Das Strategische Innovationszentrum der Bayerischen Polizei

Von Regierungsdirektor Dr. Robert Mizia,
Kommissarischer Leiter des Strategischen Innovationszentrumsder Bayerischen Polizei (SIZ), München

Regierungsdirektor
Dr. Robert Mizia

1. Entstehung und Ziele des SIZ

Das Strategische Innovationszentrum der Bayerischen Polizei (SIZ) ist als Teil des bayerischen Sicherheitspakets nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA eingerichtet worden. Sein wesentlicher Tätigkeitsbereich sollte dabei das „Entwerfen von Analysen und Prognosen neuer Kriminalitätsszenarien“ (Regierungserklärung des Bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Edmund Stoiber vom 09. 10. 2001) sein.

Mit der Einrichtung des SIZ sollen damit folgende strategische Ziele verfolgt werden:


Ø Proaktive Gewinnung von Erkenntnissen über
- neuartige Kriminalitätsformen,
- wissenschaftlich-technische und tak-
tische Ansätze der
• Kriminalitätsbekämpfung sowie im
• Einsatz-,
• Verkehrs-,
• Logistik-,
• Informations- und Kommunikationsbereich;

Ø Entwicklung innovativer Ansätze in der polizeilichen Aufgabenbewältigung und Prüfung möglicher Anwendungsbereiche;

Ø Intensivierung der Zusammenarbeit mit anderen Behörden und Einrichtungen im Bereich der inneren Sicherheit (national wie international) sowie Informationsaustausch mit Industrie und Forschung.

2. Hieraus ergeben sich folgende Aufgabenbereiche:

Ø Entwicklung neuer Methoden, Strategien, Taktiken und Techniken der Kriminalitätsbekämpfung und Polizeiarbeit, u.a. durch

- Markt-, Produkt- und Verfahrensbeobachtung;

- Informationsaustausch mit anderen Polizei- und Sicherheitsbehörden sowie einschlägigen Bereichen der Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung;

- Auswertung von Erkenntnissen und Erfahrungen anderer Polizei- und
Sicherheitsbehörden;

Ø Interdisziplinäre Analysen der polizeilichen Aufgabenbewältigung, insbe-sondere der Kriminalitätsbekämpfung;

Ø Erstellung von Prognosen, Szenarien und Expertisen zur Früherkennung potentieller sicherheitsrelevanter Handlungsweisen, insbesondere terroristischer Gewalttäter;

Ø Allgemeine sowie einzelfallbezogene Bewertung politischer und gesellschaftlicher Entwicklungen und ihrer möglichen Auswirkungen auf die
Sicherheitslage in Bayern.

3. Organisation/Dienstaufsicht

Als dem Bayerischen Staatsministerium des Innern/Abteilung I C (Öffentliche Sicherheit und Ordnung) unmittelbar nachgeordnete Einrichtung der Bayerischen Polizei ist das SIZ organisatorisch und dienstaufsichtlich im Führungsstab des Bayerischen Landeskriminalamtes (BLKA) als eigenständiger Stabsbereich angebunden.



4. Stellensituation

Das SIZ wurde mit insgesamt 10 Stellen für Beamte und Angestellte eingerichtet. Nach der ihm zugrunde liegenden Philosophie soll es seine strategische Aufgabe vor allem durch die Verknüpfung von polizeilichem Fachwissen und wissenschaftlicher Erkenntnis wahrnehmen. Daher war die Intention, es sowohl mit Polizeivollzugsbeamten aus den Sparten Schutz- und Kriminalpolizei (einschließlich Spezialeinsatzkräften) als auch einem möglichst breiten wissenschaftlichen Spektrum von Vertretern aus den Bereichen Geistes-, Natur- und Rechtswissenschaften zu besetzen, um einen interdisziplinären Ansatz zu gewährleisten. Die genaue Ausrichtung im Rahmen einer sukzessiven Besetzung der wissenschaftlichen Stellen ist bewusst Zug um Zug anhand der Aufgabenstellungen und aktuellen Entwicklung der Tätigkeitsfelder des SIZ entstanden. Außerdem wurden die wissenschaftlichen Stellen zunächst auf drei Jahre befristet, um bei geänderter Fokussierung des SIZ-Aufgabenprofils im personellen Bereich Flexibilität zu ermöglichen. Derzeit besteht der „wissenschaftliche“ Teil des SIZ aus einer Politologin mit dem Schwerpunkt ‚Internationale Beziehungen’, einem Elektrotechniker, einem Mathematiker/Informatiker und einem Juristen, der derzeit auch die kommissarische Leitung des SIZ wahrnimmt.


5. Themenfelder

5.1 Auslöser für die Einrichtung des SIZ bei der Bayerischen Polizei waren die Terroranschläge in den USA und dementsprechend auch die Motivation, vor allem im Bereich der Terrorismusforschung und -bekämpfung innovativ tätig zu sein. In diese Richtung konnten mittlerweile dauerhaft internationale Kontakte mit dem Ziel geknüpft werden, das SIZ in einen Wissensverbund führender Institutionen der Terrorismusforschung zu integrieren. Institutionalisierte Mitgliedschaften, Teilnahme am elektronischen Informationsverbund und an ausgewählten Arbeitsgruppen und Konferenzen gewährleisten den Zugang zu aktuellen Forschungserkenntnissen im Hinblick auf die differenzierten Erscheinungsformen des internationalen Terrorismus und die völlig neuen Herausforderungen, denen sich seit den Ereignissen des 11. September 2001 die bayerischen Sicherheitsbehörden zu stellen haben.

5.2 Ein Schwerpunkt der aktuellen Tätigkeit des SIZ liegt derzeit etwa in der Unterstützung der polizeilichen Aus- und Fortbildung sowie einzelner Fachdienststellen der Bayerischen Polizei, insbesondere im Rahmen des Projekts „Aufklärung krimineller islamistischer Strukturen in Bayern – AKIS“, durch die Vermittlung grundlegender Informationen zum Islam als Religion und politischer Ideologie sowie von Erkenntnissen und Erfahrungen über Einstellungen und Normen von Muslimen. Parallel hierzu ist ein Konzept zur zielgruppenspezifischen Vermittlung interkultureller Kompetenz für Polizeibeamte erarbeitet worden. Weiterhin konnte in enger Zusammenarbeit mit der Ermittlungsabteilung des BLKA eine softwarebasierte Lösung hinsichtlich des Abgleichs arabischer Schreibweisen in polizeilichen Datenbanken entwickelt werden.

5.3 Das SIZ hat u.a. auch die Aufgabe, Analysen und Prognosen neuer Kriminalitätsszenarien zu erstellen und hierbei als Frühwarnsystem hinsichtlich künftiger Entwicklungen zu fungieren. Das Tätigkeitsfeld beschränkt sich aber nicht nur auf den Bereich des Terrorismus, sondern umfasst grundsätzlich die gesamte Bandbreite der Kriminalität. Themenbereiche im strategisch-analytischen Bereich sind daher beispiels-weise die Nutzbarkeit der Szenariotechnik für polizeiliche Aufgabenbereiche wie Lagebilder und Kriminalitätsanalysen. Vor dem Hintergrund der EU-Erweiterung wie auch des Globalisierungsprozesses insge-samt – um nur zwei der wichtigsten Einflussfaktoren zu nennen – werden zukünftig politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen in nahezu allen Teilen der Welt unmittelbar oder mittelbar Auswirkungen auf die Sicherheitslage in Deutschland haben.

5.4 Ein weiterer Tätigkeitsschwerpunkt des SIZ liegt im naturwissenschaftlichen Bereich; so gilt es dort, u.a. durch die Analyse moderner Einsatztechnologien der Bayerischen Polizei die Möglichkeit zu eröffnen, für bestimmte fachliche Problemstellungen die besten Lösungen zu finden und gegebenenfalls solche Technik im Rahmen von Pilotprojekten auf ihre polizeiliche Tauglichkeit hin zu testen. Einerseits wird über nationale und internationale Kontakte an den weltweiten Erfahrungen von Sicherheitsbehörden mit innovativer Einsatztechnologie partizipiert, andererseits erhalten interessierte Firmen die Gelegenheit, mit polizeilichen Experten technische Gesichtspunkte und spezifische Fachanforderungen zu diskutieren. Parallel dazu erfolgt die Intensivierung der Kontakte zu Forschungseinrichtungen, um auch in diesem Bereich aktuellste Informationen mit potentiellem Mehrwert für die polizeiliche Praxis zu gewinnen.

5.5 Aktuelle Tätigkeiten in diesem naturwissenschaftlichen Bereich ist die fortlaufende Marktbeobachtung bezüglich biometrischer Verfahren und deren Einsatzmöglichkeiten für die Polizei zur Fahndungs- und Ermittlungsoptimierung; insbesondere durch die Einführung der neuen ‚e-Pässe’ zum 1. November 2005 stellen sich zahlreiche Fragen im Hinblick auf die Auswirkungen, die diese neue Form von Ausweispapieren für die polizeiliche Arbeit hat. Ein weiteres Feld betrifft die Nutzung der RFID-Technologie (RFID = ‚Radio Frequency Identification’), die nicht nur im Bereich von Handel und Logistik, sondern auch für polizeiliche Abläufe und Maßnahmen neue Perspektiven eröffnet. Hinzu kommen Analysen konkret angebotener Einsatztechnologien, die beispielsweise die mobile De-
tektion von Scharfschützen oder Sprengstoffen oder computergestützte Dokumentations- und Rekonstruktionsmethoden wie etwa ‚Photogrammetrie’ oder ‚Laser-Scanning’ betreffen.

5.6 Als Fazit bleibt festzuhalten: Das SIZ hat sich als Instrument zur frühzeitigen Wahrnehmung neuer Trends und Schwerpunkte in polizeilicher Strategie und Taktik sowie im technologischen Bereich bewährt. Eine auch in diesen Bereichen immer schneller voranschreitende Entwicklung macht es zunehmend erforderlich, die Marktbeobachtung nicht nur anlassbezogen, sondern dauerhaft zu betreiben.