Der Hooligan und sein Weltbild

eine Einführung in dieses Zeitphänomen der Gewalt

von Robert F. J. Harnischmacher, Mitherausgeber und Mitarbeiter der WOLRD POLICE ENCYCLOPEDIA, New York

Robert F. J. Harnischmacher

Einleitung
Gewalt im Sport oder aber als Begleiterscheinung ist seit Ende der sechziger Jahre in ihren Erscheinungsformen zu einem Thema der öffentlichen Diskussion in der Medienöffentlichkeit geworden. Sie schlägt sich in der Interpretation von Fanausschreitungen als Durchbrechen einer Art Aggressivität oder „böser Menschennatur” nieder. Ganz unter dem Eindruck dieser zwar verständlichen, aber mystifizierenden Deutung scheinen die scharfen, ordnungspolitischen Reaktionen der Polizei und der Fußballverbände zu stehen, die die Fankurven der Fußballstadien in gut bewachte „Raubtier-käfige” verwandelt haben. Gewalt ist kurz gesagt ein stark umstrittener Begriff. Der Streit um diesen Begriff betrifft die Frage der Legitimität. Gewalt ist illegitimer Zwang, genauer gesagt: ein Zwang, dem man die Legitimität abspricht.


Als abstoßende menschenverachtende gewalttätige Ausschreitung von Fußballfans sei der 21. Juni 1998 am Rande der Fußballweltmeisterschaft in Frankreich nach dem Spiel Deutschland gegen Jugoslawien (2:2) erwähnt, als es in Lens zu Straßenschlachten und brutaler exzessiver Randale (mit zum Teil rechtsradikalen Parolen) deutscher Hooligans kam, in deren Verlauf zahlreiche französische Polizeibeamte verletzt wurden; ein Beamter (Daniel Nivel, 43) wurde so stark mit einer Eisenstange auf den Kopf getroffen, dass sein Helm zerbrach und er mit schweren Kopfverletzungen ins Koma verfiel. 93 Hools wurden verhaftet, einige sofort zu Freiheitsstrafen verurteilt. Der Haupttäter wurde am 9. November 1999 vom Landgericht Essen zu einer Freiheitsstrafe von 10 Jahren verurteilt.

Historie
Im vierten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung wurde im alten China Fußball als ein Teil der militärischen Ausbildung betrieben, wie ein Schriftstück aus der Zeit der Han-Dynastie eindrucksvoll belegt: Hier wurde zum ersten Mal der Begriff „Tsu Ku” gebraucht, was so viel heißt mit „Tsu” – „mit dem Fuß schießen” und „Ku” bedeutet so viel wie „ausgestopfter Ball aus Leder”. Ob nun das „Tsu Ku” der Chinesen, das „Episkyros” der Griechen, das „Harpastum” der Römer – das Fußballspiel wurde zu unterschiedlichen Zeiten in den verschiedensten Formen von vielen Völkern gepflegt.
England gilt in Europa als das Mutterland des Fußballs. Wie sehr Fanverhalten und Fankultur auch schon zu früherer Zeit für Problembewältigung standen, belegt nachhaltig ein Erlass des Londoner Bürgermeisters um das Jahr 1314, worin es heißt: „Während unser König in Schottland Krieg führt und uns aufgetragen hat, Frieden zu halten..... kommt es durch Fußballspiele zu großem Aufruhr in der Stadt.....Wir verbieten deshalb im Namen des Königs und unter Androhung von Gefängnisstrafen die Austragung solcher Spiele innerhalb der Stadt”.
Fußball („soccer”) ist ein Geschenk der britischen Aristokratie an die „dangerous classes”, die unzufriedenen Arbeitermassen im hektisch industrialisierten England des 19. Jahrhunderts. Bis Mitte dieses Jahrhunderts war Soccer offiziell nur an den feinsten Schulen geregelt gespielt worden. Dann gründeten Pfarrer und Lehrer die Fußballklubs, quasi als Sozialsedativ zur Behebung innerer Spannungen, die sich sonst womöglich in revolutionären Taten Luft gemacht hätten. Statt in die Revolution marschierten die Fans samstags aufs Fußballfeld und sonntags in die Kirche. Auf dem Allerheiligsten, dem „Turf”, lernten die Kicker die Lebensart der Oberschicht zu imitieren: hart gegen sich und andere, erfolgreich im Kampf, opferbereit im Dienst der Gruppe.
Die Traditionsklubs der First und Second Division sind Ableger der feinsten Public Schools. Nur Chelsea wurde von den Säufern einer Londoner Kneipe an der Fulham Road aufgebaut. Mit den Proletariern kam das neue Soccer-Bewusstsein – das Gruppenerlebnis der Anhänger, der ritualisierte Kampf, der fahnenbewehrte Tribalismus, das fast religiöse Wir-Gefühl auf den Tribünen der Vorstadtvereine.
Hier gibt es keine gelangweilte Schickeria, die sich eitel sonnt – Fußball in England als auch auf dem Kontinent ist in der Hauptsache noch immer Arbeiterkultur, Schweiß und Staub, Lust und Hingabe. Als Mick Jagger sein „I can’t get no satisfaction” ins Mikrophon schrie, behauptete Liverpools Manager-Legende Bill Shankly: „Fußball ist wichtiger als die Frage von Leben oder Tod”. Die Zügellosigkeit des ungehobelten „Kick and Rush” beim Fußball, das ständige Aufeinanderprallen überschwappender Gefühle, musste zwangsläufig zu handfest ausgetragenen Konflikten führen. Ein verschärftes Klima mit hoher Arbeitslosigkeit, rassistische Tendenzen, die Öde von Innenstädten mussten zu dem Sittenverfall des Fußballsports, zu der Abkehr vom „Fair Play” führen.In die Geschichte des modernen Fußballsports ging der 26.10.1863 als ein Meilenstein der Entwicklung dieser Sportart ein. Am Abend dieses Tages gründeten elf Herren in der „Freemasons Tavern” in London den ersten Fußball- Verband der Erde, die Football Association. 1872 kam es zum ersten Länderspiel zwischen Schottland und England in Glasgow; 1885 wurde durch die Football Association der Berufsfußball eingeführt; 1904 wurde von sechs europäischen Landesverbänden der Weltverband der Fußballsportler, die Federation Internationale de Football Association (FIFA) gegründet; 1930 fand die erste Weltmeisterschaft in Uruguay statt; Einrichtungen wie der Europacup, Afrikacup, Südamerikacup, Weltcup wurden in der Folge realisiert; der FIFA gehören heute mehr als 150 Fußballverbände aus sechs Kontinenten an – eine Zahl, die bisher kaum ein anderer Sportweltverband erreichte.

Hooligan, nur ein Catchword oder Kennwort für ein Phänomen
Auch der Begriff Hooligan verweist auf seine Wurzeln in Great Britain. Ursprünglich wurde, in Ermangelung eines solchen Begriffs, unter Hinweis auf die indische Bezeichnung „Thugs” für Schläger, durch die Londoner Music-Hall- Szene dieses Synonym für notorische Raufbolde in der Familienlegende „Houlihan” geprägt. Die „erlebnisorientierten” randalierenden Fußballfans nennen sich nach englischem Vorbild selbst Hooligans. Dieser Typus, ursprünglich eine rein britische Erscheinung, gehört inzwischen auch auf dem europäischen Festland, insbesondere in Deutschland, in Belgien, in den Niederlanden etwa, zum bösartigen „Inventar” von Fußballspielen.
Und „The Times” vom 30.10.1890 schreibt aktuell denn je:
„Was machen wir mit den „Hooligans“? Wer oder was ist schuld daran, dass es immer mehr werden? Jede Woche zeigt irgendein Vorfall, dass manche Teile von London für den friedlich Reisenden gefährlicher sind als entlegene Gegenden in Kalabrien, Sizilien oder Griechenland, wo sich einst die klassischen Schlupfwinkel von Räubern befanden. Jeden Tag werden vor dem einen oder anderen Polizeigericht Einzelheiten über brutale Misshandlungen berichtet, die ganz unbeteiligte Männer und Frauen erleiden mussten. Solange nur der eine „Hooligan” den anderen malträtierte – solange wir in der Hauptsache von Angriffen und Gegenangriffen zwischen Banden hörten, auch wenn dabei manchmal tödliche Waffen gebraucht wurden, – war die Angelegenheit bei weitem nicht so ernst, wie sie mittlerweile geworden ist.....Die sich häufenden Gewalttaten von Rohlingen jedoch, die systematischen Gesetzesübertretungen von Gruppen junger Burschen und Männer, die ihre jeweilige Umgebung terrorisieren, kann man nicht mehr mit Gelassenheit hinnehmen. Mit unseren „Hooligans“ wird es immer schlimmer. Sie sind ein übler Auswuchs des Gemeinwesens, und am schlimmsten ist, dass sie sich vermehren und dass Schulbehörden und Gefängnisse, Polizeirichter und Philanthropen sie anscheinend nicht auf den Pfad der Tugend bringen können.“

Der Hooligan und seine Selbstdarstellung als „Macho” und „Chauvi”
Es handelt sich um einen Personenkreis, auf den die bislang entwickelten Ursachenansätze so ohne weiteres nicht passen. Täteranalysen haben ergeben, dass sich die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gesellschaftsschicht nicht stringent bestimmen lässt. Neben einer Vielzahl von Angehörigen aus der Unterschicht, treten verstärkt auch Jugendliche aus der Mittel- und Oberschicht in Erscheinung. Diese Jugendgruppierungen sind am direkten Fußballgeschehen völlig desinteressiert. Heranwachsende im Alter von 18-23 Jahren, gleichfalls engagiert in anderen Formen der Strafbarkeit, betrachten sich als professionelle Rowdies, wobei sie ihre Aktionen/Konfrontationen organisieren und planmäßig lenken. Problematisch sind die Jugendlichen unter 20 Jahren, die diesen „Pseudo-Supermen”, noch nicht in der Kriminalität registriert, als „Praktikanten” eine vergleichbare Stellung in der Szene ansteuern, indem sie sich besonders körperlich auszeichnen, um akzeptiert und respektiert bei den „Harten” und „Profis” in ihrem vandalistischen „Machismo” (Männlichkeitskult) – Genre zu gefallen, zu genügen, durch vorsätzliches Risiko integriert zu werden wünschen!

Wie im Folgenden noch aufgezeigt werden wird, stellen sie sich als eine neue Abart der „Subkultur der Gewalt” dar. Das Fußballspiel dient ihnen als bloßer Anlass, um Gewalt gegen andere Hooligangruppen oder andere missliebige Personenkreise auszuüben. Dass bei solchen Aktionen auch öffentliche und private Einrichtungen oftmals zerstört oder beschädigt werden, wird billigend in Kauf genommen bzw. auch völlig vielfach gezielt bezweckt.

Interessante Einblicke in den geistigen Horizont solch militanter Gruppierungen lassen sich aus der Analyse ihrer – von ihnen selbst verfassten – „Fan-Zeitschriften” gewinnen. Die harten Jungs, „tough”, wie man in Great Britain zu bemerken pflegt: Unauffällige Kleidung, tätowiertes Muskelspiel, Trinkfestigkeit, Gerissenheit beim Anpirschen an gegnerische Gruppen und Lust am Kampf sind ihre Merkmale. Ungeniert erklären sie vor Fernsehkameras ihre Einstellung zum Fußball. Originalton eines Mitglieds der besonders gefürchteten „Inter City Firm” – Gruppe von West Ham United in England, die bei niedergeschlagenen Opfern Visitenkarten hinterlässt: „Jeder Mann will kämpfen, das Territorium des Gegners erobern. Das macht Spaß, und wenn du gewinnst, ist das ein Bonus.”

Dass die Massenmedien durch ihre Art der Berichterstattung zum Fußballvandalismus beitragen, ist bekannt. Die Anwesenheit von Massenmedien im Stadion regt die Aggression jugendlicher Zuschauer an. Die Fußballfans versuchen, sich für das Fernsehpublikum in Szene zu setzen und damit einen Teil der Aufmerksamkeit und „Zuwendung” zu erhalten, die sie im Alltag entbehren müssen. Den Hooligans reichen diese Möglichkeiten allein nicht. Sie brauchen nach eigener Auffassung die ungeteilte Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Diese erhalten sie vor allem durch die ständige Beschäftigung der Zeitungen mit ihren Gewalttaten. „Mit der Polizei ist es das Spiel der Katze mit der Maus, und die Justiz ist ein Bingo-Palast.” Um aber gleichsam von dieser Art der Berichterstattung unabhängig zu sein, sind sie dazu übergegangen, eigene „Zeitschriften” herauszugeben.
Nach eigenem Verständnis handelt es sich bei diesen Schriften nicht um Gewaltaufrufe, sondern um „...Informationsblätter für Freunde (...) und alle, die es interessiert, denn nicht nur das Spiel interessiert (...), sondern auch das Randgeschehen”. Jedoch zeigt schon ein erster, oberflächlicher Blick in diese Hefte, dass es sich bei dieser Zielsetzung um bloße Camouflage handelt. Rein äußerlich besteht jedes Heft aus einer Vielzahl von sog. „Spielberichten”. Mittelpunkt dieser Berichte ist aber nie der Fußball (bezeichnenderweise wird nicht einmal das Spielergebnis genannt!) oder die Dokumentation des Spielablaufs, sondern nur die nackte Darstellung der von den Hooligans verübten Gewalttaten. Diese Gewaltdarstellungsabsicht wird auch ohne weiteres freimütig eingestanden: „Wer möchte nicht gern lesen, wo er Randale gemacht hat?” Mit ermüdender Monotonie wiederholt sich in den Berichten das gleiche Bild: In öffentlichen Verkehrsmitteln oder auf der Straße lässt man es meist gar nicht erst zu langen Reden kommen, vielmehr fühlt man sich von anderen Hooligangruppen oder sonstigen Feindzielen „provoziert”.Dann stürmt man auf den „feindlichen Mob” zu und versucht diesen durch Steinwürfe und den Einsatz von Leuchtmunition zu sprengen. Im „Nahkampf” werden, neben den üblichen Waffen (Messer, Knüppel, Schlagring); auch Reizgaspistolen und „Molotow-Cocktails” eingesetzt. Ziel der meisten Kämpfe ist die Zerschlagung feindlicher Hooligan-Mobs. „Normale Fangruppen” werden zumeist als minderwertig und bekämpfungsunwürdig betrachtet („Kutten-Assis”, „Penner” etc.). Ebenbürtig sind nur Eliten, die Hooligans anderer Vereine, sog. „Knaller” oder „Popper”. Mit diesen liefert man sich Schlachten buchstäblich auf Leben und Tod, da man die Gefahr schwerster Körperverletzungen bis hin zum Tod in Kauf nimmt. „Verletzte Kameraden” werden hinter der Kampflinie notdürftig versorgt.
Andererseits gebietet es die „Ehre”, den Kampf nur mit annähernd gleichstarken Mobs aufzunehmen. Kommt man deshalb nicht zum erhofften Krawall, greift man schon einmal mangels Masse auch „normale” gegnerische Fußballfans („Kutten”) an. Am Ende der Berichte werden dann etwaige „Kampfverluste” festgestellt. Umrahmt wird jeder dieser „Kampfberichte” mit fotokopierten Auszügen aus der Tagespresse. Dabei stellen vor allem die reißerischen Berichte der Boulevardpresse eine Art Rezension der inszenierten Gewaltauftritte dar! Kaum ein Fußballrabauke, der nicht zu Hause ein dickes Album mit Presseausschnitten hätte. Motto seines Nervenkitzels: „Ich war dabei.“ „Für die Jüngeren zumindest ist die anschließende Zeitungsmeldung so wichtig wie die Aktion selbst.” Ein Hooligan geht nicht ins Stadion, um das Match anzusehen, Fußball ist für ihn Krieg, der Verein darf ruhig verlieren, „wir schlagen alle”.
Dieser Machtanspruch wird deklariert durch Spottgesänge, abfällige Zeichen, ein betont kriegerisches Vokabular, etwa durch Provokation und Denunziation.

Beispiel:„Wir hoffen, dass ihr zahlreich erscheint, damit wir genug zum Wegklatschen haben. Denn ihr wisst ja, die Gelsenszene ist das Beste! Wenn ihr nicht kommt, seid ihr noch größere Lutscher als eure Scheiß-Dortmunder Freunde. Wir werden euch einen prima Empfang geben, euch durch ganz Gelsenkirchen boxen und hinterher in Mülleimer stopfen. Bringt bitte ein paar Dortmunder mit, dass man diesen Hühnerhaufen auch mal wieder vor die Faust kriegt. Freut euch auf euren letzten Tag. Die Schalker werden euch schlachten!”

Hooligans und ihre Nähe am Rande neo-nazistischen Denkens und Handelns
Skinheads und Hooligans bilden oft eine Zweckgemeinschaft. Skinheads sind ohnehin bekannt für Disziplinlosigkeit, die Suche nach Randale. „Schiedsrichter nach Auschwitz !” – eine Hetze und Beschimpfung und Verunglimpfung, die eine Headline in den Medien garantiert, weil sie uns alle innerlich tief trifft im Sinne der Kollektivscham unseres Volkes. So etwas verkauft Zeitungen, denn der Hooligan braucht die Öffentlichkeit wie der Fisch das Wasser! „Blood forms bonds!” – „Blut schweißt zusammen”. Dem Hooligan dienen politische Vorbilder aus der NS-Zeit. Rechtsextremistisches Gedankengut mit seiner Gewaltverherrlichung, Herrenmenschenmen-
talität übt dabei eine besondere Faszination aus. Durch die Übernahme von NS-Kennzeichen, Liedgut oder sonstigen Bezeichnungen versucht der Hooligan etwas von dem Ansehen und der Macht des sog. „Dritten Reiches” zu erlangen. So nennen sich z.B. die Mönchengladbacher Hooligans „Sturmtruppen” nach der SS-Kampfelite, der SA und SS; die Dortmunder „Borussenfront” führt in ihrem Namen die Sigrunen der SS, in Frankfurt am Main gibt es die „Adlerfront”, in Hofheim die „Taunusfront”. In öffentlichen Verkehrsmitteln schmiert man Hakenkreuze an die Wand und grölt „Heil Hitler” und das „Horst-Wessel-Lied”. Man leiht sich also seine „Schlag”-worte aus dem rechten Sumpf aus.
Hinzu kommt, dass gerade die englischen Hools, ihres Zeichens Vorreiter dieser Gattung, immer wieder im Zusammenhang mit der „National Front”, kurz NF, genannt werden. Hierbei handelt es sich um eine hervorragend durchorganisierte rechtsradikale, nationalsozialistische Partei, die auch über einen eigenen Jugendbereich („Young National Front”) verfügt mit Unterabteilungen wie „Erziehung und Schulung Trupps Arbeitsloser Aktivisten”. Ihre Inhalte sind faschistisch und rassistisch, ihr Auftreten „Skinhead-like”.
Ein 19-jähriger Hooligan bezeichnete markant vor dem Essener Landgericht „.....Asylanten, Pollacken, Drogenverticker, eben alle, die eine asoziale Einstellung haben” als Zielgruppe seines Kampfes.
Die in den Hooligan-Schriften beschriebenen Aktionen schaffen eine Atmosphäre des Aktivismus, die in beklemmender Weise der in den SA-Berichten der „NS-Kampfzeit” vor 1933 erinnert. Man fühlt sich durch den „politischen Gegner”, die „Anarchoschweine”, das „Kommunistenpack”, die „Parasiten”, die „Punks”, „Türken” etc. und letzt-endlich „die Polizisten als Verbrecher und Faschisten” provoziert, greift durch, schlägt zusammen und erbeutet „gegnerische Symbole und Kennzeichen”.
Auch das bei ihren Angriffen verwendete Waffenarsenal entspricht durchaus dem der NS-Sturmtruppen. SA und SS behalfen sich vor 1933 mit den altbekannten Verbrecherwaffen wie Totschläger, Schlagringe, Gummischlauch und Spazierstock, wozu im Nahkampf die üblichen Improvisationen wie Biergläser, Flaschen und Stuhlbeine hinzukamen. Neben diesen Standardwaffen verwenden Hooligans die „modernen” Waffen wie Leuchtkugeln, Molotow-Cocktails und Reizgas („Deo brutal”), natürlich auch Wurfsterne, Nunchakus, Stichwaffen, Baseballschläger und den PR Madnock 24 u.a.
Auch in der Kleidung lassen sich durchaus Parallelen zu den Sturmtruppen vor 1933 ziehen. So wie SA und SS das, am 13. April 1932 durch Notverordnung ausgesprochene Organisations- und Uniformverbot dadurch umgingen, indem sie, anstatt der NS-Uniformen, einfache weiße Hemden trugen und sich so unauffällig und äußerlich dem Durchschnittsbürger anpassten, haben auch die Hooligans zum Mittel der äußerlichen Anpassung gegriffen. Waren vormals militante Hooligans unschwer in ihren „Bomberjacken” und dem „Räuberzivil” von den Ordnungskräften auszumachen, so tragen diese heute ganz bewusst teure Markenkonfektion („Angesagt sind bei uns Boss, Nike oder Armani zum Beispiel”). Damit hat sich der militante Hooligan völlig aus dem üblichen Klischee des aggressiven Fußballfans herausgehoben und ist für die Polizei und die Ordnungskräfte schlechter kontrollierbar geworden.

Der Massenmensch Hooligan
Charakteristisch für die Hooligans ist, dass sie niemals vereinzelt auftreten, sondern stets eine Einheit von mehreren Dutzend oder hundert Personen bilden: Hool zu sein, das bedeutet „Elite”, weil man härter ist als andere und besser kämpfen kann. In der amorphen Masse seiner Gruppe zelebriert er Gewalt. Persönliches Verantwortungsgefühl, Mitleid und ähnliches schwinden zunehmend und verlieren sich weitgehend in einer „Massenseele” (Gustave le Bon). Man darf alles, wenn es nur im Interesse des „Mobs” liegt, und man ist zu nichts verpflichtet als zum Korpsgeist. Kriminalität wird zum bloßen Spaß und Karneval der Gefühle. Wie lustig ist es doch, sich gratis aus dem Biervorrat einer Tankstelle zu bedienen, wenn dann der protestierende Tankwart „rein zufällig” in Fäuste und Tritte stolpert. Zur Abrundung wird dann noch nebenbei als Zufallsgaudi der Busfahrer bei Tempo 100 km/h am Hals gewürgt. Man kennt keine Grenzen mehr, selbst von dem am Boden liegenden und geschlagenen Opfer wird nicht mehr abgelassen, ein erheblicher Kriminalitäts- und Qualitätssprung im aktuellen Empfängerhorizont der Hooligans. Dies musste der lebenslang nun schwer geschädigte französische Polizeibeamte Daniel Nivel hautnah erfahren. Alle sind eingereiht, vereint und verspüren die geballte Energie und triumphierende Machtvollkommenheit derer, die plötzlich eine Masse sind. Sie werden zum Teil der Masse, gehen vollkommen in ihr auf und spüren nicht den leisesten Widerstand. Rationales Denken, Empfinden sind blockiert, man spürt keine Angst und Gefahr. Man wird schwerelos, es ist, als könne einem nichts passieren. Man genießt die Ergriffenheit von der Masse, sie erregt, es wird etwas passieren: Die Menge hungert nach dem Ereignis, und der Hunger wird gestillt werden müssen; man sehnt sich danach, die angestaute Energie freizusetzen. Eine Masse, die einmal so in Fahrt ist, ist nicht leicht wieder zu zerstreuen. Sie hat Elan, einen unaufhaltsamen Elan, der die Bereitschaft, auf jemanden einzuschlagen, steigern kann. Die Gewaltaktion beginnt immer mit dem Draufrennen auf den Gegner, der Verlust der Selbstkontrolle ist markant: „...Auf einmal....das ist, wie wenn du einen Stecker in die Steckdose steckst, und auf einmal geht das Licht an. Wie wenn du einen Schalter reindrückst. Da hält dich nichts mehr, und da denkst du auch nichts mehr. Da bist du auf einmal nur noch am Rennen, am Hauen und Prügeln.”

Ursachen
Gewalt im Sport war immer schon ein soziales Problem, nur heute hat dies Phänomen eine größere Sensibilisierung in der Gesamtbevölkerung erfahren. Der Sport hat heute gültige Rechtsnormen außer Kraft gesetzt, wenn man an die „Faustkämpfe” beim Eishockey etwa oder die mittlerweile trainierten „ritualisierten Fouls” beim Fußball denkt, angefangen von den „Nickligkeiten bis zur schweren Körperverletzung”. Es besteht quasi ein „normenfreier Raum”, der gerade auch von den Hooligans für sich reklamiert wird. Nicht die Fairness und Ästhetik des Spiels und das zwischenmenschliche Zusammenwirken sind mehr primär, weil das monetäre Element das „eigentypische Reglement” des Kampfes im Sinne des Fair Play erbittert und gnadenlos überwältigt hat. „Sportliches und finanzielles Überleben” sind angesagt für den Verein und für die Stadt. Man muss heute konstatieren, dass die Berufsfußballer oder -eishockeyspieler einer gewaltsamen Berufskultur angehören, wo Fouls dazugehören und gerechtfertigt sind, was sogar noch mit Anerkennung belohnt wird, sei es im Sport oder in der Gesellschaft. Das Anschauen von Gewalt dieser modernen „Gladiatoren” steigert zwangsläufig die Gewaltanfälligkeit und -neigung der Zuschauer. „Der Spielcharakter” hat verloren durch das Surrogat „wirtschaftliche Gesichtspunkte”, wodurch der Fußballsport zum „Kampfsport” verkommen ist. Der aggressive Athlet wird gleichsam zum „Rollenmodell”. Die Aktionen und Aggressionen greifen auf die Zuschauerränge über und geben dem jugendlichen Fan die erwünschte Möglichkeit, sich mit seinen Vorbildern zu identifizieren und seine Aggressionen auszuleben. Der angeborene Aggressionstrieb wird dabei nicht abgebaut, sondern verstärkt. Es besteht zumindest die latente Gefahr, dass dieses Verhalten nicht nur kurzfristig sich auf die mentale Verarbeitung des aktuellen Spielgeschehens beschränkt; es werden in zunehmenden Maße auch mittel- und langfristig aggressive Verhaltensstile geprägt. Das muss beunruhigen, findet ja schon eine Verlagerung der Fangruppe Hooligans vom Fußballspiel weg in Ausübung ihrer aggressiven Tätigkeit auf das soziale Umfeld dieses Sports statt. Resultat ist vom Empfängerhorizont her dann das Klima der Gewaltbilligung während des Spiels und nach dem Spiel in der sog. „Dritten Halbzeit”. Hinzu tritt die Massensituation mit ihrer Reizbarkeit und Unberechenbarkeit. Die Gewalt der Aktiven auf dem Spielfeld und das Echo der Zuschauer stehen insofern im Verhältnis einer allumfassenden interdependenten konkludenten Interaktion.





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