Der „Weise Tyrann“

Unternehmen auf den Spuren Platons

Selbstreflektion für Manager. Ohne „Dynamisierung der Konstrukte“ oder „Durchbrechung der Annahmestrukturen“ kaum Veränderungen oder Entwicklungen in der Persönlichkeit eines gewachsenen Führungsmenschen in oberen Etagen. Coaching kann nicht wenigen dabei begleitend helfen. Voraussetzung ist das Interesse an der Antwort auf die Fragen:
Wie erkenne ich rechtzeitig Eigenschaften und Fähigkeiten von Menschen, die für mein Leben wichtig sind? Wie sieht eine ideale Führungskraft aus?

Michael Löhner
Managment und Führungskultur GmbH
Dübendorf/Schweiz

Beruflich wie privat stehen wir vor der Frage: Wer ist der richtige Partner für eine Gemeinschaft? Je wichtiger der andere dabei für ein ökonomisches oder soziales Überleben ist, desto entscheidender sind unsere Ansprüche. Die Ansprüche an führende Persönlichkeiten in Wirtschaft und Politik gehören dabei sicher zu den höchsten. Die Wirtschaft lebt von Persönlichkeiten, die Glauben erwecken und Strategien umsetzen können.
Charismatische Autoritäten, wie sie eher im Mittelstand nicht selten zu finden sind, haben drei Eigenschaften überdurchschnittlich entwickelt: richtig zuhören, richtig denken und richtig sprechen. Dadurch verstärken sie die Identifikation mit einem Vorbild.
Seit Jahrhunderten (Jahrtausenden) arbeitet die Menschheit an der Definition für „richtig“. Jede Fachrichtung wird eine andere Antwort geben. Es gibt gute Gründe dafür, dass die Fachrichtung Menschenführung in der Philosophie wurzelt. Die Freundschaft mit der Weisheit kann keinem erfolgreichen Gründer abgesprochen werden. Das Wort „Weise“ ist antiquiert und ungewohnt, andererseits assoziieren wir bei „unweise“ gerne „dumm“ und das will keiner sein. „Weisheit“ heißt heute vielleicht Verstand, Vernunft, Klugheit, Intelligenz – das Ziel ist das gleiche: Das Leben erkennen und meistern. In möglichst vielen Dimensionen.
Lebendigkeit zeichnet sich dadurch aus, dass sie nicht verlässlich ist. Ein Unternehmer lebt täglich, weil er täglich etwas unternimmt. Er leidet freudig an der Unzufriedenheit mit der besten Lösung. Erfolgreiche Gründer leben in vielen Rollen. Sie sind Vorbild in Auftritt und Arbeit, sie sind Vater bei persönlichen Sorgen, sie sind Schlichter bei erregten Positionen, sie sind Sinnstifter bei der Förderung von Gemeinsamkeit, sie sind clevere Geschäftsleute. Sie fesseln andere mit Ihrer Idee.
Sinnstiftung bedeutet Antwort auf die Frage, was Menschen an Unternehmen bindet. Konzerne stehen vor der Aufgabe, den gemeinsamen Nenner in einer multikulturellen Gesellschaft geeignet anzusprechen. Besteht der Sinn in der Wertsteigerung des Unternehmens, ist davon auszugehen, daß Geld allein nicht glücklich macht. Es gibt ausreichend Kulturen, in denen fast alles erlaubt ist, solange die Kasse klingelt. Kulturvielfalt in Konzernen braucht einen starken gemeinsamen Nenner. Der Anteil „Menschlichkeit“ wird dabei übersehen.
Reicht „Gewinnmaximierung“ aus, um verschiedene Ethniken, Sozialisierungen, Religionen, Sprachen, Identifikationen zu „norden“, ihnen eine gemeinsame Orientierung zu geben? Sicher nicht, denn gute Leute kommen nicht für Geld, am wenigsten die Besten. Gute Leute kommen für eine Idee. Wenn diese Idee auch das Verständnis gemeinsam verantworteter „Menschlichkeit“ beinhaltet, können auch Konzerne zur Heimat werden in der sich Menschen verwirklichen – ihr Bestes für das Gemeinsame geben.
Vier Jahrhunderte vor Chr. wurde in Athen ein Menschenbild begründet, welches seine Bedeutung heute aktuell und unverändert zeigt. Jede Zeit hat ihre Größen, Helden und Vorbilder, sie verändern sich je Epoche. Doch wenn der heutige Manager, Inhaber, Führende und Liebende für Erfolgshilfen offen ist, findet er sie im antiken Griechenland konkreter, als in den meisten publizierten Lebens- und Führungshilfen.
Den Athenern ging es damals gut, die Sklaven arbeiteten, man ergab sich den schönen Künsten und ab und zu führte man Kriege aus Freundschaft und zum Grenzschutz. Sie wähnten sich im Schutz der Göttin der Weisheit, Athene. Diese wählte die Eule nicht ohne Hintergrund als Symboltier für die Weisheit.
In Athen herrschte eine Art Demokratie, in der so wie heute – innerhalb weniger Grenzen – im Prinzip jeder sagen konnte, was er wollte. Man durfte eine Meinung haben, aber war nicht dazu gezwungen.
Athen ist eine Geburtsstätte der Philosophie. So wie Theologie, Psychologie, Soziologie gehört sie zu den konstruktivistischen Wissenschaften. Insbesondere aber wohnt der Philosophie, der Suche nach Weisheit, ihr die Demut inne, um die Vorläufigkeit ihrer Inhalte zu wissen.
Konstruktivisten haben es in einer Hinsicht leicht: Sie denken sich etwas aus und freuen sich, wenn es passt. Wenn es nicht passt, denken sie sich etwas Neues aus. Umso bewundernswerter, dass ein philosophisches Modell der geeigneten Führung von Menschen bis heute nicht neu überdacht werden musste. Die Idee des „Weisen Tyrannen“.

Die Geburt des „Weisen Tyrannen“

Jeder kennt die drei Buchstaben der Bezeichnung der Wellness-Räumlichkeiten in besseren Hotels. – SPA– wird abgeleitet von einem belgischen Ort oder (umstritten) als Abkürzung einer griechischen Botschaft auf Latein: Sanus per aquam – Gesund durch das Wasser.

Wir wissen auch um die Bedeutung der Antike für unser wissenschaftliches Denken und die Geburt der Philosophie als Erklärungswissenschaft für das Unerklärliche. Dabei ist unsere heutige Mathematik nur ein Töchterchen der Philosophie. Die drei Buchstaben SPA könnten für die Generationskette stehen: Sokrates (469 – 399 v. Chr.), Platon (427 – 347 v. Chr.), Aristoteles (384 – 322 v. Chr.).
Sokrates hat gefragt, Platon hat gelehrt, Aristoteles hat gecoacht. Sie schufen die geistigen Voraussetzungen für den größten Herrscher der Erde, Alexander der Große (356 – 323 v. Chr.), der mit 33 Jahren starb.
In der Tat starb Sokrates 399 vor Chr. mit 70 Jahren für eine Überzeugung, die seinen Schüler Platon zum Bild des „Weisen Tyrannen“ beeinflusste. Von einem Feldzug zurück besuchten Soldaten im Tempel von Delphi eine Pythia, die durch ethylenhaltige Dämpfe angeregt war, Lebensregeln zu verteilen. Dem Sokrates sagte sie überliefert: „Niemand ist weiser als Sokrates“.
Er war nicht narzisstisch genug, um sich bestätigt zu fühlen und befragte Athener Bürger aller Gesellschafts- und Bildungsschichten, um seine Unweisheit zu erkennen und das Orakel zu widerlegen.
Ihm fiel auf, was er heute nicht selten auch erkennen würde: Die meisten Befragten wussten auch wenig oder nichts über das, was sie darstellten, glaubten aber im Zustand der Kenntnis und des Wissens zu sein.
Um diesen Teil erfuhr sich Sokrates als weiser, denn er wusste auch wenig oder nichts, aber das wiederum war ihm bewusst. „Ich weiß, dass ich nichts weiß, und das kaum“ lautet vollständig das bekannte Zitat.
Er formulierte nach seinen Erfahrungen zwei Grundsätze für Persönlichkeiten, nach denen Führende in Wirtschaft und Politik denken und handeln sollen, wenn sie nach Weisheit streben:
„Du musst wissen wovon Du redest, wenn Du etwas sagst, denn es kann sein, dass Dir ein anderer zuhört.“ Zu unterscheiden sind dabei triviale und nicht-triviale Inhalte. Trivial ist alles, was bei wachem Verstand beobachtbar und beschreibbar ist. Wenn die Anzahl der Weinflaschen auf dem Tisch zu ernsten Auseinandersetzungen führt, können wir von einem pathologischen Befund sprechen. Die Anzahl der spielenden Flaschen beim Fußball rechtfertigt prinzipiell eine Streitfrage.

Zum Begriff der sokratischen Weisheit gehört, niemals wegen einer Trivialität zu zanken. Ein aufgeklärter Mensch streitet nicht über ein „Guck-Problem“, dieses löst er durch Nachschauen. (Wie viel Einwohner hat Singapore?). Wohl aber weiß er, dass – im Gegensatz dazu – „Denk-Probleme“ nur durch Nachdenken (Welches ist in einer bestimmten Situation ein geeignetes Vorgehen?) allein und in auch in Gemeinschaft gelöst werden können.
Heutiges Management braucht Orientierung in der nicht-trivialen Denk- und Sprachwelt: Wettbewerbsfähig, Vertrauen, Loyalität, Anstand, Diversity, Kundenorientierung, Freundschaft, Liebe sind Worte, die Erwartungen erzeugen. Je konkreter die Bedeutung, desto bewußter auch die Handlungen.
Dieses sind Beispiele für Begriffe, die leichter in einer Kultur realisiert werden, wenn die Verwender wissen, wovon sie reden. Gedankliche Aufbereitung hilft bei der Verteilung. Wortführer werden abgehört. Die Soft-Facts gehören zur Differenzierung im Wettbewerb. Soft-Facts können besser gepflegt und entwickelt werden, wenn alle ihre Bedeutung ähnlich verstehen. Diese erhalten sie wesentlich von der Führung, weil Begriffe wie „unternehmerisch“, „innovativ“, „investitionsfreudig“, „traditionell“ sich nicht von selbst verstehen, abgesehen von dem aktuellen Bedeutungswandel. z. B. „Gerechtigkeit“ bedeutet bei schwerem Wetter eher Vertragsgerechtigkeit, im Sonnenschein wird eher an Verteilungsgerechtigkeit gedacht.
„Sprache bestimmt Beziehung“. Wir können häufig erfahren, dass Menschen ihr Selbstwertgefühl wesentlich daran festmachen, auf welche Art und Weise andere mit ihnen reden. Es sind stets Worte, die uns heilen, frustrieren, aufwerten, abwerten. Wir machen Menschen durch unsere Sprache. Die entscheidende Frage: Wird ein Mensch im Umgang mit mir eigentlich größer oder muss ich ihn durch meine Sprache stets klein machen, weil ich meine eigene Kleinheit nicht ertragen kann? Menschen werden miteinander größer, wenn sie richtig miteinander sprechen. Bei Problemlösung und Mehrheitsbildung. Die Erfolgsfaktoren großer Unternehmer sind Entscheidungskompetenz und Beziehungskompetenz.





Als einer der ersten machte Sokrates die Welt auf die Bedeutung des Wortes aufmerksam. Unsere Sprache (gemeint sind alle Interaktionen) dient als Werkzeug im Kampf ums Dasein, Sprache bestimmt, ob wir gewinnen oder verlieren. Sprache steht im Dienst der Lebendigkeit. Konfuzius sagte 600 v. Chr.: Erst stirbt die Sprache, dann stirbt der Mensch. Ohne Worte sterben Beziehungen. Menschen sind auf Menschen angewiesen.
Es gibt einen gemeinsamen Nenner für die ganze Welt, was das höchste Glück und der stärkste Antrieb für uns Menschen ist: „Sich an Zuwendung eines anderen freuen zu können“. Zuwendung erhalten reicht alleine nicht aus. Da-
raus könnte man folgern, dass es wenig Gesünderes gibt, als andere durch unsere Sprache glücklich zu machen. Nicht durch unsinnige Aufwertung, sondern durch Zuwendung und Verstehen einer anderen Einzigartigkeit. Unsere Sprache entspricht nicht immer unseren Grundüberzeugungen.

Ein Beispiel:
Der Frühstücksdialog eines Ehepaares könnte aus der symmetrischen Eskalation der Phrasen bestehen: „Das habe ich nie gesagt!“ – „Das hast Du vorhin noch gesagt!“ gefolgt von „Nein“ – „Doch!“. Ist der Gegenstand erheblich, steigt es an bis: „Typisch für Dich, man muss langsam ständig ein Recorder mitlaufen lassen“ – „ Ich weiß genau, was ich gesagt habe, Du kannst nicht zuhören!“. Und nicht zu vergessen, die beiden haben sich wirklich lieb. Falls Szenen wie diese bekannt sind, aus Fernsehen oder Nachbarschaft, – es gibt mindestens zwei grundsätzliche Lösungsansätze: Psychologie und Philosophie.
Psychologen thematisieren die Wahrnehmung. Denken wird durch Wahrnehmung entschieden, das bedeutet „Nehmung“, ob sie „wahr„ ist, wird kaum endgültig feststellbar. Konzentrieren wir uns auf die Quelle der gegenseitigen Fehlwahrnehmungen. Welche emotionalen Bedingungen und welche Ursachen bestimmen die Konfliktstärke und die ungeeigneten Strategien?
Philosophen stellen Erkenntnisfragen. Sie wollen wissen: Mit welchem Recht geht ein Mensch hin und macht aus seinem psychischen, neurotischen Zustand, etwas nicht mehr sinnvoll bezweifeln zu können, eine endgültige Urteilsgrundlage über die Erinnerungsfähigkeit des anderen? Da-
rüber hinaus gesteht er dem anderen dieses Recht nicht zu.
Platon ging davon aus, dass der Mensch im Grunde seines Wesens gut ist und das Gute anstrebt. Seine Sprache bestimmt dabei, was er ist und was er wird. Das Gute wird praktisch im Denken, Sprechen, Handeln. Nicht Menschen sind gut oder schlecht, sondern ihre Interaktionen. Nicht der Feind ist krank, sondern die Beziehung. Eine Konzentration auf Interaktionen festigt die Brücken im Streit. Konfliktkompetenz bedeutet die Fähigkeit, einen Konflikt ohne Folgekonflikte lösen zu können. Man sieht sich mindestens zweimal.
Diese Weisheit Athens hat zum heutigen Interaktionsparadigma geführt: Sprache gestaltet Beziehung – nicht Absicht.
Wen wundert es, dass ein menschliches Ideal eher der Philosophie als anderen konstruktivistischen Wissenschaften entsprungen ist. Sokrates setzte den Anfang der Philosophie mit den zwei Basisfragen: „Woher weiß ich das?“ und „Warum ist das so?“. Beispiel: Thomas ist unsere beste Führungskraft. Woher weiß ich das? Wir sind kundenorientiert. warum ist das so? Wer verantwortet öfter genau so fragt, darf seine Visitenkarte um das Wort „Philosoph“ legitim ergänzen. Jede Wissenschaft kann nach einem Ideal befragt werden. Die Philosophie liefert eine starke Orientierung für Unternehmer. Alle Führenden sind Gewohnheitslehrer in den Kulturschulen der Unternehmen.

Die Fähigkeiten des „Weisen Tyrannen“

Kultur beschreibt die Gewohnheiten und Einstellungen in einem sozialen System. Die Gewohnheiten in einem Unternehmen können ein Erfolgsfaktor sein. Platons „Weiser Tyrann“ kennt und nutzt die Stärken einer Kultur. Jedes Volk hat unterschiedliche Kulturstärken. Das ergibt schon eine Befragung von Münchnern und Hamburgern. Doch können sie hervorragend im Betrieb zusammenarbeiten, wenn Konsens über den Sinn des Unternehmens und der Unternehmensziele herrscht. Gegenwärtig scheint das in besonderer Weise für den Begriff „Menschlichkeit“ zuzutreffen.
Ein „Weiser Tyrann“ kann Sinn stiften. Einen Teil Sinn des Lebens in der Arbeit zu sehen, gehört zur Realität gesunder Lebensführung. Ein Unternehmen bietet insofern einen Sinn des Lebens an. In diesem Unternehmen zu arbeiten, erfüllt einen wesentlichen Teil meines Lebens. Erhaltung und Entfaltung des Unternehmens zur Sicherung aller ist z. B. ein wirksamer Sinn. Diese Botschaft verliert auch durch Wiederholung nicht an Wirkung.
Sokrates vermittelte: „Der Sinn des Lebens ist die Orientierung in der Freiheit des Lebens“. Ein Unternehmen ist erfolgreich, wenn Menschen sich in Freiheit für das Unternehmen entscheiden.
Der erfolgreiche Unternehmer bindet Menschen an sich selbst und an die Arbeit, indem er Vision und Werte vermittelt und kultiviert, die den Werten, Interessen, Erwartungen und Bedürfnissen sowohl dem Unternehmen und den Mitarbeitern gerecht werden. Er gibt rituell ein „Warum“ für das „Wie“. Er bestätigt die Wahl der Menschen für das Unternehmen in der Freiheit, die sie haben. Weisheit und Freiheit haben eine enge Beziehung. Freiheit ist sicher nicht das Fehlen jeglicher Zwänge. Diese pubertäre Definition würde bestenfalls Verwahrlosung produzieren. Freiheit bedeutet verantwortete Wahl der Bindung. Menschen wollen sich prinzipiell binden, an andere, an Ideale, an Ziele. Dazu müssen Menschen Entscheidungen treffen, sie müssen wählen. Die Informationsgesellschaft der Gegenwart macht diese Wahl nicht leicht. Unsere Entscheidungen sind Entscheidungen im Netz. Die Anzahl der Knoten, die wir mit Entscheidungen aktivieren ist oft unübersehbar. Freiheit gibt es nur um den Preis des Verzichtes. Verzicht ist hier die Bejahung einer Entscheidung.
Multikausalität (Unübersichtliche Begründungen und Prognosen) und Multioptionalität (Unübersichtliche Möglichkeiten ohne Wertigkeit) erschweren zunehmend Orientierung.
Nie war es so leicht, einen anderen Menschen kennenzulernen (Internet) – nie war es so schwer, den richtigen zu finden. Die Freiheit der Wahl führt zur Qual im Überfluss. Chancenvielfalt heißt auch Chancennutzung. Wahlfreiheit heißt Wahlzwang. Weil wir richtig entscheiden wollen, interessiert uns der Baum der Erkenntnis. Wir suchen die Wahrheit in der Information, die endgültig keine Sicherheit bietet. Völlige Sicherheit gibt nur ein unerschütterlicher Glaube. Glauben ist das Gegenteil von Wissen. Das Alte Testament bietet ein Bild: Wer die Wahrheit sucht, hat im Paradies nichts verloren.
Wahrheit und Freiheit schließen sich gegenseitig aus. Verfüge ich über „Wahrheiten“ habe ich die Freiheit verloren, meine Meinung zu ändern. Dogma bestimmt mich. Wer von dem Apfel gegessen hat, muss aus dem Paradies verschwinden. Platon legt dem „Weisen Tyrannen“ vor jeder Äußerung den Gedanken in Kopf und Herz: „Nach dem augenblicklichen Stand meiner Erkenntnisse neige ich zu folgender Ansicht…“ Wer anders – egal worüber – spricht, ist intellektuell nicht redlich“. Respekt vor den eigenen Grenzen bedeutet Respekt vor anderen Menschen.
Die Antwort Platons nach der Glaubwürdigkeit des „Weisen Tyrannen“ oder der Glaubwürdigkeit eines heutigen Firmenoberhauptes lautet: Menschen sind glaubwürdig, wenn sie an etwas glauben können. Wenn sie etwas für möglich halten können, was nicht beweisbar ist. Vorbilder haben diese Stärke. Gründer können Glauben vermitteln, den sie selbst haben.
Die Stärke eines „Weisen Tyrannen“ liegt in seiner Sicherheit in einer Welt voller Unsicherheiten. Die Kraft dazu gibt ihm ein Glaube an etwas Höheres, für das er lebt. Sein Leben hat einen Sinn und einen Stern. Die Kraft eines erfolgreichen Gründers entspringt einer Selbstverwirklichung. Er hat den Punkt in seinem Leben gefunden, für den sich jede Entwicklung und Anpassung lohnt. Aus dieser Einstellung hat er anderen Angebote für ihre Selbstverwirklichung gemacht und Menschen mit ganzem Einsatz um sich versammelt.
Charismatische Autoritäten strahlen etwas aus, was andere zur freiwilligen Gefolgschaft veranlasst. In unterschiedlichen Kulturen hat das unterschiedliche Auswirkungen. z. B. Der Osten braucht Status, der Westen Statuten.

Zur Heteronomie der Deutschen (Unternehmenskultur) sagt ein bewundernswerter Gegenwartsphilosoph, Peter Sloterdijk (Philosophie Karlsruhe): „Die deutsche Leistungsbereitschaft ist eine zuverlässige Konstante, wenn sie von einem starken Imperativ begleitet wird. Der Deutsche muss „Wollen“ müssen“. Aus dem chinesischen kommt die Weisheit: Wer gehorchen kann, entgeht der schlimmsten Form des Dienens – im Ernstfall unter Zwang handeln zu müssen.
Das mag übertrieben sein, andererseits fallen charismatischen Persönlichkeiten, die Helden, die Gründer, sofort auf. Sie sind selten und andersartig. Vor allem haben sie den Mut, nicht unter Gruppendruck zu entscheiden.
Ein „Weiser Tyrann“ lebt in ständiger Spannung beim Ringen um Erkenntnis. Dabei ist ihm die Vorläufigkeit seines Wissens bewusst. Er ist nicht vergreist, statuenhaft und abgeklärt. Er ist unabhängig vom physischen Alter mental jung, neugierig und lebendig. Sein höchstes Ziel ist die Optimierung seiner Orientierung. Die Evolution will, dass wir jung sterben – und zwar so spät wie möglich.
Unternehmensleiter sind Kämpfer und Helden. Als Kämpfer ringen sie täglich gegen zwei Feinde des Erfolges:

  • Verlust von Realität bei Planung und Entscheidung. Wenn eine Investition misslingt, ein Plan danebengeht, ein Joint-Venture zerplatzt, dann hat die Realität Widerstand geleistet, weil man sie nicht erkannt hat. Realistisches Denken kennzeichnet Gründer.
  • Verlust von Mehrheit, bei der Kommunikation, andere hinter die Sache zu stellen. Mehrheitsbildung setzt soziale Rollen und Verhaltensdisziplin voraus. Menschliches Charisma bedeutet personale Autorität, die Ausstrahlung einer Persönlichkeit, der andere freiwillige respektvoll Gefolgschaft leisten. Überzeugungsfähigkeit kennzeichnet die Gründer.



Der antike „Weise Tyrann“ verkörpert die wesentlichen menschlichen Fähigkeiten, die den Systemerfolg (Unternehmen) sichern. Die Fähigkeiten zur Problemlösung und die Fähigkeiten zur Überzeugung. Überraschend ist sein Lehrsatz: Problemlösung und Überzeugung in der Kommunikation schließen sich gegenseitig aus. Entweder öffne ich den Mund, um mit anderen herauszufinden, welche Lösung eines Problems die richtige ist oder ich spreche mit dem Ziel, dass andere meine Ideen als gültig erkennen.
Für beide Disziplinen sind Worte die Werkzeuge (Werkzeuge sind seit 500 v. Chr. vorhanden, nützlich und lernbar).
Für die Problemlösung gilt: Unser Denken ist sprachgebunden. Ohne Worte kein Nachdenken. In diesem Zusammenhang macht es Sinn, zu wissen, wovon man spricht, wenn man etwas sagt. Um sich mit anderen zur gedanklichen Klarheit zu reden bedarf es nachvollziehbarer Definitionen.
Für die Überzeugung gilt: Menschen widersprechen einander oft nur deswegen, weil ihnen Typ oder Art des Sprechenden nicht gefällt. Das reicht aus, um gegen etwas zu sein. Rhetorik und Struktur sichern die Glaubwürdigkeit von Botschaften. Leider ist es nicht immer so, wie Goethe es im Faust beim Osterspaziergang zu Wagner sagen lässt: …sucht er den redlichen Gewinn, es trägt Verstand und rechter Sinn mit wenig Kunst sich selber vor“.Aufrichtigkeit und Authentizität bedürfen der Form. Am Anfang war das Wort, welches den Inhalt transportieren soll.
Unternehmensgründer im Geiste des „Weisen Tyrannen“ sind Helden. Als solche verhelfen sie einer Erkenntnis zum Sieg. Dabei erfüllen sie folgende Bedingungen:

  • Helden brechen Regeln. Sie stehen für kreativen Ungehorsam und produktives Denken gegen Routine. Schillers Drachentöter verstößt gegen die Ordensregel, Wilhelm Tell grüßt Gesslers Hut nicht, Oswald Kolle hat ein Tabu gebrochen.
  • Helden müssen Erfolg haben. Wenn die Heldentat misslingt, reicht es bestenfalls zum Märtyrer, meist jedoch zur Abschreckung anderer Heteronomen, die im Gehorsam einen Vorteil sehen sollen.
  • Helden sind verwundbar. Ohne Schwachstelle keine Identifikation. Vorbildliche Menschlichkeit setzt die Überwindung von Schwächen voraus. Glaubt jemand keine zu haben, konkurriert er mit einer Maschine. Achilles bedarf der Ferse, Siegfried des Lindenblattes.
  • Helden sind einsam. Der Starke ist am Mächtigsten allein, heißt es bei Schiller. In der Geschichte der Mythologie gibt es kaum Beispiele, in denen ein Drache von einer Gruppe besiegt wurde.
  • Helden dienen einer Idee. James Bond braucht M, um eine Persönlichkeit zu sein. Omnipotenz, die gehorcht, trägt den Bond-Mythos. Ein Held hat sich einer Sache verschrieben, die größer ist, als er selbst.

Der „Weise Tyrann“ diente der Menschheit, indem er sich für das Leben in allen Dimensionen einsetzt. Das antike Ideal beherrscht die Fähigkeiten, realistisch zu denken und überzeugend zu begeistern.
Darüber hinaus gibt es heute einen Bedarf, den die Antike zwar kannte, aber – im Gegensatz zu heute – nicht auffällig an dessen Mangel litt. Zunehmend gilt heute für die Führung:

Eine Führungskraft ohne Fähigkeit und Bereitschaft zum Aufbau von Vertrauensfeldern ist nicht führungsfähig, was immer sie sonst beherrscht.

Vertrauen wird zum Begriff, der nicht nur in Wirtschaft und Politik eher gefordert und versprochen als geleistet wird. „No Trust in Management“ kennzeichnet das Ergebnis manch gut gemeinter Befragung. Die Fähigkeit zur Vertrauensbildung wird im Mittelstand deutlich stärker gefördert als in Konzernen. Nur dort sind die Identifikation mit Personen und damit die stärkste Bindungskraft besonders aktiv.
Menschen wollen für Menschen arbeiten. Zur Selbstverwirklichung gehört die soziale Heimat. Ein Ort, an dem ich gerne gesehen bin. Familienunternehmen haben diese Chance der Bindung in besonderer Weise.
Die Attraktivität einer Führung, die existentiell mit im Boot sitzt und bei der gegenseitiges Vertrauen die Bindung sichert, ist in der Anonymität von Konzernkulturen kaum herstellbar. Als Verantwortlicher eines sozialen Systems gilt es Vertrauen in zwei Dimensionen zu schaffen:
Erfolgsvertrauen beschreibt auch eine Bindung an Menschen, denen wir die Lösung von Problemen und Krisen zutrauen. Menschen, die eine „Kuh vom Eis“ holen können und den „Karren aus dem Dreck“ zu ziehen wissen. Da wesentliche Krisen durch sie beseitigt werden können, haben sie auch einen Vorschussbonus bei episodenhaftem asozialem Verhalten (Sie dürfen auch mal ausrasten).
Beziehungsvertrauen beschreibt eine Bindung an Menschen, die uns entängstigen können. Menschen, mit denen angstfrei über Ängste gesprochen werden kann. Die es verstehen, Betroffenheit abzubauen und Sinn zu verstärken, Mut zu machen und Kraft zu geben. Insbesondere, wenn andere sich in Beziehungskrisen oder Identitätskrisen befinden. Ihnen wird eher ein sachlich-fachlicher Misserfolg verziehen.
Es lohnt die Frage: What makes People follow me“

Die Werte der „Weisen Tyrannen“

Wir alle haben in unserer Erziehung auch gelernt, zu gehorchen. Somit hatten wir die Möglichkeit zu erkennen, was andere tun müssen, damit wir ihnen folgen. Freiwillig und gezwungen. Wir lernen die Regeln des sozialverträglichen Verhaltens, die Regeln unserer Moral, mit jeder Interaktion, die mit anderen erfolgt.
Wittgenstein fragt mit Recht: „Was sind wir mehr, als die Summe aller sprachlichen und nichtsprachlichen Signale, die wir von anderen erhalten haben?“
Nahezu jedes Kind auf der Welt hört von seinen Eltern den Satz: „Wenn andere das können, kannst Du das auch“. So lernen wir Pflichten und Rechte. Diese Rechte und Pflichten stehen im Dienste der aktuellen Weltanschauung und im Besonderen im Dienst der familiären Moral, die von Familie zu Familie unterschiedlich ist.
Intelligente Kinder übernehmen sehr schnell die kollektive Grundlage ihrer Rechte und Pflichten und konfrontieren ihre Eltern mit dem Satz: „Alle anderen dürfen und haben das auch“. Nun gibt es häufig genügend Gründe, die Eltern darauf antworten zu lassen: „Du bist nicht alle anderen. Wenn die von der Brücke springen…“
Jeder Mensch hat heteronome Anteile in seiner Persönlichkeit, die ihn gehorchen lassen und jeder hat autonome Anteile, die ihn ungehorsam sein lassen. Kennzeichnend für alle erfolgreichen Unternehmer ist ein deutlicher Überhang an autonomen Tugenden.
Aristoteles unterschied zwischen Systemtugenden und personalen Tugenden. Wenn wir danach fragen, wie ein Mensch sich in einem System (auch die Familie) optimal verhält, steht anfangs Gehorsam, gefolgt von Pünktlichkeit, Fleiß, Ordnung, Loyalität, Kameradschaft u. a. Weil diese unkontrolliert den Menschen verfügbarer machen, sind ihnen personale Tugenden entgegenzusetzen:

  • Autonomie. Der kreative Ungehorsam, das produktive Denken gegen Routine. Selbstbestimmung in der Lebens-und Arbeitsführung.
  • Zivilcourage. Für die Rechte anderer eintreten, auch wenn sie mich nicht betreffen.
  • Toleranz. Anderes nicht wegen der Andersartigkeit bekämpfen. Gemeint ist nicht: Gnädiger weise den Schwachsinn anderer zulassen.

Kennzeichen des „Weisen Tyrannen“ war es, verantwortet die eigene und die fremde Bereitschaft und Fähigkeit zu pflegen, seine Pflicht zu tun und kreativ etwas gegen ungeeignete Selbstverständlichkeiten zu unternehmen. Dabei folgt er unerschütterlich einem Stern.
Wenn Heteronomie und Autonomie nicht im Dienste einer höheren Sache, einem spirituellen Bekenntnis, einer Glaubensregel, einem Unternehmenssinn stehen, kommt es unweigerlich zu Krisen.
Nietzsche sagt es knapp und deutlich: Wer ein „Warum“ hat, erträgt auch ein „Wie“. Jeder erfolgreiche Unternehmer ist ein Sinnstifter. Seine Aufgabe ist es, die funktionalen und personalen Tugenden seiner Mitarbeiter in den Dienst einer gemeinsamen Idee zu stellen, deren Kraftquelle er selber ist. Eine starke Identifikation aller Mitarbeiter ist gesichert, wenn die Idee, der Unternehmenszweck, die Kultur gleichstark Menschlichkeit und Wirtschaftlichkeit fördert.
Der Coaching-Bedarf in der westlichen Welt steigt. Menschen vermissen Menschlichkeit. Geltungsansprüche und Geltungsangebote unterscheiden sich. Nicht wenige erfahren das in ihrer beruflichen und privaten Welt. Wer sich nicht im Zustand des sozialen Wohlbefindens befindet, ist krank. Die Hilfe wird oft außen gesucht. Menschen die führen, wollen sich gespiegelt sehen. Sie suchen Quellen für die realistische Selbsteinschätzung. Nicht selten ist die Unternehmensspitze in der Gefahr der Vereinsamung, weil kaum noch angstfrei mit anderen über Ängste gesprochen werden kann. Beziehungen verändern sich. Oft auch ungewollt.
Wenn Menschen sich in einer Gemeinschaft fügen, die bedroht ist (Wie halte ich jemand, der gehen will – und umgekehrt), sind Beziehungskrisen die Folge. Gemeinschaft verliert Sinn. Der weise Tyrann nach Platon würde der Regel für starke Partnerschaften folgen, welche bei jeder Spannung fragen kann: „Ist das, was wir beide jetzt gerade tun, auch gut für das, was uns beide trägt?“
Wenn Menschen mutig neue Wege gehen, und Erfolgsbefriedigung ausbleibt, kommt es bei nicht wenigen Unternehmern (45 – 65) zu Identitätskrisen. Gemeint ist die Frage: Passe ich zu dem Leben, welches ich führe oder werde ich gelebt ohne mich verwirklichen zu können. Die Suche nach Alternativen wird durch Zwänge blockiert. Die brennende Frage lautet: Wer bin ich? Wer spiegelt mich so, dass ich mich wieder erkenne?



Platons Menschenbild hat sich nicht geändert: Jeder Mensch ist ein soziales Wesen und kann ohne den anderen nicht wirklich existieren. Das höchste Glück des Menschen ist, sich an der Zuwendung eines anderen zu freuen. Ganz allein ist noch niemand ganz gesund geworden. Zur Selbstverwirklichung gehört ein anderer.
Neben Moral (Fremdbestimmung) und Autonomie (Selbstbestimmung) gehört zum Wertedreieck des weisen Tyrannen die Ethik (Sinnbestimmung). Die Lehre des höchsten Gutes. Das eigentliche „Warum“ für das „Wie“. Die Inhalte der Ethik haben Geschichte und machen Geschichte.

  • Tiefe Gottesgläubigkeit ist eine starke Orientierung. Das Christentum steht für entscheidende menschliche Werte. Neben liturgischen Disziplinen stärkt ein Gottesbild menschliche Demut. Niemand kann Großartiges leisten, der nicht etwas anerkennt, was größer ist als er selbst.
  • Die christliche Gottesidee hat es nicht mehr leicht. Die Theologie trägt zum Tod des Christentums bei, weil sie als Wissenschaft Inhalte und Interpretationen hervorbringt, die ihre Anschlussfähigkeit verlieren. Außerdem gibt es leider zu viel Kritik am Bodenpersonal.
  • Die Ethik der Neuzeit bot zunächst als höchstes Gut die „Würde“ des Menschen an. „Würde“ bezeichnet den Anteil eines Menschen, der über seine Funktion hinaus geht. Respekt vor dem anderen beginnt, wenn ich ihn in meiner Kommunikation nicht auf Brauchbarkeit verkürze. Persönliche Sorgen eines Mitarbeiters sind keine Störgrößen in einer Sachlösungszeit.
  • Abgeleitet von Tucholsky: „Obwohl die Eigenliebe eine zuverlässige Form der Zuneigung ist, reicht es für manche nicht aus und sie nehmen sich Partner“. Durch unsere Kommunikation verkürzen wir unbewusst oft andere auf deren Brauchbarkeit. Würde bezieht sich auf kommunikatives Geschehen. Es ist kaum einklagbar. Menschen verletzen die Würde anderer, wenn sie diese so behandeln, wie sie selbst niemals behandelt werden möchten.
    Die Gegenwart stellt ethisch das „Biophilie-Postulat“ (Erich Fromm) bereit. Handele so, damit das Leben in Deiner Person und in anderen eher gemehrt als gemindert wird. Die Maxime: Wir wollen, dass Menschen im Umgang miteinander größer werden. Wer andere groß macht, wird selber groß, wer andere klein macht, wird selber klein.

Der „Weise Tyrann“ Platons strebt nach der höchsten Stufe der sozialen Kompetenz: Wertfreies Wahrnehmen. Alles wahrnehmen – nichts werten, ist ein Teil der Weisheit. Was mich emotional zur Zuwendung oder Ablehnung zwingt, beherrscht mich und damit meine Wahrnehmung. Je weniger Menschen werten, desto mehr können sie wahrnehmen. Es ist dann leichter, Menschen zu verstehen. Verstehen ist die Voraussetzung für Vertrauen. Wer sich verstanden fühlt, sucht Nähe.
Aristoteles sagt: „Die interessierte Quelle lügt“. Wer von uns kann die Wahrheit sagen über etwas was er liebt oder hasst? Wer von Gefühlen besessen ist, nimmt nur noch projektiv oder selektiv wahr. Das bestätigt Gefühle und Vorurteile, aber schafft keine Erkenntnisse. „Nichts, was ich höre oder sehe, ist für mich erheblich – und mir entgeht kein Signal“ zeigt Klugheit.
Dieses Ziel ist für uns Menschen kaum erreichbar, doch ein starkes Streben danach macht Menschen erfolgreicher. Wenn wir andere nicht verstehen, sind zwei Etiketten schnell zur Hand und im Mund: Mad or Bad. Weil wir Angst vor unserer Ohnmacht haben, wenn wir andere Menschen nicht mehr verstehen, erhalten sie Bezeichnungen, unter denen wir abwerten dürfen, wovor wir Angst haben. Bei Indianern galten „Verrückte“ als Heilige. Nicht selten müssen Manager vom Spiel befreit werden: „Selbstaufwertung durch Fremdabwertung“!
Ein „Weiser Tyrann“ kennt keine „bösen“ Menschen. Es gibt Menschen, die sind nervös, uninformiert und bewaffnet. „Böse“ und „Verrückt“ gehören nicht zu den verantworteten Begriffen weiser Menschen.
Alles was Menschen „Böses“ tun hat nur zwei Quellen:
Menschen wähnen sich im Besitz ewig gültiger Wahrheiten und meinen aus diesem Wahn heraus auch andere verpflichten zu müssen und

Menschen sind voll guter Absicht ohne über die notwendige Kompetenz zu verfügen. Der unaufgeklärte gute Wille schafft viel Unglück. (Ein Affe zieht Fische an Land, um sie vor dem Ertrinken zu retten)
Platons „Weiser Tyrann“ kämpft für das Gute durch Aufklärung. Manager sind Gewohnheitslehrer. Sie haben pädagogisches Interesse bezogen auf Familie und Mitarbeiter. Sie wollen, das andere ihre Nähe suchen. Wir suchen die Nähe von Menschen, die uns erfolgreich lehren.

Die Zukunft des „Weisen Tyrannen“

Unternehmen haben Zukunft, wenn Führungskräfte dieses pädagogische Interesse entwickeln. Sie teilen mit anderen ihre Erfahrungen – am besten ohne Dogmatik. Ihre Motivation ist die Vermeidung von Demotivation. Sie streben die Rolle eines Coachs an. Als Vorbilder sind sie Menschen, die ihren Mitarbeitern vertrauen und an sie glauben. Wer andere abschreibt, kann sie nicht fördern.
Stärker als je zuvor in der Geschichte werden Geschäftserfolge über Beziehungsnetze bestimmt. Beziehungsnetze bedürfen der Werte um stabil zu bleiben. Die Unternehmertage (Hier und Heute), bei denen sich Interessengruppen mit Vertrauen und Sympathie austauschen, gehören in einer zusammenwachsenden Welt zu den Ritualen der Weisheit.
Es gibt keine Königswege für wirtschaftlichen Erfolg. Der Markt ist lebendig und das Wort Culture Change gehört in Vokabular des Managements auf der ganzen Welt. In Unternehmen geht es täglich darum, erfolgreiche Gewohnheiten zu sichern und neue zu entwickeln. Die Vision, die Werte, die Prinzipien für die Unternehmenskultur kommen von oben und bieten Orientierung.
Nicht wenige Unternehmen erarbeiten in Leitbildprozessen gemeinsam diese Softfacts. Sie hoffen auf stärkeren Teamspirit, wenn Betroffene zu Beteiligten werden.
Das gilt eher für konkrete Arbeit eher, als für abstrakte Denkprozesse. Beim Schiffsbau braucht es Gruppenspirit, bei der Schiffsplanung braucht es Teamspirit. Wenn es in Unternehmen um die Verpflichtung zu Soft-Facts geht, wird gerne die Demokratie bemüht. Wir haben unsere Vision und Werte gemeinsam erarbeitet, wir haben uns ein Leitbild gegeben usw.
Wie oft enden Metaplanschlachten und Pinnwand-Orgien in einer Wertetafel für jedes Büro und leiden nach kurzer Zeit unter dem Stigma: Gelesen – Gelacht – Gelocht.
Natürlich wünschen wir uns alle das Gute, das Wahre, das Praktische in der Unternehmenskultur, jedoch warnt Platon: Menschen solidarisieren sich gerne mit Menschen welche auch nicht wissen, wovon sie reden aber wenigstens die gleichen Worte verwenden. „Wir werden fair sein“, versprechen wir uns. Erst beim Konflikt erkennen wir einige Interpretationsräume.

Ob es wirklich weise ist, Leit-Begriffe über Mehrheit zu sichern? Wenn alle sich zum Vertrauen bekennen, wissen sie dann auch gleichartig, wie es zu erfüllen ist? Ein emotionaler Konsens trägt keinen rationalen Inhalt. „Auf zu neuen Ufern!“ heißt der Schlachtruf. Was ist, wenn keine Boote da sind? Ein „Weiser Tyrann“ gibt vor und erfüllt.
Die spirituelle Orientierung hat Kraft, wenn sie von oben gelehrt und gelebt wird und das Haus von einem Vorbild spricht. Wir sind soziale Wesen und wollen einer Persönlichkeit folgen, die uns zeigt, was menschlich erstrebenswert ist. Der Mittelstand ist und bleibt die Schmiede für diese Vorbilder.
Der „Weise Tyrann“ unterscheidet in der Notwendigkeit von Autokratie und Demokratie. Gemeint ist nicht die zynische Begründung: „Man kann keine Frösche um die Trockenlegung der Sümpfe bemühen“, sondern die Orientierungsnot von Menschen in Krisen. Der Zeitfaktor begründet oft eine kompromisslose Vorgabe. „Wenn man im Rachen eines Krokodils steckt, ist die Trockenlegung der Sümpfe nebensächlich“. Vielleicht zeigen deswegen nicht wenige Philosophen deutliche Demokratiekritik:

  • Noch niemals in der Geschichte der Menschheit haben Wahrheit oder Fortschritt auf Seiten der Mehrheit gelegen.
  • Je mehr Menschen einer Meinung sind, desto mehr muss diese auch verdächtigt werden, ob ein Faschismus gesiegt hat.
  • Menschen sind nur bereit, sich auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner zu einigen: Je trivialer – desto Konsens.
  • Jede Mehrheitsentscheidung stärkt das Partisanenbewusstsein der Überstimmten. Persönliche Einstellungen sind stärker als Mehrheitsgehorsam.
  • Nur Durchschnittlichkeit ist unbegrenzt anschlussfähig

Die dialektische Spannung in Erkenntnissen zwischen Weisheit und Mehrheit, zwischen Realität und Wirklichkeit, zwischen Wahrheit und Gewissheit und der damit verbundene Lösungsansatz lassen Platon fordern: Erfolgreiche Persönlichkeiten können realistisch denken und Mehrheiten für ihre Meinung bilden. Er personifizierte diese Forderungen und schuf das Bild des aufgeklärten Herrschers, des erfolgreichen Führers, des „Weisen Tyrannen“.
Wer Energie in einer Mannschaft braucht, der bilde Mehrheiten und sorge für gleichen Humor, gleiche Vorurteile und Konsumsolidarität. Mitarbeiter wollen Glauben und Nachvollzug und Verständnis. Der „Weise Tyrann“ erzeugt Mehrheit für seine Inhalte.
Wer Erkenntnisfortschritt im Team braucht, der führe einen disziplinierten Diskurs zum Problem und zu den rationalen und emotionalen Widerständen. Er ringt mit anderen um möglichst hohe Realitätsnähe. Die Diskursmethodik von Aristoteles leistet heute gute Arbeit.
Zu der Frage, ob der „Weise Tyrann“ auch ein unbequemer Herrscher sein soll, gab Platon eine Antwort: Antike Tyrannen hatten vor allem Macht. Macht ist das Vermögen, seinen Willen gegen den Willen anderer durchzusetzen, ungleich worauf diese Chance beruht. Macht ist an sich nichts Schlechtes. Denken wir die Glaubenswelt: „Gott ist die Liebe, die Kirche ist die Macht, es heißt: die Macht der Liebe…
Tyrannen sind heute noch Menschen, die Machtmittel beherrschen und einsetzen. Es gibt zwei Mittel in der Hand aller Herrscher: Überzeugung und Gewalt. Überzeugung ist Machtausübung, weil damit die Meinung anderer auch gegen Widerstand geändert werden kann. Gewalt ist Androhung oder Vollzug von psychischen und sozialen Zwängen. Psychischer Zwang heißt: Ich rede so, dass der andere Angst, Scham, Schuld oder Minderwertigkeit spürt. Sozialer Zwang zeigt: Informationsentzug, Ritenentzug (kein Gruß mehr), Exkommunikation.
Der „Weise Tyrann“ beherrscht seine Machtmittel, er weiß, wovon er redet und überträgt es erfolgreich auf andere. Gewalt nur zur Schadensbegrenzung.
Zurück zur SPA Erholungslandschaft. Sokrates, Platon und Aristoteles. Wellness bezieht sich auf Gesundheit. Alle drei hatten nur ein Ziel: Eine Welt in der Menschen gesund leben können. Gesund sind Menschen, wenn sie sich im Zustand des physischen, sozialen, rationalen, emotionalen und spirituellen Wohlbefindens befinden. Dazu brauchen wir einander in allen Dimensionen. Noch nie ist ein Mensch ganz allein ganz gesund geworden.
Die Sehnsucht, die eigene Persönlichkeit nach den Vorgaben des „Weisen Tyrannen“ zu entwickeln, wird gestärkt in der Auseinandersetzung mit den philosophischen Fragen:

Ist das was wir tun gut für das, was uns alle trägt?

Was bewirkt das Nicht-Bedachte?

Woher weiß ich, was ich wirklich meine,
wenn ich etwas sage?

Woher weiß ich was ich wirklich will,

wenn ich etwas tue?

Sind unsere Gewohnheiten
menschen- und marktgerecht?

Welchem Stern folge ich – vom Ende aus betrachtet?

Liebe ich jemand so sehr, dass ich ihn loslassen könnte?

Lebe ich oder werde ich gelebt?

Ethik als höchstes Gut in einer Gemeinschaft kultureller Vielfalt kann nur eine Ethik der Kommunikation sein, wenn das Überleben zu sichern ist. Wer keine Vorbilder sieht, muss Vorbild werden. Eine Orientierung ist das humanistische Postulat – abgeleitet von Platons „Weisen Tyrannen“:

Wir wollen, dass Menschen im Umgang miteinander größer werden.