Banker oder Geldräuber

Strafbare Bereicherung oder riskante Geschäftsführung?

Von Dr. Wolfgang Hetzer, Ministerialrat, Wien

I. Banken als Systemrisiko


In Deutschland glauben 74 Prozent der Bevölkerung, dass die Aktivitäten der Banker gefährlich sind. Deswegen muss aber nicht jede Bank eine kriminelle Vereinigung sein. Grundsätzlich ist eine Bank eine Bank. Und eine kriminelle Vereinigung ist kriminell. Gleichwohl ist die Vermutung, dass sich Bankgeschäfte immer und überall von den Aktivitäten der Organisierten Kriminalität unterscheiden lassen, widerlegbar. 
Darüber hinaus ist der Eindruck entstanden, dass Teile der Finanzindustrie einen deutlich höheren Wirkungsgrad haben als jede Art der konventionellen „Mafia“. Insbesondere die Deutsche Bank ist in jüngerer Zeit in den Ruch einer „Räuberbande“ geraten. Angesichts der Quantität und Qualität der gegen dieses Finanzinstitut erhobenen Vorwürfe ist dieser Begriff eine unangemessene Verniedlichung. Sollten sich alle oder einige bestimmte qualifizierte Anschuldigungen justizförmig beweisen lassen, erschiene selbst die Mafia, gleichgültig in welcher ethnischen Ausprägung, als relativ idyllische Veranstaltung, die im Konkurrenzkampf mit Teilen der Finanzindustrie chancenlos ist. 
Es gilt zwar die Unschuldsvermutung. Die Lage ist aber besorgniserregend, wenn man daran denkt, dass „Vertrauen“ eine Schlüsselkategorie für das Bankgeschäft ist und alleine die Deutsche Bank wegen der bestehenden Prozessrisiken mehr als 4 Milliarden Euro an Rückstellungen bilden musste, weil sie mit entsprechenden Schadenersatzansprüchen, Strafen oder Vergleichszahlen rechnet. Addiert man weitere Streitfälle hinzu, die sich noch zuspitzen könnten, beliefe sich die möglicherweise erforderliche Summe sogar auf mehr als 5 Milliarden Euro. 
Die Spannbreite der Verdachtsgründe ist beeindruckend. Sie reicht von der Nichterfüllung von Beratungspflichten über Betrug beim Handel mit Finanzvehikeln bis zu Manipulationen bei wichtigen Leitzinsen („Libor“; „Euribor“). 
Der Libor ist der Zinssatz, zu dem sich Banken am Finanzplatz London untereinander Geld leihen. Der Euribor ist ein Zinssatz für Geldgeschäfte in der Währung Euro. Die Sätze werden täglich auf der Basis von Schätzungen und Meldungen festgelegt. Sie sind Basis für Kreditkosten, Sparzinsen und Hypotheken. Ihre Manipulation schädigte also auch unbeteiligte Banken, Unternehmen und Privatpersonen gleichermaßen. Alleine beim Libor sollen Finanzprodukte im Wert von ca. 400 000 Milliarden Dollar betroffen sein!  
Die Deutsche Bank behauptet, dass ihre Strategie auf einer Markteinschätzung über die wahrscheinliche Richtung von Zinssätzen beruhe und nicht auf einem Glauben, dass die Interbank-Zinssätze in unangemessener Weise beeinflusst werden könnten. Zudem handele es sich nicht um Spekulationen auf die eigenen Bücher, sondern um Transaktionen zur Absicherung anderer Geschäfte. Dennoch räumte ein ihrer Chefs (Anshu Jain) ein, dass vor allem die Jahre 2006 bis 2008 Jahre des „kollektiven Versagens“ gewesen seien. 80 Prozent der Fälle, die jetzt die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, stammten aus dieser Phase. Jain bekannte, dass die Deutsche Bank Teil davon war. Im Hinblick auf die Manipulationsvorwürfe beim „Libor-Zinssatz“ gab er an, dass ihn dieser „Vertrauensmissbrauch“ am meisten enttäuscht habe. 
Das ist schon ein bisschen lustig. Jain bekümmert es offensichtlich nicht, dass die meisten seiner Spitzen-Kollegen aus den glorreichen Zeiten der frühen „Nuller-Jahre“ im Finanzdistrikt nach der anschließenden Pleite-Epoche nicht mehr auf den Bühnen der internationalen Finanzwelt herumturnen. Er wurde als ehemaliger Chef des Investmentbanking ja auch nicht gefeuert, sondern auf den Sessel des Vorstandsvorsitzenden befördert. Auf dem Weg dorthin soll er zwischen 200 und 500 Millionen Euro verdient haben, je nach Sachverständigenbewertung. Nun verkündet Jain, dass die Zeiten des schnellen Geldes vorbei seien. Aufgrund der notwendig gewordenen Vorsorge für die vermutlich anstehenden Kosten für Rechtsstreitigkeiten schmolz der Gewinn des von ihm geführten Geldhauses im dritten Quartal 2013 übrigens auf vergleichweise magere 18 Millionen Euro. Gegenüber der 25-Prozent-Marke, die von seinem Vorgänger Ackermann als Ziel propagiert wurde, ist die gegenwärtige Eigenkapitalrendite marginal.
Sein Mitvorsitzender Jürgen Fitschen galt noch vor der Übernahme seines Amtes als „nett und ehrlich“. Das lag vielleicht auch daran, dass Fitschen kein „gelernter“ Banker, sondern Außenhandelskaufmann ist. Es ist dennoch fraglich, ob Fitschen die Idealbesetzung als „Vorstand für Moral“ ist, während sich Jain um die harte Welt der Zahlen kümmert. Immerhin prüfen Staatsanwälte in München zur Zeit, ob Fitschen und weitere Vorstandskollegen im Rechtsstreit mit dem Medienunternehmer Leo Kirch „bewusst unwahre Angaben“ gemacht haben und ob Fitschen im Zusammenhang mit Vorwürfen wegen Umsatzsteuerbetrugs eine falsche Steuererklärung der Deutschen Bank unterschrieben hat. In einem deutschen Nachrichtmagazin (Der Spiegel vom 11. November 2013) ist von einem „alptraumhaften Szenario für die Bank und für Fitschen“ die Rede. Fitschen sei auf dem besten Wege, zur tragischen Figur der Deutschen Bank zu werden. Dabei galt er doch in den Augen vieler Mitarbeiter als Garant dafür, dass sich der Konzern von zweifelhaften Geschäften abwendet, die ihm am (vorläufigen) Ende womöglich Rechtsrisiken von mehr als fünf Milliarden Euro bescheren. Aus den Reihen von Arbeitnehmervertretern sind Kommentare zu hören, wonach es absurd sei, dass Fitschen für einen glaubwürdigen Kulturwandel stehen soll, den man seinem Kollegen Jain allein nicht zutraut, während kein Zweifel daran besteht, dass fast alle Rechtsrisiken im Investmentbanking entstanden sind, für das Anshu Jain bis zu seiner Beförderung an die Spitze der Deutschen Bank verantwortlich war. Gleichwohl ist nur Fitschen in das Visier der Staatsanwälte geraten. Jain blieb bis jetzt unbehelligt.
Man wird abwarten müssen, ob Jain und Fitschen im Laufe der andauernden Ermittlungen noch genügend Zeit haben, um den vollmundig propagierten „Kulturwandel“ in der Deutschen Bank voranzutreiben. Die Deutsche Bank selbst wird sich möglicherweise auch als juristische Person nach den Vorschriften des Ordnungswidrigkeitengesetzes verantworten müssen, ist es den deutschen Rechtsgelehrten und dem Gesetzgeber doch immer noch nicht gelungen eine echte Unternehmensstrafbarkeit zu etablieren. 
Während die Bank am 5. November 2013 noch dementierte, dass ein solches Verfahren läuft, erklärte die Staatsanwaltschaft München gleichzeitig, dass sie wegen „Fehlverhaltens“ von Fitschen und seinem Amtsvorgänger Ackermann ein Ordnungswidrigkeiten-Verfahren gegen die Bank selbst eingeleitet und sie am 10. Oktober 2013 hierüber unterrichtet habe. Die Deutsche Bank habe am 18. Oktober 2013 deshalb bei der Ermittlungsbehörde um Akteineinsicht gebeten. Nach dem Eindruck mancher Großaktionäre dieses Instituts rühren die Vorgänge an den „Grundfesten des Vertrauens in die Bank“.
Die vermeintlichen Topkräfte und Kollegen von Jain und Fitschen, die in deutschen Landesbanken, aus denen das „dumme deutsche Geld“ stammte, das in den Hochöfen angelsächsischer Kapitalakrobaten mit Wissen und Wollen der Politik verheizt wurde, Verantwortung trugen, haben andere Sorgen. Sie mussten sich reihenweise von ihren Stühlen verabschieden. Dutzende von ihnen sind nun mit Anklagen und Gerichtsverfahren konfrontiert. 
Inzwischen dringen auch interessante Informationen aus den Reihen der Hypo-Vereinsbank (HVB) nach außen. Dort sollen in den Jahren 2005 und 2006 Milliardengeschäfte angebahnt worden sein, die vor allem darauf abgezielt hätten, Ansprüche des Fiskus zu vereiteln. Zum Hintergrund gehört die Gewohnheit von Banken und Kapitalfonds aus Europa und aus den USA über Jahre Aktiendeals zu schließen, erst mit („cum“) und dann ohne („ex“) Dividende. Dies soll so schnell und kompliziert vonstatten gegangen sein, dass unklar war, wem die Papiere gerade gehörten, wer Dividenden kassiert und Kapitalertragsteuern entrichtet hatte. In der Folge haben in- und ausländische Banken im Verlaufe eines Aktienhandels mehrere Bescheinigungen über gezahlte Kapitalertragsteuern ausgestellt, obwohl sie nur ein Mal abgeführt worden war. Steuerabzug und Steuerbescheinigung liegen erst seit 2012 in einer Hand, so dass der Fiskus angeblich nicht mehr getäuscht werden kann. Kapitalerstragsteuern werden bei der Dividendenausschüttung automatisch einbehalten und an das Finanzamt abgeführt. Später werden sie mit anderen Steuerzahlungen der betroffenen Steuerpflichtigen verrechnet. Dabei stellt sich oft heraus, dass zu viele Abgaben entrichtet wurden, so dass dann eine einzulösende Steuergutschrift erstellt wird. Das setzt natürlich voraus, dass geltend gemachte Abgaben zuvor tatsächlich an den Fiskus gezahlt wurden. Soweit das bei „Cum-Ex-Deals“ nicht der Fall war, bestand daher auch kein Erstattungsanspruch, ungeachtet der bis 2012 bestehenden Regelungslücke beim Aktienhandel, auf die sich die Akteure des Milieus berufen. Es steht also der Verdacht der Steuerhinterziehung im Raum, falls überzählige Steuerbescheinigungen eingereicht und Gutschriften kassiert wurden. 
Mittlerweile kann man selbst in Tageszeitungen (Klaus Ott, Akte Flora: Der Erste packt aus, in: Süddeutsche Zeitung vom 6. November 2013, S. 1, 12) nachlesen, dass sich Mitarbeiter der HVB angeblich von einem externen Steuerexperten davon überzeugen ließen, man könne beim Handel mit Aktien im großen Stil rund um den Ausschüttungstermin der Dividenden eine „doppelte Steuergutschrift“ kassieren, indem man Kapitalertragsteuern ein Mal zahle aber zwei Mal erstattet bekomme. Dementsprechend wurde in der Ergebnisspalte der Bankabrechnungen die von den Finanzbehörden erstattete Kapitalertragsteuer (incl. Soli) ein zweites Mal addiert. 
Es besteht der Verdacht, dass viele Geldinstitute bis hin zur britischen Großbank Barclays über Jahre hinweg systematisch zusammen mit Kapitalanlage-Fonds und anderen Geschäftspartnern den deutschen Fiskus, also die Gesamtheit der Steuerzahler, gezielt geschröpft haben. Nach ersten überschlägigen Schätzungen könnte auf diese Weise ein Schaden in Höhe von mehreren zehn Milliarden Euro entstanden sein. Im Fall HVB ermitteln die Staatsanwälte in Frankfurt wegen schwerer Steuerhinterziehung gegen mindestens sechs heutige und ehemalige Banker und einen weiteren Verdächtigen. Es scheint erst auf der Leitungsebene klar gewesen zu sein, worum es bei den genannten Geschäften wirklich ging und manch ein Spitzenmanager soll gegenüber Untergebenen hinreichend deutlich gemacht haben, dass er am Abschluss dieser speziellen Geschäfte sehr interessiert war. Bis jetzt ist bekannt, dass die deutschen Finanzbehörden mehr als 40 Fälle untersuchen. Bezeichnend ist, dass die Schweizer Bank Sarasin solche Geschäfte bewusst betrieben hat, obschon ihre Mitarbeiter die steuerliche Inkorrektheit verstanden hatten. Sie haben dem deutschen Fiskus allein in diesem Fall einen Schaden in Höhe von mehr als einer Milliarde Euro zugefügt.Es hat mittlerweile den Anschein, als ob sich die bisherige Annahme, die Banker müssten nicht für die Folgen ihres Handelns einstehen, als Irrtum erweisen könnte. Zwar ist noch keiner der Topbanker vom Mob gehängt worden, wie man in einer durchaus seriösen Zeitung (z. B. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 3. November 2013) dankbar vermerkte. 
Richtig ist auch, dass keiner der großen Bosse bis jetzt seiner Freiheit verlustig gegangen ist. Fast erleichtert klingt es, wenn in diesem Zusammenhang behauptet wird, dass das Strafrecht sich nur bedingt zur Sühne für unternehmerische Fehlentscheidungen oder missglückte Spekulationen eigne. 


Aber es gibt durchaus Methoden der „Schmerzzufügung“. Nach neueren veröffentlichten Zahlen hat alleine die Bank of America bis jetzt mehr als 50 Milliarden Dollar zur „Vergangenheitsbewältigung“ gezahlt. Das Geldhaus JP Morgan hat sich vor kurzem mit den Behörden über die Zahlung einer Summe von 13 Milliarden Dollar verglichen, der bisherige Rekord. Schon jetzt sollen die Banken in den USA insgesamt mehr als 100 Milliarden Dollar für das ausgegeben haben, was sie in den Jahren bis 2008 angerichtet haben. Die Summen werden mit jedem Tag höher und übersteigen alles, was die Aktionäre an Dividende einstreichen konnten. Daraus wird zum Teil etwas voreilig geschlossen, dass der Staat nicht für alles haftet, sondern die Verluste doch privatisiert würden, auch wenn die Banker ihre obszön hohen Boni behalten dürfen oder sie schon längst ausgegeben haben. Die Eigentümer der Banken gelten als die Dummen, wenn sie das Parkett nicht verlassen hatten, als die Musik noch spielte, also zu Zeiten der Höchstkurse im Jahre 2007. Seither sind, von Ausnahmen wie JP Morgan abgesehen, angeblich gut und gerne 60 bis 70 Prozent des angelegten Vermögens „verraucht“, bei den Opfern der deutschen Commerzbank übrigens noch deutlich mehr.
Immerhin ist jetzt der ehemalige Vorstand der Bayerischen Landesbank (BayernLB) dem Vorwurf ausgesetzt, dass er beim Kauf der österreichischen Bank „Hypo Alpe Adria“ im Jahre 2007 zahlreiche Risiken bei diesem Geldinstitut aus dem österreichischen Bundesland Kärnten bewusst ausgeblendet und 550 Millionen Euro zu viel gezahlt habe. Schon damit könnte der Tatbestand der Untreue erfüllt worden sein. Nach zwei weiteren Anschuldigungen haben die Verantwortlichen der Bank später noch einmal 75 Millionen Euro zu viel gezahlt und dadurch möglicherweise eine weitere Veruntreuung begangen. 
Zudem wird dem damaligen Chef der Bank vorgeworfen, er habe, mit einzelnen Kollegen zusammenwirkend, Vertreter Kärntens mit einem Fußball-Sponsoring für den ehemaligen Ministerpräsidenten („Landeshauptmann“) dieses Landes bestochen. 
Die BayernLB musste die Hypo Alpe Adria Ende des Jahres 2009 mit einem Verlust von 3, 7 Milliarden Euro an die Republik Österreich abgeben. Der Freistaat Bayern sah sich genötigt, seine Landesbank im vergangenen Jahrzehnt mit Milliardenbeträgen zu stützen. Dafür müssen die Steuerzahler haften. Insbesondere das in München laufende Verfahren zeigt, vor welch schwierigen Problemen die Justiz bei der Bewältigung der Bankenkrise und einschlägiger großkalibriger Wirtschaftsstraftaten steht. Im Verlauf dieser Krise mussten viele große Institute bekanntlich nach riskanten Deals unterschiedlichster Art vom Staat mit hohen Milliardenbeträgen gerettet werden. 
Ein weiteres Strafverfahren läuft in Hamburg gegen Führungskräfte der HSH Nordbank. Gegen Verantwortliche der SachsenLB und der Landesbank Baden-Württemberg liegen Anklagen vor. Die zentrale Frage lautet in allen Fällen: 

Wo endet die Freiheit unternehmerischen Handelns und wo beginnt kriminelles Unrecht?

II. Risikoübernahme als kriminogener Akt


Ein Bank- oder Versicherungsvorstand, der nicht sicherstellt, dass sein Unternehmen über bestimmte Strategien, Prozesse, Verfahren, Funktionen oder Konzepte zum Risikomanagement verfügt und dadurch – etwa bei Kreditinstituten – eine Bestandsgefährdung des Instituts oder der Gruppe, bzw. bei Versicherungsunternehmen die Erfüllung der jeweiligen Verträge gefährdet, riskiert in Deutschland seit kurzer Zeit eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe. Bislang waren Pflichtverletzungen im Risikomanagement, durch die nicht nur die Stabilität des einzelnen Instituts, sondern des Finanzsystems als Ganzes auf dem Spiel steht, nicht sanktionierbar. 
Der im Februar 2013 von der Bundesregierung eingebrachte und im Laufe dieses Jahres in Kraft getretene „Entwurf eines Gesetzes zur Abschirmung von Risiken und zur Planung der Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Finanzgruppen“ (BT-Drs. 17/12601) – Trennbankengesetz – hat sich die Sicherung der Stabilität des Finanzsystems und die Vermeidung von Nachteilen für die Gesamtwirtschaft zum Ziel gesetzt. Die Begründung für diese neuartige Pönalisierungsmöglichkeit stützt sich auf den besonderen Unwertgehalt, der in der Verursachung der Unternehmenskrise und der damit einhergehenden Gefährdung der Stabilität des Finanzsystems liege.
Man könnte diese Vorstandsstrafbarkeit auf den ersten Blick für eine rechtspolitische Zweckverfehlung halten, weil die Strafvorschriften entgegen dem Regelungsziel alle Vorstandsmitglieder sämtlicher Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen – diejenigen systemrelevanter Großbanken ebenso wie die von Sparkassen auf einer Hallig oder von kleinen Hagelversicherern – erfassen. 
Unabhängig von der Unternehmensgröße mutet auch die Gleichstellung von Versicherungsunternehmen mit Banken als überschießend an. Die Systemrelevanz von Versicherungsunternehmen ist zudem ungeklärt. Sie zählen jedenfalls nicht zu den Auslösern der Finanzkrise. Deren Wiederholung soll mit der „Kriminalisierung“ von Bank- und Versicherungsvorständen immerhin verhindert werden. Hier und da hat sich schon die Befürchtung breitgemacht, dass der Gesetzgeber dem „Sirenengesang“ einer scheinbar einfachen strafrechtlichen Vorbeugung und Bewältigung von Finanzkrisen erliegen könnte. 
Manche halten es für richtig, dass eine Kriminalisierung der Beteiligten bei Kartellabsprachen mit erheblichen gesamtwirtschaftlichen Schäden im Bundeskartellamt und in der Politik auf Ablehnung stößt. Neben der angeblich rechtspolitischen Zweckverfehlung wird auf deutlichere Grenzen für die Gesetzgebung hingewiesen, die sich zunächst aus einer „Vorwirkung“ des neuen europäischen Bank- und Versicherungsaufsichtsrechts ergeben mag. Sie spricht zwar nicht gegen strafrechtliche Normen, aber gegen die in dem genannten Regierungsentwurf gewählten Anknüpfungspunkte. Mit der darin enthaltenen Fixierung auf das Risikomanagement und die Bestandsgefährdung wird die Strafbarkeit in der Tat weit nach vorne verlagert. Dies könnte zu einer Umwertung der Leitungsaufgabe des Vorstands nach nationalem Recht im Verhältnis zu den andersartigen Vorgaben des europäischen Rechts führen.  
Die neuen Vorschriften haben auch Zweifel daran geweckt, ob sie den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen genügen. Es handelt sich übrigens um bloße Gefährdungstatbestände, das geschützte Rechtsgut „Finanzsystem“ muss also nicht konkret geschädigt, sondern nur abstrakt gefährdet sein. Sie werden womöglich das Thema des „politischen Wirtschaftsstrafrechts“, das vom bisherigen Strafrecht erheblich abweicht, auf die Tagesordnung bringen. Nicht nur aus der Sicht der Politik waren die herkömmlichen Strafnormen bei der Bewältigung der Finanzkrise nicht hilfreich. Nun versucht sie, die Grenzen der Strafbarkeit immer weiter nach vorne zu verlagern, wie etwa auch schon in den Vorschlägen der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister im November 2011 zur strafrechtlichen Sanktionierung der aktienrechtlichen Sorgfaltspflichtverletzung deutlich geworden ist, die sogar die Vorstandsmitglieder aller Aktiengesellschaften betroffen hätte.
Die Erfüllbarkeit der angesonnen Aufgaben durch Strafrecht und dessen Eignung als Ersatz für eine schlagkräftige Bank- und Versicherungsaufsicht stößt auf grundsätzliche Skepsis. Die Finanzkrise hat die Grenzen eines individualisierten Verantwortungsstrafrechts im Verhältnis zum geschädigten kollektiven Gut der Finanzmarktstabilität aufgezeigt. Es sind erhebliche Konflikte zwischen der beabsichtigten strafrechtlichen Neuregelung einerseits und dem Gesellschaftsrecht und dem Bank- und Versicherungsaufsichtsrecht andererseits zu befürchten. Zudem wurde dem Entwurf entgegengehalten, er gehe fälschlicherweise davon aus, dass das europäische Versicherungsaufsichtsrecht bei den neuen Anforderungen zum Risikomanagement keine Rolle spielt. Als nicht haltbar wird auch die Vermischung der Aufgabe der Aufsichtsbehörden mit den gesellschafts- und aufsichtsrechtlich geprägten Leitungsaufgaben der Vorstände bezeichnet, da angeblich das, was bisher gesetzlich als allgemeines Aufsichtsziel formuliert ist, jetzt zum Anknüpfungspunkt und Primärziel des Vorstandshandelns werden soll. Solch eine Verwandlung könnte überflüssig erscheinen, wenn man davon ausginge, dass die Pflichten der Vorstände hinsichtlich der Vermeidung einer Bestandsgefährdung bei Banken oder der Sicherung der dauernden Erfüllbarkeit der Verträge bei Versicherungen schon bisher und erst recht künftig durch zahlreiche und differenzierte Regelungen zu den Eigenmitteln und dem Risikomanagement geregelt sind.
Vor diesem Hintergrund kam mindestens ein Kritiker zu dem Ergebnis, das alles gegen ein „Gesetz zur Kriminalisierung von Bank- und Versicherungsvorständen“ spreche. Es wurde aber auch eingeräumt, dass ein „strafrechtsgläubiger Gesetzgeber“ gleichwohl nicht gehindert ist, bank- und versicherungsaufsichtsrechtliche Pflichten mit strafrechtlichen Sanktionen zu verknüpfen. Nur sollte er dafür mit den reichlich vorhandenen, spezifisch risikobezogenen und rechtlich bestimmten Vorstandspflichten geeignete Anknüpfungspunkte wählen. 
Dessen ungeachtet stellt sich die Frage, ob eine solche Kriminalisierung die vorsätzliche Verletzung risikobezogener Vorstandspflichten in wirklich systemrelevanten Unternehmen und damit eine neue Finanzmarktkrise verhindern könnte oder ob es im Wahljahr 2013 nicht eher um „Schaufensterpolitik“ ging. Die Stabilität des Finanzsystems dürfte sich mit Strafrecht wohl doch nicht erreichen lassen, auch nicht mit überschießenden Strafrechtsnormen für sämtliche Bank- und Versicherungsvorstände. 

III. Systemgefährdung als straflose Geschäftsführung 


Die anhaltende und großflächige Finanz- und Wirtschaftskrise hat zu der verblüfften und verblüffenden Wahrnehmung geführt, dass die Gefährdung einer systemrelevanten Bank kein Straftatbestand ist. Unbestreitbar ist aber, dass etwas Schlimmes geschieht, wenn die Banken, die unser Geld betreuen, es wegnehmen, es verlieren und dann aufgrund einer staatlichen Garantie nicht bestraft werden. 
Manche Strafrechtler in Deutschland tragen in jüngerer Zeit vor, dass es sich bei der Finanzkrise nach 2008 nicht um ein Systemversagen, sondern um Taten handele, die nach Gesetz und Rechtsprechung strafbar seien, möglicherweise in der Form einer global organisierten Kriminalität. 
Bei der strafrechtlichen Einordnung von umfangreichen Wirtschafts- und Finanzkrisen dürfte es in der Tat um etwas Prinzipielleres gehen als um das Fortschreiben einer überkommenen sorgsamen strafrechtlichen Berufsmäßigkeit. Es handelt sich womöglich nicht nur um eine Machtprobe. In neueren Überlegungen wird behauptet, Strafrecht könne umfängliches individuelles wirtschaftliches Versagen als „politische Wirtschaftsstraftat“ identifizieren und seine Arbeitsmöglichkeiten dieser Erscheinungsform der Kriminalität anpassen. Wir reden also über die strafrechtlichen Reaktionen auf politisch mächtige, den einzelnen Bürger schädigende Wirtschaftsverläufe. 
Am Anfang stehen Zweifel, ob ein verselbständigter mächtiger Teil der Gesellschaft – die Träger des Wirtschafts- und Finanzsystems – jemals ohne massiven Widerstand eine Beurteilung durch das Strafrecht zulassen wird. Das ist ein Problem der Verfassung der freiheitssichernden Demokratie, ein politisches Problem. Als politische Wirtschaftsstraftat bezeichnet insbesondere der deutsche Strafrechtler Naucke jene Wirtschaftsstraftat, die zerstörend auf die persönliche Freiheit und auf die freiheitsschützenden Institutionen wirkt.
Vor diesem Hintergrund bleibt abzuwarten, ob mit der Verabschiedung eines „Artikelgesetzes“ zur Änderung des Kreditwesengesetzes (KWG) sowie des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) am 17. Mai 2013 durch den Deutschen Bundestag ein Silberstreifen am Horizont entstanden ist. 
Art. 1 dieses Gesetzes hat Änderungen des KWG hinsichtlich der Planung der Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten zum Gegenstand. Art. 2 betrifft weitere Änderungen des KWG hinsichtlich der Abschirmung von Risiken. Art. 3 betrifft neue Vorschriften im KWG zur Strafbarkeit von Geschäftsleitern von Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten, während durch Art. 4 des Gesetzentwurfs vergleichbare Strafvorschriften in das VAG eingefügt wurden.
Der zentrale Gedanke der strafrechtlichen Teile (Art. 3 und Art. 4) ist die Strafbarkeit von Pflichtverletzungen der Geschäftsführer im Risikomanagement. Neben den angedeuteten Bedenken sind dagegen weitere massive verfassungsrechtliche und strafrechtspolitische Einwände vorgetragen worden. 
Der Gesetzesinitiative lag zwar augenscheinlich die verbreitete Vorstellung zugrunde, dass jede tatsächliche oder vermeintliche gesellschaftliche Fehlentwicklung, insbesondere im Wirtschaftsleben, mit Hilfe des nur als „ultima ratio“ legitimen Strafrechts korrigiert werden könne. Es liegt aber möglicherweise ein Irrtum vor, wenn man glaubte, dass etwaige Mängel im System der durchaus bereits mit empfindlichen Sanktionsbefugnissen ausgestatten Banken- und Versicherungsaufsicht dadurch auszugleichen wären, dass man noch zusätzlich die Staatsanwaltschaften auf den Plan ruft. Der Gesetzentwurf entspricht nach Einschätzungen aus Anwaltskreisen nicht dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot. Er enthalte zahlreiche Verweisungen auf das sich permanent ändernde deutsche und europäische Aufsichtsrecht, verwende ausufernd unbestimmte Rechtsbegriffe, sei außergewöhnlich komplex und erlaube dem Normadressat nicht vorherzusehen, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist. 
Durch die Bezugnahme auf besonders lange Pflichtenkataloge, die ihrerseits mit einer Fülle von „weichen und unbestimmten“ Begriffen und Formulierungen versehen seien, gewönnen die Strafnormen nicht an Kontur und Vorhersehbarkeit. Es sei mit dem Bestimmtheitsverbot auch unvereinbar, dass die außerstrafrechtliche Pflicht für Geschäftsleiter, ein wirksames Risikomanagement sicherzustellen, in das Strafrecht „eins zu eins“ übertragen werden sollte, ohne dass der Gesetzentwurf hierfür irgendwelche inhaltlich-qualitativen Vorgaben definiert. 
Im Unterschied zum bisher bekannten „Blankettstrafrecht“ (z. B. das Wertpapierhandels- oder Umweltstrafrecht) knüpften die Strafvorschriften nicht an gesetzlich verankerte Standards an, sondern überließen die inhaltliche Ausgestaltung des Risikomanagements allein den Geschäftsleitern und nachträglich den Strafgerichten. 
Es gibt die Befürchtung, dass es zu einer faktischen Beweislastumkehr hinsichtlich der Einhaltung der Organisationsverantwortung und der Sicherstellungspflichten kommt, die mit der strafrechtlichen Unschuldsvermutung unvereinbar wäre. 
Begriffe wie „Strategien, Prozesse, Gesamtziele, konsistente Risikostrategie, Risikosituation, betriebsinterne Erfordernisse, zeitkritische Aktivitäten“, etc. hält man zudem für vollkommen konturlos und denkbar unbestimmt. Das Strafrecht lebe aber von der Präzision seiner Begriffe, die zugleich seine Berechenbarkeit ausmache und dadurch eine nicht zu unterschätzende freiheitsschützende Wirkung (Art. 102 Abs. 2 GG) entfalte. Die in der Entwurfsfassung (§25c Abs. 3a KWG-E und § 64a VAG-E) verwendeten Begriffe werden dieser Anforderung nicht gerecht, da ihnen jegliche Umgrenzungsfunktion und Vorhersehbarkeit fehlt. Auch das in § 54a KWG-E enthaltene Tatbestandsmerkmal „Bestandsgefährdung des Instituts oder der Gruppe“ bedürfe weiterer gesetzlicher Klarstellung.
Insgesamt handele es sich bei den neuen Strafvorschriften um „abstrakte Gefährdungsdelikte“, nach denen eine als Unterlassung („nicht sicherstellt“) beschriebene Tathandlung eine abstrakte Gefahr für das von den Strafvorschriften geschützte Rechtsgut bewirkt. Dabei lassen die vorgesehenen Straftatbestände aber nicht zweifelsfrei erkennen, welches Rechtsgut überhaupt geschützt werden soll („Stabilität des Finanzsystems und Vermeidung von Nachteilen für die Gesamtwirtschaft“; „Schutz der anvertrauten Vermögenswerte und der ordnungsgemäßen Durchführung der Bank- und Versicherungsgeschäfte und Finanzdienstleistungen“). Wollte man darin die geschützten Rechtsgüter sehen, sei die Einstufung als abstrakte Gefährdungsdelikte irreführend, weil die Bestandsgefährdung des einzelnen Instituts bzw. die Gefährdung der dauernden Erfüllbarkeit der Versicherungsverträge in jedem Fall bereits eine konkrete Gefahr darstellen würde. Erst in einer mit der Bestandsgefährdung eines einzelnen Instituts möglicherweise ausgelösten Beeinträchtigung des gesamten Finanzsystems („Systemgefährdung“) läge gegebenenfalls auch eine abstrakte Gefahr. 
Damit handelt es sich um eine im bisherigen Rechtssystem beispiellose Kombination aus konkreten (bezogen auf das eigene Institut des Täters) und abstrakten (bezogen auf das jeweilige – globale? – Finanzsystem) Gefährdungsdelikt. 
Mit der Einrichtung einer Fahrlässigkeitsstrafbarkeit (§ 54a Abs. 2 KWG-E sowie § 142 Abs. 2 VAG-E) griff der Gesetzgeber sogar auf die bislang kaum anzutreffende Deliktskategorie des fahrlässigen Gefährdungsdelikts zurück. 
Die kritische Stellungnahme der deutschen Anwaltschaft spricht von einem Novum, das in seiner strafrechtsdogmatischen und kriminalpolitischen Legitimation nicht einmal in Ansätzen durchdacht sei. In der Herbeiführung einer bloßen – wenn auch konkreten – Gefahr durch fahrlässiges Unterlassen und der darauf aufbauenden Verursachung einer weitergehenden und auch auf andere Objekte bezogenen abstrakten Gefährdung läge eine Art „gefährdungsqualifiziertes Unterlassungsdelikt“.
Die mangelnde Delegationsmöglichkeit und Aufteilbarkeit der Sicherstellungspflichten der die Gesamtverantwortung tragenden Geschäftsleiter könnte faktisch zur Abschaffung des Prinzips der arbeitsteiligen Ressortverantwortung führen und damit im Wege einer stellvertretenden Schuldzuschreibung eine strafrechtliche „Gesamthaftung“ aller Geschäftsleiter für Versäumnisse Einzelner etablieren. Das hat die Rechtsprechung zwar nach langem Zögern angenommen, aber auf ein unmittelbares Verletzungsdelikt (z. B. Körperverletzung) bezogen, und zwar vor dem Hintergrund von deutlich erkennbaren Anhaltspunkten für konkrete Gesundheitsschädigungen. 
Das Gesetz läuft hingegen auf eine permanente strafrechtliche Gefährdungshaftung sowie auf eine Kollektivschuld von arbeitsteilig organisierten Geschäftsführungsgremien hinaus. Dies dürfte mit dem Schuldprinzip kaum vereinbar sein.
Darüber hinaus werden den Geschäftsleitern Pflichten auferlegt, die sie in bestimmten Situationen unmöglich erfüllen könnten. Das Risikomanagement ist gerade wegen seiner vielfältigen außerstrafrechtlichen Regeln und Anforderungen ab einem gewissen Geschäftsvolumen eine das betreffende Ressort vollständig ausfüllende Aufgabe. Man hält die Erwartung, dass sich jedes Vorstandsmitglied neben seinen übrigen, nicht weniger gewichtigen Ressortaufgaben so intensiv mit dem Risikomanagement beschäftigen könnte, wie das vom Gesetzgeber vorgesehen wird, für „schlicht unrealistisch“. Eine Strafbewehrung ist daher womöglich gar nicht angebracht. 
Schließlich besteht auch noch die Besorgnis, dass die neuen Strafvorschriften wegen ihrer Komplexität gar nicht justitiabel sind. 

IV. Kapitalismus als Kampfansage


Auf die hier nur andeutungsweise vorgetragenen dogmatischen und rechtspolitischen Differenzierungen wird es vielleicht gar nicht mehr ankommen, weil die regulative Kraft des Rechts unter den Bedingungen fortgesetzter multipler Krisen nicht mehr ausreichen könnte. 
Die Finanzmärkte dieser Welt haben sich nämlich in Schlachtfelder verwandelt. Dort finden Stellvertreterkriege statt. Sie sind durch nationale und partikulare Interessen und durch eine Gewaltausübung besonderer Art geprägt. 
Die Schulden- Kredit- und Zinspolitik von Regierungen, Zentralbanken, Geschäftsbanken und anderen Finanzinstitutionen hat zur Verbreitung von Brandherden geführt. Dort verglüht das durch langjährige harte und ehrliche Arbeit geschaffene Vermögen ganzer Generationen.
Der Kapitalismus ist zu einer Kampfansage an die bisher überwiegend von der Leistungsethik bestimmte bürgerliche Welt geworden. 
Die moderne „Finanzialisierung“ kommt einer Kriegstreiberei etlicher Machtcliquen in Wirtschaft und Politik gleich. Individuelles Glück und gesellschaftliche Ordnung sind in das Visier von Angreifern geraten, die das Gemeinwohl hemmungsloser persönlicher Bereicherungsgier opfern. 
Der gesellschaftliche Frieden ist deshalb nicht nur in Europa in Gefahr geraten. Das 20. Jahrhundert zeigte in erschreckender Fülle und Eindeutigkeit, dass wirtschaftliche Probleme, ethnische Spannungen und staatlicher Machtzerfall immer die Vorboten blutiger Gemetzel sind. 
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts gibt es so viele neue Brandherde wie nie zuvor. Dort prallen alle Vorbedingungen für Kriege und Bürgerkriege zeitgleich aufeinander. Mit den saisonüblichen Litaneien (Wahlkampf) von Politikern ist in dieser Lage niemandem geholfen. 
Die in einigen Ländern eingesetzten „Expertenregierungen“ sind Vorformen eines Ausnahmezustandes, aus dem mittlerweile selbst demokratische Wahlen nicht mehr ohne weiteres herausführen. Trotz der offensichtlich gewordenen gesellschaftszerstörenden Wirkungen eines entfesselten Finanzkapitalismus versuchen zu viele Politiker nach wie vor, die Verhältnisse schönzureden, an deren Entstehung sie selbst beteiligt waren. 
Amtsinhaber fühlten sich ausgerechnet den Unternehmern besonders verpflichtet, die sich die Regierung vom Hals halten wollten, eine Haltung die durch die vorherrschende Ideologie freier Märkte noch verstärkt wurde. 
Das Versagen der Finanzmärkte ist auch Ausdruck eines staatskapitalistischen Systemversagens. Ihm ist weder mit strafrechtlicher Flickschusterei noch dogmatischen Husarenritten beizukommen. Mit justizförmigen Mitteln ist nicht zu verhindern, dass schwere ökonomische Krisen zu Krisen des politischen Systems führen. Darin könnten die politischen Herrschaftsverhältnisse ihre Legitimation verlieren. Die Menschen mögen schließlich Revolten oder gar Revolutionen beginnen und in nationalistischen Bewegungen ihr vermeintliches Recht auf Widerstand und Selbstverteidigung wahrnehmen. Der Ausgang einer derartigen Entwicklung wird nicht von Strafgerichten entschieden werden!