Editorial März 2007

Liebe Leserin, lieber Leser,

die internationale Rechtshilfe in Strafsachen erweist sich selbst bei Kapitaldelikten nicht selten als überaus problematisch. Ulrike Eichin, Fernsehjournalistin aus Mainz, bearbeitet ein Beispiel unter dem Titel „Der Fall Flonheim – ein Doppelmörder auf der Flucht“.
 

Herbert Klein Kriminaldirektor, LKA Rheinland-Pfalz, Chefredakteur

  • Am 11. Januar 2007 sollte er vor dem Leipziger Amtsgericht stattfinden, der Berufungsprozess gegen den Türken Farouk A. wegen schweren sexuellen Missbrauchs. Doch der Angeklagte erschien nicht – er ist in seiner Heimat abgetaucht.
  • Auch Remzi K, der in eine Wiesbadener Mordserie verwickelt ist und der im Mai 2004 einen Landsmann erschossen haben soll, erfreut sich irgendwo in der Türkei seiner Freiheit.
  • Aydin Y. hat 1994 in Berlin seine 17-jährige Freundin ermordet und zwölf Jahre lang bei Antalya unbehelligt gelebt. Er konnte von der deutschen Polizei festgenommen werden, als er im Sommer des vergangenen Jahres unvorsichtigerweise nach München flog.

Überall in Deutschland können Staatsanwälte von ähnlichen Fällen berichten, so Ulrike Eichin. Türkische Staatsangehörige, die in Deutschland mit der Polizei in Konflikt geraten, setzen sich in ihre Heimat ab, wo sie für die deutsche Justiz nicht mehr erreichbar sind. Denn die Türkei liefert ihre Landsleute nicht aus und die Ermittlungen der türkischen Polizei verlaufen in vielen Fällen äußerst schleppend.
Als besonders tragisches Beispiel zeigt sich der Doppelmord in Flonheim/Rheinland-Pfalz. Der mit internationalem Haftbefehl gesuchte mutmaßliche Täter Kenan Kütük war in der Türkei über drei Jahre abgetaucht, obwohl deutsche Zielfahnder den Aufenthaltsort schnell ermittelt hatten. Reportern des ZDF wurde vor Ort ein Drehverbot erteilt. Begründung: keine.
Der überaus ernüchternde Befund der Autorin: Wie kann es sein, dass ein mutmaßlicher Doppelmörder so lange unbehelligt bleibt.

Der Sachbeweis nimmt im Rahmen der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung von je her eine herausragende Stellung ein, da angesichts der verfügbaren wissenschaftlichen Methoden und Standards eine überzeugende Beweiskraft erreicht werden konnte. Dr. Gottfried Vordermaier, Abteilungspräsident und Leiter des Kriminaltechnischen Instituts des Bundeskriminalamtes in Wiesbaden hat sich anlässlich des GdP-KriPo Forums „Kriminaltechnik“ Ende Oktober 2006 in Mainz unter dem Titel „Qualität und Entwicklung in der Kriminaltechnik aus Sicht des BKA“ mit dem aktuellen Stand und den Perspektiven auseinandergesetzt.
Er stellt fest, dass sich dieser in den letzten Jahrzehnten rasant gewachsene Wissenschaftszweig gegenwärtig eines großen öffentlichen Interesses erfreut. Das Erscheinen entsprechender Themenhefte oder aber Krimi-Serien im Fernsehen wie beispielsweise „CSI“ spiegeln diesen Aspekt wider. Zudem betrachtet er die Kompetenz, den Stand der kriminaltechnischen Wissenschaften und die optimale Ausnutzung der Ressourcen sowie die Kriminaltechnik heute und morgen.
Schicksal der Kriminaltechnik heute und morgen müsse Folge eines verantwortungsvollen und weitsichtigen kriminalpolitischen Wirkens sein, fasst Dr. Vordermaier zusammen. Ohne den durch die Kriminaltechnik bereitgestellten belastbaren Sachbeweis werde polizeiliche Arbeit vielfach müßig sein. Durch die Einführung wirksamer Instrumente modernen Managements, eine enge Kooperation zwischen Bund und Ländern sowie eine verstärkte internationale Zusammenarbeit müsse die Kriminaltechnik den Herausforderungen knapper Ressourcen begegnen.

Seit den Anschlägen am 11. September 2001 in den Vereinigten Staaten hat sich zunehmend gezeigt, dass die politischen Verhältnisse im Nahen Osten einen bedeutenden Einfluss auf islamistisch motivierte Netzwerke und damit auch auf die Sicherheitslage der westlichen Welt haben. Folglich ist es für alle Verantwortlichen der Sicherheitsbehörden von Interesse, welche Entwicklungen sich in dieser Region abzeichnen und wie sie zu beurteilen sind.
Dr. Marwan Abou Taam, Politik- und Islamwissenschaftler aus Mainz, betrachtet in seinem Beitrag „Die amerikanisch-iranischen Beziehungen - Einblick in die Zukunft“ die aktuellen Entwicklungen. Seine Ausführungen münden in die bemerkenswerte Feststellung, dass die USA langfristig den Iran werden für sich gewinnen müssen: „Der Iran kennt seine mögliche Rolle, läuft jedoch Gefahr sich mit seiner Atompolitik zu überschätzen. Obwohl der Iran Teil der Region und damit Teil der dort vorherrschenden Mentalität ist, gelingt es ihm kaum, mit den emotionalen Ausbrüchen umzugehen und seine Pläne auf das sensible System von staatlichen Interessen und emotionalen Verwundbarkeiten einzustimmen. Für Demokratien, die ihre Politik innenpolitisch legitimieren müssen, ist es umso komplizierter. Der Nahe Osten ist wie Treibsand, denn dort sind Bündnisse nicht viel Wert und strategische Rahmenbedingungen ändern sich so schnell, dass die Lösung eines Problems stets ein neues Problem darstellt. Das ist das Dilemma der Amerikaner“, so Dr. Abou Taam.

Interessante „Einblicke und Erklärungsansätze zum Suizid“ hat Prof. Dr. Erich Müller aus Dresden in seinem Beitrag bearbeitet. Er beleuchtet die unterschiedlichsten Facetten des Phänomens und mündet im Ausblick in die Feststellung, dass die auslösende Ursache zum Suizid nach wie vor ein multikausales Geschehen ist. Gleichwohl gibt es wissenschaftliche Hinweise, wonach auch gewisse biochemische Prozesse das Geschehen beeinflussen könnten.

Herbert Klein