Zum Verhältnis von Islam und politischer Herrschaft

Von Dr. Marwan Abou-Taam, Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz 

Eine Auseinandersetzung mit dem Verhältnis des Islam zur Herrschaft sieht sich mit der Tatsache konfrontiert, dass unterschiedliche Ebenen des Argumentes zusammengeführt werden müssen, um eine haltbare Aussage treffen zu können: Die Beziehungsverhältnisse „Islam und Staat“, „Muslime und Staatlichkeit“, „Islam und Säkulare Verfassung“, „Muslime und Säkularismus“ sind verschiedene von vielen Variablen abhängige Komponenten, die in ihrer Beantwortung oftmals orts-, zeit- und esellschaftsabhängig sind. Weder der Koran noch die Tradition des Propheten äußern sich zur Gestaltung eines Staatswesesens. In diesem Sinne argumentierte der al-Azhar Gelehrte und Richter Ali Abd ar-Raziq im Rahmen einer Auseinandersetzung über die Beziehung von Herrschaft und Islam, dass man in der islamischen Offenbarung keine Aussagen über die Verfasstheit eines Staates finden kann, und führt fort:

„Das Kalifat hat auch nichts mit den religiösen Angelegenheiten zu tun. Gleiches gilt für Gerichtswesen, für Regierungsposten oder Stellen im Staatsdienst. Das alles sind reine politische Angelegenheiten, mit denen die Religion nichts zu tun hat, denn sie hat sie weder gekannt noch abgelehnt, weder vorgeschrieben noch verboten.“1


Obwohl im quranischen Text Könige und Königreiche diskutiert werden, wird die politische Konstituierung der frühen islamischen Gemeinde nicht festgelegt. Ferner werden in der Prophetentradition zwei Aussagen Mohammads als authentisch zitiert, die sehr verwirrend wirken, wenn man bedenkt, dass oft in der aktuellen islamischen Debatte die Untrennbarkeit von Religion und Politik betont wird. Mohammad soll von Gott vor die Wahl gestellt worden sein, König oder Diener werden zu wollen und er habe sich für letzteres entschieden.2 So gab es zu keiner Zeit eine offizielle staatsamtliche Bezeichnung des Propheten. Vielmehr betont Mohammad „... ihr wisst zu Dingen eurer Welt besser Bescheid.“ Erst im Jahr 661 entstand mit den Ummayaden in Damaskus die erste islamische Dynastie als Folge eines Bürgerkrieges und vieler Krisen, die sich mit der Frage der rechtgeleiteten Führung der Gläubigen auseinandersetzten. Nicht Medina oder Mekka sondern Damaskus, eine byzantinische Verwaltungsstadt, war nun die Hauptstadt der ersten islamischen Dynastie. Die Omayyaden gaben sich den Titel „Statthalter Gottes“, während Mohammad Diener und gesandter Gottes war.
Unter den Muslimen existierten seither verschiedene religiöse Auffassungen über die Bedeutung des Staates und seiner Wirkungsrationalität. Oft findet man in den Argumente eine staatsphilosophische Verknüpfung, wonach staatliche Ordnung eine Voraussetzung für die Erfüllung religiöser Pflichten sei. Ein Blick in den Koran macht jedoch deutlich, dass sich die Offenbarung nicht zu diesem Thema geäußert hat. An keiner Stelle des Korans wird eine islamkonforme Staatsform beschrieben. Die Frage der staatlichen Organisation, des Rechts und der Herrschaftskontinuität ist zwar erst mit dem Tod des Propheten aktuell geworden, jedoch werden oft Bezüge auf das Wirken Mohammads in Jathrib genommen. Diese Stadt, die heute Medina/Stadt des Propheten genannt wird, dient als Projektionsfläche für die unterschiedlichsten Interpretationen des Islam bezüglich seines Verhältnisses zur Staat und Herrschaft. Sowohl Orthodoxe, Modernisierer als auch Islamisten beziehen sich auf die frühislamische Geschichte, und insbesondere auf die Rolle des Propheten in Jathrib, um daraus Argumente für ihre jeweilige Staatsauffassung abzuleiten. 

Jathrib und das Wirken Mohammads


Die sozialpolitische Situation auf der arabischen Halbinsel unmittelbar vor dem Offenbarungsbeginn war geprägt von stammesorientierten Gemeinwesen, die ihrerseits in kleineren Klans und Großfamilien unterteilt waren. Im Zentrum jener patriarchalischen Struktur stand die Ehre, die unmittelbar mit der Blutrache verbunden war. Während die Nomaden mit ihren Tieren in der Wüste von Oase zur Oase umherzogen, betrieben die Stadtbewohner Handelskarawanen. Beduinische Wegelagerer kontrollierten die Handelsrouten, sodass das Verhältnis zwischen Nomaden und Städtern entsprechend von Raub- und Rachezügen bestimmt war. Die Zugehörigkeit zu einem Stamm eröffnete Schutz und war Loyalitätsverpflichtung zugleich. Lebensentscheidend waren auch jene Allianzen zwischen den Stämmen, die dazu beigetragen haben, dass, trotz fehlender politischer Struktur, das soziale Gefüge stabil gehalten wurde.
In Mekka, also in der Geburtsstätte des Islams, lebte der Stamm der Qureischiten, die Haschemiten bildeten eine Großfamilie innerhalb dieses Stammes, aus der Mohammad hervorging. Sowohl die marokkanische als auch die jordanische Königsfamilien berufen sich bis heute auf die Abstammung aus der haschemitischen Familie und legitimieren ihre Macht durch das Verwandtschaftsverhältnis zum Propheten Muhammad.
Die von Mohammad gepredigte Religion des Islam zog ihre revolutionäre Kraft gerade daraus, das unverfälschte Alte zurückgebracht zu haben. Dabei verfolgt der Islam weder den jüdischen Traum von der Erlösung eines auserwählten Volkes noch der christlichen Versprechung von der individuellen Erlösung durch das Leiden Gottes. Auf einer undramatischen Art und Weise wird die Beziehung der Menschen zu Gott nüchtern und in vielen Teilen pragmatisch bestimmt. Gott wird in einer strikt monotheistischen Perspektive als der absolute, transzendente, in einem alles übersteigenden Anderssein unmittelbar wirkende interpretiert. Das Grundanliegen des Islam besteht also in der Transzendenz des einen Gottes, des Schöpfers von Himmel und Erde. Bald fand der Prophet Anhänger unter den jüngeren Mekkanern vornehmer Familien und den Sklaven. Bei den Stadtvätern Mekkas stieß er auf Ablehnung. Diese hatten Angst, dass der Stammessohn Muhammad durch seinen propagierten Monotheismus die gesonderte Stellung der Pilgerstadt Mekka als Handelsmetropole und religiöses Zentrum gefährdet. Muhammads Predigten hinterfragten den Götterkult und die Wallfahrtsfeste, die sich um das Heiligtum in Mekka konzentrierten und den führenden Familien wirtschaftliche Vorteile brachten.
Die Qureischiten beschlossen, Muhammad und seine Anhänger zu boykottieren. Als Muhammads Onkel Abu Talib im Jahre 619 starb, steigerten die Mekkaner den Druck auf Muhammad, schließlich beschlossen sie ihn zu töten. Daraufhin erlaubte er seinen Anhängern Mekka zu verlassen, um in Jathrib Schutz zu finden. Schließlich folgte er ihnen im Jahre 622 nach Jathrib auf die Aufforderung einiger Stämme hin, die einen Friedensrichter suchten. Jathrib bekam später den Namen Medina/, Die Stadt des Propheten. Diese Migration wird Hidjra genannt und markiert den Beginn der islamischen Zeitrechnung. Heilsgeschichtlich bedeutet diese Auswanderung einen Einschnitt zwischen Islam und Djahiliyya. Es ist die Überwindung des „Nicht-Wissen“ und „Nicht-Wahrnehmen“ der Zeichen des Schöpfers und somit eine Manifestation des Wandels einer sozialen Situation, die durch die Realisierung einer neuen sozialen Verfassung in Medina verfestigt werden sollte. Hierin sehen die islamischen Gelehrten eine Parallele zur biblischen Geschichte Moses, die im Quran mit den Worten wiedergegeben wird: „Und wahrlich, wir entsandten schon Moses mit unsern Zeichen (und sprachen zu ihm:) Führe dein Volk aus den Finsternissen zum Licht und erinnere sie an die Tage Allahs‘. Siehe, hierin sind wahrlich Zeichen für alle Standhaften und Dankbaren“.(Sure14,5)
Muhammad wurde in erster Linie von den Bewohnern Medinas als Schiedsrichter akzeptiert, um ihre Fehden zu schlichten. Diesbezüglich liefert die Charta (Sahifa) von Medina einen Einblick in die pragmatisch begründete Abmachung zwischen Mohammed und den Bewohnern der Stadt. Es entstand in Medina eine politische Solidargemeinschaft (Umma). Muslime, heidnische und jüdische Clans akzeptierten die richterliche Funktion von Muhammad. In der Sahifa findet man die Formulierung: „Immer wenn zwischen den Leuten dieser etwas geschieht oder zwischen ihnen Streit entsteht, woraus Unheil zu befürchten ist, so ist dies Gott und Mohammad, seinem Gesandten, vorzulegen.“ Diese Stellung des Propheten ist eine weitere Zäsur, die den Islam bis heute prägt, denn viele Muslime interpretieren den räumlichen Bruch mit Mekka als Befreiung vom Unglauben. Die neue Rolle des Propheten wird verstanden als die erste islamische Grundordnung, in der der ehemals von seiner Heimatstadt verkannte und abgelehnte Prophet zum Oberhaupt einer Gemeinde aufgestiegen ist. Tatsächlich lassen sich auch im Offenbarungstext Stellen finden, die diese Veränderung der Rolle Muhammads belegen. Während die Predigten Muhammads in Mekka vor der Hidjra sich mit der Beziehung der Menschen zu Gott, der Erwartung des Jüngsten Gerichtes sowie mit der Aufforderung zu sozialen Handlungen beschäftigten, zeugen die Aussagen des Propheten in Medina von einer praktisch orientierten Umsetzung der Botschaft innerhalb einer bestimmten Sozialordnung. Auch sprachlich unterscheiden sich die beiden Phasen der Offenbarung. Maßgeblich für diese Veränderung war die historische Notwendigkeit, die sich aus dem Verhältnis des Propheten zum sozialen Komplex ergeben hat. Für den größten Teil der Muslime sind diese Veränderung und ihre Rahmenbedingungen ein zentraler Bestandteil der Offenbarung, ohne die die Texte des Korans kaum auslegbar sind. Obwohl oft das Wirken des Propheten in Medina herangezogen wird, um eine islamische Herrschaftsordnung zu bestimmen, muss man jedoch konstatieren, dass Muhammad zu keiner Zeit eine offizielle Amtsbezeichnung innehatte. Er hat keine Dynastie begründet und schuf keinerlei staatliche Strukturen.
Die Autorität Muhammads lässt sich auf Quranverse zurückführen, wonach die Gläubigen Gott und den Gesandten gehorchen sollten (Sure 4,80; Sure 5,92; Sure 8,1 etc.), denn „ […] Vielleicht lasst ihr euch führen! Aus euch soll eine Gemeinschaft derer entstehen, die zum Guten rufen, das Rechte gebieten und das Verwerfliche untersagen.“ In einem anderen Vers wird der Zirkel von Autoritätsträgern erweitert. In Sure 4 im Vers 59 heißt es, „O ihr, die ihr glaubt! Gehorcht Allah und gehorcht dem Gesandten und denen, die Befehl unter euch haben.“ Die muslimischen Exegeten waren sich nie einig über die Interpretation des letzten Teils dieses Verses. Wer sind diejenigen, die Befehl unter den Muslimen haben? So sieht at-Tabari (839-923) darin die Grundlage einer islamischen Herrschaft gelegt.3 Andere Exegeten gehen jedoch davon aus, dass es sich hierbei um die Gefährten des Propheten handelt. 

Herrschaftskonzeptionen – zwischen Philosophie und Theologie


Ein Blick in die politische Theorie bei islamischen Philosophenund Rechtsgelehrten macht deutlich, dass sie bei der Formulierung ihrer Theoreme in Bezug auf Herrschaft und Herrschaftslegitimation sehr beeinflusst waren von den politischen und gesellschaftlichen Konstellationen, die ihre jeweilige Zeit geprägt haben. 
Islamische Philosophen wie al Farabi5, Ibn Rushd6, Ibn Sina, Ibn Khaldun sowie religiöse Gelehrte wie al-Mawardi, al- Ghazali und Ibn Taymiyya bieten die Basis der meisten islamisch begründeten Visionen politischer Herrschaft der heutigen Zeit.7 Reformorientierte und sich der Demokratie verpflichtende Debatten beziehen sich oft auf die Frühislamische Geschichte in Kombination mit den Ausführungen der islamischen Philosophie. Währenddessen beziehen sich die Vertreter einer theokratisch bestimmten Herrschaftsform auf die theologischen Ausarbeitungen in Kombination mit einer staatszentrienten Leseart der frühislamischen Geschichte. Mit anderen Worten prägen Diskurse und Debatten, die in der Zeit der Omayyaden- und der Abbasidendynastien vom 7. Jahrhundert bis zum 12. Jahrhundert geführt worden sind, den aktuellen politischen Diskurs. 
Ibn Khaldun argumentiert, dass die grundlegenden Ursachen geschichtlicher Entwicklung in den gesellschaftlichen und sozialen Strukturen gesucht werden müssen.8 Er folgte dem Grundsatz, dass das Beobachtbare Rückschlüsse auf den Wahrheitsgehalt gibt, während das, was mit der Empirie nicht übereinstimmt, verworfen werden muss. Aufbauend auf dieser Grundlage entwickelte er in seiner Muqaddima/Einführung in die Weltgeschichte9 den Kreislauf vom Aufstieg und Zerfall der Zivilisationen.10 Bezüglich des Staates beschreibt er die Integration politischer, sozialer und wirtschaftlicher Faktoren als Grundlagen seiner Funktion. Für ihn sind gute Finanzen und die Gewährung der öffentlichen Sicherheit eine unabdingbare Voraussetzung für eine gute Regierungsführung. Ibn Khaldun verlangt, dass die natürlichen Anlagen der Menschen respektiert werden und sie deswegen nicht überfordert werden sollen. Als Theoretiker stellt er fest, dass die Entwicklung von Herrschaft und Staaten höchst unterschiedlich verlaufen kann. Je nachdem wie sich das politische System gegenüber Wirtschaft, Religion sowie gesellschaftlichen Gruppen verhält, kann dieses fortexistieren oder nicht. Er veranschaulicht dies anhand seiner Abhandlung über die Auswirkung hoher Steuern und plädiert dafür, dass diese als Voraussetzung für eine florierende Wirtschaft niedrig gehalten werden. Ibn Khaldun argumentierte, dass der Staat durch eine Kraft gehalten wird, die er ‘asabiya/Esprit de Corps nennt. Demnach hängt der Zusammenhalt einer Gesellschaft vom Wertebewusstsein einer Zivilisation, also von der auf ihrer Weltanschauung aufbauenden Solidarität ab. Auch für Ibn Khaldun unterstützt in diesem Sinne die Religion den Staatszusammenhalt entscheidend. In seiner Abhandlung stellt er fest, dass der Staat fünf Phasen durchläuft:11

  • gemeinschaftlicher Sieg 
  • Konsolidierung der Macht
  • Ruhm
  • Zufriedenheit und Nachahmung
  • Vergeudung und Verschwendung.

Je nachdem wie stark die ´asabiya ausgebildet ist, verhält es sich mit der Verweichlichung der Menschen, davon hängen die Stärke der Staatsmacht ab und somit ihre Fähigkeit Ordnung durchzusetzen und damit für Sicherheit zu sorgen. Inspiriert von Platons Staat beschäftigte sich auch der islamische Philosoph Ibn Rushd mit gesellschaftlichen Entwicklungen und der Bedeutung des Staates.12 
Auch mit Bezug auf Platon billigt Al-Farabi in seiner Abhandlung „al-madina al- fadila“13 dem Herrscher die Abänderung von religiösen Gesetzen zu. Hierbei distanzieren sich beide von der islamischen Vorstellung, wonach die Legitimation der Herrschaft des Sultans auf der Grundlage einer metaphysischen Weltvorstellung geschieht, wie dies beispielsweise al Ghazali tut. Die islamischen Rationalisten „glauben nicht, dass das Kalifat authentisch religiös islamisch ist.“14 Tatsächlich kennt die islamische Tradition in der praktischen Herrschaftsausübung das Istihsan als Methode des Herrschers weltliche Gesetze, die alleine auf seinem Willen beruhen, zu verabschieden, um auf eine gesellschafts- oder machtpolitische Situation reagieren zu können. Derartige Vorschriften „ wurden zunächst gewöhnlich in die Scharia aufgenommen, durch Vermittlung der Sunna oder auch auf Grund juristischer Überlegungen.“15 Das politische Erstarken der Rechtgelehrten und die zunehmende Schwächung der Philosophie seit der ersten Hälfte des neunten Jahrhunderts führten zur Beendigung dieser Praxis, was sicherlich mit der zunehmenden Kodifizierung der Sunna und Hadithe in Zusammenhang stand. Die Bedeutung der islamischen Philosophen ergibt sich aus ihren stetigen Versuchen, einen auf Recht beruhenden Staat zu entwerfen. Dabei bedienten sie sich nicht ausschließlich genuin islamischen Quellen, vielmehr schufen sie eine Brücke in die griechische Philosophie. Dies taten sie als gläubige Muslime, die von der Existenz Gottes und der Prophetie Mohammads überzeugt waren. Der von ihnen entworfene Staat sollte sowohl die von Gott gewollte gerechte Ordnung darstellen, als auch Platz für die geistige Freiheit seiner Bewohner einräumen. Darin sahen sie keinen Widerspruch zur Offenbarung.
Für al Ghazali16 ist ein starker Sultan, der seine Herrschaft auf dem quranischen Vers: „Gehorcht Gott und dem Propheten und denjenigen von euch, welche die Macht besitzen“17 gründet, sehr zentral. Diese Koranstelle unterstreicht durchaus die Hierarchie von göttlicher Allmacht gegenüber der Macht unter den Menschen. Wenn man bedenkt, dass Islam nicht nur „Hingabe“ an Gott, sondern zugleich bedingungslose „Unterwerfung“ unter Seinen Willen bedeutet, so hat der politische Führer die Aufgabe, diesen Willen zu durchsetzen. Entsprechend beruht al Ghazalis Theorie auf der Annahme, dass die ideale Gemeinschaft diejenige ist, die sich dem islamischen Herrscher unterordnet. Er erklärt die Bedeutung des Verses „Gehorcht Gott und dem Propheten und denjenigen von euch, welche die Macht besitzen“ als Gehorsam gegenüber Gott, dem Propheten und den Emiren, d.h. den faktischen Herrschern. Somit hat der Sultan göttlichen Glanz, und ihm ist als dem Gotterwählten Gehorsam zu leisten. Die erwähnte Koranstelle bildet auch für al- Mawardi die Grundlage zur koranischen Herleitung des Kalifats und wird von den islamischen Gelehrten, insbesondere im Sunnitentum, herangezogen, um die Schari´a als endgültige und autoritative Rechtsquelle zu bestimmen. Die Wechselwirkung zwischen Politik und Religion ergibt sich hierbei aus der Vorstellung, dass nur ein starker Sultan ein Garant für die Durchsetzung der Schari´a sein kann. Die Schari´a steht im Mittelpunkt, denn: “the obligation of the Shari‘ah is to provide the well-being of all mankind, which lies in safeguarding their faith, their human self (nafs), their intellect (‘aql), their progeny (nasl) and their wealth (mal).”18
Ibn Taymiya betont, dass irgendein Herrscher immer noch besser als Aufruhr und Chaos sei. Selbst wenn die Herrschaft nicht religiös legitimiert sei, so sei diese notwendig zur Aufrechterhaltung der Ordnung. Die Machtausübung und die Unterordnung sind somit religiöse Pflichten, durch die der Mensch Gott näher kommt.19 Dies soll jedoch nicht bedeuten, dass Ibn Taymiya eine säkulare Herrschaft akzeptieren würde, vielmehr gilt für ihn die frühislamische Gemeinde als die ideale islamische Gemeinschaft. Die Muslime müssen sich daran orientieren und ihren Staat entsprechend aufbauen, denn die Verbindung von Religion und Staat ist dem Islam inne. Er begründet dies damit, dass es ohne den Staat nicht möglich sei, die Normen der Religion durchzusetzen. Damit hat der Staat für Ibn Taymiya die Funktion, der Religion zum Sieg zu verhelfen, denn ohne Religion würden Tyrannei und Willkür die Oberhand gewinnen. Nur innerhalb eines solchen Staates ist es möglich, dass der von Natur aus schwache Mensch dazu angehalten wird, den Gesetzen Gottes zu folgen. Hier stehen erneut die Gesetze Gottes im Mittelpunkt.20 Ibn Taymiyas Schriften sind zentral für den islamischen Fundamentalismus. 
Die moderne westliche Staatlichkeit basiert auf der Volkssouveränität, die auch als Basis für die Gewährung von Sicherheit dient, während die islamischen Gelehrten Gott als einziger absoluter Souverän durch seine Offenbarung die Schari´a als Grundlage der Staatlichkeit festlegte. Die westliche neuzeitliche Staatsphilosophie begründet den Staat immer weltlich, während die islamische Philosophie den Gottesbezug betont. Aus diesem Unterschied entstehen viele Schwierigkeiten hinsichtlich der Kompatibilität westlicher Ideen mit dem islamischen politischen Denken. Ist der souveräne Staat in der westlichen Ideengeschichte Träger und Garant von Sicherheit, so ist die Erfüllung und Durchsetzung des Gesetzes Gottes die Hauptfunktion des islamischen Staates. Legitimiert sich die Staatsmacht im Westen auf der Grundlage der Volkssouveränität, so ist in der islamischen Zivilisation Gott der einzige Souverän. Sein Wille muss geschehen, dies zu erfüllen ist die Funktion des politischen Herrschers. Der Staat muss nach außen hin die Mission vorantreiben, um das Wort Gottes und die Schari´a zur Geltung zu bringen. Damit ist der islamische Staat prinzipiell expansiv angelegt. Der Staat als souveräne politische Ordnungseinheit, die Wohlfahrt und gesellschaftlichen Frieden organisiert, ist zwar der islamischen Philosophie nicht fremd, jedoch wurden seine Hauptverfechter isoliert. Der religiöse Diskurs gewann die Oberhand. 

Der islamische Staat – ein aktuelle Debatte


Die Grundlage des islamischen Staates basiert auf dem universalistischen Anspruch und der Absolutheit der göttlichen Wahrheit. Das impliziert, dass die Hakimiya/Herrschaft ausschließlich vom einzigen Souverän getragen wird, so dass das Prinzip der Hakimiyat Allah21/Gottesherrschaft eine der wichtigsten Säulen der islamischen Ordnung darstellt. Hierin wird Gott als die einzige legitime rechtsetzende Instanz verstanden, in der er sich durch die Offenbarung und die darin beschriebenen Gesetze für alle Zeiten geäußert hat. Diese Gesetze sind Bestandteil der Schari´a. Aus der Offenbarung sollen somit alle Rechtsprinzipien abgeleitet werden. Der Moslem hat sich diesen unterzuordnen.22 Hier baut der politische Islam eine Brücke zum orthodoxen Islam auf, die sich in Bezug auf die Einheit Gottes äußert, aus der jedoch ein politisches Konzept entwickelt wird, das alle Bereiche des Lebens auf der Grundlage religiöser Regeln strukturiert und bestimmt. Es handelt sich um eine Basis politischen Denkens, die sich gegen jegliche menschlich-philosophisch anmutende politische Ordnung stellt, die Gott nicht im Zentrum ihrer Gedanken hat. Der Islam ist genauso ein Widersacher des Unglaubens, wie der politische Islam ein Widersacher der auf das Prinzip der Volkssouveränität bauenden Demokratie ist, schrieb Sayyid Qutb.23 Die Politisierung religiöser Inhalte vereinfacht die Strukturen gesellschaftlicher Interaktionen und reduziert sie auf einen stetigen Kampf zwischen Gut und Böse. Ein dichotomes Denkmuster entsteht, das uns immer wieder bei der Analyse des Phänomens begegnet. Die Anhänger Gottes sind die Kämpfer für das Gute und ordnen ihr Leben nach den von Gott geoffenbarten Regeln und Gesetzen. Ihr einziger Souverän ist Gott. Die anderen, nämlich die Ungläubigen, erkennen menschliche Gesetze an, die von irdischen Souveränen gemacht werden.24 Somit definiert der politische Islam ideologisch zwei Entitäten: die Hizbollah/Partei Gottes, die aus den Anhängern der Einheit Gottes besteht und die Hizb al-shaitan/Partei des Teufels, die aus all denjenigen besteht, die nicht getreu den Gottesgesetzen und Vorgaben leben. Dabei kann es sich um Individuen, Kollektive oder gar politische Systeme handeln. 

Staat und Herrschaft im politischen Islam – die sunnitische Spielart


Als Maßstab für die Einordnung und Unterscheidung dient abstrakt der Glaube an die Einheit Gottes, was sich in der Realität durch die Umsetzung von vermeintlichen Gottesgesetzen ausdrückt. Sowohl al-Banna als auch al-Maududi betonen die Unmöglichkeit der Koexistenz beider Entitäten in einem politischen System, denn dies würde den göttlichen Auftrag der Da´wa/Mission nicht nur verhindern, vielmehr erschwere dies den Kampf gegen das Böse.25 Dieser ist allerdings in Zeiten sich ausbreitender Djahiliya umso aktueller geworden, insbesondere weil die beanspruchte Führungsrolle spätestens seit dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches und dem damit verbundenen Niedergang des Kalifats sichtlich verloren gegangen ist.26 Aus den Ausführungen wird deutlich, dass die Weltanschauung des politischen Islam eine dualistische Weltsicht darstellt, die die menschliche Geschichte als einen permanenten Kampf zwischen Gut und Böse interpretiert. Diese Weltanschauung ist jedoch keine Erfindung der Islamisten, vielmehr betonen sie konsequent grundsätzliche Annahmen des orthodoxen Islams. Sie politisieren diese Annahmen und machen sie zu absoluten Leitlinien einer Ideologie. 
Aus der Perspektive des politischen Islam gilt es mittelfristig, den Nationalstaat im Djihad zu bekämpfen, um die wahre Trennungslinie zwischen Glauben und Unglauben wiederherzustellen. Die geographische Grenze, die dem Konzept des Nationalstaates innewohnt, wonach die Bevölkerung durch ethnische oder ideologische Bindungen, Sprache, Institutionen und Werte wahrgenommen wird, soll dem Islam fremd sein. Die Idee von der Nation ist nach islamistischer Überzeugung eine zerstörerische und daher abzulehnende Ideologie. Weiter wird angeführt, dass es sich hierbei um ein Werk von Ungläubigen handelt, die durch die Zergliederung der muslimischen Umma in Völker und Stämme, das Ziel verfolgten diese zu beherrschen. Denn, so wird argumentiert, als die Welle des Nationalismus die Türken, Araber, Perser und andere Völker erreicht habe, wurde die islamische Bindungskraft zu Gunsten jener Ideologie zerstört und die Muslime geschwächt. Demzufolge richtet sich der Kampf gegen den Westen auch und ganz besonders gegen den Nationalstaat.
Dabei wird die islamische Geschichte, in der seit dem Tode des Propheten Mohammad bis in die Gegenwart Kriege innerhalb des Islam, die die Rechtsgelehrten mit Fitna27 beschreiben, zu finden sind, ausgeblendet. Dem wird das islamische Konzept der Umma/Gemeinschaft aller Muslime entgegengesetzt, das seinerseits auf dem Einheitsprinzip fußt. Es ist eine weltanschauliche Bindung, die in der Aqida/Glaube28 begründet wird, die das Fundament des neuen islamischen Staates bildet. Die Grundlage dieses Staates ist nicht das säkulare Recht, sondern das religiöse Gesetz.29 In der theoretischen Konstruktion gehört jeder, der sich zum „wahren Islam“ bekennt, zum islamischen Staat. Alle Muslime sollen eine Solidargemeinschaft darstellen, die sich Gottesrecht unterordnet. Damit entscheidet die religiöse Zugehörigkeit über den rechtlichen Status der Menschen. Die rechtliche Gleichheit aller Bürger im Verhältnis zum Staat und zu anderen Individuen, die den modernen Nationalstaat kennzeichnet, wird hierbei komplett aufgehoben. Dies impliziert die Ablehnung der Idee von der Volkssouveränität, die wichtigste Legitimationsbasis des modernen Nationalstaates. Vertreter des politischen Islam, aber auch weite Teile der islamischen Orthodoxie, lehnen dieses Prinzip kategorisch ab, mit der Begründung, dass nur Gott der Souverän sein kann. Folglich werden Gesetze aus der Offenbarung abgeleitet und durch die Schari´a formuliert. 
Was die Vertreter des politischen Islam besonders beunruhigt, ist die stetige Orientierung islamischer Gesellschaften an westlichen Lebensarten. So beanstanden sie die Übernahme westlicher Wissenschaften, Wirtschaftsmodelle und gar politischer Strukturen und behaupten, dass dies die Unterentwicklung dieser Gesellschaften festigt.30 Dabei hätten die Muslime die Aufgabe, die Menschheit zu retten und sich nicht in diese aktuell vorherrschenden Systeme zu integrieren. Die vehemente Ablehnung weltlicher „Politiken“ und die Bereitschaft, das eigene Leben und die Umwelt nach Gottesgesetzen zu organisieren bei gleichzeitigem Drang der Ausweitung dieser Gesetze in Form von Da´wa/Mission kennzeichnen den wahren Gläubigen und beschreiben die Hauptfunktion eines islamischen Staates. Wobei jeder, der 

„Übel und Chaos effektiv von der Erde bannen will [...] verschwendet seine Zeit nutzlos, solange er sich auf bloßes Predigen beschränkt. Er sollte stattdessen aufstehen und alles tun, um die Regierung, die nach falschen Prinzipien handelt zu Ende zu bringen, sollte die Macht aus den Händen der Übeltäter an sich reißen und eine Regierung erstellen, die auf korrekten Prinzipien aufbaut und das richtige System befolgt.“31


Diese „korrekten Prinzipien“ sind die religiösen Normen und Gesetze, die in der Schari´a beschrieben werden. Wer nicht danach strebt, ist ein Kafir/Ungläubiger, der sich anmaßt, Gesetze schaffen zu können. Das steht jedoch nur Gott zu.
An dieser Stelle hebt sich die Salafiyya insofern von den Gedanken Maududis und Syyid Qutb ab, als dass sie es gemäß den oben zitierten Lehren von Ibn Taymiyya für unislamisch halten, gegen die politische Autorität vorzugehen. Die Salafiyya lehnt ebenfalls die Vorstellung ab, dass Menschen sich selbst Gesetze geben können, denn sie seien nicht fähig, die langfristigen Auswirkungen solcher Gesetze zu ermessen. Daher sollten sich Muslime am Asl32/Fundament orientieren, was durch die offenbarte Shari´a seinen Ausdruck bekommen hat. Nur dadurch können sie die Djahiliya von sich abwenden und ihre Unterentwicklung überwinden. Die Mittel hierfür wurden im islamistischen Konzept ebenfalls durch die göttliche Offenbarung bestimmt. So wird der Djihad als eine vielfältige, fast allumfassende Möglichkeit interpretiert, die oben beschriebene Djahiliya zu bekämpfen. Zentraler Gedanke hierbei ist, dass der Djihad ein Wesensmerkmal des Islam ist und damit eine individuelle Pflicht darstellt. So ist der Djihad fi sabil Allah/Kampf auf dem Pfad Gottes eine moralisch-religiöse Verpflichtung, der jeder Muslim nachzugehen hat.33 Prinzipiell stimmt dieser Gedanke mit den Vorstellungen der Orthodoxen überein, denn diese sehen das Ziel des Djihads in der Festigung des Anspruches Gottes auf Erden und der Ablehnung und Bekämpfung anderer Gottheiten.34 Es soll nicht allgemein eine Gleichstellung des Djihad-Begriffe in der Orthodoxie und in der Salafiyya impliziert werden, jedoch kann man trotz aller Differenzierung und trotz Würdigung der tatsächlichen Vielfältigkeit des Islam in seiner 14 Jahrhunderte langen Geschichte stets radikale Elemente entdecken, die den Djihad als einen eindeutigen Auftrag Gottes betrachten, für den Glauben in den Kampf zu ziehen. Hierauf bauende Ideologien sind kein gänzlich neues Phänomen. So sind die Kharijiten im siebten Jahrhundert, die Schriften von Ibn Taymiya im dreizehnten Jahrhundert und die Wahhabiten-Bewegung im achtzehnten Jahrhundert als eindeutige Beispiele zu nennen.
Die Salafiyya als eine Sonderform des politischen Islam vertritt den Ansatz, dass Muslime zu den Fundamenten des Islam, d.h. zum unverfälschten Islam, wie ihn Mohammad gelehrt hatte, zurückkehren müsse, wenn sie wieder erfolgreich sein wollten, wie ihre Vorfahren unter Mohammad und in der Frühzeit des Islam. In Bezug auf die Staatsorganisation impliziert dies, dass wenn der Islam die einzig wahre Religion ist, so muss auch das auf ihm basierende Ordnungssystem das einzig wahre und folglich den anderen möglichen Modellen weitaus überlegene sein. Damit distanzieren sich Vertreter der Salafiyya Konsequent von jeder nicht auf dem Islam basierenden politischen Grundordnung. So werden wichtige Grundlagen der Demokratie als Shirk/Beigesellung abgelehnt. Die vornehmste Aufgabe der Herrschaft ist hierbei die Durchsetzung des göttlichen Rechts und die Fortführung der Da´wa. Als moralische Orientierung und religiös verpflichtende Vorgabe dient hierbei das Wirken des Propheten und die Organisation der jungen islamischen Gemeinde in Medina des 7. Jahrhunderts.

Der Staat im schiitischen Islam


Man kann auf der Ebene des politischen Islam in Sunnitentum feststellen, dass sich bei den Ideologen vornehmlich um Laien handelt, die nicht der religiösen Ulema-Kaste angehören. Dadurch, dass die Legitimität dieser Führer nicht auf der Grundlage ihrer religiösen Autorität fußt, kommt es bei diesen Gruppen oft zu Spaltungen und Neugründungen von Gruppen, die ideologisch gleich sind, aber sich in ihrer Führungsstruktur erheblich unterscheiden und sich gegenseitig bekämpfen. Dies ist im schiitischen politischen Islam anders. Die Führer und Interpretern der fundamentalistischen Ideologien im Schiitentum sind fast ausschließlich religiöse Würdenträger. Damit verfügen sie über eine Autorität, die gemäß schiitischen Traditionen von oben bis in die Basis wirken.
Nach dem Tode des Propheten spaltete sich die junge islamische Gemeinde. Dabei ist die bedeutendste der sektiererisch-religiösen Spaltungen innerhalb der islamischen Umma hinsichtlich Autorität und Legitimität die zwischen der Doktrin des Kalifats im sunnitischen Islam und der des Imamats im schiitischen Islam.35 Für die Schiiten gilt der Schwiegersohn des Propheten als rechtmäßiger Nachfolger und damit erster Imam der islamischen Gemeinde. Die Reihe der schiitischen Imame endete mit dem zwölften Imam, der 874 n. Chr. in die al-ghaiba al-kubra/große Verborgenheit gegangen sein soll. Mit dem zwölften Imam Mohammed al-Mahdi verlor die schiitische Gemeinschaft ihren politischen und religiösen Führer. Damit existiert nach schiitischer Lehre seit dem 9. Jahrhundert keine legitime Herrschaft mehr.36Erst im letzten Jahrhundert entwickelten die Gelehrten in Qumm und Nagaf durch Uminterpretationen eine neue ganzheitliche Lehre von Theologie, Politik und Gesellschaft. Mohammed Bakir As-Sadr wollte durch den Ausbau der Marja´iya37 den bereits vorhandenen Marja´a at-Taqlid/Quelle der Nachahmung mit mehr Befugnissen ausstatten. Dagegen spricht Chomeinis Lehre von der Wilayat al-Faqih/Stellvertreterschaft des obersten Rechtsgelehrten den Theologen eine Führungsrolle zu. Dabei wird dem bestqualifizierten Rechtsgelehrten stellvertretend für den Mahdi die direkte Machtausübung gestattet.38 Den Klerikern werden Kompetenzen im politischen Bereich zugesprochen, die in der bisherigen Lehre als Prärequisiten des Imams galten. Damit schwächt Chomeini die traditionelle Rolle des unfehlbaren Mahdi, der als schiitischer „Messias“ und Endzeitherrscher einst das gerechte Reich Gottes gründen wird. Der oberste Rechtsgelehrte soll nach der neuen Lehre stellvertretend für den Mahdi die Herrschaft ausüben und seine „gerechte Ordnung [...] errichten, welche die Durchführung des göttlichen Rechts ermögliche“.39 Durch die Delegierung von politischen Aufgaben und die Schaffung einer staatstragenden Theorie reformierte Chomeini die schiitische Lehre zugunsten der Theologen, denn wilayat al faqih bildet innerhalb des Doktrinengebäudes der Schia eine Innovation. Damit revolutionierte Chomeini die schiitische Theologie, da er mit der bis dato vom hochrangigen schiitischen Klerus geübten Praxis der Abstinenz in politischen Fragen brach.40 Er ebnete den Weg für eine schiitische Theokratie, die die Schari´a als Grundlage ihrer Herrschaft haben soll. Durch die neue Interpretation der schiitischen Tradition schuf Chomeini eine „politische Brücke zwischen Sunniten und Schiiten“.41 Die Lehre der Wilayat al-Faqih bildet die Grundlage für das iranische System seit der islamischen Revolution,42 die prinzipiell so angelegt ist, dass ihr Export auf dem Wege der Durchsetzung islamistischer Ideologien impliziert ist.43 Damit strahlt die iranische Revolution gewollt vom System in Teheran auf andere Regionen mit schiitischen Bevölkerungsmehrheiten aus.44

Islamischer Staat und Demokratie


In Bezug auf die Demokratie als Ergebnis der Volkssouveränität konstatiert Maududi, dass die Demokratie mit dem Islam nichts zu tun hat. Daher darf die Bezeichnung demokratisch nicht auf ein islamisches System angewendet werden, vielmehr sollte man von der Hakimiyat Allah/Gottesherrschaft sprechen.“45 Im Gedankenkonstrukt von Maududi kann man feststellen, dass die Schari´a die Grundlage der Herrschaft ist, jedoch dort, wo sowohl die Offenbarung als auch die Tradition keine Reglementierung vorweisen, können auf der Grundlage von Igma´/Konsens Gesetze verabschiedet werden. Dieser Sachverhalt wird oft von Beobachtern, als Ansatz von Demokratie bewertet.46 Dies ist allerdings eine falsche Einschätzung, weil es sich hier um einen Konsens unter den Rechtsgelehrten handelt. Auch wenn man das islamische Prinzip der Schura/Rat hinzuzieht, kann man keineswegs von demokratischen Grundstrukturen sprechen. Die Schura ist lediglich eine eher beratende als eine gesetzgebende Institution47Schura bedeutet nicht Parlament im westlichen Sinne. 
In der Schura, als einer traditionellen Herrschaftspraxis, werden islamische Vorläufer der Demokratie gesehen, die Tibi zu Recht als eine „Projektion der Idee einer modernen Demokratie auf den Islam des 7. Jahrhunderts“ bewertet.48 Der sudanesische Rechtswissenschaftler An-Nai´m teilt diese Einschätzung und stellt fest, dass die Schari´a-Bestimmungen nicht nur im Bezug auf den Schutz von Minderheiten unvereinbar mit gültigem Völkerrecht sind und sieht lediglich in der grundlegenden Reformierung des islamischen Rechts eine Möglichkeit zur Demokratisierung islamischer Gesellschaften.49 Maududi, einer der wichtigsten Ideologen des Islamismus, betont nicht nur die Unvereinbarkeit von Islam und Demokratie, er spricht in seinem Werk polemisierend von einer „Theo-Demokratie“, als Alternative zum westlich-säkularen Modell, in der die Gemeinschaft aller Gläubigen als kollektiver Statthalter Gottes auf Erden wirken soll.50 
Sein Konzept impliziert jedoch den Verzicht des Einzelnen zu Gunsten einer herrschenden Elite, die ihrerseits den Willen Gottes vollstreckt. Hier sieht man einen eindeutigen Bezug zur Orthodoxie, die im Endeffekt eine Entsubjektivierung der Menschen normativ festschreibt, denn „[D]ie Menschen sind die Diener Gottes, die Herrscher vertreten Gott bei seinen Geschöpfen, und sie sind Ermächtigte über diese selbst“.51 Dabei handelt es sich natürlich nicht um eine Theokratie, wie sie das Christentum kennt, sondern:

„...[I]slamic theocracy is something altogether different from the theocracy of which Europe has had bitter experience wherein a priestly class, sharply marked off from the rest of the population, exercises unchecked domination and enforces laws of its own making in the name of God.”52 


Der islamische Staat soll unter der absoluten Souveränität Gottes regiert werden.53 In einem solchen System erhalten Nicht-Muslime nur einen nachgeordneten Status. Das wird damit begründet, dass die staatstragende Ideologie der Islam sei. Dies impliziert, dass nur wer sich zum Islam bekennt, bei der Organisation des Staates involviert werden kann.54 Hier kommt die oben beschriebene Wahrnehmung der Welt in zwei sich entgegengesetzten Polen erneut zum Ausdruck.

Politische Theorien jenseits des islamistischen Projektes


Sadik Jalal al-Azm, Mohammed Arkouns, Mohammed Abed al-Jabri und Nasr Hamid Abu Zaid stehen in einer Reihe von Denkern, die angetreten sind, um islamisches Denken und Moderne zu versöhnen. Dabei unterscheiden sich ihre Ansätze. Während sich al-Azm dezidiert nicht als islamischer Denker versteht und deutlich die Trennung von Religion und Politik fordert, waren Arkoun und Abu Zaid bemüht, die klassischen islamischen Quellen zeitgemäß auszulegung mit dem Ziel, eine Modernisierung innerhalb des Islam herbeizuführen. 
Nasr Hamid Abu Zaid sieht, wie eine Reihe anderer muslimischer Intellektueller, in der Anknüpfung an die Mu‘tazila55 die Möglichkeit, die koranischen Texte „modern“ zu lesen.56 Bei den Mu‘tazila handelt es sich um diejenigen Muslime, die Verstand und Vernunft als Grundlage für den Umgang mit der göttlichen Offenbarung nutzten und den Islam lange Zeit prägten. Sie lasen die religiösen Texte mit der Brille der griechischen Philosophie unter Anwendung der Scholastik als wissenschaftliche Denkweise und Methode der Beweisführung. Ihre vernunftgebundene Interpretation des Korans in seinem historischen, kulturellen und sprachlichen Kontext bietet heutigen Reformern die Möglichkeit den Koran in seinem zeitgeschichtlichen Kontext zu interpretieren und damit von den Zwängen vergangener Auslegungen zu lösen. Diese Versuche islamischer Reformer erschöpfen sich allerdings darin, ehemalige islamischer Debatten wiederzubeleben. Diese Debatten wurden jedoch bereits vor Jahrhunderten zur Gunsten einer traditionelle, textorientierter Leseart des Korans entschieden. Trotz der wertvollen Vorlagen der islamischen Philosophen sind in den vergangenen Jahrhunderten kaum tiefgehende Werke entstanden, die eine umfassende islamische Gesellschaftslehre beschreiben und sich gegen die orthodoxie oder gar den Diskurs des politischen Islam durchsetzen konnten. Das findet bei al-Azm Bestätigung. Al-Azm geht zwar davon aus, dass die Aufklärung auch im islamisch geprägten Raum ihren Lauf finden wird. Er schöpft daraus Hoffnung, dass „[I]n der muslimischen Welt […] der de-facto-Säkularismus sehr verbreitet (ist); vor allem in der arabischen Welt. Aber man hat nie eine säkulare Ideologie entwickelt, oder säkulare Parteien, mit eindeutig weltlichen Programmen, basierend auf einer Trennung von Staat und Religion.“57 Ausschlaggebend für die Modernisierung ist jedoch die Definition und Deutungsmacht über Quellen, „weil die Religion auch heute noch die doktrinäre Basis muslimischer Gesellschaften ist […]“.58 Allerdings konnten sich, so al-Azm, „die modernen Lesarten des Korans und der islamischen Basistexte, die deren Aussagen durch eine symbolische, metaphorische oder historische Interpretation auflösen wollten, bisher nicht durchsetzen“.59 
Al-Jabri fordert in seinem Werk „Kritik der arabischen Vernunft“ ein unabhängiges politisches Feld. Seine Forderung nach der „Säkularisierung des Denkens“ impliziert somit die Trennung der Politik von den Bereichen Theologie, Philosophie, Recht und Geschichte. Dabei kritisiert er heftig, dass innerhalb der islamischen Zivilisation durch die dominante Rolle der religiösen Gelehrten und ihrer traditionell engen Verzahnung mit der politischen Macht die Grundlage für eine von der Religion unabhängigen Vernunft zerstört wurde. Das islamische Denken bezieht damit alle Bereiche, auch die politischen, auf die Offenbarung und sucht in der Methode des Analogieschlusses einen Ausweg zu finden, wenn die Offenbarung sich nicht konkret zu einem Sachverhalt äußert. Die Tatsache, dass die Auseinandersetzung zwischen Philosophie und Theologie spätestens im 13. Jahrhundert zugunsten letzterer entschieden wurde, führte schließlich dazu, dass seither nicht die Produktion neuer Diskurse die islamische Kultur bestimmt, sondern die Reproduktion alter Gedanken.60 Diese radikale Kritik al-Jabris mündet in seiner klaren Forderung, wonach nur durch die Trennung von Religion und Politik die Manifestation einer lebensfähigen Diskurskultur erfolgt, die die Muslime in die Moderne führen könnte. Al-Jabri betont die Heterogenität der arabischen Geschichte als Referenzpunkt, um seine Forderung nach Pluralisierung und Demokratisierung zu untermauern.

Fazit


Im Diskurs über Islam und Herrschaft ist es wichtig Begriffe mit Inhalt zu füllen. Wenn vom Staat gesprochen wird, wird oft das westliche Staatsverständnis als Basis zugrundegelegt. Es ist jedoch so, dass in der islamischen Zivilisation der Staat theoretisch eine andere Funktion erfüllt als der westliche Staat. Durch die Expansion der Europäer wurde der moderne Staat auch in die islamische Welt getragen. Die ihm zugrundeliegenden Ideen wurden dort jedoch nicht verinnerlicht. Politische Ideen entspringen einer vorherrschenden Weltanschauung. Der Nationalstaat, der auf dem Prinzip der Volkssouveränität basiert, ist von diesem Grundsatz her mit dem Islam in seiner orthodoxen Form nicht vereinbar. Nach islamischem Glauben kommt weder dem einzelnen Menschen noch einer politischen Gruppe Souveränität zu. Der einzige Souverän ist Gott. Auch wenn der Koran keine konkrete Staatsform definiert, wurde aus den religiösen Quellen durch die islamischen Gelehrten spätestens mit der Manifestierung der Omayyadendynastie eine Herrschaftsform abgeleitet, die bis heute das religiöse Denken prägt und die Grundlage eines islamischen Staatsverständnisses darstellt.Die Autorität des Kalifen gründet auf der uneingeschränkten Souveränität Gottes. Der Kalif leitet die Umma und ist gleichzeitig Stellvertreter des Propheten. Das Verhältnis des Herrscher zu seiner Bevölkerung wird entlang religiöser Kategorien definiert: Er ist Hirte und kann Gehorsam und Unterordnung abverlangen. Dies zu leisten ist wiederum Gottesdienst. Die islamische Orthodoxie kennt das Konzept der Bürgerschaft nicht und bestimmt das Verhältnis des Individuums zum Staat entlang seiner Religionszugehörigkeit. Das von den Islamisten erneut angestrebte Kalifat mit seinem universalen Anspruch leitet sich hiervon ab.61 Der heutige Islamismus entwirft eine Gegengesellschaft, die sich am Kalifat der Periode der rechtgeleiteten Kalifen orientiert, in der Religion und Politik in vollem Einklang zueinander stehen. 
In der Auseinandersetzung zwischen Philosophen und Ahl al-hadith/Traditionarier obsiegten letztere. Ihr schärfster Vertreter Ibn Hanbal propagierte vorwurfsvoll im 9. Jahrhundert als Reaktion auf die Philosophie der Mu‘tazila, sie würde dem Verstand Vorrang gegenüber der Tradition geben. Diese Vernunftfeindlichkeit in Bezug auf die Auslegung des Korans und das starre und weitestgehend unkritische Festhalten an der Tradition prägen auch heute das islamische Denken und die religiöse Praxis. Ibn Hanbal lehnte die Kultur der Mehrdeutigkeit ab. Bis heute haben sich innerhalb der islamischen Theologie kaum Stimmen durchgesetzt, die dem erfolgreich entgegentreten können. Die Rückkopplung an die goldene Zeit der islamischen Philosophie scheint auf dem ersten Blick erfolgversprechend zu sein, jedoch sind zeitgenössische Vertreter eher eine kleine Gruppe. Die Mehrheit der muslimischen politischen Elite fordert eher eine engere Orientierung an den Quellen des Islams gemäß orthodoxer Auslegung bei der Gestaltung des politischen. Eine säkulare politische Ordnung im politischen Diskurs islamischer Eliten ist kaum vorhanden. 

Anmerkungen
Der Islam und die Grundlagen der Herrschaft, Übersetzung und Kommentar des Werkes von Ali Abd ar-Raziq, Hans-Georg Ebert/Assem Hefny, Seite 93
Der Hadith wurde in der Sammlung von Al Bukhari, bei Moslim und bei Ahmad Ibn Hanbal (7160) überliefert.
At-Tabari (o.D.): Jami al Bayan an taewil al Quran (Zusammenfassung der Erläuterungen zur Interpretation der Koranverse), Herausgegeben und Kommentiert von Schakir, Ahmad Mohammad (2000), Beirut, S.
Anawati, Marie-Marcel (1959): Philosophie médiévale en terre d‘Islam, Kairo.
al Farabi, Abu Nasr (Walzer, Richard, übersetzt (1998)): On the Perfect State (Mabadi ara al madina al fadila), Chicago.
Averroes (Rosenthal, Erwin, übersetzt (1956)): Commentary on Plato’s Republic, Cambridge.
Vgl. Lipson, Leslie (1993): The Ethical Crises of Civilization, London: Sage, S. 62; Tibi, Bassam (1993): Politisches Denken im klassischen Islam, in Piepers Handbuch der politischen Ideen, 5 Bände, München, hier Band 2, S. 87-140; Hourani, Albert H. (2001): Geschichte der arabischen Völker, Frankfurt am Main; Watt, William Montgomery (1972): The Influence of Islam on Medieval Europe. Edinburgh.
Talbi, M. (1986): Ibn Khaldun, in Lewis, Bernard, et al. (Hrsg.): The Encyclopaedia of Islam. Volume III, Leiden, S. 825-831. Vgl. auch Nasser, N. (1997): La pensé réaliste d´Ibn Khaldoun, Paris. Auch Sayah, J. (2000): Philosophie politique de l´islam. L´idée de l´Etat, de Ibn Khaldoun á aujourd´hui, Paris.
Ibn-Khaldun’s Muqaddima in der englischen Übersetzung von F. Rosenthal ist 1989 erschienen bei Princeton University Press, Princeton.
Ibn Khaldun schreibt im Bezug auf die im Rahmen seiner Muqaddima beabsichtigten Gründung einer neuen Wissenschaft: „es ist dies gleichsam eine in sich selbständige Wissenschaft, denn sie hat ein Objekt, und das ist die menschliche Kultur und die menschliche Gesellung; sie hat Frage(stellungen), und sie erklärt die Zustände, die mit dem Wesen (dieser Kultur) zusammenhängen, einen nach dem anderen. So ist es mit jeder Wissenschaft, die sich auf eine Autorität oder den Verstand gründet.“ Vgl. hierzu Schimmel, A. (1951): Ibn Khaldun. Ausgewählte Abschnitte aus der Muqaddima, Tübingen, S. 11f.
Vgl. Schimmel, A. (1951): Ibn Chaldun. Ausgewählte Abschnitte aus der Muqaddima. Tübingen, S. 92-94.
Ibn Rushd (1180): Tahafuth Al-Tahafuth [Destructio destructionis]. 2. Auflage Beirut 1982, sowie ders (1995): Kitab fasl al-maqal wa-taqrir ma bayn al-shari´a wa-hikam min al-ittial [Buch über die Beziehung zwischen Schari´a und Philosophie], 2. Auflage Beirut.
al-Farabi, Abu Nasr (o.D.): al-Madina al-fadila (der Musterstaat), Neudruck Beirut 1982.
Tibi, Bassam (1996): Das arabische Staatensystem. Ein regionales Subsystem der Weltpolitik, Mannheim, S. 83.
Kummerer, Christian (1989): Der Fürst als Gesetzgeber in den lateinischen Übersetzungen von Averroes, Ebelsbach, S.112.
Al Gazali, Abu Hamid Muhammad Muhammad (Michael E. Marmura, übersetzt (2000)): The Incoherence of the Philosophers, Provo, UT.
Quran (4:59).
Al Gazali, Abu Hamid, Al-Mustafa, zitiert in Chapra, M. Umer, (2000): The Future of Economics: An Islamic Perspective, Leicester, S. 118.
Hourani, Albert (1962): Arabic Thought in the Liberal Age, 1798-1939, London, S. 1-24.
Laoust, Henri (1939): Essai sur les doctrines sociales et politiques de Taki-al-Din Ahmad b. Taimiya. Kairo.
Das Konzept der Hakimiyat Allah wurde von Qutb, Sayyid (1988): ma´alim fi-al-tariq (Wegzeichen), 4. Auflage, Beirut, S. 94 f. niedergeschrieben. Auch Maududi, S. Abuala (N.N): toward understanding Islam, S. 4-113.
Vgl. auch ders.: Nahwa mujtama´ islami, a.a.O., S. 150-152.
Vgl. Qutb, Sayyid (1965): al-mustaqbal li-hadha al-din (Die Zukunft ist für diese Religion), 2. Auflage, Kairo, S. 12-14.
Maududi : A short History of revivalist Movement in Islam, S. 5-22.
Vgl. ebd., S. 27, Banna: Majmu´at rasail al-schahid, a.a.O., S. 269 und S. 309, sowie Khomeini: al-huquma al-islamiya, a.a.O., S. 122f.
Qutb, Sayyid (1952): ma´rakat al-Islam wa-al-ra`smaliya (Der Kampf zwischen Islam und Kapitalismus), Kairo, S. 116.
Tibi stellt fest, dass es im Islam vier unterschiedliche Bezeichnungen für kriegerische Auseinandersetzungen gibt. Der Djihad, der, wie noch gezeigt wird, nicht, wie fälschlich verbreitet „Heiliger Krieg“, sondern Anstrengung als Hingabe zu Gott bedeutet, schließt jedoch auch die kriegerische Aufgabe zur Verbreitung des Islams ein. Vom Begriff „Djihad“, den also nur Muslime führen, wird der Begriff „Harb“/Krieg abgegrenzt. Das arabische Wort wird für die kriegerischen Handlungen, die die Feinde des Islams durchführen, verwendet. Das im Koran aufgeführte Wort „Qital“/Kampf ist die Bezeichnung für den militärischen Teil des „Djihad“. Für den nicht erlaubten innermuslimischen Konflikt, wird dagegen der der Begriff „Fitna“ angewendet. Vgl. Tibi, Bassam (1997): Der wahre Imam. Der Islam von Mohamed bis zur Gegenwart, München, S. 59-99; Vgl auch Sadiq, Hussain (1991): Juzur al-fitna fi’l-firaq al-islamiyya: mundhu ‘ahd al-rusul hatta ightiyyal al-Sadat (Die Wurzeln der Fitna bei islamischen Gruppierungen/Sekten: Von der Zeit des Propheten bis zur Ermordung Sadats) Kairo. 
Zur Aqida gehören die verinnerlichten Inhalte des Glaubens, in diesem Sinne muss ein Muslim überzeugt sein, ohne Zweifel oder Bedenken. Zur Vertiefung vgl. Az-Zuhaili, Wahbat (1992): al-tafsir al-munir fi al-aqida wa al-sharia wa al-manhag“ (Qurankommentar, welcher die Aspekte der Glaubensinhalte, des islamischen Rechtes und der Herangehensweise beleuchtet), 32 Bände, Damaskus/Beirut
Vgl. Juergensmeyer, Mark (1993): The New Cold War? Religious Nationalism Confronts the Secular State, Berkeley, S. 40.
Al-Nadawi, A. Ali (1984): Madha khasira al-´alam bi-inhitat al-Islam (Was verlor die Welt mit dem Untergang des Islam?), Beirut, S. 260f.
Maududi, Abulala (1978): Waqi‘ Al-Muslimin Wa Sabil An-Nuhudi Bihim, 3. Auflage, Beirut, S.. 187f.
Eine weitere Selbstbezeichnung von Islamisten in der arabischen Sprache ist Usuliyun, was eine Ableitung vom arabischen Wort Asl ist und „sich am Fundament orientierende“ bedeutet.
Ibn Taymiya, Taqi al-Din A. (o.D.): al-siyassa al-schar´iya fi-islah al-ra´i wal-ra´iya (Die an der Schari´a orientierte Politik für die Leitung des Hirten und seiner Schafherde) die Bedeutung des Djihad als bewaffneter Kampf für die Ausweitung der göttlichen Lehre. Neudruck Beirut, S. 128-135.
Bereits die islamische Orthodoxie interpretierte den Djihad als eine fard kifaya/kollektive Verpflichtung, die sich von den fard ´ayn/individuellen Verpflichtungen insofern unterscheidet, als dass die fard kifaya vom Kalifen/Herrscher im Namen der ganzen Gemeinschaft auf sich genommen werden muss. Dadurch wurde frühzeitig der Djihad zum Mittel der Politik. Vgl. hierzu: Robinson, Francis (Hrsg.) (1996): Cambridge Illustrated History: Islamic World, Cambridge, S. 173.
Tibi, Bassam: Der wahre Imam, a.a.O., S. 35.
Arjomand, Said Amir (2001): Authority in Shiism, and Constitutional Developments in the Islamic Republic of Iran. in: Brunner, Rainer/Ende Werner (Hrsg.): The Twelver Shia in Modern Times: Religious Culture & Political History, Leiden, S. 301ff.
Die Quelle der Nachahmung bildet, bei den Schiiten die Spitze der theologischen Hierarchie. Es können mehrere Theologen gleichzeitig den Rang der Marja´iya erlangen. Um diesen Rang zu erhalten, muss er eine theologische Abhandlung (Risala ´amaliya) veröffentlichen, die in den theologischen Zentren in Qumm und Nagaf diskutiert wird.
Vgl. Fenske, Hans (1993): Politisches Denken im 20. Jahrhundert, in: Lieber, Hans-Joachim: Politische Theorien von der Antike bis zur Gegenwart, 2. Auflage, Bonn, S. 836.
Rosiny, Stephan (1996): Islamimus bei den Schiiten, Hamburg, S. 86.
Buchta, Wilfried (2004): Ein Vierteljahrhundert Islamische Republik Iran, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, 23. Februar, B9/2004, S. 7.
Tibi, B.: Der wahre Imam, a.a.O., S. 36.
Razi, G. Hossein (1990): Legitimacy, Religion, and Nationalism in the Middle East. American Political Science Review, 84 (March 1990), S. 69-91.
Vgl. Tibi, Bassam (1999): The Failed Export of the Islamic Revolution into the Arab World, in: Grare, F. (Hrsg.): Islamism and Security. International Security Studies, Genf: S.63-102.
Shapira, Shimon (1988): The Origins of Hizballah, The Jerusalem Quarterly, Vol. 46 (Spring 1988): S. 115-30.
Maududi, Abuala (NN): Nazariyat al-Islam wa hadiyat fi-al-siyasa wa-l- qanun wa-l- dastur (Überlegung des Islam und Geschenke für Politik, Gesetz und Verfassung) 5. Auflage, Beirut, S. 33.
Esposito, John L./Voll, John O. (1996): Islam and Democracy. New York, S. 40f.
Vgl. Al-Shawi, Taufiq (1992): fiqh al-shura wal-istishara (Jurisprudenz der Beratung und des Ratschlages, Kairo, S. 459.
Tibi, Bassam (1992): Die islamistische Herausforderung. Der Islam und die Weltpolitik, München, S. 155.
An-Na´im, Abdullah A. (1992): Toward an islamic Reformation: Civil Liberties, Human Rights, and International Law, Kairo, S. 177f.
Maududi, Abuala (1967): The Islamic Law and Constitution, 3. Aufl., Lahore, S. 147f.
Ibn Taimiyya: al-siyassa al Shar´iya, a.a.O. S. 25.
Maududi, Abul A‘la (1967): The Islamic Law and Constitution, London, S. 147.
Vgl. ebd., S. 178 ff.
Vgl. Ebd. S. 295ff.
Eine rationalistische Schule des Islam, die im 8. und 9. Jahrhundert einflussreich war.
Vgl. Shamsuddin, Salahuddin: Issue of “The Created Quran” between Mu‘tazila and Nasr Abu Said Zayd, in British Journal of Humanities and Social Sciences, June 2012, Vol. 6 (1), S. 21 ff.
Zitiert nach Sabra, Martina (2004): Würdigung dreier Persönlichkeiten der islamischen Welt, im Internet: de.qantara.de/Wuerdigung-dreier-Persoenlichkeiten-der-islamischen-Welt/3123c3217i1p396/(abgerufen am 10.02.2013)
Sadik Jalal al-Azm (2008): Der Kampf um die Bedeutung des Islam Perspektiven auf den radikalen Islamismus, in: NZZ, Ausgabe 15.August 2008.
Ebd.
vgl. al Jabri (2009): kritik der arabischen Vernunft, Kritik der arabischen Vernunft, Berlin, S. 45ff.Bassam Tibi (2000): Transplantat ohne Wurzeln. Die Legitimitätskrise des Nationalstaates in Ländern der islamischen Zivilisation, in: Dieter S. Lutz (Hrsg.), Globalisierung und nationale Souveränität. Festschrift für Wilfried Röhrich, Baden-Baden 2000, S. 319 ff.