Brandspuren verstehen

Ein Beitrag zur Zusammenarbeit von Brandermittlern und Feuerwehr*

Von Frank D. Stolt, Sicherheitsfachwirt (FH), MSc, MIFireE, cand. PhD, Sachverständiger für Brand- und Explosionsursachenermittlung, stolt.frankdieter@vdi.de

Frank D. Stolt
Sicherheitsfachwirt (FH),
Mannheim

Bei jedem Brand gibt es Anzeichen, die dem Brandermittler dabei helfen können nachzuvollziehen, wie sich der Brand entwickelt hat und - noch viel wichtiger - welche Veränderungen des Brandverhaltens für die Bestimmung des Entstehungsortes des Brandes mit großer Wahrscheinlichkeit von Bedeutung sind. Diese Fähigkeit, die Spuren eines Brandes in dieser Art und Weise zu verstehen, ist unentbehrlich um sicherzustellen, dass die jeweils richtigen Schlüsse für die weitere Brandermittlung gezogen werden. Nur ein Brandermittler, der seine Entscheidungen basierend auf Wissen und Erfahrung trifft und sich nicht auf sein (Rate-) Glück verlässt, ist dazu fähig, die Spuren eines Brandes auch richtig „zu verstehen„.
Brandermittler werden manchmal dafür kritisiert, dass sie von nationalen und internationalen normierten Definitionen (z.B. DIN) oder wissenschaftlichen exakten Begriffen abweichen. Viele dieser Begriffe und Definitionen, die in diesem Beitrag verwendet werden, mögen deshalb auch für den „kriminalistischen„ Leser neu sein. Aus diesem Grund habe ich, wann immer diese international gebräuchlichen Definitionen und wissenschaftlichen Begriffe verwendet werden konnten, diese Begriffe auch übernommen. Allerdings sind manchmal jedoch Definitionen und wissenschaftliche Begriffe für die Brandermittlung vor Ort unpraktisch und nicht unbedingt hilfreich, da z.B. ihre Bedeutung den Brandermittlern, aber auch den Feuerwehrmännern nicht bekannt ist. Aus diesem Grunde wurden viele der Definitionen in diesem Beitrag so verfasst, dass der eigentliche Zweck, nämlich die Anzeichen für wesentliche Aussagen zum Brandverlauf dem Leser näher zu bringen, erreicht wird. Einige dieser Begriffe stammen aus dem Englischen und wurden z.T. an den deutschen Sprachgebrauch angepasst. Insbesondere wurden Begriffe und Erklärungen von Prof. Dougale Drysdale1 (University of Edinburgh), Dr. Vito Babrauskas2 sowie des NFPA 9213(USA) und Demidow4 u.a. (UdSSR) verwendet und an deutsche Begrifflichkeiten5 angenähert.

Informationen schnell erfassen – Erster Angriff

Bei jeder Brandermittlung muss die ganze Bandbreite an Informationen schnell aufgenommen und verarbeitet werden. Dieser Beitrag befasst sich vor allem mit Informationen bzw. Indikatoren, die bei einem Zimmerbrand auftreten. Es sind jedoch gerade oft diese Zimmerbrände, die den Brandermittlern zunehmend Schwierigkeiten bereiten. Brandermittler, die es mit einem Zimmerbrand zu tun haben, sollten daher alle Informationen wahrnehmen und auswerten können, aus denen sich Rückschlüsse auf den Brandverlauf ziehen lassen. Diese komplexe Betrachtung setzt sich zusammen aus

  • Freisetzung (Rauch, Wärme etc.)
  • Ausbreitung infolge Diffusion, Konvektion, Stoffumwandlung,
  • Wechselwirkung mit der Umwelt (Luftzufuhr, Ventila-tion).

Eine spätere umfassende computergestützte Modellierung im weiteren Verlauf der Brandermittlungen durch Sachverständige erfordert u. a.

  • Dreidimensionale Betrachtung der Konvektions- und Diffusionsprozesse,
  • Einbeziehung der Raumgeometrie,
  • Berücksichtigung der Ventilationsverhältnisse (z.B. dreidimensionale Feldmodellierung der Luftströmung),
  • Betrachtung von Stoffumwandlung, -abbau (chemische Reaktion)

Damit verbunden ist ein hoher Aufwand sowohl für Bereitstellung und Auswahl der Daten als auch für die Berechnung (Berechnungszeit, großer Datenumfang) – CFD-Berechnungen! Daher erscheint gegenwärtig die Verwendung dieser Informationen zur Brandermittlung im operativen Einsatz („Erster Angriff„) für viele Brandermittler nicht praktikabel! Sie erheben immer wieder die Forderung nach Einsatzhilfen zur Unterstützung des „Ersten Angriffes„. Im Folgenden sollen Modellannahmen zur Vereinfachung führen und die Informationen bzw. Indikatoren benennen, die als Einsatzhilfen nutzbar sind und im Rahmen des „Ersten Angriffes„ (Modellgrenzen) für den operativen Einsatz geeignet sind.
Vereinfachungen können sein:

  • Zweidimensionalität,
  • einfache Raumgeometrie (spezielle Raumcharakteristika bleiben unberücksichtigt),
  • Stationäre Freisetzung und Ausbreitung des Rauches

Die Basisvorstellung ist die dichteneutrale Ausbreitung einer spontan freigesetzten endlichen Masse aus einer Punktquelle - Gaußsches Ausbreitungsmodell (Plume Modell).

SAHF-Indikatoren Rauch, Luft, Wärme und Flammen

Diese Indikatoren können in vier große Gruppen (engl. SAHF: Smoke, Air, Heat, Flame) aufgeteilt werden:

  1. Rauch (Farbe und Dichte, Volumen und Ort, Höhe der Rauchschicht, Pulsieren)
  2. Luftströme (Geschwindigkeit und Richtung, Verwirbelungen oder ruhiges Strömen, „pfeifende„ Geräusche)
  3. Wärme (Verrußen von Fenstern, keine sichtbaren Flammen, Blasenwerfen lackierter Oberflächen und plötzlicher Wärmeanstieg)
  4. Flammen (Farbe, Volumen, Ort)


Abb. 1: Indikatoren, die Rückschlüsse auf die Brandentstehung und den Brandverlauf zulassen

Eine Bewertung von Rauch, Luft, Wärme und Flammen ist deshalb ein wichtiger Teil des „Ersten Angriffes„ und auch der darauf folgenden Brandermittlungen. Sie erlaubt dem Brandermittler, den Verlauf des Brandes zu bewerten und festzustellen, ob und welche Veränderungen im Brandverlauf Hinweise auf den Brandort bzw. die Brandentstehung geben können. Darüber hinaus ist so die Auswahl der effektivsten weiteren Vorgehensweise bei den Brandermittlungen möglich. Daher sollte jeder Brandermittler mit Hilfe der SAHF- Bewertung seinen Brand beurteilen. Die so gewonnenen Erkenntnisse sollten in die Ermittlungen einfließen und ggf. die bisherigen Ermittlungsergebnisse aktualisieren.

Rauch

Die Farbe des Rauches verändert sich je nach freigesetzten Verbrennungsprodukten und der vorhandenen Belüftung. Es existieren einige allgemeine Grundsätze, die beim „Ersten Angriff„ bei der Befragung der Einsatzkräfte der Feuerwehr angewandt werden können:
Dunkler Rauch deutet häufig auf eine Verbrennung unter „fetten„ Bedingungen hin, bedingt durch eine eingeschränkte Sauerstoffzufuhr des Brandes. Bei Bränden mit offener Flamme und bei Schwelbränden wird der im brennbaren Stoff enthaltene Kohlenstoff freigesetzt, weshalb der Rauch eine sehr dunkle Farbe besitz. Sehr dunkler Rauch kann auch ein Hinweis auf die Verwendung von Brandlegungsmittel (Benzin, Diesel etc.) geben.


Auf diesem Foto sind links deutlich die leichteren Pyrolyseprodukte zu erkennen und rechts weist auf eine „fette“ (Sauerstoffkontrollierte) Verbrennung hin.

Bei zu niedrigen Temperaturen oder wenn zu wenig Sauerstoff für eine Verbrennung mit offener Flamme zur Verfügung steht, wird der brennbare Stoff ohne Flammenerscheinung zersetzt (Pyrolyse) und der Großteil des Kohlenstoffes verbleibt im brennbaren Stoff, wodurch ein Rauch hellerer Färbung entsteht. Weiterhin sollte beachtet werden, dass mit der Entwicklung des Brandes aufgrund der großen Wärme auch in angrenzenden Räumen die Pyrolyse einsetzen kann, wodurch sich dort brennstoffreicher, weißer Rauch bildet.
Feststellungen zum Volumen des Rauches können dabei helfen, die Größe und den Ort des Brandes zu bestimmen. Diese Bestimmung muss jedoch nicht in allen Fällen verlässlich sein und kann sogar für sich allein betrachtet und ohne Zusammenhang mit anderen Feststellungen zu Fehleinschätzungen des Brandortes, der Brandgröße und der verschiedenen Entwicklungsstadien führen. Rauch kann sich durch Hohlräume, Schächte u.ä. ausbreiten und somit an Orten vorhanden sein, an denen normalerweise nicht mit ihm gerechnet wird. Sicherlich haben viele Brandermittler schon die Erfahrung gemacht, dass nach Angaben der Feuerwehr oder anderer Zeugen sowie auf Grund eigener Wahrnehmungen aus einem Gebäude große Mengen Rauch austraten, sich jedoch bei den weiteren Ermittlungen herausstellte, dass die Brandfläche relativ klein und /oder an einem völlig unvermuteten Ort war.
Grundsätzlich steigt erwärmter Rauch nach oben (Plume). Wenn er dabei auf horizontale Hindernisse stößt, breitet er sich horizontal aus (Ceiling Jet), bis er durch weitere vertikale Öffnungen wieder nach oben steigen kann.
Je weiter die Strecke ist, die der Rauch zurücklegt, desto kühler wird er, was u.a. dazu führt, dass eine teilweise Vermischung von Luft und Rauch zustande kommt. Es ist also wie bei jeder Branderscheinung sehr wichtig, dass diese nicht isoliert betrachtet wird. Mit fortschreitender Entwicklung des Brandes senkt sich die Rauchschicht ab und ihre Dichte der Rauchgase nimmt zu.
Daher:

  1. Eine hohe Rauchschicht kann darauf hinweisen, dass der Brand sich erst im Anfangsstadium befunden hat.
  2. Eine sehr tiefe Rauchschicht kann auf sehr fette, „Backdraft„- ähnliche Bedingungen hinweisen.
  3. Die Beschreibung eines plötzlichen Hebens der Rauchschicht kann ein Zeichen dafür sein, dass irgendwo Belüftung (Durchbrand der Dachkonstruktion, RWA etc.) stattgefunden hat.
  4. Eine allmähliche Absenkung der Rauchschicht kann auf eine Ansammlung der Brandgase und einen bevorgestandenen Flashover hinweisen.
  5. Ein plötzliches Absinken der Rauchschicht kann auf eine unmittelbar bevorgestandene Intensivierung des Brandes hinweisen.


Abb. 3: Plume                                                                        Abb. 4: Ceiling Jet

Beschreibungen von Rauch, der pulsierend aus kleineren Öffnungen ausströmte, kann auf einen so genannten Zuluft-kontrollierten Brand hindeuten. In Folge des Vorliegens einer nur begrenzten Sauerstoffzuführung kommt es zu Druckunterschieden. Wenn die Sauerstoffzufuhr kleiner wird, verlangsamt sich auch der Verbrennungsprozess. Dies führt wiederum dazu, dass sie Temperatur absinkt und die Brandgase kontrahieren. Wenn vermehrt Luft an den Brand gelangt, nimmt seine Intensität zu und der Druck steigt wieder solange an, bis die zugeführte Luft verbraucht ist und dieser Prozess von vorne beginnt. In einigen Fällen kann sich diese Situation soweit entwickeln, dass das Potential für einen Backdraft vorhanden ist. Rauch, der pulsierend aus größeren Öffnungen austritt, muss im Zusammenhang mit den herrschenden Luftströmen gesehen werden und soll im nächsten Abschnitt behandelt.

Luftströme

Ein Luftstrom entsteht durch die Bewegung der Luft zum Brandherd und die Bewegung von überhitzten Verbrennungsprodukten vom Brand weg. Der wissenschaftliche Begriff ist „Schwerkraftströmung„. Wenn an einem Brandraum eine Öffnung geschaffen wird, strömen die erwärmten Gase im oberen Bereich der Öffnung aus und kühle Luft strömt im unteren Bereich der Öffnung in den Raum. Ein vollständiges und plötzliches Einströmen von Luft kann auf einen bevorstehenden Backdraft hinweisen. In einigen Fällen ereignet sich kurz nach dem Einströmen ein schnelles Strömen von Luft/Gas-Gemisch und sofort danach der Backdraft.


Abb. 5: Darstellung der verschiedenen Luftströme

Wenn die Luftströmung langsam (ruhig) und laminar (d.h. flächenförmig) verläuft, kann das ein Hinweis darauf sein, dass sich der Brand erst im Anfangsstadium befunden hat und höchstwahrscheinlich nur Brennstoff-kontrolliert ist. Ist die Luftströmung jedoch schnell und verläuft mit Verwirbelungen (oft ist auch die Rauchschicht relativ niedrig), kann dies auf einen weiter entwickelten, Zuluft-kontrollierten Brand hinweisen. Kräftiges Pulsieren des Luftstromes ist ein deutliches Zeichen für einen solchen Zuluft-kontrollierten Brand.



Die Beschreibung von so genannten „pfeifenden Geräu-schen„ kann darauf hinweisen, dass wiederum aufgrund von Druckunterschieden Luft durch kleine Öffnungen in den Brandraum hinein und wieder hinaus gedrückt wird. Dabei entsteht ähnlich wie bei einer Orgel das Pfeifgeräusch. Derartige „pfeifende Geräusche„ lassen auf einen Zuluft-kontrollierten Brand schließen. Es sollte durch den Brandermittler allerdings beachtet werden, dass man diese Geräusche wegen des allgemeinen Lärms an der Einsatzstelle nur sehr schwer wahrnehmen und es auch zu Verwechselungen mit anderen ähnlich pfeifenden Geräuschen kommen kann.


Wärmebilanzmodell


Wärme

Die Menge der Luft, die zum Brennmaterial gelangt, ist proportional zur Menge der Verbrennung der freigegebenen Zündenergie. Einfach ausgedrückt, das Feuer versucht immer ein Gleichgewicht zwischen eingehenden und freigebenden Produkten herzustellen. Alles was diesen Vorgang unterbricht, zerstört das Gleichgewicht.
Der Grad des Wärmegleichgewichtes in einem geschlossenen Raum hängt von der Zündenergie und dem verfügbaren Sauerstoffes ab, aber auch von einigen andern Faktoren. Die aufsteigende heiße Luft oberhalb des Feuers (oft als Hitzewolke bezeichnet) verursacht die Zirkulation, welche das Feuer mit frischem Sauerstoff versorgt, d.h. wenn die Decke und obere Teile der Wände aufgeheizt sind, reduziert sich die Zirkulation, bis der gesamte Raum ein Wärmegleichgewicht hat und die Temperatur sich horizontal im gesamten Raum ausgebreitet hat. Die Temperatur steigt von unten nach oben hin an, wobei die höchste Konzentration am obersten Punkt ist.
Die Aufrechterhaltung des Wärmegleichgewichtes ist im Bereich der Brandbekämpfung kritisch, weil ohne dieses Gleichgewicht die Brandbekämpfung insgesamt erschwert wird. Weiterhin wurde durch verschiedene Messungen in verschiedenen Raumhöhen festgestellt, dass es zu Temperatur-Umkehrungen durch eine zu hohe Wasserzugabe in Form von Sprüh- oder Vollstrahl kommt. Das kann dazu führen, dass die Temperatur für kurze Zeit am Boden höher ist, als an der Decke. In diesem Zustand ist der Raum nicht im thermischen Gleichgewicht, was für Brandbekämpfung eine sehr bedenkliche Situation darstellt und sich auf die Spuren des weiteren Brandverlauf auswirkt.


Brandverlauf

Bei der ersten Zeugenbefragung von Feuerwehrangehörigen im „Ersten Angriff„ sollte der Brandermittler auf diese Indikatoren achten, weil sie ggf. Aufschluss über mögliche Brandtemperaturen geben könnten.
Diese Zerstörung des Wärmegleichgewichtes innerhalb eines Raumes kann am besten durch Messung des Hitzestromes mit Hilfe eines Calorimeter in einer Höhe von 0,9 bis 2,4 m über dem Boden eines Raumes gezeigt werden. Der Schlüsselindikator einer wesentlichen Störung eines Wärmegleichgewichtes ist die aufwärts gerichtete Säule in 0,9 m Höhe einer Hitzewelle, welche sich der 2,4 m Hitzewelle nähert oder diese erreicht.
Während dieses Testes mit Wassernebel aus dem Sprühstrahlrohr kühlte sich die obere Schicht durch die erste Attacke in 2,4 m Höhe auf 14,2 Kw/qm ab. Dabei wurde Dampf erzeugt, welcher jedoch mehr als „nasser„ Dampf, als „penetrant heißer „ Dampf durch die Feuerwehrmänner beschrieben wurde. Im Gegensatz dazu waren im „Vollstrahl-Test„ mehrere Faktoren vorhanden, die das Wärmegleichgewicht stark störten, um die aufwärts gerichtete Säule in 0,9 m Höhe zu erzeugen. Diese Störung des Wärmegleichgewichtes war ausreichend, um eine gewaltige Hitze und Dampf zu erzeugen. Diese Hitze und Dampf stellten nicht nur eine Bedrohung für alle Mitglieder des „Löschteams„ dar. Es kam zu Verbrennungen an Händen, Handgelenken, Gesicht, Nacken und Rücken. So weist in diesem Zusammenhang die Schwarzfärbung auf dem Glas an den Fenstern auf „fette„ Verbrennungsbedingungen hin (Backdraft-Potenzial), während eine Haarrissbildung im Glas (crazed glass)4 der Fenster auf sehr hohe Temperaturen schließen lässt.
Feuerwehrleute testen, ob im Rauch hohe Temperaturen herrschen, indem sie eine mit Handschuh geschützte Hand nach oben strecken. Falls keine übermäßige Hitze festgestellt wird, kann zwischen Handschuh und Überjacke ein kleiner Bereich der Haut freigelegt werden und dann die o.g. Prozedur vorsichtig zu wiederholen. Regelmäßig derart durchgeführte Temperaturchecks helfen den Feuerwehrleuten beim Feststellen von Temperaturveränderungen und können ihnen eine Vorstellung von den vorliegenden Temperaturschichtungen geben. Daher sollten die Feuerwehrleute auch dazu unbedingt schon im „Ersten Angriff„ befragt werden.

Flammen

Es ist vielen Brandermittlern bekannt, dass die Färbung der Flammen darüber Aufschluss geben kann, welche Art von Stoff brennt. Aus diesem Grund werden Feuerwehrangehörige und andere erste Zeugen am Brandort nach diesen Farben gefragt. Dabei wird aber regelmäßig von eben so vielen Brandermittlern übersehen, dass dies jedoch auch irreführend sein kann, da ein und derselbe Stoff je nach Art der Verbrennung mit verschiedenenfarbigen Flammen brennen kann. So brennt z.B. mit Luft vermischtes Flüssiggas mit einer bläulichen Flamme (aufgrund des Vorhandenseins von CO2), wenn der Brennstoff durch Diffusion vermischt wird, ist die Flamme aufgrund des Vorhandenseins von Kohlenstoffpartikeln jedoch gelblich gefärbt. Ein weiteres Beispiel ist der Brand einer Spanplatte in einem Raum. Bei ausreichender Luftversorgung wird diese Platte mit einer ins gelbliche gehenden Flamme abbrennen. Ist die Sauerstoffkonzentration im Raum jedoch niedriger als Normal, verändert sich die Farbe der Flamme und wird rötlich-orange.



Abb. 9: Die Luftströmung bringt frische Luft zum Brandherd und sorgt somit für eine gelbe Flamme


Im Allgemeinen weisen gelbliche Flammen bei einem Zimmerbrand auf eine ausreichende Luftzufuhr hin. Rötlich-orange Flammen sind ein Zeichen dafür, dass die Sauerstoffkonzentration nur unzureichend ist und eine „fette„ Verbrennung vorliegt.
Auch Form und Gestalt einer Flamme kann über die Art der auftretenden Verbrennung Aufschluss geben. Die rötlich-orange Flammen, die von einer „fetten„ Verbrennung herrühren, sind oft turbulent und besitzen eine eher kurze Wellenform. Die Entzündung von angesammelten Pyrolyseprodukten führt zu einer sehr hellen, gelben Flamme, die manchmal fast „durchsichtig„ ist. Erstaunlicherweise ist in diesem Fall die Form der Flammen größer und die Flammen bewegen sich eher langsam. Die Bildung der blauen Flammen in der Nähe der Trennschicht zwischen Rauchschicht und „rauchfreiem„ Bereich hat ihre Ursache wahrscheinlich im Vorhandensein von CO2-Ansammlungen, die dort in den Zündbereich gelangt sind. Wie bei allen diesen Indikatoren, auf die im Rahmen der SAHF-Bewertung im „Ersten Angriff„ durch den Brandermittler geachtet werden sollte, ist es wichtig, den Ausgangszustand der Flammen (Form/Farbe) festzustellen und gezielt auf Veränderungen in den Zeugenaussagen zu diesen Indikatoren im Verlauf des Brandes zu achten.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten:

Eine umfassende SAHF-Bewertung im „Ersten Angriff„ ist eine wesentliche Voraussetzung um sicherzustellen, dass für die weiteren Brandermittlungen insbesondere diese Spuren als Grundlagen gesichert und dokumentiert werden. Insbesondere kann ein planmäßiges Vorgehen bei den weiteren Brandermittlungen erst dann sicher entwickelt bzw. durchgeführt werden, nachdem mittels Befragung von Feuerwehrangehörigen, ersten Zeugen und/oder Geschädigten am Brandort eine SAHF-Bewertung durchgeführt wurde. Die Analyse und Bewertung von Indikatoren des Brandverlaufs bei einer Brandermittlung ist dynamisch und muss daher während der ersten Ermittlungen am Brandort und bei späteren Befragungen von Feuerwehrleuten immer wieder durchgeführt und an neue Erkenntnisse angepasst werden, bis die Ermittlungen zur Brandursache abgeschlossen sind. Die Spuren eines Brandes bzw. des Brandverlaufes zu bewerten ist ein deshalb wichtiger Bestandteil aller Brandermittlungen.
Diese Fähigkeiten sollten bei Brandermittlern durch die Kombination von theoretischem Unterricht, Brandversuchen und der Auswertung von Lichtbildern und Videoaufzeichnungen realer Brände entwickelt und geschult werden. Auf jedem Fall ist jedoch eigene praktische Erfahrung notwendig, um diese Fähigkeiten bei Brandermittlern vollständig zu entwickeln.

Anmerkungen:

1 Drysdale, D.: An Introduction to Fire Dynamics. John Wiley & Sons Ltd., Reprinted September 1986
2 Babrauskas V.: Why Was the Fire So Big? The Role of Heat Release Rate, in: Describing Fires. Fire & Arson Investigator 1997; 47 (4): 54–57
Babrauskas V.: Ignition Handbook, Issaquah 2003
3 NFPA 921: Guide to fire and explosion Investigations, 2004 Edition; National Fire Protection Association; Quincy, MA
User´s Manual for NFPA 921: Guide for Fire and Explosion Investigation, National Fire Protection Association, Quincy, MA 2003
4 Demidow, F. G., Evtjuskin, N. M., Panarin, V. M., Pantelkev, I.: Pozarnaja taktika, cast I, Moskwa 1967
5 Elsner, N.: Grundlagen der technischen Thermodynamik, Akademie Verlag Berlin 1986
Baehr, H. D, Kabelac, S.: Thermodynamik, 13. Aufl., Springer Verlag Berlin Heidelberg New York.
6 Lentini, J.: „Behavior of Glass at Elevated Temperatures„, in: The Journal of Forensic Sciences, Volume 37, No. 5, September, 1992

* Dieser Beitrag gehört zum theoretischen Teil eines einwöchigen Grundseminars in der Weiterbildung für sachbearbeitende Kriminalbeamte von Branddelikten und der Kriminaltechnik an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung des Landes Rheinland-Pfalz / Fachbereich Polizei, das der Autor seit einigen Jahren zwei bzw. dreimal jährlich durchführt. (Diese Weiterbildungen werden auch zukünftig stattfinden!)