Führungsaufsicht: Prävention von Delikten gemäß § 184b StGB „Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornografischer Inhalte“

Von PD a.D. Rainer Becker und Prof. Dr. Mirko Faber, Nordenham/Güstrow

 

1 Einleitung

 

Seit Juli 2021 sind sexualisierte Gewalt gegen Kinder und nahezu sämtliche Tatvarianten rund um die sog. Kinderpornografie zu besonders verwerflichen Straftaten (= Verbrechen) geworden und mit einer Mindeststrafandrohung von einem Jahr Freiheitsstrafe bewehrt.2 In diesem Zusammenhang weisen die Verfasser darauf hin, dass gemäß § 181b StGB das Gericht nun auch in den Fällen des § 184b StGB „Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornografischer Inhalte“ Maßnahmen der Führungsaufsicht anordnen kann (§ 68 Abs. 1 StGB). Wer während der Führungsaufsicht gegen eine bestimmte Weisung der in § 68b Abs. 1 StGB bezeichneten Art verstößt und dadurch den Zweck der Maßregel gefährdet, wird gemäß § 145a StGB mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Die Tat wird nur auf Antrag der Aufsichtsstelle (§ 68a StGB) verfolgt. Vor dem Hintergrund der explodierenden Zahlen, insbesondere in Zusammenhang mit Delikten gemäß § 184b StGB, stellt diese Regelung einen Fortschritt dar.3 In Bezug auf die Anwendung der durch die §§ 145a, 68b, 181b StGB eröffneten Möglichkeiten wird sicherlich je nach Einzelfall zu differenzieren sein. Maßstab für die Anordnung der Führungsaufsicht nach § 68 Abs. 1 StGB ist eine prognostische Entscheidung des Gerichts dahingehend, ob die Gefahr der Begehung weiterer Straftaten besteht.4 Kriterien könnten z.B. sein, inwieweit es sich um einen Ersttäter oder Wiederholungstäter handelt. Bei Ersttätern sollte besonders erörtert werden, wieviel strafbares Material bei ihnen gefunden wurde, wie „aggressiv“ das ausgewertete Material war, mit wie vielen Personen sie dies geteilt hatten und ob sie ggf. auch selbst beweisbar aktiv sexuellen Missbrauch betrieben haben.

 

 

2 Maßnahmen der Einflussnahme

 

Die Strafvollstreckungskammer kann der verurteilten Person Weisungen für ihre künftige Lebensführung erteilen. Die Führungsaufsichtsstelle überwacht im Einvernehmen mit dem Gericht das Verhalten der verurteilten Person und die Erfüllung der Weisungen.5 Dazu kann die Führungsaufsichtsstelle gemäß der in § 463a Abs. 1–3 StPO eingeräumten Kompetenzen von sämtlichen öffentlichen Behörden Auskünfte einholen, Ermittlungen anstellen oder solche durch andere Behörden im Rahmen ihrer Zuständigkeit vornehmen lassen.6

Weisungen können z.B. sein:

 

  • den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis der Aufsichtsstelle zu verlassen,
  • sich nicht an bestimmten Orten aufzuhalten, die der unter Aufsicht stehenden Person Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können,
  • zu der verletzten Person oder bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe, die Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen,
  • bestimmte Tätigkeiten nicht auszuüben, die sie nach den Umständen zu Straftaten missbrauchen kann,
  • bestimmte Gegenstände, die Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, nicht zu besitzen, bei sich zu führen oder verwahren zu lassen,
  • Kraftfahrzeuge oder bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen oder von anderen Fahrzeugen nicht zu halten oder zu führen, die sie nach den Umständen zu Straftaten missbrauchen kann,
  • sich zu bestimmten Zeiten bei der Aufsichtsstelle, einer bestimmten Dienststelle oder der Bewährungshelferin oder dem Bewährungshelfer zu melden,
  • jeden Wechsel der Wohnung oder des Arbeitsplatzes unverzüglich der Aufsichtsstelle zu melden,
  • sich im Fall der Erwerbslosigkeit bei der zuständigen Agentur für Arbeit oder einer anderen zur Arbeitsvermittlung zugelassenen Stelle zu melden,
  • keine alkoholischen Getränke oder andere berauschende Mittel zu sich zu nehmen, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen Gründe für die Annahme bestehen, dass der Konsum solcher Mittel zur Begehung weiterer Straftaten beitragen wird, und sich Alkohol- oder Suchtmittelkontrollen zu unterziehen, die nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sind,
  • sich zu bestimmten Zeiten oder in bestimmten Abständen bei einer Ärztin oder einem Arzt, einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten oder einer forensischen Ambulanz vorzustellen oder
  • die für eine elektronische Überwachung ihres Aufenthaltsortes erforderlichen technischen Mittel ständig in betriebsbereitem Zustand bei sich zu führen und deren Funktionsfähigkeit nicht zu beeinträchtigen.

Die letztgenannte Weisung meint konkret die sog. elektronische Fußfessel, die einen besonders schwerwiegenden Eingriff in die private Lebensgestaltung beinhaltet. Deshalb ist diese Weisung nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich.

 

3 Eine Kontrolle der Kommunikationsmittel des Betroffenen?


Bezugnehmend auf die Feststellung, dass die Führungsaufsichtsstelle von sämtlichen öffentlichen Behörden Auskünfte einholen und selbst Ermittlungen anstellen oder von anderen Behörden vornehmen lassen kann, stellt sich die Frage, ob und wie hierbei ggf. auch die im Besitz der Betroffenen befindlichen Kommunikationsmittel (effektiv) begrenzt oder sogar unangekündigt stichprobenhaft kontrolliert werden können.

Ein Vergleich mit der sog. Razzien-Kontrolle aus dem Polizeirecht, bei der die Polizei sogar ohne richterliche Anordnung an „gefährlichen“ Orten bei allen Personen, die sich dort aufhalten, die Identität feststellen und sie und ihre mitgeführten Sachen durchsuchen darf,7 mit einer durch ein Gericht bestätigten Weisung, eine Kontrolle zu ermöglichen, legt nahe, dass eine Begrenzung/Kontrolle der Kommunikationsmittel der unter Führungsaussicht stehenden Person nicht von vornherein ausgeschlossen sein dürfte. Immerhin hat sich die betroffene Person gerichtlich festgestellt als „gefährlich“ erwiesen, denn sonst wäre sie ja nicht unter Führungsaufsicht gestellt worden. Darüber hinaus sei auf die Tatsache verwiesen, dass im Rahmen der Führungsaufsicht sogar – sicherlich am Einzelfall orientiert – grundsätzlich auch so schwerwiegende Eingriffe wie die elektronische Überwachung des Aufenthaltsortes mittels einer elektronischen Fußfessel im Rahmen der Führungsaufsicht erlaubt sind.8

Fakt ist, dass es sich bei der Kontrolle von E-Mails und Dateien um Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis gemäß Art. 10 GG handelt.9 Eingriffe in Art. 10 GG unterliegen den Schranken des Art. 10 Abs. 2 GG, also einem Gesetzesvorbehalt. Eine entsprechende gesetzliche Eingriffsgrundlage stellt z.B. § 100a StPO, Telekommunikationsüberwachung, dar. Neu lässt § 100a StPO eine Telekommunikationsüberwachung auch zur Aufklärung von Straftaten gemäß §§ 184b, 184c Abs. 2 StGB zu.10

Wenn denn bereits zum Zwecke der Aufklärung dieser Taten mit Richtervorbehalt ein heimlicher Eingriff in das Fernmeldegeheimnis der Betroffenen möglich ist, dann sollte dies erst recht zum Zweck der Verhütung dieser Taten nach richterlich festgestellter Wiederholungsgefahr und richterlich verfügter Führungsaufsicht möglich sein. Immerhin genügt für eine Anordnung nach § 100a StPO bereits ein Tatverdacht in Bezug auf eine entsprechend schwere Straftat, was in der Gewichtigkeit der Verdachtsmomente deutlich unterhalb von hinreichendem und dringendem Tatverdacht und damit unter einer Wahrscheinlichkeit von 50% für eine spätere Verurteilung rangiert.11 Die demgegenüber für die Anordnung der Führungsaufsicht (§ 68 StGB) anzustellende Gefahrenprognose verlangt, dass bei dem Täter eher damit zu rechnen ist, dass er neue Straftaten begeht, als dass solche ausbleiben werden, was einer Gefahr von über 50% entspricht.12 Hinzu käme, dass, durch die vorherige Ankündigung entsprechender Maßnahmen in Form der gerichtlich verfügten Weisung, der Eingriff sogar milder als eine heimlich durchgeführte Überwachung der Telekommunikation ausfiele.

Die Verfasser kommen daher zu dem Ergebnis, dass eine Begrenzung oder Kontrolle der Kommunikationsmittel von unter Führungsaufsicht stehenden Personen zulässig ist. Allerdings dürfte eine Begrenzung aus dem Grund, dass Kommunikationsmittel wie das Mobiltelefon zum einen auch versteckt oder bei dritten Personen deponiert werden können und zum anderen in Notfällen zum Herbeiholen von Hilfe erforderlich sein könnten, eher nicht zielführend erscheinen.

Aber die Weisung, dass die unter Aufsicht stehenden Personen unangekündigte stichprobenhafte Kontrollen durch Polizeibeamte, wie auch immer technisch durchgeführt, zu ermöglichen haben, dürfte durchaus ausreichen, diese von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten oder aber eben einen Rückfall zu beweisen und daraus die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen.

 

4 Schluss


Nach den Nachbesserungen zur Verbesserung des Schutzes von Kindern vor sexualisierter Gewalt hat sich vieles getan. Dabei gilt es noch einige der neuen Regelungen mit ihren Möglichkeiten weiter auszuloten und ohne unnötige Verzögerungen anzuwenden – so wie auch zukünftig die Führungsaufsicht nach Straftaten gemäß § 184b StGB.

 

Anmerkungen

 

  1. Rainer Becker ist Polizeidirektor und Hochschuldozent a.D. sowie Ehrenvorsitzender der Deutschen Kinderhilfe – Die ständige Kindervertretung e.V.; Prof. Dr. Mirko Faber lehrt Eingriffsrecht und Strafrecht am Fachbereich Polizei der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung, Polizei und Rechtspflege des Landes Mecklenburg-Vorpommern.
  2. Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder vom 16. Juni 2021, BGBl. I 2021, S. 1810–1815.
  3. So ist für die Jahre 2016 bis 2021 ein enormer Anstieg in Bezug auf die Anzahl der polizeilich erfassten Fälle gemäß § 184b StGB von 5.687 (2016) auf 39.171 (2021) zu verzeichnen, vgl. de.statista.com/statistik/daten/studie/1110942/umfrage/polizeilich-erfasste-faelle-im-zusammenhang-mit-kinderpornographie/.
  4. Braasch, M., in: Dölling/Duttge/Rössner: StGB, 5. Auflage 2022, § 68, Rn. 2.
  5. Heuchemer, M., in: BeckOK, 53. Ed. 1.5.2022, § 68a, Rn. 4.
  6. Groß, K.-H./Ruderich, D., in: MüKoStGB, 4. Auflage 2020, § 68a, Rn. 7–8.
  7. Exemplarisch für die Zulässigkeit: §§ 29 Abs. 1, S. 2, 53 Abs. 1 Nr. 3, 57 Abs. 1 Nr. 4 SOG M-V.
  8. § 86b Abs. 1 Nr. 12 StGB.
  9. Das Fernmeldegeheimnis dient dem Schutz der unkörperlichen Übermittlung von Informationen an individualisierte Empfänger mit Hilfe des Telekommunikationsverkehrs, vgl. BVerfGE 115, 166 (182); 124, 43 (54). Einen Eingriff in das Fernmeldegeheimnis stellt jede Kenntnisnahme, Aufzeichnung und Verwertung von Kommunikationsdaten sowie jede Auswertung ihres Inhalts oder sonstige Verwendung durch die öffentliche Gewalt dar, vgl. BVerfGE 85, 386 (398); 100, 313 (366); 110, 33 (52 f.); 125, 260 (310).
  10. § 100a Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 lit. g).
  11. Graf, J.-P., in: BeckOK StPO, 43. Ed. 1.4.2022, § 100a, Rn. 106.
  12. Groß, K.-H./Ruderich, D., in: MüKoStGB, 4. Auflage 2020, § 68, Rn. 8.