GdP-Position:

„Halt geben – Haltung stärken“; mehr Wertschätzung für die Polizei in unruhigen Zeiten


Bundesvorstand der Gewerkschaft der Polizei (GdP)


Vor dem Hintergrund der jüngsten Entwicklungen über neue Rechtsextremismusverdachtsfälle in der Polizei sowie im Zuge des von Bundesinnenminister Horst Seehofer Anfang Oktober 2020 nunmehr vorgestellten Lageberichts zu Extremismusfällen in den Sicherheitsbehörden hat die Gewerkschaft der Polizei (GdP) zu diesem hochaktuellen und brisanten Thema klar Stellung bezogen und dies nach einer Bundesvorstandssitzung entsprechend deutlich in einem Positionspapier formuliert.

 

Jörg Radek, stellv. Bundesvorsitzender
der GdP.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) fordert die politischen Verantwortlichen und Akteure auf, sich intensiver mit den Arbeitssituationen und dem Arbeitsumfeld in der Polizei zu befassen, gleichzeitig wertschätzender mit den Beschäftigten in der Polizei umzugehen und ruft nebstdem dazu auf, den nahezu 350.000 Polizeibeschäftigten Halt zu geben und offen Haltung gegen menschenverachtende Hetze und Rassismus innerhalb der Polizei zu beziehen. „Defizite einzuräumen, zeugt von Größe. Sie zu überwinden, zeugt von Stärke. Unsere Polizei hat beides, das wissen wir als Sprachrohr der Polizeibeschäftigten“, sagte der stellvertretende GdP-Bundesvorsitzende Jörg Radek am Rande dieser Bundesvorstandssitzung in Berlin. Das Gremium sprach sich für eine „Untersuchung des Polizeialltags“ aus.


Nachfolgend die Kurzfassung des Positionspapiers im beschlossenen Wortlaut:


Die Gewerkschaft der Polizei steht für Demokratie, für Rechtsstaatlichkeit, für eine offene und bürgernahe Polizei. Dieses bei der Gründung der GdP vor 70 Jahren manifestierte und über Jahrzehnte gewachsene Bild einer zivilen, die freiheitlich demokratische Grundordnung verteidigende Polizei ist in jüngster Zeit durch das Agieren einiger Polizeibeschäftigter in Schieflage geraten. Das schädigt den Ruf, das Ansehen und letzten Endes das hohe Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei. Wenn es um rechte Hetze und mangelnde Distanz zu rassistischen und menschenverachtenden Äußerungen geht, darf ausgerechnet die Polizei kein Spiegelbild der Gesellschaft sein. Derartige Vorfälle müssen mit aller Konsequenz aufgearbeitet und verfolgt werden.


Eine Stigmatisierung der gesamten Polizei und das Einordnen in die rechte Ecke sind inakzeptabel und werden dem Thema in keiner Weise gerecht. Die GdP erachtet die Aufarbeitung rechtsextremer und rassistischer Entgleisungen in der Polizei ausdrücklich als notwendig und berechtigt. Die GdP fordert die Politik dazu auf, sich darüber hinaus intensiver mit den Arbeitssituationen und dem Arbeitsumfeld in der Polizei zu befassen und wertschätzender mit den Beschäftigten in der Polizei umzugehen, die sich unter immer schwieriger werdenden Bedingungen – teilweise unter Einsatz ihrer Gesundheit und ihres Lebens – für das friedliche Zusammenleben in unserer Gesellschaft einsetzen. Jeder der bekanntgewordenen Vorfälle ist einer zu viel. Jeder Vorfall erregt die Öffentlichkeit, wird intensiv thematisiert, aber auch von interessierter Seite dazu benutzt, die Polizei in ihrer Gesamtheit zu verunglimpfen. Dazu gehört auch die sachlich nicht zu rechtfertigende Analogie zu dem Vorfall George Floyd und der Polizei in den USA.


Auch wenn es sich bei den rechtsextremen Umtrieben nur um Wenige handelt, verursachen diese Wenigen einen erheblichen Schaden für die Institution „Polizei“ und erschüttern das extrem hohe Vertrauen der Menschen in ihre Polizei. Sie schaden jedem/jeder einzelnen Beschäftigten und erschweren das polizeiliche Einschreiten Dies ist absolut inakzeptabel und erfordert eindeutige Maßnahmen. Die GdP folgt einem ethischen Wertekompass. Sie fordert alle Polizeibeschäftigten dazu auf, eindeutig Haltung zu zeigen und gegen rechtsextreme Ansichten klar Stellung zu beziehen. Das Eintreten gegen Rassismus, Hass und Gewalt gehört zur Grundeinstellung eines/einer jeden Polizeibeschäftigten. Notwendig ist es, diese Haltung über ein gesamtes Dienstleben hinweg, von der Einstellung, über die Vereidigung, die Versetzung in den Dienst bis hin zum Eintritt in den Ruhestand und darüber hinaus, selbstbewusst zu vertreten. Die dazu erforderlichen Rahmenbedingungen müssen die Dienstherren – müssen die Arbeitgeber – schaffen.


Dabei ist wesentlich, dass der Staat respektvoll mit den Bürgerinnen und Bürgern umgeht. Umgekehrt können die „Repräsentanten des Staates“ verlangen, dass mit ihnen ebenso respektvoll umgegangen wird.


Die jetzt bekannt gewordenen Fälle zeigen, dass Einstellungen sich im polizeilichen Alltag verändern können. Bei wenigen Beschäftigten ist offenbar das innere Wertebild ins Wanken geraten und das macht sie für fragwürdige Botschaften empfänglich.


Wie kann in einer immer stärker polarisierten Gesellschaft die Widerstandkraft von Polizeibeschäftigten gegen Alltagsrassismus und Radikalisierung gestärkt werden? Das ist die Kernfrage, die gründlich untersucht und beantwortet werden muss. Die GdP fordert deshalb eine Untersuchung, die sich nicht nur mit rechtsradikalen und rassistischen Auswüchsen beschäftigt, sondern mögliche Ursachen in den Blick nimmt. Wir stellen uns schützend vor die Kollegen und Kolleginnen, die in besonders belastenden Bereichen arbeiten. Sie werden seit Jahren mit ihren Problemen weitgehend allein gelassen. Stattdessen müssen ihnen Hilfen angeboten werden, damit sie mit dem spezifischen „Frust“ und ihren Vergeblichkeitserfahrungen angemessen umgehen können.


Mit uns wird es eine konstruktive Auseinandersetzung in der Sache geben, in der auch die Expertinnen und Experten aus der Polizei selbst zu Wort kommen! Es geht um Wertschätzung und Anerkennung in alle Richtungen und dazu gehört, auch alle Stimmen zu Wort kommen zu lassen. Die daraus resultierenden Reformüberlegungen müssen ergebnisoffen herausgearbeitet und konsequent umgesetzt werden.


Wir brauchen eine Antwort auf die Frage, warum reagieren einige Polizeibeschäftigte auf psychische Belastungen im Alltag anders als die Mehrheit der Polizeibeschäftigten? Welche Umstände verändern das Verhalten?


Für die GdP steht aber auch fest: Egal, welchen Belastungen die Polizei ausgesetzt ist, sie rechtfertigen niemals rechtsextreme oder rechtsradikale Äußerungen oder Verhaltensweisen.


Aus diesen Gründen fordert die GdP ein umfassendes interdisziplinäres Forschungsvorhaben, in dem

 

  • Frustrationstrends und Zufriedenheitswerte erhoben werden und bewertet wird, wie sich diese auf die alltägliche Arbeit im Innen- und Außenverhältnis auswirken,
  • insbesondere psychische Belastungsfaktoren des alltäglichen Dienstes umfassend identifiziert und beschrieben werden,
  • Auswirkungen dieser Belastungen auf Frustration und Zufriedenheit erhoben und bewertet werden,
  • Faktoren identifiziert werden, die eine rechtsstaatliche Fehlerkultur fördern, sowie falsch verstandenes „Wir-Gefühl“ und rechtswidriges Polizeihandeln verhindern,
  • die daraus resultierenden nötigen Reformüberlegungen ergebnisoffen herausgearbeitet und umgesetzt werden,
  • die Forschung auch die Umsetzung der Erkenntnisse begleitet.


Es bedarf einer Institutionalisierung dieser Forschung an polizeilichen Aus- und Fortbildungseinrichtungen.


Die GdP selbst wird eine Expertengruppe einsetzen, die jetzt die nötigen Sofortmaßnahmen wie auch notwendige begleitende und unterstützende Maßnahmen erarbeitet. Die gegenwärtige Diskussion um rassistische Auswüchse Weniger innerhalb der Polizei kann nur vor dem Hintergrund geführt werden, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Polizei trotz der seit Jahren bekannten widrigen Umstände des Arbeitsalltags ihren Dienst seriös, kompetent, vorurteilsfrei, bürgerorientiert und rechtstaatlich verrichten können. Sie haben endlich größere gesellschaftliche und politische Aufmerksamkeit verdient.


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