Editorial September 2007

Liebe Leserin,
lieber Leser,

Herbert Klein Kriminaldirektor, LKA Rheinland-Pfalz, Chefredakteur

Serienmorde beunruhigen nicht nur die Bevölkerung in besonderem Maße, sondern erfordern regelmäßig auch einen kriminalistischen Kraftakt bei der Bearbeitung und Aufklärung. Als Problem erkennt Stephan Harbort, Kriminalhauptkommissar beim Polizeipräsidium Düsseldorf, dass sich Mittel und Methoden, die sich in anderen Todesermittlungsverfahren über Jahrzehnte hinweg bewährt haben, bei Serienmördern und damit bei diesem Tätertyp häufig als unbrauchbar erweisen. Kriminalisten haben es folglich mit einem Tätertyp zu tun, bei denen allgemeine kriminalistisch-kriminologische Erfahrungswerte nur bedingt anwendbar sind. Mit seinem Beitrag „Aufdeckungsbarrieren bei Serienmorden„ macht er die aus Motivlage und Tätertypus variierenden besonderen Problemstellungen bei der Bearbeitung von Serienmord-Fällen transparent und unterlegt sie kasuistisch. Er kommt zu dem Ergebnis, dass moderne kriminalistische Mittel und Methoden für eine erfolgreiche(re) Bekämpfung erforderlich sind und plädiert dafür, dieser bisher kaum erforschten Gewaltform trotz ihrer statistisch eher marginalen Bedeutung eine größere wissenschaftliche Relevanz beizumessen. Eine interdisziplinäre Forschung tut seiner Auffassung nach Not, will man nicht zu leugnende Defizite beseitigen und künftigen Herausforderungen gerecht werden.Seit Jahren wird das Phänomen „Drogen im Straßenverkehr„ bundesweit sehr engagiert und mit großem Erfolg bearbeitet. Polizeidirektor Bernd Römer, Leiter der Polizeidirektion Ludwigshafen beim Polizeipräsidium Rheinpfalz, betrachtet die vielschichtigen Erscheinungsformen unter repressiven und präventiven Gesichtspunkten. Dabei zeigt er beispielhaft Handlungsmöglichkeiten im Sinne des integrativen Ansatzes auf.

Das Konzept sieht vor, über eine Multiplikatorenstruktur auf Direktions- auf die Inspektionsebene möglichst vielen Adressaten die Kompetenz zum Erkennen eines Drogeneinflusses im Straßenverkehr zu vermitteln. Die Multiplikatoren selbst erhalten eine fundierte Ausbildung entweder bei der Landespolizeischule oder in entsprechenden Seminaren. Zwischenzeitlich wurde das Konzept auch von anderen Bundesländern und der französischen Gendarmerie übernommen. Römer zieht das Fazit, dass sich das Phänomen „Fahren unter Drogeneinfluss„ nicht nur als ein nationales Problem darstellt und von daher auch in absehbarer Zukunft die Polizei weiter beschäftigen wird. Die Fremdgefährdung durch Verkehrsteilnahme unter Drogeneinfluss verpflichtet in besonderem Maße, dieses Problem auch dort anzugehen, wo bisher noch die Meinung vorherrschte, es existiere nicht.
„Wir werden uns als Polizei auf die Bekämpfung der Symptome zu beschränken haben„, so Römer. Nach seiner Überzeugung ist die Polizei aber durchaus in der Lage, durch Verknüpfung engagierten Handelns in Repression und Prävention Wirkung zu erzielen. Den registrierten Rückgang der Fallzahlen bei der Polizeidirektion Ludwigshafen innerhalb der vergangenen 17 Monate auf die seit 2002 eingeleitete Umsetzung des Konzeptes zurückzuführen, hält er für verfrüht. Die Tatsache, dass dies mit einem gleich hoch gebliebenen Verfolgungsdruck einhergeht, lässt ihn jedoch hoffen.

Nach den versuchten Terroranschlägen von London und Glasgow am 30.06. dieses Jahres hat die britische Polizei einen Arzt aus Liverpool als Mitwisser beschuldigt. Gleichzeitig wird einem 26-jährigen indischen Arzt die Unterstützung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen, da er offenbar über Informationen verfügte, die einen Terroranschlag hätten verhindern können. Alle in diesem Zusammenhang Festgenommenen arbeiteten als Ärzte oder in medizinischen Berufen. Vor diesem Hintergrund befasst sich Dr. Marwan Abou Taam, Politik- und Islamwissenschaftler aus Mainz, unter dem Titel „Mediziner und der islamistische Terrorismus„ mit der Fragestellung, weshalb ausgerechnet Ärzte an der Planung und Ausführung dieses Terrorkapitels maßgeblich beteiligt waren. Alle festgenommenen Ärzte verrichteten nach seiner Feststellung bis kurz vor den Anschlägen Dienst an Patienten und wurden als „angenehm, freundlich und kompetent„ wahrgenommen. Dass sie zu solch einer feigen Tat fähig sind, widerspricht der gesellschaftlichen Wahrnehmung des Arztberufes und verstärkt die Ohnmacht, das Phänomen „Djihadismus„ in seiner Reichweite verstehen zu können. Dr. Marwan Abou Taam beschreibt zudem den zweiten Mann der Al Qaida, Aiman al Zawahiri. Er hat Medizin in Kairo studiert und arbeitete drei Jahre als Chirurg in der ägyptischen Armee. Den bekanntesten Fall in Deutschland stellt der Neu-Ulmer Arzt Scheich Abu Ammar dar, der von bayerischen Behörden als Hassprediger gewertet wird. Es wird deutlich, dass Radikalisierungsmechanismen auch Akademiker betreffen und diese in terroristischen Organisationen stark vertreten sind. Im Ergebnis stellt er fest, dass die Effizienz des islamistischen Terrorismus in seiner Unauffälligkeit und in der Fähigkeit der schlafenden Zellen liegt, dem es gelingt, Potenzial und Absicht bis zum Augenblick des Finals verheimlichen zu können. Dafür bieten sich nach der Auffassung von Dr. Abou Taam geradezu scheinbar gut integrierte Menschen an. Anfang Juli 2007 waren es Mediziner, das nächste Mal könnten es Ingenieure oder gar Pädagogen sein.

Herbert Klein