„Vor dem Täter am Tatort“

– Musterbasierte Tatortvorhersagen am Beispiel des Wohnungseinbruchs


Dr. Thomas Schweer, Mitbegründer des Instituts für musterbasierte Prognosetechnik


Im Jahr 2013 registrierte die Polizei bundesweit 149.500 Wohnungseinbrüche, darunter 60.099 unvollendete (40,2%) und 89.401 vollendete (59,8%) (Polizeiliche Kriminalstatistik 2013:169). Dies bedeutet einen Anstieg zum Vorjahr um 3,7%. Betrachtet man den Zeitraum 2006-2013, beträgt der Anstieg gar 36%. Während die Stadtstaaten Bremen, Hamburg und Berlin besonders belastet sind, weisen die Bundesländer Thüringen, Bayern und Baden-Württemberg unterdurchschnittliche Belastungszahlen auf. Generell lässt sich sagen, dass kaum ein anderes Deliktfeld in den letzten Jahren einen so rasanten Anstieg zu verzeichnen hat wie der Wohnungseinbruchsdiebstahl.

Die Aufklärungsquote lag bei gerade einmal 15,5% (Polizeiliche Kriminalstatistik 2013:168), wobei Thüringen mit 38,5% die höchste und Hamburg mit 7,7% die niedrigste Quote aufwies. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern relativieren sich jedoch, betrachtet man Aufklärungs- und Verurteilungsquote zusammen. Das Kriminologische Forschungsinstitut in Niedersachsen erklärt sich diesen Umstand damit, dass in einigen Behörden Wohnungseinbrüche zu vorschnell als aufgeklärt betrachtet werden. Nichtsdestotrotz beklagt das KFN zu recht, dass „in Deutschland ... das Risiko, wegen eines Wohnungseinbruchs belangt zu werden, skandalös niedrig aus(fällt)“ (Wollinger et al 2014:11). Die Gründe hierfür sehen Clages/Zimmermann (2010:288) u.a. bei Mängeln in der Tatortbefunderhebung, in der Qualität der Ermittlungsarbeit oder auch in Personaleng-pässen.
Ein nicht unbeträchtlicher Anteil der Straftaten geht auf das Konto von überregional operierenden, professionell organisierten Gruppierungen, die bei ihren Einbruchsserien höchst effizient vorgehen. Diese Banden arbeiten arbeitsteilig und verfügen über eine ausgefeilte Logistik, was beispielsweise die Erkundung von Tatorten, ihre Begehungsweise und die Auswahl bzw. den Absatz der Beute anbelangt. Sie produzieren durch ihre Taten hohe Schäden, nicht nur materieller Art. Häufig wiegen die Verletzung der Privatsphäre und der Verlust des Sicherheitsgefühls wesentlich schwerer.
Die Täter hebeln Eingangstüren und Fenster auf, stehlen Bargeld, Schmuck und Laptops. Sperrige Gegenstände könnten dagegen beim Abtransport für Argwohn sorgen. Beliebt bei den Tätern sind auch Beutestücke, „die gut verkauft werden können oder zum Selbstverbrauch bestimmt sind“ (Alkohol, Zigaretten) (Balogh 2013:8). Auch Werkzeuge werden gerne entwendet. Nicht selten werden sie später für die Begehung weiterer Einbrüche genutzt.
Haushalte bzw. Gebiete in denen bereits ein Einbruch erfolgt ist, müssen mit höherer Wahrscheinlichkeit mit weiteren Einbrüchen im unmittelbaren Umfeld rechnen als unbelastete Räume. Dieses Täterverhalten kann unter Einsatz von automatisierter Computertechnik als musterbasiert erkannt und somit prognostiziert werden. Diese neue Form der polizeilichen Verbrechensbekämpfung firmiert unter dem Begriff „Predictive Policing“, was soviel bedeutet wie „voraussehende Polizeiarbeit“. Ziel ist es, in großen Datenmengen Muster zu erkennen, um daraus Rückschlüsse auf zukünftige Taten zu ziehen. Das Institut für musterbasierte Prognosetechnik (IfmPt) hat sich der Entwicklung solcher Methoden und Techniken verschrieben und gibt im Folgenden einen Überblick über den aktuellen Stand seiner Arbeit.

Datengrundlage


PRECOBS (Pre Crime Observation System) ist eine Software, um Techniken und Methoden der geografisch, mathematisch und sozialwissenschaftlich unterstützten Kriminalitätsanalyse zu kombinieren und damit neue manuelle und automatische Prognosetechniken für die Bekämpfung des Wohnungseinbruchs bereitzustellen. PRECOBS grenzt sich ganz bewusst von Systemen ab, die ausschließlich mathematisch-statistisch basiert sind, in dem es auch kriminalistische, soziologische und psychologische Elemente in die Methodik einbindet (z. B. die die Rational-Choice-Theorie oder die Routine-Activity-Theorie). An der Entwicklung dieser neuen GIS-basierten Prognosemethode waren deshalb auch Polizeibeamte beteiligt, deren langjährige Erfahrung maßgeblich die Methodik geprägt hat.
PRECOBS arbeitet ausschließlich mit Falldaten aus den polizeilichen Vorgangserfassungs-systemen. Dazu gehören Angaben zur Tatzeit1 und Tatort sowie katalogisierte beschreibende Deliktmerkmale wie Modus Operandi und Beute. Das System verarbeitet grundsätzlich keine personenbezogenen Daten.

Near Repeats


Deliktkonzentrationen in engen zeitlichen und geografischen Räumen bilden die Grundlage der near repeat prediction. Das Phänomen der near repeats wurde weltweit in mehreren wissenschaftlichen Studien, vor allem im Bereich des Wohnungseinbruchs, untersucht und nachgewiesen. Dabei gingen Geografen, Mathematiker und Kriminologen der Frage nach, in welchen Intervallen near repeats auftreten bzw. wie hoch die Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens ist, wobei mit unterschiedlichen räumlichen und zeitlichen Größen gearbeitet wurde. Auch die Auswertung von Daten über Wohnungseinbrüche in Duisburg, Zürich, London und München belegen, dass geografische Bezirke, in denen ein Einbruch erfolgt ist, häufig in kurzer Zeit und im direkten Umfeld mit Folgedelikten rechnen müssen (near repeat victimization).
Near repeats können mehrere Delikte umfassen, während near repeat pairs aus zwei Delikten gebildet werden. Das schließt nicht aus, dass ein und dasselbe Delikt Teil mehrerer near repeat pairs sein kann. Die Anzahl der near-repeat-Paare ist für die qualitative Bewertung eines geografischen Raumes hinsichtlich seiner Bedeutung für die near repeat prediction vorteilhafter als die Betrachtung der reinen near repeats.
Analysiert werden sowohl die Winter- als auch die Sommerzeit, weil die Täter ganzjährig agieren. Im Focus stehen jedoch die Wohnungseinbrüche, da insbesondere professionelle Wohnungseinbrecher eine ausgeprägte Delikttreue aufweisen und sich stärker auf Wohnungen als auf andere Diebstahlsdelikte konzentrieren. In die Analyse fließen die vergangenen fünf Jahre ein, um ein detailliertes Bild über Wanderungsbewegungen zu erhalten.

Das Near-Repeat-Phänomen in Zürich


Vorstehende Abbildung zeigt die near-repeat-Quote in der Stadt Zürich in der Winterzeit 2009/10. Setzt man den zeitlichen Rahmen bzw. den geografischen Raum auf 72 h und 400 m fest, lagen von 2.502 Delikten 1.535, das entspricht einem Anteil von 61%, in near repeat pairs.
Die Herausforderung ist es, near repeats richtig und ad hoc zu prognostizieren. Dabei setzt die near repeat prediction auf empirische Erkenntnisse aus dem spezifischen Deliktfeld und erarbeitet Unterscheidungsmerkmale für Gelegenheits- und Wiederholungstäter. Die Gebiete in denen zweitgenannter Typus verstärkt auftritt, werden als „near repeat areas“2 identifiziert.

 

Deliktkonzentrationen und Ruheintervalle in einer near repeat area


Das near-repeat-Phänomen lässt sich aber nicht nur in Großstädten beobachten, sondern auch in eher ländlich geprägten Gebieten wie den Kantonen Aargau und Basel-Landschaft, wo PRECOBS derzeit im Pilotbetrieb getestet wird.

Triggerkriterien


Bei der near-repeat-prediction-Methodik werden Triggerkriterien zu verschiedenen Delikt-merkmalen festgelegt. Die Vorgehensweise entspricht dem folgenden Prinzip: Ein Triggerfilter enthält eine Liste von gleichtypigen Merkmalen (z.B. Liste von Modus Operandi). Wird bei einem Delikt ein Element aus der Liste gefunden gilt der Trigger als positiv. Ein Triggerdelikt setzt sich aus verschiedenen Triggermerkmalen zusammen, sprich „Tatzeit“, „Beute“ und „Modus Operandi“.
Ein Triggerdelikt ist ein (auslösendes) Delikt, dem potentiell in kurzer Zeit weitere Delikte in der Nähe folgen. Es stellt das erste Delikt in einem near repeat dar. Triggerdelikte sind Delikte, die anhand ihrer Tatmerkmale eine überdurchschnittliche Wahrscheinlichkeit aufweisen, dass sie in „near repeats“ auftreten. Genau umgekehrt ist es bei den Antitriggern. Antitrigger sind Delikte, die anhand ihrer Tatmerkmale eine Wiederholungstat unwahr-scheinlich erscheinen lassen. Als Beispiel für einen Antitrigger seien Beziehungstaten genannt, die sich u.a. an der Begehungsweise identifizieren lassen. Modus Operandi wie „Stumpfe Gewalt“ oder die Benutzung von Schlüsseln weisen auf Täter hin, die aus dem sozialen Nahraum der Opfer kommen (Kawelovsli 2012: 647). In solchen Fällen wird davon ausgegangen, dass diese Tatmerkmale nicht zu einem klassischen Wiederholungsmuster passen. Antitrigger verhindern das Auslösen einer Prognose, auch wenn alle anderen Kriterien dem eines Triggerdeliktes entsprechen. Der Nachweis, dass Antitriggerdelikte weniger Folgetaten aufweisen, wurde in den bisherigen IfmPt-Projekten empirisch belegt.
Anhand ausgewählter Tatmerkmale wird also ein Delikt als Trigger- oder Antitriggerdelikt klassifiziert. In einer zur Prognose geeigneten near repeat area sollte der Anteil der als Triggerdelikte klassifizierten Taten signifikant hoch sein.
Die Verwendung von Triggern verdeutlicht, dass im Gegensatz zu anderen Systemen, bei denen zur Generierung einer Prognose alle Delikte einfließen, bei PRECOBS im Vorfeld mittels o.g. Filters nur solche Delikte für eine Prognose verwandt werden, bei denen man von einem Wiederholungstäter ausgehen kann. Ohne einen solchen „Filter“ würden zwangsläufig auch solche Delikte Eingang finden, bei denen dieser Hintergrund nicht besteht, was unmittelbar zu einer deutlichen Verschlechterung der Prognoseergebnisse führen würde.

Simulation


Sind die relevanten Trigger und Antitrigger sowie die near repeat areas ausgewählt, wird die Analysesoftware konfiguriert und eine retrospektive Simulation gestartet. Hierbei werden ein täglicher Prognosebetrieb über einen vorgebbaren Zeitraum in der Vergangenheit zu den ausgewählten areas durchgeführt und die Ergebnisse dokumentiert. Zur Optimierung können weitere Filter hinzugefügt, bestehende gelöscht und neue Konfigurationen im Simulationsmodus iterativ für die areas ausgetestet werden. So können Modelle sowohl für die Vergangenheit als auch für die Zukunft erstellt werden. Ziel ist es, für jede near repeat area die beste Konfiguration zu finden, um später im Echtbetrieb einen stabilen Prognoseerfolg zu gewährleisten. Es hat sich gezeigt, dass es sinnvoll ist, mit unterschiedlichen Konfigurationen und Gebieten für die Sommer- und die Wintermonate zu arbeiten, da das Täterverhalten jahreszeitlich variiert.
Erfolgsversprechende areas werden für den Tagesbetrieb freigeschaltet. Zentrales Kriterium für eine near repeat area ist die Vermeidung von Fehlprognosen, um operative Kräfte der Polizei nicht unnötig zu binden.
Eine near repeat area sollte insbesondere in den letzten drei Vergleichsperioden bzgl. der relevanten Kriterien (hohe Trefferquote, hoher Anteil an Triggerdelikten, hoher Anteil an (Trigger-) Delikten in near repeat pairs, wenige Einzeldelikte) gute bis sehr gute Ergebnisse erzielt haben. Areas, die über die analysierten Zeiträume nur mittelmäßige bis schlechte Resultate aufweisen, kommen für die near repeat prediction nicht in Frage. Eine area, die nur in einer Saison positive Prognoseergebnisse erzielt hat, muss aber nicht zwangsläufig für die Methode der near repeat prediction ungeeignet sein. Es gibt Gebiete, die nicht jedes Jahr von Wiederholungstätern heimgesucht werden (Wanderungsbewegungen). Diese areas produzieren in solchen Ruhephasen aber keine oder kaum Fehlprognosen, da die Deliktzahl – dies liegt in der Logik der Methodik – dann deutlich sinkt, weil Gelegenheits- und Spontantäter in diesen geografischen Räumen eher die Ausnahme als die Regel sind. In „kalten“ Phasen ist die Anzahl der Delikte also gering, was aber nicht ausschließt, dass alle anderen Kriterien für eine prediction area erfüllt sein können. Das Problem in „kalten“ Phasen besteht vornehmlich darin, dass im Extremfall keine Prognosen generiert werden, respektive unter Umständen die eine oder andere Fehlprognose ausgeworfen wird. Dieses Risiko wird aber dadurch minimiert, dass prediction areas ein geringes „Grundrauschen“ aufweisen, und zusätzlich die Konfiguration von Antitriggern hilft, Fehlprognosen zu vermeiden.
Die Bedeutung der richtigen Konfiguration, insbesondere was die Trigger- und Antitrigger anbelangt, zeigt sich darin, dass die Trefferquoten sinken, führt man die Simulation ohne aktive Konfiguration durch. Gerade bei Prognosen, die engen zeitlichen und geografischen Bedingungen genügen sollen, ist dieser Effekt signifikant.
Das System „PRECOBS“ arbeitet mit unterschiedlichen Einstellungen, zum einen mit einem Radius von 500 m und einem Zeitansatz von 168 Stunden, zum anderen mit einem Radius von 400 m und einem Zeitansatz von 72 Stunden. Erstgenannte Einstellung bewertet die Qualität der areas vornehmlich in Hinblick auf ihre Eignung für Streifenkräfte. Bei dieser Art von Einsätzen ist es das primäre Ziel, durch Präsenz den oder die Täter von ihrem Vorhaben abzuhalten. Eine solche Taktik muss nicht zwangsläufig zur Folge haben, dass die Kriminalität nur verdrängt wird. Studien belegen, dass solche Maßnahmen auch positiv Effekte auf Nachbargebiete haben können; Kriminalität sich also nicht zwangsläufig nur verlagert. Polizeiliche Präsenz zu zeigen steht somit im Vordergrund, weshalb auch in einem größeren operativen Raum agiert werden kann. Der Personaleinsatz ist nicht so intensiv wie bei Fahndungselementen, da die Bestreifung auch mit den üblichen Kräften durchgeführt werden kann, nur dass die Kräfte für das gefährdete Gebiet sensibilisiert sind.
Patrouillenstreifen basieren auf zeitlich und örtlich relativ eng eingegrenzten Risikoprognosen, d.h. für die Polizei besteht die Chance, schon vor der Begehung der Tat im Zielgebiet unterwegs zu sein und somit schnell an den potentiellen Tatort zu gelangen. Gerade bei Einsätzen mit „Tätern am Ort“ erhöhen Patrouillenstreifen die Chancen für die Beamten, Einbrecher inflagranti zu erwischen.
Polizeipatrouillen gehören einerseits zu den Standardpolizeipraktiken, andererseits lassen sie sich auch den brennpunktorientierten Praktiken zuordnen, da sie aufgrund eines Anstiegs von Einbruchsdelikten in einem bestimmten Raum angeordnet werden. In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass Festnahmen von Wohnungseinbrechern auf frischer Tat im oder unmittelbar am Objekt die Wahrscheinlichkeit einer späteren Verurteilung der Täter deutlich erhöhen. So konstatiert Kawelovski (2013:12): „In Bezug auf die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung der Täter dominierten ... eindeutig die Festnahmen, die auf frischer Tat erfolgt waren ... Bei den Verurteilungen folgten mit deutlichem Abstand die Festnahmen im Rahmen von Nahbereichsfahndungen und noch seltener kamen Tatverdächtige zur Verurteilung , die unter anderen Umständen festgenommen worden waren.“ Des Weiteren führt Kawelovski aus, „dass die operative Maßnahme ‚vorläufige Festnahme‘ mit den daraus resultierenden Beweisführungschancen für eine spätere Verurteilung von Wohnungseinbrechern eine deutlich größere Bedeutung ... (haben) als sämtliche Arten von Tatortspuren“ (Kawelovski 2013:13).
Die Aussagen von Kawelovski verdeutlichen, wie wichtig es ist, vor dem Täter am (potenziellen) Tatort zu sein. Systeme wie PRECOBS sind ein Hilfsmittel zur Optimierung einer zielgerichteten Einsatzplanung und helfen dabei, die Chance zu erhöhen, Täter inflagranti zu fassen – nicht mehr, aber auch nicht weniger!
Eine zweite Einstellung verwendet einen Radius von 400 m und einem Zeitansatz von 72 Stunden, ist also zeitlich deutlich enger und auch kleinräumiger konfiguriert. Damit werden Bereiche identifiziert, die systematisch von Zivilkräften observiert werden können (z.B. Einsatztrupps). Da solche polizeilichen Maßnahmen häufig mit einem nicht unerheblichen Personaleinsatz verbunden sind, sollte die Einsatzdauer nicht länger als drei Tage betragen.
Primäres Ziel solcher Aktionen ist es, den oder die Täter auf frischer Tat zu fassen. Aufgrund des hohen Personalaufwandes sollte die Erfolgswahrscheinlichkeit hoch sein. Demzufolge werden für solche Einsätze nur Prognosen ausgewählt, bei denen

  1. von einer hohen Eintrittswahrscheinlichkeit ausgegangen werden kann,
  2. Trigger- und Folgedelikt nicht mehr als 400 m entfernt liegen sollten, um so den operativen Raum überschaubar zu halten,
  3. Konkrete Hinweise auf Täter vorliegen, die als professionell agierende Einbrecher einzustufen sind.

Prediction areas, die primär für Fahndungselemente vorgesehen sind, produzieren pro Saison nicht zwangsläufig viele Prognosen. Nichtsdestotrotz bieten sie Chancen, Tätern und Tätergruppierungen habhaft zu werden, die für eine Vielzahl von Einbrüchen verantwortlich sind.
 

Prognoseerstellung mit Unterstützung von Kacheln


Ein wichtiges Instrument bei der Erstellung einer zeitlich und örtlich zielgenauen Prognose sind Kacheln, die unter Anwendung der Methode der Kerndichteschätzung ermittelt werden. Legt man ein Gitternetz mit einer Kachelgröße von 250 m über den jeweiligen geografischen Raum und berücksichtigt nur die Kacheln, in denen in den vergangenen Jahren Delikte verübt wurden, wird eine Karte mit farbigen Kacheln erstellt. Sie gibt Hinweise auf die Einbruchsaktivitäten in der Vergangenheit. Farbige Kacheln werden nur dann angezeigt, wenn dort im zugrunde gelegten Referenzzeitraum (i.d.R. vier Winter- oder Sommer-perioden) mindestens ein Delikt festgestellt wurde.
Rote Kacheln bezeichnenen Gebiete mit einer hohen Einbruchsbelastung, gelbe Kacheln Gegenden mit einer mittleren Einbruchsaktivität und grüne Kacheln Räume, die in den Vorjahren nur schwach belastet waren. Die farbigen Kacheln dienen den Einsatzkräften als zusätzlicher Hinweis, wo die Wahrscheinlichkeit eines Folgedeliktes in der near repeat area am höchsten ist. Dabei kann das Folgedelikt auch außerhalb des Gebietes in der Randzone sein.

PRECOBS im Tagesbetrieb


Der automatisierte Prognoseprozess wird in den Tagesbetrieb der jeweiligen Polizeibehörde integriert. Predictive policing schafft neue Verantwortlichkeiten und neue Ereignisse, die verarbeitet werden müssen. Eine wichtige Rolle spielt hierbei der Operator. Hierbei handelt es sich um technisch affine Beamte, die sich auch in dem jeweiligen Deliktfeld gut auskennen. Der Operator nimmt die täglich auf der Basis der aktuellsten Falldaten von PRECOBS bereitgestellten Prognosen entgegen, validiert sie, gibt sie zur weiteren Einsatzplanung frei oder zieht sie zurück. Gibt der Operator die Prognose frei, leitet er sie an die relevanten lokalen Einsatzkräfte weiter. Über die operative Umsetzung hinsichtlich Art, Dauer und Umfang der Einsätze entscheidet ausschließlich die Behörde.

Der Operatorplatz


Diese Prozesskette verdeutlicht, dass bei der near repeat prediction – im Gegensatz zu vollautomatisierten Prognosesystemen – der Mensch als letzte Analyse- und Entscheidungs-instanz im Vordergrund steht. PRECOBS ist leicht zu bedienen und birgt darüber hinaus den Vorteil, dass es auch bei der Bekämpfung anderer Phänomene der Massenkriminalität (z.B. Diebstahl aus oder von Kfz) einsetzbar ist. Jede Behörde ist technisch in der Lage den Prognosebetrieb in Eigenregie durchzuführen.

Zusammenfassung

In Gebieten mit hohen Anteilen an near repeats und Triggerdelikten ist die Methodik der near repeat prediction erfolgreich einsetzbar. Operative Einheiten können somit automatisiert unterstützt bzw. gezielt in Räume geleitet werden, in denen die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten weiterer Delikte empirisch nachweisbar signifikant steigt. Somit hilft die near repeat prediction, die Einsatzplanung zu optimieren, wobei der Anpassungsaufwand für eine Behörde technisch und personell gering ist. Ein weiterer positiver Effekt ist, dass im Bereich der Analysetätigkeit Beamte entlastet werden und somit Personalressourcen für andere Aufgaben freigesetzt werden.
Datenschutzrechtliche Bedenken, die häufig im Zusammenhang mit dem Einsatz von Prognosesystemen im Bereich des Predictive Policing geäußert werden, sind verständlich und ernst zu nehmen. Deshalb wurde bei der Entwicklung der near repeat prediction sichergestellt, dass das System auch ohne die Verwendung personenbezogener Daten qualitativ hochwertige Prognosen liefern kann. PRECOBS ist daher datenschutzrechtlich unbedenklich, da das System sich nur auf anonymisierte Daten ausschließlich aus polizeilichen Erfassungssystemen stützt.

Literatur:

  • Balogh, D. A. (2013): Untersuchung des Phänomens der sogenannten Near-Repeat-Wohnungseinbruchsdelikte am Beispiel der Stadt Zürich: Möglichkeiten und Grenzen des Prospective Crime Mappings, Zürich 2013.
  • Clages, H. u. E. Zimmermann (2010): Kriminologie. VDP, Hilden/Rhld.
  • Kawelovski, F. (2012): Verräterische Fußtritte: Wie sich eine Täter-Opfer-Beziehung beim Wohnungseinbruch am Eindringmuster erkennen lässt. In: Kriminalistik, Nr. 11, S. 645-648.
  • Kawelovski, F. (2013): Studie zur Wirksamkeit polizeilicher Maßnahmen bei Wohnungseinbrüchen. In: der kriminalist, Nr. 4, S. 8-17.
  • Kersting, St. u. J. Kiefert (2013): Das Deliktspektrum von Wohnungseinbrechern. In: Kriminalistik Nr.7, S. 468-472.
  • Polizeiliche Kriminalstatistik Jahrbuch 2013 (2014): Hrsg.: Bundeskriminalamt Wiesbaden.
  • Wollinger et al. (2014): Wohnungseinbruch: Tat und Folgen – Ergebnisse einer Betroffenenbefragung in fünf Großstädten. Hrsg.: Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen e. V., Hannover.

Anmerkungen

  1. Ein Problem beim Wohnungseinbruch besteht darin, dass nur selten exakte Tatzeiten vorliegen, sondern in der Regel die Tatzeiträume mehrere Stunden, wenn nicht gar Tage umfassen.
  2. Eine near repeat area ist ein geografisches Gebiet, in dem die Gefährdungslage, aber auch die Wahrscheinlichkeit für prognostizierbares, musterhaftes Täterverhalten und die Zahl der zu erwartenden near repeats besonders hoch eingeschätzt wird.