte sich die Polizei

 nicht dazwischen geworfen, womöglich hätte es Tote gegeben, so die Bilanz der Einsatzleitung der Hamburger Polizei am Ende dieses Tages.
 

Öffentlich wahrgenommen wird diese Konfrontationsgewalt zwischen Rechts- und Linksextremisten insbesondere bei überregionalen Demonstrationen. Meistens handelt es sich um von Rechtsextremisten angemeldete sogenannte Trauermärsche zum Gedenken an (vermeintliche) alliierte Kriegsverbrechen wie sie z. B. alljährlich in Dresden, Magdeburg oder im niedersächsischen Bad Nenndorf stattfinden. Dagegen mobilisieren neben dem bürgerlichen Spektrum auch Linksextremisten mit dem festen Willen, sie auch gewaltsam zu verhindern. Zunehmend konzentriert sich diese Art der Konfrontation auf die von der Polizei nur schwer zu kontrollierenden An- und Abreisen. Eine herausgehobene Rolle spielen dabei zwei Aktionsformen: die Linksautonomen und ihr rechtsextremistisches Pendant, die Autonomen Nationalisten (AN).

Linksautonome

Autonome Bewegungen sind kein grundsätzlich neues gesellschaftliches Phänomen. Dem herkömmlichen Verständnis nach werden Autonome bislang der linksextremistischen und nicht der rechtsextremistischen Subkultur zugeordnet. Ihre Wurzeln gehen auf die zerfallende Protestbewegung Ende der 1960er Jahre zurück. Aus dieser Zeit stammt auch ihre Selbstbezeichnung. Sie steht für Eigenständigkeit und bezieht sich historisch auf die Erfahrungen der militanten italienischen Arbeiter- und Studentenbewegung „Autonomia Operaia“ der 1960er Jahre. Diese militante „Arbeiterautonomie“ propagierte den Kampf gegen die Fabrikarbeit und wandte sich gezielt gegen die etablierten Gewerkschaften und die Kommunistische Partei Italiens, denen sie Anpassung, Bevormundung und Verbürgerlichung vorwarf. Lang andauernde Bestreikungen vor allem von Automobilfabriken bis hin zur Entführung von Managern, gewaltsame Auseinandersetzungen mit der Polizei und Sabotageakte in Fabriken prägten ihre Aktivitäten. In Anlehnung an die „Autonomia Operaia“, bildeten sich ab Mitte der 1970er Jahre auch in der Bundesrepublik linksautonome Gruppierungen. Diese insbesondere aus den militanten Teilen der Anti-AKW-Bewegung und der Hausbesetzerszene stammenden Linksautonomen entwickelten sich seit Anfang der 1980er Jahre zu einer eigenständigen Subkultur.
Linksautonome verfügen über keine einheitliche Weltanschauung. Sie orientieren sich an anarchistischen und kommunistischen Ideologieelementen und wenden sich gegen jegliche Form von Herrschaft, Organisation und Hierarchien. Im Gegensatz zu den auf das Kollektiv orientierten orthodoxen Marxisten sind sie stark individualistisch; Theoriedebatten spielen nur eine untergeordnete Rolle: „wir kämpfen nicht für ideologien, nicht fürs proletariat, nicht fürs volk, sondern für ein selbstbestimmtes leben in allen bereichen“ heißt es in der „radikal“, eines ihrer Szenemagazine. Das kapitalistische Wirtschaftssystem lehnen Linksautonome ebenso ab wie den Staat, seine Institutionen und Repräsentanten. Das bestehende System wollen sie nicht reformieren, sondern auf revolutionärem Wege durch eine „herrschaftsfreie Gesellschaft“ ersetzen.
Das politische Selbstverständnis von Linksautonomen zeichnet sich durch eine radikale Verneinung des Bestehenden aus und ist in erster Linie von Anti-Einstellungen geprägt. Sie verstehen sich vor allem als antifaschistisch, antikapitalistisch, antirassistisch, antimilitaristisch und antirepressiv. Der Kampf gegen (vermeintliche) staatliche Repression, gegen einen ihrer Meinung nach staatlich verordneten Militarismus, gegen eine „neoliberale Globalisierung“, gegen die Umgestaltung von Wohnvierteln und für selbst verwaltete Freiräume sowie gegen die friedliche Nutzung der Kernenergie gehören zu ihren wichtigsten Themenfelder. Damit greifen sie Bereiche auf, bei denen sie sich im Einklang mit der Mehrheitsgesellschaft wähnen und bis ins bürgerliche Lager auf Verständnis selbst für militante Aktionen hoffen können. Das gibt ihnen die Möglichkeit, sich in „soziale Bewegungen und Selbstorganisationsprozesse der Bevölkerung ein[zu]bringen […] um sie zu radikalisieren und damit die Risse und Widersprüche innerhalb der kapitalistischen Totalität zu vertiefen – bis zum offenen Klassenkampf“ wie der Website der Antifaschistischen Revolutionären Aktion Berlin (ARAB) zu entnehmen ist.
Spielte der Antifaschismus bis Ende der 1980er Jahre eher eine untergeordnete Rolle, so entwickelte er sich als „organisierte Antifa“ vor dem Hintergrund der deutschen Einheit und eines von vielen Linksautonomen behaupteten neuen „großdeutschen“ Nationalismus in den 1990er Jahren zum zentralen linksautonomen Agitationsfeld. Ihm zu Grunde liegt die von damaligen Vorsitzenden der Kommunistischen Internationale (Komintern), Georgi Dimitroff, im August 1935 auf dem VII. Weltkongress der Komintern in Moskau aufgestellte These, wonach der Faschismus „die offene terroristische Diktatur der reaktionärsten, am meisten chauvinistischen, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals“ sei. Der Faschismus gilt demnach dem Kapitalismus als immanent und kann auch dem linksautonomen Verständnis nach nur dann erfolgreich bekämpft werden, wenn zugleich auch seine Ursache, der Kapitalismus, beseitigt wird. Konsequenter Antifaschismus zielt daher für Linksautonome immer auf die zu überwindende kapitalistische Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung und die sie stützenden Institutionen und Repräsentanten, zu denen gemäß der stalinistischen Sozialfaschismusthese auch linksliberale Kräfte wie die SPD zählen. In den Worten der linksautonomen ARAB klingt das folgendermaßen: „Faschismus ist eliminatorischer Fressneid und beruht auf den ungerecht gestalteten, ökonomischen Verhältnissen, weshalb unser Eintreten gegen Nazis mit dem Kampf gegen Kapitalismus untrennbar verbunden ist.“ Einfacher gesagt: „Kampf dem Faschismus heißt Kampf dem imperialistischen System.“

Autonome Nationalisten

Anfang der 1990er Jahre begann sich die rechtsextremistische Szene in Deutschland zu verändern. Vor dem Hintergrund der Verbote mehrerer rechtsextremistischer Organisationen entwickelten Mitte der 1990er Jahre die Rechtsextremisten Christian Worch und Thomas „Steiner“ Wulff in bewusster Anlehnung an linksextremistische Organisationsformen das Konzept informell, d. h. ohne vereinsmäßige Strukturen und Hierarchien agierender Kleingruppen. Schon bald dominierten lose organisierte, „autonom“ und regional operierende Kleinstgruppen von 20 bis 25 Personen unter der Bezeichnung „Freie Nationalisten“ bzw. „Freie Kräfte“ die neonazistische Szene. Aus ihnen formierten sich die AN als loser Zusammenschluss von Aktivisten. Erstmals werden Ende 1992/Anfang 1993 die Begriffe „Rechte Autonome“ oder „Autonome Rechte“ in der rechtsextremistischen Szene verwendet.
Bereits mit ihrer Selbstbezeichnung als „Autonome Nationalisten“ und der Übernahme des Logos der „Antifaschistischen Aktion“ – der Fahne im Kreis, die in Anti-Antifa umbenannt wurde – lassen sie unmissverständlich erkennen, wer ihnen als Vorbild diente: die Linksautonomen. Wie diese verstehen sich die AN als antibürgerlich und treten provokativ mit einem eigenen „Dresscode“ auf. Bei Demonstrationen erscheinen sie weitgehend geschlossen in einheitlicher schwarzer Kleidung, zumeist bestehend aus Kapuzenpullovern, Cargo-Hosen und Baseball-Kappen. Neben der obligatorischen Sonnenbrille tragen sie nicht selten ein „Palästinensertuch“, das auch der Vermummung dient. Bisweilen führen sie schwarze Handschuhe mit Protektoren als Zeichen der Gewaltbereitschaft mit sich. Auch den „Schwarzen Block“, die charakteristischste Aktionsform der linksautonomen Subkultur, haben die AN übernommen. Im Verlauf rechtsextremistischer Demonstrationen bilden sie einen „ns black block“ und treten mit eigenen, sich an den Linksautonomen orientierenden Transparenten mit sozialrevolutionären, zumeist englischsprachigen Slogans wie „Fight the system“ oder „Capitalism kills“, populären Comicfiguren, grellen Farben und aufwändig gestalteten Schriftzügen im Graffiti-Stil auf. Erst beim näheren Hinsehen werden die Unterschiede deutlich, wenn beispielsweise eine Basecap die Aufschrift „Burn Israel“ ziert oder der Slogan der Hardcore Punker „Good night – white pride“ in „Good night – left side“ abgeändert wurde. Auch Porträts der linken Ikone Che Guevara sind keine Seltenheit. „Von den Linken zu lernen erschien also höchst sinnvoll“, so Worch rückblickend in seinem Aufsatz „Gedanken über freien und autonomen Nationalismus“. Unverkennbar ist das linksextremistische Feindbild zum Vorbild der Rechtsautonomen geworden.
Das Okkupieren linker Symbolik macht aber auch vor historischen Daten nicht halt. So finden bereits seit Jahren rechtsextremistische Veranstaltungen zum Tag der Arbeit, dem 1. Mai, statt. Seit 2005 begehen die AN zudem den 1. September – ursprünglich 1957 vom DGB anlässlich des Jahrestages des deutschen Angriffs auf Polen 1939 als Antikriegstag initiiert – als „Nationalen Antikriegstag“ und führen geschichtsrevisionistische Kundgebungen durch, die sich gegen die seinerzeitigen deutschen Kriegsgegner richten. Damit gelang es den AN zugleich, sich als Teil der rechtsextremistischen Subkultur zu etablieren. Vor allem ihr „Schwarzer Block“ auf der Hamburger 1. Mai-Demonstration 2008 festigte ihr Ansehen innerhalb des neonazistischen Spektrums. Der organisierte Rechtsextremismus erkannte zudem die Chance, die sich ihm für die Nachwuchsrekrutierung mit den AN und ihrer Attraktivität vor allem bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen bot.
Ideologie spielt bei beiden Extrema heutzutage eher eine untergeordnete Rolle. Während Linksautonome sich an anarchistischen und kommunistischen Ideologieelementen orientieren, richten sich die AN am sozialrevolutionären Flügel der NSDAP um die Brüder Gregor und Otto Strasser und am jungen Joseph Goebbels aus. Sie versuchen, sozialistische und nationalistisch-völkische Elemente und somit Sozialismus und Nationalismus im Sinne eines dritten Weges miteinander zu verbinden. Neben originär rechtsextremistischen Themen wie Rassismus, Nationalismus und Geschichtsrevisionismus rücken sie die „soziale Frage“ und somit den Kampf gegen Kapitalismus und Globalisierung in den Mittelpunkt ihrer Agitation. Waren AN zunächst relativ kritisch gegenüber dem historischen Nationalsozialismus eingestellt, so unterscheiden sie sich gegenwärtig von anderen Neonazis mehr durch ihr äußeres Erscheinungsbild und ihre Aktionsformen als durch ideologische Differenzen. Ihrem Selbstverständnis nach hat der autonome Nationalismus „nichts mit weltanschaulichen Abgrenzungen zu tun, auch wenn manche das gerne so hätten.“ Vielmehr verstehen sie sich als „neue und moderne ‚Nationale Sozialisten‘“ wie der Website der Autonome Nationalisten Ostfriesland zu entnehmen ist.
Beide Aktionsformen verfügen nicht über feste und organisierte Strukturen. Nicht „Mitgliedschaft“ sondern „Mitmachen“ steht für sie im Vordergrund. Sie definieren sich nicht so sehr über das, was sie wollen, als vielmehr über Anti-Einstellungen. So verstehen sie sich als antikapitalistisch, antiimperialistisch, antiparlamentarisch, antiamerikanisch und globalisierungsfeindlich – wenn auch auf unterschiedlicher ideologischer Grundlage.
Diesen Gemeinsamkeiten zum Trotz dürfen die gravierenden Unterschiede zwischen beiden Extrema nicht übersehen werden. Während Linksautonome eine kommunistische bzw. herrschaftsfreie Gesellschaft anstreben, verfolgen Rechtsautonome das Ziel einer ethnisch homogenen Volksgemeinschaft. Verabsolutieren Linksautonome die Forderungen nach sozialer Gleichheit und Gerechtigkeit, lehnen Rechtsautonome die Gleichwertigkeit aller Menschen zugunsten der Überhöhung der eigenen Rasse ab. Dem internationalistisch, auf Gleichheit orientierten Sozialismus der Linkautonomen stellen die Rechtsautonomen einen rassistischen, völkisch-nationalen, antisemitischen und somit auf Ungleichheit setzenden „Nationalen Sozialismus“ entgegen. Predigen die einen den Klassenhass, reden die anderen dem Rassenhass das Wort. Diese grundsätzlichen ideologischen Gegensätze und die daraus resultierende Feindschaft spiegeln sich insbesondere in den zunehmenden Konfrontationen zwischen beiden Aktionsformen wider. Sie verdeutlichen, dass beide zwar das bestehende System überwinden wollen und dabei eine ähnlich gelagerte Vorgehensweise an den Tag legen, sie aber in der Ausgestaltung der neuen Ordnung diametral unterschiedliche Ansichten vertreten und bereit sind, diese auch gewaltsam zur Geltung zu bringen.

Konfrontationsgewalt

Links- und Rechtsautonome kennzeichnet ein hohes Maß an Gewaltbereitschaft. Auch wenn nicht alle von ihnen selber Gewalt ausüben, so befürworten sie in der Regel dennoch den Einsatz von Gewalt. Als Militanter gilt daher nicht nur der aktiv Handelnde, sondern auch derjenige, der Gewalt in Kauf nimmt bzw. mit gewaltsamen Aktionen sympathisiert.
Der Gewaltbegriff beider politischer Extrema weicht nicht allzu sehr voneinander ab. Die linksautonome Gewaltbereitschaft basiert auf einem klaren Feindbild, zu dessen tragenden Säulen der Staat und die ihn nach linksautonomer Auffassung stützenden Rechtsextremisten zählen. Um diese zu bekämpfen, halten sie alle Widerstandsformen bis hin zum Einsatz von Gewalt für legitim. Dem linksextremistischen Verständnis nach üben die „kapitalistischen Produktionsverhältnisse“ eine auf gesellschaftlichen Strukturen wie Werte, Normen, Institutionen und Machtverhältnissen basierende „strukturelle Gewalt“ auf ihre Bürger aus und hindern diese daran, sich ihren Anlagen und Möglichkeiten entsprechend frei zu entfalten. Aus dieser vermeintlichen „Gewalt des Systems“ leiten gewaltbereite Linksextremisten ein Naturrecht auf Widerstand ab. Linksextremistische Gewalt versteht sich demzufolge als „Gegengewalt“, d. h. als ein reaktives und somit legitimes Mittel, um die herrschende Gewalt aufzubrechen und Veränderungen herbeizuführen.
Ähnlich dem linksextremistischen Gewaltverständnis sehen sich auch Rechtsextremisten als „Opfer“ staatlicher Repression. Ihrem sozialdarwinistisch geprägtem Weltbild folgend definieren sie sich über den Kampf und den Krieg. Ihre Affinitäten zu Waffen und zum Militarismus lassen erkennen, dass ihnen die Anwendung von Gewalt als ein legitimes Mittel der Problemlösung erscheint. Vor allem die AN verstehen sich als „militanter Teil der nationalen Bewegung“. Gewalt begreifen sie als ein strategisches Mittel der politischen Auseinandersetzung. Gewaltsames Handeln ist für sie „Notwehr“ und somit ein reaktives Verhalten gegenüber der vom Staat und dem politischen Gegner ausgehenden aktiven Gewalt. Damit kommen sie dem linksextremistischen Gewaltverständnis sehr nahe.
Zum Tragen kommt diese Einstellung zur Gewalt in den sogenannten Rechts-Links-Konfrontationen wie sie Hamburg am 1. Mai 2008, am 6. Oktober 2012 aber auch das baden-württembergische Göppingen erleben mussten, als unter den Protesten von rund 1.500 Gegendemonstranten etwa 160 Autonome Nationalisten durch Göppingen zogen. Rund 600 linksautonome Gegendemonstranten versuchten erfolglos, den Aufmarsch der Rechtsautonomen zu verhindern. Dabei kam es zu gewaltsamen Übergriffen auf die eingesetzten Polizeikräfte; deren Aufgabe es war, eine offene Konfrontation zwischen beiden Extrema zu verhindern. 28 verletzte Polizeibeamte waren die Folge.
Konfrontationsgewalt findet aber nicht nur auf überregionalen Demonstrationen statt. Ob im ländlichen Raum, in der Kleinstadt oder in der Metropole: Pöbeleien, gegenseitige Übergriffe und Anschläge prägen die alltägliche Auseinandersetzung zwischen Rechts- und Linksextremisten. So wird der politische Gegner über das Internet beschimpft, auf offener Straße verbal und auch körperlich angegriffen, seine Wohnung mit Farbbeuteln und Graffitis beschmiert oder sein Fahrzeug auch schon mal angezündet. Zudem werden Info-Stände von extremistischen Parteien wie der NPD attackiert und Farb- und Brandanschläge auf deren Parteibüros verübt. Diese Form der Gewalt entwickelt sich zumeist ohne große Vorankündigung und ist daher aus polizeilicher Sicht auch nur schwer zu verhindern. Vor allem von linksextremistischen Antifa-Recherchegruppen und rechtsextremistischen Anti-Antifa-Gruppierungen durchgeführte „Outing“-Aktionen beschleunigen die Eskalationsspirale. Diese dienen dazu, den politischen Gegner mit seinen Lebensdaten, Gewohnheiten und Aktivitäten bis hin zu seinem Arbeitgeber auszuspähen. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse werden dann zumeist über das Internet mit dem Ziel öffentlich gemacht, dem Betroffenen zu diskreditieren und somit maximal zu schädigen.

Ausblick

Konzentrierten sich die gewaltsamen Auseinandersetzungen bislang auf Rechts- und Linksextremisten, so rücken zunehmend auch Konfrontationen zwischen Islamisten und Rechtsextremisten in den Fokus. Erinnert sei an dieser Stelle an die gewalttätigen Auseinandersetzungen aus dem Jahr 2012 zwischen der radikalsten Form des Islamismus, dem gewaltbereiten Salafismus und der rechtspopulistischen Bewegung Pro-NRW in Solingen und in Bonn. Aktivisten von Pro-NRW provozierten am 5. Mai vor der König–Fahd-Akademie in Bonn-Bad Godesberg gezielt die anwesenden Salafisten durch das Hochhalten von Mohammed-Karikaturen. Als die eingesetzten Polizeibeamten eine direkte Konfrontation zwischen beiden Extrema zu verhindern versuchten, attackierten sie die Salafisten mit Fahnenstangen und Messern. Zurück blieben 29 verletzte Polizisten; einer der salafistischen Angreifer wurden wegen versuchten Mordes vom Bonner Landgericht zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Wie bei den Konfrontationen zwischen Rechts- und Linksextremisten so zählten auch bei diesen Auseinandersetzungen insbesondere wieder die eingesetzten Polizeibeamten zu den Opfern.
Konfrontationsgewalt zwischen den politischen Extrema ist ein gesellschaftliches Phänomen, unter dem bislang vor allem Polizisten, zunehmend aber auch die Gesamtbevölkerung zu leiden haben. Aufgrund des hohen Hasspotentials zwischen Rechts- und Linksextremisten, mittlerweile aber auch zwischen Islamisten und Rechtsextremisten, kann diese Form der Gewalt jederzeit eskalieren und nicht nur Verletzte, sondern im schlimmsten Fall auch Todesopfer zur Folge haben. Umgehend könnte daraus ein Märtyrer für die jeweilige Szene erwachsen und eine weitere Eskalation der Gewalt einläuten, dessen Auswirkungen heute noch nicht absehbar sind.