Vermögensabschöpfung im kriminalpolizeilichen Alltag

Staatsanwalt Arne Rettke, Lübeck1

Die Vermögensabschöpfung galt bislang eher als strafrechtliches Nischenprodukt, das nur ausnahmsweise angewendet wurde und besonderen Fallkonstellationen wie z.B. der Verfolgung von Betäubungsmitteldelikten vorbehalten war. Wo bislang dennoch im Ergebnis Vermögensabschöpfung bei der Verfolgung allgemeiner Straftaten stattfand, insbesondere durch die Beschlagnahme von Diebesgut, lag der Fokus zunächst vor allem auf der Eignung als Beweismittel; erst bei der Frage nach einer möglichen Herausgabe wurde der Verletzte in den Blick genommen. Die Bedeutung der Vermögensabschöpfung ist durch das am 1.7.2017 in Kraft getretene Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung2 deutlich gestiegen. Hieraus folgt eine Mehrbelastung u.a. der Polizei, die bei der zukünftigen Bemessung des Personals zu berücksichtigen sein wird.3 Die Bundesregierung hat in ihrem Gesetzesentwurf4 die zum damaligen Zeitpunkt geltenden Regelungen der Vermögensabschöpfung als äußerst komplex und unübersichtlich und zudem mit zahlreichen rechtlichen Zweifelsfragen belastet bezeichnet. Es bestünden nicht vertretbare Abschöpfungslücken. Der Staat habe aber alles rechtsstaatlich Mögliche zu unternehmen, um die Nutznießung von Verbrechensgewinnen zu unterbinden. Durch die Reform solle daher das Recht der Vermögensabschöpfung vereinfacht, die vorläufige Sicherstellung von Vermögenswerten erleichtert, die nachträgliche Abschöpfung von Vermögensgegenständen ermöglicht und nicht vertretbare Abschöpfungslücken geschlossen werden.

1 Grundlegendes und Begrifflichkeiten

Die Reform der Vermögensabschöpfung bringt tiefgreifende Änderungen mit sich. Dies zeigt sich weniger an der Änderung einiger Begrifflichkeiten. Der zuvor im § 73 StGB gebrauchte Begriff „Verfall“ wird durch „Einziehung von Taterträgen“ ersetzt, und heißt damit ähnlich wie die „Einziehung von Tatprodukten, Tatmitteln und Tatobjekten“ im Rahmen des § 74 StGB. Diese Angleichung der Bezeichnungen erleichtert zwar die Übersetzung bei grenzüberschreitenden Sachverhalten,5 im deutschen Recht muss jedoch zwischen der Einziehung gemäß § 73 StGB und derjenigen gemäß § 74 StGB unterschieden werden, da sich bei unterschiedlichen Voraussetzungen für die Anordnung der Einziehung auch andere Rechtsfolgen ergeben.6 Anstelle der aus der Tat erlangten Vorteile sind nun die durch die Tat erlangten Vorteile abzuschöpfen. Das vom Bundesgerichtshof aus dem Begriff aus hergeleitete Unmittelbarkeitskriterium wurde damit aufgegeben (siehe Ziff. 2.2). Wesentlich bedeutender ist die Abschaffung der Rückgewinnungshilfe. Während es nach altem Recht (§ 73 Abs. 1 S. 2 StGB a.F.) ausgeschlossen war, den Verfall anzuordnen, wenn das aus der Tat Erlangte einem Verletzten zustand (was meistens der Fall war), spielt es nun keine Rolle mehr, ob es einen Verletzten der Tat gibt oder nicht. Die neuen Regeln schaffen einen umfassenden staatlichen Einziehungsanspruch. Sofern der Anspruch des Verletzten nicht erloschen ist (Ziff. 3), sind die Belange des Verletzten erst im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Auch für die Fragen, ob man ausnahmsweise von der Einziehung absehen darf (Ziff. 7) oder ob vorläufige Maßnahmen ergriffen werden dürfen (Ziff. 8), kommt es, weil es sich um einen staatlichen Einziehungsanspruch handelt, auf die Person des Verletzten und dessen Möglichkeiten, selbst das auf seine Kosten Erlangte zurückzuerhalten, nicht an. Durch den Verzicht auf die ehemalige Beschränkung der selbständigen Einziehung auf tatsächliche Gründe kann nun auch dann, wenn wegen der Straftat keine bestimmte Person verfolgt oder verurteilt werden kann, die Einziehung in fast allen Fällen angeordnet werden (Ziff. 6). Ferner kann die Einziehung auch dann angeordnet werden, wenn zur Überzeugung des Gerichts der erlangte Gegenstand aus einer rechtswidrigen Tat herrührt. Dies gilt nicht nur für die Fälle der jetzt ausgeweiteten erweiterten Einziehung (Ziff. 5), sondern neuerdings auch ohne Nachweis einer konkreten Straftat, sofern zuvor ein Verfahren wegen einer Katalogstraftat geführt wurde (Ziff. 6.2). Im Ergebnis ist die Vermögensabschöpfung bis auf wenige Ausnahmen jetzt immer dann möglich und auch zwingend, wenn jemand durch oder für eine (nicht zwangsläufig konkret zu bestimmende) Tat etwas erlangt hat.

2 Die Bestimmung des einzuziehenden Etwas bzw. Betrags

Bei der Bestimmung des Erlangten kommt es darauf an, ob ein Gegenstand erlangt wurde, der aufgrund seiner Beschaffenheit gegenständlich eingezogen werden kann und noch vorhanden ist (Einziehung von Taterträgen) oder nicht (Einziehung des Wertes von Taterträgen).

2.1 Einziehung von Taterträgen

Der Einziehung unterliegt, was der Täter oder Teilnehmer oder der andere in den Fällen des § 73b StGB7durch oder für eine rechtswidrige Tat erlangt hat. Für die Tat erlangt ist der Tatlohn, der z.B. in der Vergütung des Auftragsmörders oder aber auch in der Gebührenrechnung eines an einer Steuerhinterziehung beteiligten Steuerberaters oder dem für eine illegale Entsorgung von Abfällen gezahlten Entgelt liegen kann. Durch die Tat erlangt wurde zunächst einmal das, was der Täter gegenständlich erlangt. Dabei kann es sich – trotz der allgemeinen Einordnung der Regelung der §§ 73 ff. StGB in den Bereich der Vermögensabschöpfung – auch um objektiv wertlose Sachen ebenso wie um nicht verkehrsfähige Gegenstände wie z.B. gefälschte Markenartikel handeln. Hinsichtlich des Zeitpunkts des Erlangens sind während der Tat erlangte Gegenstände wie z.B. die gestohlene Schnapsflasche, das unterschlagene Fahrrad oder die im Wege des Betrugs erlangte Schrankwand einzuziehen. Etwas vor Versuchsbeginn Erlangtes kann mangels Straftat nicht durch die Tat erlangt sein.8 Nach der Tatbeendigung Erlangtes stammt ebenfalls nicht mehr aus der Straftat. Solche Vermögenswerte können allerdings aufgrund eines Anspruchs, eines Versprechens oder einer Aussicht gewährt worden sein. Sofern dies der Fall ist, wäre dann der Wert dieses Anspruchs o.ä. im Rahmen der Einziehung des Wertes von Taterträgen einzuziehen. Ein Belassen von entdecktem gegenständlich noch vorhandenem Taterlangten beim Beschuldigten dürfte nach der Neuregelung kaum noch in Betracht kommen, es wird vielmehr regelmäßig zu beschlagnahmen sein (siehe Ziff. 8 und 8.1).

 2.2 Einziehung des Werts von Taterträgen

Vielfach besteht das Taterlangte in ersparten Aufwendungen, z.B. in Form ersparten Aufwands für die fachgerechte Entsorgung von Abfällen und anderen Stoffen (§§ 324 ff. StGB). Durch eine Straftat können ferner immaterielle Werte wie z.B. eine Firmenwertsteigerung erlangt sein. Durch die Aufgabe des Unmittelbarkeitskriteriums können nun auch mittelbar erlangte Vorteile eingezogen werden.

Die vorgenannten Vermögensvorteile können aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht gegenständlich eingezogen werden. § 73c StGB sieht für diesen Fall vor, dass der Wert des Erlangten einzuziehen ist. Eine Unmöglichkeit der Einziehung ergibt sich auch bei dem Untergang des Gegenstands als solchem, z.B. durch Zerstörung, aber auch durch Verarbeitung gemäß § 950 BGB, wenn eine Sache zu einer neuen Sache umgebildet wird, oder durch Vermengung z.B. von Bargeld.9 Eine Einziehung ist nur dann möglich, wenn jeder einzelnen Tat das Taterlangte zugeordnet werden kann. Stammt das aufgefundene Erlangte ausschließlich aus mehreren Straftaten, kann aber nicht festgestellt werden, welcher Gegenstand durch welche Straftat zu wessen Lasten erlangt wurde (eine Vielzahl ähnlicher Schmuckstücke nach mehreren Raubüberfällen auf Juweliere oder Bargeld nach mehreren Betäubungsmittelgeschäften), so ist der Wert der Taterträge einzuziehen. Dabei werden freilich regelmäßig körperlich vorhandene (aber nicht zuzuordnende) Gegenstände zur späteren Verwertung im Rahmen eines Vermögensarrests gepfändet werden (siehe Ziff. 8.2). Falls die Gegenstände keinen legalen Wert haben sollten, z.B. Betäubungsmittel, so ist an eine Einziehung gemäß besonderer Vorschriften, in diesem Fall § 33 BtmG, zu denken.

Ein in der Praxis häufiger Fall der Unmöglichkeit der Einziehung des erlangten Gegenstands beim Täter ist der, dass der Täter den Gegenstand verkauft, verschenkt oder verbraucht hat. Wird z.B. die gestohlene Schnapsflasche oder die ertrogene Schrankwand vom Täter verkauft, ist beim Täter der Wert der Gegenstände im Zeitpunkt des Erlangens durch den Täter einzuziehen.

Durch die Reform wurden in § 73d StGB erstmals Regelungen zur Bestimmung des einzuziehenden Betrags im Rahmen der Wertersatzeinziehung eingefügt. Zwar sind danach Aufwendungen für den Erwerb des Taterlangten gemäß § 73d Abs. 1 S. 1 StGB abzuziehen. Allerdings führt die Rückausnahme des § 73d Abs. 1 S. 2 1. Halbsatz StGB, der anordnet, dass die Aufwendungen, die für die Begehung der Straftat oder deren Vorbereitung gemacht wurden, bei der Bestimmung des einzuziehenden Betrag außer Betracht bleiben, dazu, dass – mit Ausnahme der Verfahren wegen fahrlässigen Handelns, der Verfahren gegen jugendliche Straftäter und der Rückrückausnahme des § 73d Abs. 1 S. 2 2. Halbsatz StGB vor allem für die Fälle des Eingehungsbetrugs – der Abzug von Aufwendungen regelmäßig ausgeschlossen und das Brutto-Erlangte einzuziehen ist.10

Im Rahmen der durch den polizeilichen Sachbearbeiter durchzuführenden Ermittlungen ist für die Einziehung von Taterträgen der Wert des Erlangten zu ermitteln und mit einem Betrag in Euro zu beziffern. Insoweit ergibt sich keine nennenswerte Änderung der Anforderungen, da auch in der Vergangenheit der durch die Tat verursachte Schaden für die Strafzumessung zu ermitteln war. Lediglich die Wertangabe wird nun etwas genauer ausfallen müssen, wobei der (Mindest-)Wert des Erlangten gemäß § 73d Abs. 2 StGB auf Grundlage von ermittelten Anknüpfungstatsachen geschätzt werden kann.

2.3 Einziehung des Werts von Taterträgen neben der Einziehung des Gegenstands

Soweit der aktuelle Wert des erlangten Gegenstands hinter dem Wert des Gegenstands zum Zeitpunkt des Erlangens zurückbleibt, ist gemäß § 73c S. 2 StGB hinsichtlich des Differenzbetrags neben der Einziehung des Gegenstands auch die Einziehung des Wertes von Taterträgen anzuordnen. Wenn z.B. die ertrogene Schrankwand, eine ursprünglich neue Sache, in Gebrauch genommen wurde, so wird sie allein dadurch einen Wertverlust erleiden. Aber auch bereits gebrauchte Sachen können einen weiteren Wertverlust erleiden, wenn sie weiter abgenutzt oder beschädigt werden. Ein Wahlrecht der Strafverfolgungsorgane, auf die Einziehung des ursprünglichen Gegenstands zu verzichten, also z.B. dem Täter die ertrogene Schrankwand zu belassen, und stattdessen den gesamten ursprünglichen Wert einzuziehen, besteht nicht. Dies gilt selbst dann, wenn der Verletzte schon vor Beschlagnahme erklärt, kein Interesse an dem im Wert geminderten Gegenstand mehr zu haben. Im Beispielsfall wäre daher zwingend sowohl die gebrauchte Schrankwand einzuziehen (und zu diesem Zweck zu beschlagnahmen, siehe Ziff. 2.1 und 8.1) als auch der Differenzbetrag zwischen dem Wert zum Zeitpunkt des Erlangens und zum Zeitpunkt der Einziehung bzw. der Beschlagnahme einzuziehen. Beschlagnahmte Gegenstände sind daher immer im Hinblick auf die zwingend vorgesehene Einziehung des Wertes in Höhe der Wertminderung gemäß § 73c S. 2 StGB durch den polizeilichen Sachbearbeiter zu bewerten. Zumindest den Bewertungsschwierigkeiten kann durch die gemäß § 73d Abs. 2 StGB zulässige Schätzung begegnet werden. Dabei ist allerdings vorsichtig zu schätzen. Bei gebrauchten Sachen kann vielfach anhand von Internet-Auktions- oder Verkaufsangeboten eine Einordnung des aktuellen Werts erfolgen. Im Rahmen der Schätzung gemäß § 73d Abs. 2 StGB dürfte es sich vielfach anbieten, einen Sicherheitsabschlag von 10% von der so ermittelten Wertminderung abzuziehen. Die Schätzungsgrundlagen (Fotos der Gegenstände, ggfls. vergleichbare Angebote, Berechnung) sind in der Ermittlungsakte nachvollziehbar darzustellen.

2.4 Einziehung des Surrogats von Taterträgen

Unter den in § 73 Abs. 3 StGB (eng umgrenzten) genannten Umständen kann auch ein für das Taterlangte erhaltener Ersatzgegenstand eingezogen werden. In allen Fällen der Einziehung gemäß § 73c S. 1 StGB ist alternativ allerdings auch die Einziehung des Wertersatzes zulässig und, wenn von der Einziehung des Surrogats abgesehen werden soll, auch zwingend. Die Einziehung des Wertersatzes ist regelmäßig vorzuziehen, da sie u.a. Probleme in der Vollstreckung bei mehreren anspruchsberechtigten Verletzten vermeidet. Der Ersatzgegenstand kann im Rahmen eines Vermögensarrestes (siehe Ziff. 8.2) gepfändet und nach Rechtskraft der Einziehungsanordnung verwertet werden.

3 Erlöschen des Anspruchs des Verletzten

Damit die Einziehung angeordnet werden kann, darf der Anspruch des Verletzten nicht erloschen sein, § 73e StGB. Dies wäre insbesondere dann der Fall, wenn der Verletzte das Taterlangte oder dessen Wert zurückerhalten hätte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Zahlung einer Versicherung nicht zum Erlöschen des Anspruchs des Verletzten, sondern nur zu einem Übergang des Anspruchs auf die Versicherung führt. Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Eintritt der zivilrechtlichen Verjährung nicht zum Erlöschen der Forderung führt. Ob der Verletzte das Taterlangte bzw. dessen Wert zurückerhalten hat, ist nicht nur zwingend immer nach neuer Rechtslage, sondern war auch bereits nach alter Rechtslage zu ermitteln, da im Rahmen der Strafzumessung das Nachtatverhalten gemäß § 46 Abs. 2 S. 2 a.E. StGB zu berücksichtigen ist und bei einer überwiegenden Wiedergutmachung sogar gemäß § 46a StGB eine (regelmäßig zu gewährende) Strafmilderung in Betracht kommt. Auch hier sind allerdings die Anforderungen an die Genauigkeit und Aktualität der ermittelten Wiedergutmachungsleistungen gestiegen.

4 Einziehung von Taterträgen bei anderen gemäß § 73b StGB

Es ist immer zu ermitteln, wer derjenige ist, der etwas erlangt hat. Durch die Reform wurde der Kreis der Personen, denen gegenüber eine Einziehung angeordnet werden kann, erweitert. Neben den in § 73b Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB genannten Vertretungs- und Verschiebungsfällen ist nunmehr auch die Einziehung gegenüber Erben, Pflichtteilsberechtigten und Vermächtnisnehmern gemäß § 73b Abs. 1 Nr. 3 StGB anzuordnen. Dabei können auch mehrere gemeinsam erlangt haben und damit Gesamtschuldner der Einziehung sein. Die Einziehungsbetroffenen sind, sofern sie nicht als Beschuldigte am Strafverfahren beteiligt sind, entweder als Einziehungsbeteiligte gemäß § 424 StPO am Strafverfahren, soweit es die Einziehung betrifft, zu beteiligen, oder es ist insoweit ein selbständiges Einziehungsverfahren durchzuführen. In beiden Fällen sind die Daten des Einziehungsbetroffenen (bei juristischen Personen u.a. die Gesellschafter und die Geschäftsführer) zu ermitteln und der Einziehungsbetroffene gemäß § 426 StPO im Ermittlungsverfahren anzuhören. Vom abweichenden Hinweis auf den Verfahrensgegenstand und der abweichenden Belehrung abgesehen entspricht die Anhörung im Übrigen der Anhörung eines Beschuldigten. Sofern z.B. beim Leistungsbetrug zu Gunsten einer Bedarfsgemeinschaft und zu Lasten der Arbeitsagentur das Erlangte in Form einer Überweisung auf ein Bankkonto gezahlt wurde, kommen sämtliche Kontoinhaber als Einziehungsbeteiligte in Betracht. Es wäre dann insoweit möglicherweise eine Bankauskunft einzuholen, die sich – bei Fehlen anderer belastbarer Anhaltspunkte für die laufenden Einkünfte – auch für die ohnehin gebotene Ermittlung des für die Berechnung der Tagessatzhöhe maßgeblichen Einkommens anbietet.11

5 Erweiterte Einziehung gemäß § 73a Abs. 1 StGB

Die vorher nur bei ausgewählten Delikten zulässige erweiterte Einziehung ist nun bei sämtlichen Straftatbeständen möglich. Sofern das Gericht davon überzeugt ist, dass ein Gegenstand aus einer weiteren rechtswidrigen Tat herrührt, ist dieser auch dann einzuziehen, wenn die konkrete Tat nicht ermittelt werden kann. Wenn also z.B. im Rahmen einer Durchsuchung (hinsichtlich einer beliebigen und in der Folge auch nachweisbaren Straftat) zufällig ein Keller voller offensichtlich gestohlener (oder – in Bezug auf den Nutzer des Kellers – gehehlter) Fahrräder als Zufallsfund entdeckt wird, sind diese gemäß § 73a Abs. 1 StGB einzuziehen. Das Gericht kann seine im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung gewonnene Überzeugung unter anderem auf ein grobes Missverhältnis zwischen dem Wert des Gegenstandes und den rechtmäßigen Einkünften des Betroffenen, die Umstände, unter denen der Gegenstand aufgefunden und sichergestellt worden ist, sowie die weiteren Ermittlungsergebnisse stützen.12 Ergibt sich z.B. durch den Fund von Verkaufsbelegen oder Pfandleihverträgen über weitere offensichtlich gestohlene (oder gehehlte) Fahrräder, dass weitere Gegenstände durch Straftaten erlangt und anschließend veräußert wurden, so ist insofern die Wertersatzeinziehung gemäß §§ 73a, 73c StGB anzuordnen. In der Praxis wird diese Möglichkeit – ähnlich wie die Möglichkeit der Wertersatzeinziehung gemäß § 74c StGB bei Tatprodukten, -mitteln oder -objekten – allerdings leicht übersehen.

6 Selbständige Einziehung

Die selbständige Einziehung ist nicht zu verwechseln mit dem selbständigen Einziehungsverfahren. Während erstere die materielle Einziehungsanordnung gegenüber einer Person bezeichnet, die nicht Beschuldigte ist, und die durchaus auch im subjektiven Verfahren erfolgen kann, bezeichnet letztere das objektive Verfahren, dass ausschließlich eine (selbständige) Einziehung zum Gegenstand hat. Die selbständige Einziehung unterscheidet sich in ihren Voraussetzungen deutlich, je nachdem, ob sie gemäß § 76a Abs. 1 bis 3 StGB oder § 76a Abs. 4 StGB angeordnet werden soll.

6.1 Die selbständige Einziehung gemäß § 76a Abs. 1 StGB

Liegt eine konkrete Straftat vor, kann aber eine Verurteilung nicht erfolgen, weil der Täter nicht ermittelt oder ergriffen werden kann, weil er bereits verurteilt ist oder die Tat verjährt ist, oder soll von einer Verurteilung gemäß §§ 153 bis 154, 154b, 154c, 154f StPO abgesehen werden, so ist – sofern eine selbständige Einziehung nicht gemäß § 76a Abs. 1 S. 3 StGB aufgrund des Fehlens einer der dort genannten Strafverfolgungsvoraussetzungen oder einer bereits erfolgten rechtskräftigen Entscheidung über eine Einziehung ausgeschlossen ist – die selbständige Einziehung anzuordnen. Ist der erlangte Gegenstand nicht mehr vorhanden oder sonst wegen seiner Beschaffenheit nicht einzuziehen, so ist gemäß § 76a Abs. 2 StGB die selbständige Einziehung des Wertes des Tatertrages anzuordnen. Dabei dürfen und müssen auch hinsichtlich bereits verjährter Straftaten Ermittlungen angestellt werden. Dies folgt aus dem zwingenden Charakter der jeweiligen Einziehungsvorschrift. Da jedoch bei bereits eingetretener Verjährung die rechtswidrige Tat länger zurückliegt und sich dadurch ein deutlich höherer Aufwand für die Ermittlungen ergibt, bietet es sich an, die Ermittlungen erst dann aufzunehmen, wenn mit der Staatsanwaltschaft geklärt wurde, ob dieser Aufwand als unangemessen im Sinne des § 435 StPO (siehe Ziff. 7.3) anzusehen ist.

6.2 Die selbständige Einziehung gemäß § 76a Abs. 4 StGB

Liegt keine konkrete Straftat vor, steht aber zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Gegenstand aus einer rechtswidrigen Tat herrührt, so soll der Gegenstand eingezogen werden, wenn zuvor ein Strafverfahren wegen einer im Katalog des § 76a Abs. 4 S. 3 StGB genannten Straftat geführt wurde. Zu den Katalogtaten gehört gemäß § 76a Abs. 4 S. 3 Nr. 1 Buchstabe f) StGB die vorsätzliche vollendete Geldwäsche. Für die Einleitung eines solchen Verfahrens genügt bereits der Anfangsverdacht einer solchen Straftat, der sich aus dem Verstecken von Bargeld oder einem für die Umsätze des Unternehmens deutlich überhöhten Bargeldbetrag ergeben kann. Zudem muss es zumindest möglich erscheinen, dass eine taugliche Vortat gemäß § 261 Abs. 1 oder 2 StGB vorliegt. Eine Beweislastumkehr, wie sie der Koalitionsvertrag13 zum Ziel hatte, ist dabei nicht geschaffen worden. Es bleibt bei der freien richterlichen Beweiswürdigung, die sich insbesondere auf die in § 437 StPO genannten Umstände stützen kann. Bei Vorliegen der Voraussetzungen soll eine selbständige Einziehung erfolgen. Sofern hiervon abgesehen werden soll, erfordert dies eine an den Umständen des Einzelfalls orientierte begründete Ermessensentscheidung der Staatsanwaltschaft.

7 Zwingendes Recht

Mit Ausnahme der Einziehung gemäß § 76a Abs. 4 StGB ist eine Einziehung in sämtlichen genannten Konstellationen zwingend. Nur ausnahmsweise kann im Rahmen der folgenden Vorschriften von einer Einziehung abgesehen werden. Die Voraussetzungen der Einziehung sind daher regelmäßig durch die Polizei zu ermitteln, nur in ganz besonderen Fällen (z.B. bei bereits verjährten Straftaten, siehe Ziff. 6.1) kann die Nachfrage bei der Staatsanwaltschaft, ob insofern auf Ermittlungen verzichtet werden kann, lohnen.14

7.1 Absehen von der Einziehung gemäß § 421 Abs. 1 StGB

Im Strafverfahren kann mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft dann von einer Einziehungsanordnung gemäß §§ 73 ff. StGB abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen von § 421 Abs. 1 Nr. 1 oder 3 StGB vorliegen. § 421 Abs. 1 Nr. 2 StPO ist dagegen nur auf die Fälle der §§ 74 ff. StGB anwendbar.

Gemäß § 421 Abs. 1 Nr. 1 StGB kann bei einem geringen Wert des Taterlangten, also bis zu einem Wert von 50 Euro,15 von der Einziehung abgesehen werden.

Gemäß § 421 Abs. 1 Nr. 3 StGB kann von der Einziehung abgesehen werden, wenn das Verfahren, soweit es die Einziehung betrifft, einen unangemessenen Aufwand erfordern oder die Herbeiführung der Entscheidung über die anderen Rechtsfolgen der Tat unangemessen erschweren würde. Eine unangemessene Erschwerung (in den meisten Fällen eine Verzögerung) der Entscheidung über die anderen Rechtsfolgen kann z.B. in Haftsachen anzunehmen sein. Dann besteht allerdings die Möglichkeit, das Verfahren hinsichtlich der Einziehung gemäß §§ 422, 423 StPO abzutrennen. Der Anwendungsbereich des § 421 Abs. 1 Nr. 3 StGB aufgrund einer solchen Erschwerung dürfte in der Praxis keine nennenswerte Bedeutung erlangen.

Einen unangemessenen Aufwand kann das Verfahren erfordern, wenn der zusätzliche, allein wegen der Einziehungsanordnung erforderliche Aufwand außer Verhältnis zum voraussichtlichen Vollstreckungsergebnis einer Einziehungsanordnung steht. Der zusätzliche Aufwand wird dabei äußerst gering ausfallen, wenn sämtliche Umstände, die für eine Entscheidung über die Einziehung ermittelt werden müssen, ohnehin für einen möglichen Strafausspruch zu ermitteln sind. Das wäre z.B. bei einem Diebstahl der Fall (der Wert des Diebesguts hat wesentliche Bedeutung im Rahmen der Strafzumessung), beim Betrug oder der Steuerhinterziehung. Es ist jedoch auch möglich, dass das Taterlangte für einen Schuldspruch nicht ermittelt werden muss, die Bestimmung des Umfangs des erlangten Vorteils jedoch Schwierigkeiten bereitet. Wenn z.B. ein Tier so gehalten wird, dass der Tatbestand der Tiermisshandlung gemäß § 17 TierSchG erfüllt ist, wird der Tierhalter wohl geringere Aufwendungen gehabt haben, als bei nicht strafbarer Tierhaltung. Welcher Aufwand genau für die strafbare, als Tiermisshandlung einzustufende Tierhaltung angefallen ist und welcher zusätzliche Aufwand für eine gerade eben nicht mehr strafbare (aber deswegen noch nicht zwingend artgerechte) Tierhaltung angefallen wäre, lässt sich regelmäßig nur schwer feststellen.16

Das voraussichtliche Vollstreckungsergebnis einer Einziehungsanordnung ist wiederum bei eröffnetem Insolvenzverfahren oder sonst ersichtlich vermögenslosen Tatverdächtigen17 so gering, dass auch bei einem geringen durch die Einziehungsanordnung verursachten zusätzlichen Aufwand dieser als unangemessen angesehen werden kann.

Gründe, die in der Person des Verletzten liegen, können einen unangemessenen Aufwand in keinem Fall begründen,18 denn anders als bei der früheren Rückgewinnungshilfe handelt es sich nun um einen staatlichen Einziehungsanspruch. Auch der Vollstreckungsaufwand einer Einziehung kann ein Absehen nicht begründen, da es sich insoweit nicht um einen Umstand des Einzelfalls handelt, sondern um die Grundentscheidung des Gesetzgebers, durch die parallele Vollstreckungsmöglichkeit von Verletztem und Justiz für eine effektive Vermögensabschöpfung zu sorgen. Ob man das für notwendig oder überflüssig hält, ist angesichts des Umstands, dass der Gesetzgeber es für notwendig gehalten hat, irrelevant.

7.2 Absehen von der Einziehung gemäß § 421 Abs. 3 StGB

§ 421 Abs. 3 StPO gibt der Staatsanwaltschaft bereits im Ermittlungsverfahren die Möglichkeit, von der Einziehung abzusehen. Allerdings verweist § 421 Abs. 3 StPO nicht (ausschließlich) auf Abs. 1 der Norm, so dass sich die Frage stellt, ob ein Absehen von der Einziehung auch aus anderen Gründen zulässig sein kann. Da jedoch das Gericht gemäß § 421 Abs. 2 S. 1 StPO jederzeit und ohne Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Beschränkung wieder rückgängig machen und die Wiedereinbeziehung der Einziehung anordnen kann und auch muss, wenn die Voraussetzungen eines Absehens gemäß § 421 Abs. 1 StPO nicht vorliegen, kann es einen weiteren Spielraum der Staatsanwaltschaft bei der Frage des Absehens von der Einziehungsanordnung nicht geben.

7.3 Absehen von der Einziehung gemäß § 435 StGB

Die Durchführung eines selbständigen Einziehungsverfahrens ist – wenn ein subjektives Verfahren nicht durchgeführt werden kann oder soll – zunächst (mit Ausnahme der Einziehung gemäß § 76a Abs. 4 StGB) zwingend. Dass die Staatsanwaltschaft und der Privatkläger gemäß § 435 StPO den Antrag stellen können und nicht müssen, ergibt sich zum einen aus der Möglichkeit der Anordnung im subjektiven Verfahren, der Anwendbarkeit des selbständigen Einziehungsverfahrens für die selbständige Einziehung gemäß § 76a Abs. 4 StGB und dem Umstand, dass es auch dem (hierzu nicht verpflichteten) Privatkläger möglich ist, einen Antrag zu stellen. § 435 Abs. 1 S. 2 StPO räumt jedoch der Staatsanwaltschaft die Möglichkeit ein, von dem Antrag, die Einziehung selbständig anzuordnen, insbesondere dann abzusehen, wenn das Erlangte nur einen geringen Wert hat oder das Verfahren einen unangemessenen Aufwand erfordern würde. Hinsichtlich der genannten Voraussetzungen gelten dieselben Maßstäbe wie bei § 421 Abs. 1 StPO. Aus der Verwendung des Begriffs insbesondere ergibt sich hier keine zusätzliche Möglichkeit, von einer Einziehung abzusehen, da das Gesetz für eine solche keinen Maßstab bereithält.19

8 Vorläufige Maßnahmen

Vorläufige Maßnahmen erhalten durch die Reform einen höheren Stellenwert. Bei dringendem Tatverdacht sollen sie jeweils ergriffen werden (§§ 111b Abs. 1 S. 2, 111e Abs. 1 S. 2 StPO).

8.1 Beschlagnahme

Sofern eine Einziehung von Taterträgen in Betracht kommt, das ursprünglich Erlangte also noch vorhanden ist, kann es nicht nur als Beweismittel gemäß §§ 94, 98 StPO sichergestellt oder beschlagnahmt werden, es kann auch zur Sicherung der Vollstreckung der Einziehungsanordnung gemäß §§ 111b, 111j StPO beschlagnahmt werden. Anders als bei Beweismitteln ist bei Einziehungsgegenständen eine Sicherstellung nicht möglich. Die Anordnungskompetenz liegt jeweils beim zuständigen Gericht. Lediglich bei Gefahr im Verzug dürfen auch die Staatsanwaltschaft und – dann allerdings im Rahmen des § 111b StPO beschränkt auf bewegliche Sachen – die Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft die Beschlagnahme anordnen.

Sofern die Beschlagnahme einer beweglichen Sache gemäß § 111b StPO bei Gefahr in Verzug durch die Polizei erfolgt ist, ist zunächst – anders als im Rahmen des § 98 StPO, der vorsieht, dass bei einer Beschlagnahme, bei der weder der davon Betroffene noch ein erwachsener Angehöriger anwesend war oder wenn eine der genannten anwesenden Personen gegen die Beschlagnahme ausdrücklichen Widerspruch erhoben hat, binnen drei Tagen die richterliche Bestätigung der Beschlagnahme zu beantragen sein soll – eine gerichtliche Bestätigung insofern nicht vorgesehen (§ 111j Abs. 2 S. 2 StPO). Da aber einer beweglichen Sache, die durch eine Straftat erlangt wurde, zumindest insoweit Beweisfunktion zukommt, dass es gerade die erlangte Sache ist, die an genau diesem Ort bzw. bei dieser Person gefunden wurde, sind kaum Fälle anzunehmen, in denen nicht zugleich auch eine Beschlagnahme gemäß § 94 StPO anzuordnen wäre. Es sollte dann eine doppelfunktionale Beschlagnahme sowohl zu Beweiszwecken als auch zur Sicherung der Einziehung erfolgen. Eine Beschränkung nur auf die Beschlagnahme zu Beweiszwecken hätte zur Folge, dass die Sicherungswirkung der insolvenzfesten Beschlagnahme gemäß §§ 111b, 111d Abs. 1 StPO nicht einträte, bei einer Beschränkung nur auf die Beschlagnahme zur Vermögenssicherung würde man sich dem Verdacht aussetzen, das Recht des Betroffenen aus § 98 Abs. 2 StPO umgehen zu wollen.

Eine Beschlagnahme hat bereits dann stattgefunden, wenn der Polizeibeamte den Gegenstand an sich genommen hat, ohne dass der Betroffene diesen freiwillig herausgegeben hätte. Ob dies als Beschlagnahme bezeichnet wird, ist unerheblich. Wird also z.B. bei einem Ladendieb die im Hosenbund versteckte und vorher nicht freiwillig herausgegebene Schnapsflasche durch den Polizeibeamten gefunden und in Gewahrsam genommen, sind bereits die Regeln der Beschlagnahme anzuwenden.20 Dazu zählt auch – sowohl bei der Beschlagnahme zu Beweiszwecken wie auch bei der Beschlagnahme zur Vermögenssicherung – gemäß §§ 94 Abs. 4, 111n Abs. 1 StPO die Regelung des § 111n StPO. Dieser sieht in seiner gegenwärtigen Fassung vor, dass eine Herausgabe nicht durch die Polizei (§ 111o StPO) und nur bei Offenkundigkeit an andere als den letzten Gewahrsamsinhaber erfolgen darf, § 111n Abs. 4 StPO.21 Die gestohlene und beschlagnahmte Schnapsflasche dürfte daher – selbst bei Zustimmung des Beschuldigten – erst nach einer (in der Praxis hinderlichen) Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft an den Ladeninhaber herausgegeben werden.22

Sofern Gegenstände aufgefunden werden, die der Einziehung unterliegen, sollte tunlichst auf eine Beschlagnahmeanordnung hingewirkt werden bzw. die Beschlagnahme im Falle der Gefahr im Verzug selbst angeordnet werden. Ein Verzicht auf eine vorläufige Sicherung hat – abgesehen von dem Beweismittelverlust und der fehlenden Möglichkeit, die Sache an den Verletzten zurückzugeben – zur Folge, dass im Rahmen einer Einziehungsanordnung zunächst gemäß §§ 73, 75 StGB der ursprünglich erlangte Gegenstand eingezogen werden muss. Dies kann eine erneute Durchsuchung durch die Polizei im Vollstreckungsverfahren gemäß § 459g Abs. 3 i. V. m. §§ 102 bis 110 StPO erforderlich machen. Gegebenenfalls muss nach einer erfolglosen Durchsuchung gemäß § 76 StGB auf eine Wertersatzeinziehung umgestellt werden und dann wiederum die Polizei mit der Durchführung der Pfändungsmaßnahmen gemäß § 459g Abs. 3 i. V. m. §§ 102 bis 110, 111f Abs. 1 StPO beauftragt werden.

Die Verwaltung der gesicherten Vermögenswerte erfolgt durch den Rechtspfleger der Staatsanwaltschaft.23 Dieser muss jederzeit in der Lage sein, die Voraussetzungen z.B. einer nach neuer Rechtslage erleichterten Notveräußerung24 zu prüfen, und ist daher zeitnah von einer Beschlagnahme zu unterrichten. Es bietet sich insofern an, für beschlagnahmte Gegenstände einen Beschlagnahmevollziehungsband anzulegen, der neben der Beschlagnahmeanordnung auch das Beschlagnahmeprotokoll enthält, und diesen der Staatsanwaltschaft zu übersenden. Dieser allein der Verwaltung der Gegenstände dienende Band verbleibt auch beim späteren gerichtlichen Verfahren bei der Staatsanwaltschaft, § 111m Abs. 1 S. 1 StPO.

8.2 Vermögensarrest

Sofern die Einziehung des Wertes von Taterträgen anzuordnen ist, kommt eine vorläufige Sicherung durch einen Vermögensarrest gemäß § 111e StPO in Betracht. Die Vorschriften zum strafprozessualen Arrest wurden durch die Reform zwar verschlankt, indem der Arrestgrund durch die Streichung des Verweises auf § 917 ZPO (§ 111d Abs. 2 StPO a. F.) abgeschafft wurde25 und die starren Fristen für Arreste auf der Grundlage eines Anfangsverdachts (§ 111b Abs. 3 StPO a.F.) entfallen sind. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit werden aber die zu diesen Punkten nach altem Recht angestellten Erwägungen weiterhin von Bedeutung sein. Ohne ein Sicherungsbedürfnis des Staates ist ein Eingriff in die Rechte des möglichen Einziehungsbetroffenen nicht zulässig. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass durch das vorgeworfene strafbare Verhalten die Grundannahme, eine Person werde sich zumindest insoweit gesetzestreu verhalten, als die Grenzen des Strafrechts nicht überschritten werden, erschüttert ist.26 Die Anordnungskompetenz liegt beim zuständigen Gericht und – bei Gefahr im Verzug – bei der Staatsanwaltschaft, § 111j StPO. In allen Fällen ist frühzeitig an die Möglichkeit eines Vermögensarrestes zu denken. Es ist die Aufgabe des polizeilichen Sachbearbeiters, sich spätestens bei der Vorbereitung einer Durchsuchung an die vielfach vorhandenen Finanzermittler bzw. Vermögensabschöpfer der Polizei zu wenden, um ein Bekanntwerden des Verfahrens vor Prüfung vorläufiger Maßnahmen zu verhindern. Wenn zunächst nur hinsichtlich eines Teils des Taterlangten eine Bezifferung der Summe erfolgen kann, so ist die Sicherung dieses Teilbetrags vorzunehmen und nicht auf eine (jedenfalls hinsichtlich des Erfolgs) ungewisse, spätere Sicherung eines höheren Betrags zu setzen.

Die Vollziehung des Vermögensarrestes und die Verwaltung der gesicherten Vermögenswerte erfolgt durch den Rechtspfleger der Staatsanwaltschaft. Dieser wird, da die Verwaltungszuständigkeit auch beim späteren gerichtlichen Verfahren gemäß § 111m StPO bei der Staatsanwaltschaft verbleibt, einen Arrestvollziehungsband anlegen.

9 Vollstreckung und Berücksichtigung des Verletzten

Erst nach Rechtskraft der Einziehungsanordnung kann der Verletzte im Rahmen der Vollstreckung gemäß §§ 459h, 459j StPO seine Ansprüche, die er aus der Tat hat, anmelden bzw. geltend machen. Dies gilt auch dann, wenn vorläufig Vermögenswerte gesichert werden konnten, diese aber nicht gemäß § 111n StPO herausgegeben wurden. Eine Ausnahme bilden diejenigen öffentlich-rechtlichen Institutionen, die aufgrund des Umstands, dass sie mit dem Mittel eines abgabenrechtlichen Arrests selbst eine vorläufige Sicherung hätten vornehmen können, gemäß § 111h Abs. 2 S. 2 StPO bevorzugt werden. Die Verletzten können im Anschluss an die gemäß § 459i StPO unverzüglich zuzustellende Mitteilung über die Einziehungsanordnung ohne Nachweis ihres (sich aus der Einziehungsanordnung ergebenden) Anspruchs diesen innerhalb von sechs Monaten bei der Staatsanwaltschaft anmelden und erhalten dann aus dem Vollstreckungsergebnis das auf ihre Kosten Erlangte zurück. Reicht dieses allerdings bei mehr als einem Verletzten nicht für eine vollständige Befriedigung der Ansprüche, findet die Verteilung regelmäßig in einem auf Antrag der Staatsanwaltschaft eröffneten Insolvenzverfahren statt. Unabhängig von der Frist können sie durch die Vorlage eines Titels Auskehrung des Verwertungserlöses des Vollstreckungsergebnisses aus der in Bezug auf ihren Anspruch ergangenen Einziehungsanordnung geltend machen.

10 Festnahme und Fahndung

Auch im Rahmen der Vollstreckung kommen auf die Polizei weitere Aufgaben zu. Gemäß § 459g Abs. 3 StPO kann zur Vollstreckung der Einziehungsanordnung auf Antrag des Rechtspflegers der Staatsanwaltschaft die Durchsuchung des Einziehungsbetroffenen angeordnet werden und es kann insoweit auch eine Ausschreibung gemäß § 131 StPO erfolgen. Eine Reihenfolge der Vollstreckungsmaßnahmen ist in der Strafprozessordnung nicht geregelt. § 459b StPO betrifft lediglich den Fall einer Zahlung des Verurteilten ohne Tilgungsbestimmung. Im Falle eines Haftbefehls wegen Ersatzfreiheitsstrafe bei gleichzeitiger Ausschreibung zur Vollstreckung des Einziehungsbetrags gemäß §§ 459g Abs. 3, 111f Abs. 1, 131 Abs. 1 StPO kann daher zunächst hinsichtlich der Einziehungsanordnung (durch Pfändung gemäß § 111f Abs. 1 StPO) vollstreckt werden und danach die Verhaftung erfolgen. Dem Verurteilten muss nicht die Gelegenheit gegeben werden, die Geldstrafe aus dem Taterlangten zu begleichen.

11 Fazit

Die Vermögensabschöpfung hat sich zu einer wichtigen Aufgabe neben der (eigentlichen) Strafverfolgung entwickelt. Das Ziel, die Nutznießung von Verbrechensgewinnen zu unterbinden, wird deutlich besser erreicht als vor der Reform, bedeutet aber auch mehr Aufwand für die Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft. Für die (meisten) Verletzten ergibt sich durch die Reform unter dem Strich keine Verbesserung der Situation.

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Anmerkungen

  1. Der Autor ist als Dezernent für Vermögensabschöpfung in Wirtschaftsstrafsachen bei der Staatsanwaltschaft Lübeck tätig. Der Beitrag gibt die persönliche Auffassung des Autors wieder.
  2. BGBl. I 2017, S. 872.
  3. Vgl. Korte wistra 2018, 1, 12, siehe auch schon BT-Drs. 18/9525, S. 4.
  4. BT-Drs. 18/9525, S. 1, 2, 45, 48. Durch das Reformgesetz soll auch die Richtlinie 2014/42/EU in innerstaatliches Recht umgesetzt werden.
  5. „Einziehung“ entspricht dem englischen Begriff „confiscation“, die Übersetzung des im Englischen nicht bekannten Begriffs „Verfall“ verursachte regelmäßig Schwierigkeiten.
  6. Da dieser Beitrag nur Vermögensabschöpfung und nicht Einziehung im Allgemeinen zum Thema hat, wird auf den Inhalt der §§ 74 ff. StGB hier nicht weiter eingegangen.
  7. Der Oberbegriff für die aufgezählten Personen ist der Einziehungsbetroffene. Im Folgenden wird hier der besseren Verständlichkeit wegen überwiegend nur der Täter genannt, da dieser der häufigste Einziehungsbetroffene im kriminalpolizeilichen Alltag ist. Sofern allerdings andere als der Täter Einziehungsbetroffene sein können (Ziff. 4 und 6.2) oder abstrakte Wertungen angesprochen werden (z.B. Ziff. 7), wird vom Einziehungsbetroffenen gesprochen. Im Zusammenhang mit vorläufigen Maßnahmen wird auch – da die Täterschaft noch nicht feststeht – die Bezeichnung der jeweiligen prozessualen Rolle, also Beschuldigter oder Einziehungsbeteiligter, verwendet.
  8. Dazu, dass bereits im Versuchsstadium etwas durch die Tat erlangt worden sein kann, siehe OLG Schleswig vom 8.1.2002 – 1 Ws 407/01 – BeckRS 2014, 46352. Auch bei gemäß § 30 StGB strafbaren Vorbereitungshandlungen kann bereits etwas für die Tat erlangt worden sein.
  9. Vgl. Köhler NStZ 2017, 497, Fn. 87. Anderer Auffassung zur alten Rechtslage Leipziger Kommentar-StGB-Schmidt, 12. Auflage 2010, § 73 Rn. 46.
  10. Ausführlich zur Bestimmung des Erlangten und dem Begriff der Aufwendung im Sinne des § 73d StGB Rettke vorgesehen für wistra 6/2018, 234.
  11. Vgl. BVerfG vom 1.6.2015 – 2 BvR 67/15, NStZ-RR 2015, 335.
  12. Diese in § 437 StPO für die Situation des § 76a Abs. 4 StGB (siehe Ziff. 6.2) genannten Maßstäbe finden im Rahmen der Einziehung gemäß § 73a Abs. 1 StGB, die den Nachweis zumindest einer Straftat voraussetzt, erst recht Anwendung.
  13. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vom 16.12.2013, aufgerufen auf www.cdu.de/sites/default/files/media/dokumente/koalitionsvertrag.pdf, S. 101: „Wir regeln, dass bei Vermögen unklarer Herkunft verfassungskonform eine Beweislastumkehr gilt, sodass der legale Erwerb der Vermögenswerte nachgewiesen werden muss.“
  14. Nur bei Einigkeit der Staatsanwaltschaft und des Gerichts kann ein Absehen von der Einziehungsanordnung erfolgen. Ein Beispiel für ein Betreiben der Einziehung gegen den erklärten Willen der Staatsanwaltschaft findet sich bei AG Kehl vom 28.11.2017 – 3 Cs 308 Js 10383/17 – juris, Rn. 8.
  15. Korte wistra 2018, 1, 10; Köhler/Burkhard NStZ 2017, 665, 675, Rettke wistra 2017, 417, 417.
  16. Ggfls. kann zumindest ein Mindesttaterlangtes gemäß § 73d Abs. 2 StGB geschätzt werden.
  17. BT-Drs. 18/9525, S. 87. Der einzige weitere dort genannte Fall des Betrugs zum Nachteil der Sozialkassen mit vergleichsweise niedrigem Schaden ist aufgrund der Besonderheit der Möglichkeit der Einbehaltung zukünftiger Leistungen nicht verallgemeinerbar.
  18. Auch bei öffentlich-rechtlichen Institutionen als Verletzten ist einzuziehen, vgl. Reh NZWiSt 2018, 20, 21. Insbesondere die Frage, ob eine Einziehung zu Gunsten des Fiskus geboten sei, wurde im Gesetzgebungsverfahren ausführlich diskutiert und bejaht, vgl. BT-Drs. 18/10146, S. 13 f.; BT-Drs. 18/11640, S. 76 f.
  19. Ansonsten wäre von einer voraussetzungslosen, also gänzlich ins freie Ermessen der Staatsanwaltschaft gestellten Möglichkeit des Absehens aus Opportunitätsgründen auszugehen. Eine solche ist der Strafprozessordnung fremd.
  20. Vgl. Löwe-Rosenberg-Menges, StPO, 26. Aufl. 2014, § 94 Rn. 44, § 98 Rn. 35, 38.
  21. Diese Regelung findet sich nicht etwa in § 111n Abs. 3 S. 2 StPO, so dass man annehmen könnte, sie bezöge sich nur auf die Herausgabe an andere als den Verletzten. Bei der Übernahme des vom Bundestag am 23.3.2017 beschlossenen Textes (BR-Drs. 237/17, S. 19) zum Bundesgesetzblatt (BGBl. I 2017, S. 881) ist lediglich – wie sich auch aus dem Schriftbild im Übrigen ergibt – der Abdruck der „(4)“ versehentlich unterlassen worden.
  22. Ob insoweit generalisierte Herausgabeentscheidungen durch die (General-)Staatsanwaltschaften, z.B. – bei Zustimmung des Beschuldigten zur Rückgabe an den mutmaßlichen Eigentümer – für die Fälle des Betreffens auf frischer Tat, bei Sachen von geringem Wert oder bei Sachen, deren baldiger Verderb droht, getroffen werden, ist noch nicht abzusehen.
  23. Zur funktionellen Zuständigkeit im Bereich der Vermögensabschöpfung siehe Rettke SchlHA 2018, 10.
  24. Eine Notveräußerung ist jedenfalls ab einem drohenden Wertverlust von 10% vorzunehmen, BT-Drs. 18/9525, S. 85. Da die Notveräußerung dem Schutz des Betroffenen bzw. Eigentümers dient, kann eine verspätete Notveräußerung möglicherweise Ersatzansprüche auslösen.
  25. Soweit teilweise aus der Formulierung „zur Sicherung der Vollstreckung“ auf das Erfordernis eines dem Arrestgrund entsprechenden Sicherungsbedürfnisses geschlossen wird, weist Meißner KriPoZ 2017, 237, 242 zutreffend darauf hin, dass es in § 111b Abs. 2 StPO a.F. eine ähnliche Formulierung („zu deren Sicherung“) gab, ohne dass hieraus auf ein besonderes Sicherungsbedürfnis geschlossen worden wäre.
  26. Vgl. zur Verhältnismäßigkeit eines Vermögensarrests Rettke wistra 2017, 417, 420 f.