Strafbarkeit des Cybermobbings de lege lata und de lege ferenda

Von Prof. Dr. Anja Schiemann, Münster

1 Einleitung


Für den Begriff des Cybermobbings gibt es keine feststehende Legaldefinition. Nach allgemeinem Sprachverständnis werden hierunter Handlungsweisen zusammengefasst, die verschiedene Formen der Diffamierung, Belästigung, Bedrängung und Nötigung beinhalten können und mit Hilfe elektronischer Kommunikationsmittel, insbesondere über das Internet, verbreitet werden.2 Im Jahr 2018 gaben 18% der Erwachsenen an, von Cybermobbing betroffen zu sein.3 Bei Kindern und Jugendlichen ist das Phänomen sogar noch verbreiteter. Laut JIM-Studie aus dem Jahr 2018 wurden in dieser Gruppe 34% Opfer von Cybermobbing.4
Daher wurde und wird immer wieder gefordert, ähnlich wie im österreichischen Strafgesetzbuch einen expliziten Straftatbestand zum Schutz vor Cybermobbing zu schaffen. Allerdings können die klassischen Fälle des Cybermobbings bereits über eine Vielzahl bestehender Normen des StGB erfasst werden. Das Problem liegt häufig eher darin, dass Fälle des Cybermobbings – auch wegen der fehlenden Anzeigebereitschaft – strafprozessual nicht verfolgt werden.5 Zudem ist beim Cybermobbing im Gegensatz zum Mobbing in der realen Welt der Täter häufig unbekannt, so dass sich für die Strafverfolgungsbehörden eine Ermittlung des unter einem Pseudonym oder anonym handelnden Täters und der Nachweis der Tat(en) schwierig gestaltet.6

2 Straftatbestände7


Dennoch kommt zunächst ein bunter Strauß an Vorschriften in Betracht, die die strafrechtliche Ahndung auch der klassischen Fälle des Cybermobbings möglich machen:

  • Ehrverletzungsdelikte gem. §§ 185 ff. StGB
  • Verletzung des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs gem. §§ 201 ff. StGB
  • Recht der Selbstdarstellung gem. §§ 22, 23, 33 KUrhG
  • Nachstellung gem. § 238 StGB

2.1 Ehrverletzungsdelikte

Die Ehrverletzungsdelikte sind wegen ihres unbestimmten (aber verfassungsrechtlich unbeanstandeten)8 Wortlauts, grundsätzlich auch auf Beleidigungen, Verleumdungen und üble Nachrede mittels Nutzung des Internets oder anderer Kommunikationsmittel übertragbar und insoweit technikoffen.9 Es handelt sich um Kundgabedelikte, so dass nicht nur direkte Äußerungen erfasst werden, sondern es gerade im Internet ausreichen kann, einen Beitrag zu teilen oder einen Link zu setzen.10
Der Beleidigungstatbestand § 185 StGB umfasst drei Begehungsformen:

  • die Äußerung eines beleidigenden Werturteils gegenüber dem Betroffenen,
  • die Äußerung eines beleidigenden Werturteils gegenüber einem Dritten sowie
  • die Behauptung einer ehrenrührigen Tatsache gegenüber dem Betroffenen, wobei die Behauptung dann unwahr sein muss.11

Die Äußerung muss eine Missachtung oder Nichtachtung zum Inhalt haben. Die Frage nach dem ehrverletzenden Inhalt hängt dabei vom objektiven Sinngehalt ab, die ein verständiger Dritter der Äußerung beimisst. Bei Äußerungen im Internet, z.B. in Blogs oder Foren, ist aber in der Regel ein großzügigerer Maßstab anzulegen, da die Eigenart und die besondere Internetsprache zu berücksichtigen sind – so dass gerade auch bei Bewertungsportalen plakative und provokative Äußerungen nicht per se ehrverletzend sind. Vielmehr kommt es auf die Substanz der Äußerung an.12 Bei Fällen klassischen Cybermobbings, in denen persönliche Angriffe oder Diffamierungen einer Person ins Netz gestellt werden, ist der Beleidigungstatbestand unproblematisch erfüllt.
Werden dagegen nicht Werturteile, sondern Tatsachenbehauptungen gegenüber Dritten im Internet verbreitet, die einen Angriff auf die Ehre des Betroffenen darstellen, so kann als eigenständiger Tatbestand § 186 StGB verwirklicht sein. Der Tatsachenbegriff ist sehr weit und nur vom Bereich des intersubjektiven Meinens und Wertens begrenzt, so dass eine Tatsachenbehauptung alles umfassen kann, was wahr oder falsch sein kann und der Nachprüfbarkeit prinzipiell zugänglich ist.13 Die Tatsache muss geeignet sein, die betroffene Person verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, wobei sie objektiv geeignet sein muss, das Opfer in der Meinung eines größeren, nicht geschlossenen Teils der Bevölkerung als verachtenswert erscheinen zu lassen.14 Mit Ausnahme eng umgrenzter Chatgruppen wird daher auch Cybermobbing häufig den Straftatbestand der üblen Nachrede gem. § 186 StGB erfüllen, sofern es sich um unwahre Tatsachen handelt. Denn der Straftatbestand des § 186 StGB fordert die Verbreitung nicht erweislich wahrer Tatsachen. Beschränkt sich der Täter auf die Verbreitung ehrverletzender, sich schließlich als wahr herausstellender Tatsachen, so kommt eine Verwirklichung des § 186 StGB nicht in Betracht. Werden z.B. peinliche Videoaufnahmen des Opfers im Internet veröffentlicht, so ist § 186 StGB gerade nicht erfüllt. Anders ist es dagegen, sofern Videomontagen ins Netz gestellt werden.15
Da ehrverletzende Publikationen im Internet grundsätzlich weltweit abrufbar, dauerhaft auffindbar und kaum wieder zu löschen sind, ist bei Cybermobbing durch Verbreiten ehrverletzender, unwahrer Tatsachen in der Regel die Qualifikation des § 186 Hs. 2 StGB erfüllt, die einen höheren Strafrahmen von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe vorsieht.16Bei der Verleumdung gem. § 187 StGB muss im Gegensatz zu § 186 StGB feststehen, dass die behauptete Tatsache unwahr ist.17 Zudem muss der Täter sicheres Wissen von der Unwahrheit der Tatsache haben. Sind die Voraussetzungen des § 187 StGB erfüllt, so ist sowohl die drohende Strafe des Grunddelikts als auch die der Qualifikation gegenüber § 186 StGB höher. Stellt der Cybermobber also eine unwahre Tatsache wider besseres Wissen ins Internet, die geeignet ist, das Mobbingopfer verächtlich zu machen oder herabzuwürdigen, so drohen empfindliche Strafen. Schon der Grundtatbestand sieht einen Strafrahmen von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe vor, die Qualifikation, die bei Cybermobbing in der Regel auch in Bezug auf § 187 StGB in den entsprechenden Fallkonstellationen erfüllt ist, sieht sogar eine Freiheitsstrafe von bis zu 5 Jahren vor.

Auch die Verbreitung wahrer Tatsachenbehauptungen kann nach Maßgabe des § 192 StGB als Formalbeleidigung strafbar sein, wenn sich das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form oder den Umständen der Behauptung ergibt.18 Insofern kann gerade das Verbreiten einer Videoaufnahme über Soziale Medien und Internet, die den Betroffenen in einer intimen oder unangenehmen Situation zeigt, eine Strafbarkeit nach § 192 StGB in Verbindung mit § 185 StGB begründen. Allerdings kann dann der besondere Unwertgehalt, der durch Veröffentlichung in dem entgrenzten Medium Internet gegeben ist, im Gegensatz zu den in §§ 186, 187 StGB enthaltenden Qualifikationstatbeständen beim gem. §§ 192, 185 StGB geltenden Strafrahmen gerade nicht abgebildet werden.

2.2 Verletzung des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs

§ 201a StGB stellt die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen unter Strafe. Anlass der erst 2004 ins StGB eingefügten Vorschrift war die Diskrepanz zwischen dem durch § 201 StGB gewährleisteten Schutz der Vertraulichkeit des nicht öffentlich gesprochenen Wortes und dem bis zu diesem Zeitpunkt strafrechtlich nicht geschützten Rechts auf Wahrung des persönlichen Lebensbereichs vor unbefugten Bildaufnahmen. Durch die Einführung neuer Technologien, die den Aufwand von Aufnahmen und deren Verbreitung immer geringer machten, wuchs das praktische Bedürfnis, den Persönlichkeitsschutz im Bildbereich zu stärken.19 Gleichzeitig wurde die Gefahr erkannt, dass solche Aufnahmen sofort ins Internet übertragen und in sozialen Netzwerken verbreitet und veröffentlicht werden.20 Insofern kommt auch beim Cybermobbing eine Verletzung des § 201a StGB in Betracht.21
Strafbar ist gem. § 201a StGB u.a. das unbefugte Anfertigen und die Weitergabe von Bildaufnahmen einer Person, die sich in einer Wohnung oder in einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befinden oder von Bildaufnahmen, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellen, sofern hierdurch der höchstpersönliche Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt wird (§ 201a Abs. 1 Nr. 1, 2 StGB). Auch sofern man eine durch eine Tat der Nr. 1 oder Nr. 2 erlangte Bildaufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht, ist eine Handlungsalternative erfüllt (§ 201a Abs. 1 Nr. 3 StGB). Schließlich werden sogar solche Handlugen erfasst, nach denen befugt hergestellte Bildaufnahmen wissentlich unbefugt einer dritten Person zugänglich gemacht werden, wenn dies den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt (§ 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB).
Ebenfalls erfüllt sein kann der Straftatbestand des § 201a Abs. 2 StGB, der 2015 mit dem 49. Strafrechtsänderungsgesetz neu eingeführt wurde, der peinliche bzw. entwürdigende Darstellungen mit einbezieht und laut Gesetzesbegründung vor allem der Bekämpfung von Cybermobbing über soziale Medien dient.22 Strafbar ist demnach, wer unbefugt eine Bildaufnahme von einer anderen Person, die geeignet ist, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden, einer dritten Person zugänglich macht. Hier kommt es im Gegensatz zu Abs. 1 nicht auf eine Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs an, da in diesen Fällen stets das Persönlichkeitsrecht verletzt sein soll.23
Die Strafdrohung knüpft entscheidend daran an, dass die Bildaufnahme aufgrund deren Darstellung geeignet ist, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden. Die Abgrenzung zwischen Eignung und Nichteignung zur Ansehensschädigung kann dabei mehr als schwierig sein, so dass die Kommentarliteratur die Vagheit der Begrifflichkeiten kritisiert.24 Je minderwertiger, peinlicher, ekliger oder abstoßender die jeweilige Aufnahme erscheint, umso eher wird die Eignung zur Ansehensschädigung festgestellt werden können. Problematisch ist allerdings, dass sich ein gesellschaftlicher Konsens darüber, was im Einzelfall minderwertig, eklig, peinlich oder wegen seiner Ehrenrührigkeit geheimhaltungsbedürftig erscheint, kaum finden lässt.25 Dennoch dürfte sich eine Zuordnung nicht nur auf Extremfälle beschränken,26 sondern auch klassische Cybermobbing-Fälle, sofern Bildmaterial verwendet wird, unter § 201a Abs. 2 StGB zu subsumieren sein.Enthält die Videoaufnahme eine Tonspur oder werden nichtöffentliche Äußerungen aufgezeichnet und weitergegeben, so kommt neben der Verwirklichung des § 201a StGB auch eine Strafbarkeit wegen Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes nach § 201 StGB in Betracht.27

2.3 Recht der Selbstdarstellung

Das Recht der Selbstdarstellung wird durch die Strafnorm des § 33 KunstUrhG geschützt, nach der insbesondere die Verbreitung und öffentliche Zurschaustellung von Bildnissen entgegen §§ 22, 23 KunstUrhG ohne Einwilligung des Betroffenen verboten ist. Bildnisse sind alle Abbildungen, die die äußere Erscheinung einer Person erkennbar wiedergeben, wobei ausreichend ist, dass der Betroffene begründeten Anlass hat zu befürchten, er könne aufgrund der Abbildung im Bekanntenkreis identifiziert werden.28 Auf die Art der Darstellung und das Darstellungsmedium kommt es nicht an, so dass auch Karikaturen des Betroffenen erfasst werden.29 Werden im Rahmen von Cybermobbing solche Bildnisse ohne Einwilligung des Betroffenen im Internet oder sozialen Medien veröffentlicht, so ist eine Strafbarkeit gem. § 33 KunstUrhG gegeben. Allerdings hat dieser Straftatbestand eine geringe praktische Bedeutung, da es sich um ein Privatklagedelikt handelt und ein Verstoß lediglich mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe geahndet werden kann.30

2.4 Nachstellung

Cyberstalking wird zwar von einigen Forschern dem Cybermobbing zugeordnet, entspringt aber einer anderen Motivlage.31 Dennoch kann auch das Cybermobbing Elemente der Nachstellung enthalten und eine Strafbarkeit gem. § 238 StGB begründen. Auch beim Straftatbestand der Nachstellung handelt es sich um eine relativ junge Vorschrift, die erst 2007 in Kraft getreten ist. In Betracht kommt insbesondere der Auffangtatbestand des § 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB, nach dem die Vornahme einer „anderen vergleichbaren Handlung“ erfasst ist und der erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens durch den Rechtsausschuss aufgenommen wurde, um der Vielgestaltigkeit des Lebens Rechnung zu tragen und Strafbarkeitslücken zu schließen.32 Erfasst werden hiernach alle Verhaltensweisen, die darauf gerichtet sind, durch unmittelbare oder mittelbare Annäherungen an das Opfer in dessen persönlichen Lebensbereich einzugreifen und dadurch geeignet sind, seine Handlungs- und Entschließungsfreiheit zu beeinträchtigen.33 In der strafrechtlichen Literatur sind Fallgruppen gebildet worden, die unter den Auffangtatbestand zu subsumieren sind, hier sieht die Literatur auch Fälle des klassischen Cybermobbings als davon erfasst an.34 Insofern ist aber zu kritisieren, dass in diesen Fällen bereits andere Straftatbestände (s.o.) einschlägig sind, so dass die rechtspolitische Notwendigkeit dieses Auffangtatbestands bezweifelt werden muss.35


Von Cybermobbing betroffene junge Frau.

 

3 Strafantrag

Einer Verfolgung klassischer Cybermobbing-Fälle steht häufig trotz verwirklichter Straftatbestände die fehlende Anzeigebereitschaft der Opfer entgegen. Die Bonner Studie von Weber hat gezeigt, dass im Raum Bonn nur 1,7% der Cybermobbing-Opfer Strafanzeige erstattet haben.36 Nun sind aber gerade die oben aufgezeigten – bei Cybermobbing typischerweise in Betracht kommenden Straftatbestände – Antragsdelikte.
Das Strafantragserfordernis des § 194 StGB bezieht sich grundsätzlich nicht nur auf die Beleidigung gem. § 185 StGB, sondern auf alle Beleidigungstatbestände des 14. Abschnitts.37 Auch § 33 KunstUrhG ist als reines Antragsdelikt ausgestaltet. Bei der Nachstellung gem. § 238 StGB und einem Verstoß nach § 201a StGB ist ebenfalls ein Antrag des Opfers erforderlich, es sei denn, die Staatsanwaltschaft bejaht ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung (§§ 205, 238 Abs. 4 StGB in Fällen des Abs. 1). Wird nicht innerhalb der kurzen Frist von 3 Monaten gem. § 77b StGB ein Strafantrag gestellt und im Fall der relativen Antragsdelikte – sofern man überhaupt Kenntnis von dem Cybermobbing-Fall erhält – ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung verneint, so besteht ein Strafverfolgungshindernis. Hinzu kommt, dass einige der beim Cyber-
mobbing in Betracht kommenden Straftatbestände, wie etwa die Ehrverletzungsdelikte, Privatklagedelikte nach § 374 StPO sind, so dass die Staatsanwaltschaft bei fehlendem öffentlichen Interesse selbst bei Anzeige auf den Privatklageweg verweisen und von einer öffentlichen Klage gem. § 376 StPO absehen wird.

4 Kriminalpolitische Forderung

Wegen der ineffektiven Strafverfolgung von Cybermobbing wird regelmäßig gefordert, einen eigenständigen Cybermobbing-Straftatbestand im StGB zu implementieren. Bereits im Koalitionsvertrag 2013 hat die Bundesregierung den Erlass eines Cybermobbing-Gesetzes angekündigt, allerdings lediglich das Netzwerkdurchsetzungsgesetz in Kraft treten lassen. Dieses – äußerst umstrittene – Gesetz nimmt aber einseitig die Betreiber sozialer Netzwerke in die Pflicht, rechtswidrige Inhalte zu löschen.38 Ein Cybermobbing-Straftatbestand wurde noch nicht geplant, der aktuelle Koalitionsvertragt von 2018 sieht einen solchen auch nicht vor.
Bereits 2009 forderte Beck die Einfügung einer Qualifikation der Ehrverletzungsdelikte mit einem höheren Strafrahmen für Beleidigungshandlungen vor einer unbegrenzten Öffentlichkeit, insbesondere, wenn sie durch einen anonymen Täter erfolgen.39 Cornelius sieht sogar die Notwendigkeit der Einführung eines speziellen Cybermobbing-Tatbestands, da die derzeitige Rechtslage das Spezifikum einer andauernden und wiederholenden Bloßstellung durch das dynamische Zusammenwirken vieler Personen, die einen erheblichen psychischen Druck beim Opfer erzeugen, nicht abbilden können.40 Auch Heckmann/Paschke forderten jüngst einen eigenen Straftatbestand der besonders schweren Ehrverletzung im Internet.41 Hierzu formulieren Sie einen umfangreichen Gesetzentwurf mit ausführlicher Begründung, der neben dem Straftatbestand nach österreichischem Vorbild u.a. auch die Ausgestaltung als Offizialdelikt vorsieht und Anpassungen zum Opferschutz in der StPO vornimmt.42

5 Fazit


Ein eigenständiger Straftatbestand des Cybermobbings hätte den Charme, den öffentlichen Fokus auf den besonderen Unrechtsgehalt dieser Handlungen und deren Strafwürdigkeit zu legen. Allerdings besteht bereits nach geltendem Recht die Möglichkeit, ehrverletzende Mobbinghandlungen mittels Internet oder Sozialen Medien durch die oben beschriebenen Qualifikationstatbestände der Ehrverletzungsdelikte abzubilden und dem erhöhten Unrechtsgehalt durch einen bereits existierenden höheren Strafrahmen Rechnung zu tragen. Allein bei der klassischen Beleidigung und der Formalbeleidigung greift kein Qualifikationstatbestand, der dem besonderen Unrechtsgehalt der öffentlichen Verbreitung und der besonderen Dynamik des Internets auch einen höheren Strafrahmen entgegensetzen würde. Eine – moderate – Anpassung des § 185 und § 192 StGB erscheint jedenfalls zielführender, als die Etablierung eines eigenen Cybermobbing-Straftatbestands, da es dann zu Dopplungen des bestehenden Rechts, Rissen in der Systematik der Ehrverletzungsdelikte und zu einem reinen Symbolstrafrecht kommen würde.

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Anmerkungen

  1. Die Autorin ist Universitätsprofessorin und Fachgebietsleiterin des Fachgebiets Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminalpolitik an der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster.
  2. So die Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage, BT-Dr. 19/9534, S. 1 vom 17.4.2019. Ähnlich die Definition von Preuß, KriPoZ 2019, 97 (98). Zu den Cybermobbing-Formen s. ausf. Csef, Die Kriminalpolizei 2019 (in diesem Heft).
  3. Statista, s. de.statista.com/statistik/daten/studie/917129/umfrage/betroffene-von-cybermobbing-nach-geschlecht-in-deutschland/ (zuletzt abgerufen am 18.6.2019).
  4. Allerdings betraf dies ebenfalls Aussagen der Zielgruppe darüber, ob Cybermobbing-Fälle bekannt seien; Studie abrufbar unter www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/JIM/2018/Studie/JIM_2018_Gesamt.pdf (zuletzt abgerufen am 18.6.2019). Missverständlich insoweit BT-Dr. 19/9534, S. 4. Eine Untersuchung aus dem Jahr 2014 in Bonn ergab sogar, dass 45,4 % der befragten Schüler Opfer von mindestens einer Cybermobbing-Handlung geworden sind, vgl. Weber, Cybermobbing – wenn neue Medien fertigmachen, 2018, S. 312.
  5. Vgl. Paulsen, Kriminalistik 2017, 274 (278); Heckmann/Paschke, DRiZ 2018, 144.
  6. Vgl. Beck, MMR 2008, 77 (81); Preuß, KriPoZ 209, 97 (102).
  7. Es werden nur solche Straftatbestände besprochen, die die Fälle klassischen Cyber-mobbings erfassen, nicht etwa Happyslapping (da wäre zusätzlich noch eine Körperverletzung zu prüfen), Cybergrooming, Sexting etc., bei denen auch Straftatbestände zum Schutz gegen die sexuelle Selbstbestimmung verwirklicht sind und ggf. auch Erpressung und Nötigung in Betracht kommen.
  8. Vgl. BVerfG, NJW 1995, 3303.
  9. Fischer, StGB, 66. Aufl. (2019), § 185 Rn. 12; Preuß, KriPoZ 2019, 97 (100) – technikneutral.
  10. Dies ist insgesamt aber umstritten, gegen eine Strafbarkeit z.B. Eisele/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. (2019), § 185 Rn. 1; dafür Zaczyk, NK-StGB, 5. Aufl. (2017), vor § 185 Rn. 22a; differenzierend: Liken als Beihilfe und Teilen als Täterschaft Krischker, JA 2013, 488 (492 f.).
  11. Vgl. mit Bsp. Lackner/Kühl, StGB, 29. Aufl. (2018), § 185 Rn. 2; s. auch Zaczyk, NK-StGB, § 185 Rn. 3.
  12. S. Regge/Pegel, in: MK-StGB, 3. Auf. (2017), § 185 Rn. 10; vgl. auch Beck, MMR 2009, 736 (737).
  13. S. die Definition in Facetten bei Fischer, § 186 Rn. 2; vgl. auch Regge/Pegel, in: MK-StGB, § 186 Rn. 2.
  14. Vgl. Eisele/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, § 186 Rn. 5; Lackner/Kühl, § 186 Rn. 4; Fischer, § 186 Rn. 4.
  15. Vgl. hierzu auch Beck, MMR 2009, 736 (737).
  16. Ebenso Preuß, KriPoZ 2019, 97 (101); Hilgendorf, ZIS 2010, 208 (213); Beck, MMR 2009, 736 (738).
  17. Vgl. Lackner/Kühl, § 187 Rn. 1; Fischer, § 187 Rn. 2.
  18. S. Eisele/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, § 192 Rn. 1; Fischer, § 192 Rn. 2.
  19. Vgl. Graf, in: MK-StGB, § 201a Rn. 1; Kargl, in: NK-StGB, § 201a Rn. 1; Fischer, § 201a Rn. 2.
  20. S. Graf, in: MK-StGB, § 201a Rn. 2; Schnorr/Wissing, ZRP 2001, 278 (279).
  21. So auch Cornelius, ZRP 2014, 164 (165); Preuß, KriPoZ 2019, 97 (101); mit Fallbeispielen zu den einzelnen Tatvarianten Weber, S. 87 ff.
  22. S. BT-Drs. 18/2601, S. 37 – „ein Signal gegen Cyber-Mobbing“.
  23. Vgl. Eisele, in: Schönke/Schröder, § 201a Rn. 37;
  24. Vgl. statt vieler Graf, in: MK-StGB, § 201a Rn. 71; Kargl, in: NK-StGB, § 201a Rn. 10; Fischer, § 201a Rn. 23.
  25. Kritisch insoweit Graf, in: MK-stGB, § 201a Rn. 72.
  26. So aber Graf aaO.
  27. S. auch Cornelius, ZRP 2014, 164 (165); Preuß, KriPoZ 2019, 97 (101).
  28. Vgl. Kaiser, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 223. EL (Januar 2019), § 33 KunstUrhG Rn. 5; Cornelius, ZRP 2014, 164 (166).
  29. S. Kaiser, in: Erbs/Kohlhaas, § 33 KunstUrhG Rn. 6; Preuß, KriPoZ 2019, 97 (101).
  30. Vgl. hierzu Cornelius, ZRP 2014, 164 (166). Zur geringen praktischen Bedeutung auch Kaiser, in: Erbs/Kohlhaas, § 33 KunstUrhG Rn. 3.
  31. Hierzu Csef, Die Kriminalpolizei 2019 (in diesem Heft).
  32. S. BT-Drs. 16/3641, S. 4, 14.
  33. Vgl. Eisele, in: Schönke/Schröder, § 238 Rn. 21; kritisch zur Bestimmtheit Gericke, in: MK-StGB, § 238 Rn. 35 ff.; ebenso Fischer, § 238 Rn. 17c m. zahlr. w. Nachw.
  34. So die h.M. wie Fischer, § 238, Rn. 17b; Gericke, in: MK-StGB, § 238 Rn. 39; Eisele, in: Schönke/Schröder, § 238 Rn. 22; Sonnen, in: NK-StGB, § 238 Rn. 40.
  35. Ebenso Mitsch, NJW 2007, 1237 (1239); Eisele, in: Schönke/Schröder, § 238 Rn. 22; a.A. Sonnen, in: NK-StrG, § 238 Rn. 40.
  36. S. Weber, S. 319.
  37. Vgl. Fischer, § 194 Rn. 2; Lackner/Kühl, § 194 Rn. 1. Zur Ausnahme für bestimmte Opfergruppen vgl. Fischer, § 194 Rn. 16 ff.
  38. Vgl. zur Kritik Kalscheuer/Hornung, NVwZ 2017, 1721; Löber/Roßnagel, MMR 2019, 71.
  39. S. Beck, MMR 2009, 736 (740); ihr folgend Hilgendorf, ZIS 2010, 208 (215).
  40. S. Cornelius, ZRP 2014, 164 (167).
  41. Vgl. Heckmann/Paschke, DRiZ 2018, 144 (145).
  42. Der Gesetzentwurf ist abrufbar unter: www.arag.com/medien/pdf/presse/prg_gesetzentwurf_heckmann_paschke.pdf (zuletzt abgerufen am 24.6.2019).