Editorial

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

 

das durch die weltweite Coronakrise gekennzeichnete Jahr 2020 neigt sich dem Ende zu. Wir haben in der September-Ausgabe unserer Zeitschrift die Auswirkungen der „SARS-CoV-2-Infektionen“ auf die polizeiliche Arbeit, die Kriminalitätsentwicklung sowie die grundgesetzlich verbürgten Freiheitsrechte ausführlich dargestellt und mit kompetenten Interviewpartnern diskutiert. Gleich mehrere Rückmeldungen haben diese Schwerpunktsetzung bestätigt. Vor Ihnen liegt nun das Heft 4/2020 und damit die letzte Ausgabe in diesem außergewöhnlichen Jahr.


Darin setzt sich zunächst Prof. Dr. Anja Schiemann, Universitätsprofessorin und Fachgebietsleiterin Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminalpolitik an der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster, mit der Strafbarkeit von Bildaufnahmen des Intimbereichs auseinander. Dieses auch unter den Bezeichnungen „Upskirting“ und „Downblousing“ firmierende Phänomen war zuletzt Gegenstand einer intensiven rechtspolitischen Diskussion, die schließlich am 2.7.2020 zur Verabschiedung des § 184k StGB führte. Die im dreizehnten Abschnitt (Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung) verortete und als relatives Antragsdelikt ausgestaltete Norm soll sowohl dem Schutz des höchstpersönlichen Lebensbereichs als auch dem Recht auf sexuelle Selbstbestimmung dienen, das Unrecht derartiger Handlungen nachdrücklich in das Bewusstsein der Bevölkerung bringen und potenzielle Täter abschrecken. „Upskirtings“ und Downblousings“ stellen nach Darstellung unserer Autorin zweifellos strafwürdige Handlungen dar, auf die nunmehr mit einem ausgewogenen Straftatbestand reagiert worden ist. Die Fachgebietsleiterin prognostiziert allerdings nur geringe Fallzahlen – und dies trotz einer besonderen medialen Aufmerksamkeit bei diesen Sachverhalten. Insofern bleibt abzuwarten, ob die neu geschaffene Norm eine nennenswerte kriminalistische Bedeutung erlangen wird.


Möglichkeiten der Kriminalprävention bei körperlichen, sexuellen und psychischen Gewaltakten gegen Frauen werden durch EKHK a.D. Klaus Kemper erörtert. Der ehemalige Leiter des Kriminalkommissariats für Kriminalprävention und Opferschutz beim Polizeipräsidium Duisburg befasst sich auf der Grundlage konkreter Beispiele mit Präventionsansätzen und differenziert dabei anhand der Täter-Opfer-Beziehung. Berechtigt stellt er fest, dass allein Strafandrohungen oder -verschärfungen ohne begleitende Maßnahmen Täter eher nicht von ihrem Tatentschluss abhalten können.


Dr. Sören Pansa nimmt in einem Fachaufsatz zum „Kurswechsel der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Versuch des schweren Wohnungseinbruchsdiebstahls“ Stellung. Der Kieler Staatsanwalt beleuchtet die Rechtsprechung seit Inkrafttreten des § 244 Abs. 4 StGB (Einbruchsdiebstahl in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung) als Verbrechenstatbestand, geht insbesondere auf die bemerkenswerte Neuausrichtung des 5. Senats des Bundesgerichtshofes ein und stellt Hintergründe sowie die damit verbundenen Auswirkungen auf ermittlungstaktische Ansätze wie verdeckte Datenerhebungsmaßnahmen und vorläufige Festnahmen dar.


In weiteren Fachbeiträgen geht es um die polizeiliche Fotografie, Aspekte des wichtigen Kinderschutzes, Wirtschaftskriminalität durch „entgleiste Führungskräfte“ und damit verbundene persönlichkeitspsychologische Erklärungsmodelle, Cybercrime aus Sicht der Aus- und Fortbildung, Bewältigungsprogramme der Corona-Pandemie sowie die unterschiedlichen sicherheitspolitischen Ansätze im föderalen System der Bundesrepublik Deutschland. Diese Heterogenität, auf die bereits in einem Beitrag der Kriminalpolizei 1/2020 kritisch hingewiesen wurde, führt unweigerlich zu uneinheitlichen Sicherheitsstandards und damit zu einem „Flickenteppich“, der in der bestehenden Form kaum sinnvoll zu begründen ist. Hinweise im Schrifttum auf regionale Besonderheiten, unterschiedliche Mentalitäten sowie innovative Entwicklungsmöglichkeiten greifen zumindest zu kurz.


Eine strafrechtliche Rechtsprechungsübersicht, Aktuelles aus dem Netz, Rezensionen und gewerkschaftspolitische Nachrichten runden unsere Zeitschrift schließlich ab.


Liebe Leserinnen und Leser, wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre und sind auf Ihre Anmerkungen gespannt. Zugleich wünschen wir Ihnen und Ihren Familien ein besinnliches Weihnachtsfest, einige erholsame Tage zwischen den Jahren sowie ein gesundes, glückliches und erfolgreiches Jahr 2021 – und zwar möglichst ohne überbordende Infektionszahlenund damit verbundene Einschränkungen. Wir freuen uns auf den weiteren Austausch mit Ihnen.


Für das Redaktionsteam


Ihr


Hartmut Brenneisen



Foto: Nila.