Gewerkschaftspolitische Nachrichten

GdP für Ausweitung der DNA-Analyse

von Konrad Freiberg,
Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei

Die Möglichkeit, die individuelle charakteristische Identifizierung eines Menschen an Hand seines genetischen Fingerabdrucks vorzunehmen, hat die Verbrechensbekämpfung revolutioniert. Der Erfolg der DNA-Analyse bei der Aufklärung von Straftaten ist enorm. Derzeit verfügt die Polizei über 388.700 Datensätze, davon 321.500 personenbezogene Daten, also DNA-Proben, die sie aufgrund bestehender rechtlicher Möglichkeiten entnehmen durfte oder die freiwillig abgegeben wurden, sowie 67.200 Spuren, die an Tatorten oder Opfern gefunden wurden. In jedem vierten Fall, in dem die Polizei die DNA-Daten vergleichen kann, erlangt sie einen Treffer.
Nicht erst die schnelle Aufklärung des Mordfalles Mooshammer macht den Sinn der DNA-Analysen deutlich: Bis Ende letzten Jahres konnten rund 340 Tötungsdelikte, 820 Sexualstraftaten und 21.000 Diebstähle mit Hilfe der DNA-Analyse aufgeklärt werden. Es lagern noch Tatortspuren von rund 4.000 unaufgeklärten Tötungs- und Sexualdelikten in dieser Datenbank und warten darauf, künftig mit Proben von Verdächtigen abgeglichen zu werden. Für mich ist es ein beruhigendes Gefühl, dass Schwerverbrecher, die möglicherweise jahrelang unerkannt geblieben sind und sich in Sicherheit wiegen, jetzt langsam nervös werden. Sie haben allen Grund dazu.
Soviel zur Erfolgsstory der DNA-Analyse, die vergleichbar ist mit der Identifizierungsmethode durch den Fingerabdruck, die seit über hundert Jahren angewandt wird und die seinerzeit eine ähnlich aufgeregte Debatte ausgelöst hat. Heute streitet darüber ernsthaft niemand mehr.
Natürlich sind die Bedenken und Sorgen von Bürgern ernst zu nehmen. Auch die jetzige Diskussion um die DNA-Analyse ist notwendig, um die Bedenken nachhaltig auszuräumen und dem Bürger die Gewissheit zu geben, dass die Polizei nichts im Verborgenen tut, dass seine Persönlichkeitsrechte nicht verletzt werden und seine Daten zu keinem anderen als dem gesetzlich vorgeschriebenen Zweck genutzt werden. Die Polizei legt keinen Wert auf materielle und rechtliche Möglichkeiten, die nicht von einem gesellschaftlichen Konsens getragen werden.
Gleichwohl kämpfen wir leidenschaftlich um die DNA-Analyse. Wir fordern, dass die Entnahme einer DNA-Probe zur normalen erkennungsdienstlichen Maßnahme (ED) wird. Das heißt, dass immer dann, wenn eine so genannte ED-Behandlung mit einem Tatverdächtigen durchgeführt wird, eine DNA-Probe ebenso entnommen werden kann wie heute zum Beispiel der Fingerabdruck. Das heißt wiederum nicht, das jeder Ladendieb in die Datei aufgenommen werden soll oder jeder männliche deutsche Einwohner.
Die DNA-Probe ist kein schwerwiegenderer Eingriff in die Persönlichkeit, als die Abnahme eines Fingerabdrucks. Allerdings übertrifft die DNA-Probe bei weitem die Erfolgschancen herkömmlicher Methoden, Verbrechen aufzuklären und damit weitere Verbrechen zu verhindern.
Gleichzeitig schützt der genetische Fingerabdruck Unschuldige vor polizeilicher Verfolgung und sogar vor Justizirrtümern. Passt eine DNA-Spur nicht zu einem Verdächtigen, dann war er auch wirklich nicht der Täter, selbst wenn alle Indizien gegen ihn sprechen.
Die Polizei kann über die reine Identitätsfeststellung hinaus keine weiteren Informationen, insbesondere Erbinformationen, aus den DNA-Proben gewinnen. Sie kann es nicht, will es nicht und soll es auch nicht dürfen. Vielleicht überraschend: Die Polizei ist nicht einmal interessiert daran.
Für ihre Zwecke, nämlich die Übereinstimmung einer Spur mit einer Person herauszufinden, eignen sich nämlich nur die nicht-kodierenden Teile, also die, in denen keine Erbinformationen enthalten sind. Denn nur diese Teile sind von Person zu Person sehr unterschiedlich.
Bei den kodierenden Teilen hingegen müsste man sehr lange suchen, um Unterschiede zu finden. Die Anlage zu einer Erbkrankheit mag vielleicht für eine Versicherung interessant sein, für die Polizei ausdrücklich nicht.
Mit der von der Polizei benutzten Standard-DNA-Analyse (Short-Tandem-Repeat) werden also Merkmale festgestellt, die sich in den nicht-kodierenden Bereichen der Erbsubs-tanz befinden.
Was der Polizei also – bildlich gesprochen – dort unters Mikroskop kommt, ist kein Buch, in dem man schnell mal ein paar Seiten weiter blättern kann, ob da noch etwas Interessanteres drinsteht.
Die von der Polizei festgestellten Muster werden überdies in Zahlen kenntlich gemacht. Daraus besteht dann der Datensatz in der so genannten Gen-Datei. Auch daraus lässt sich zu keinem Zeitpunkt, auch nicht später, mehr herauslesen, als für die Feststellung einer Identität notwendig ist.
Die stoffliche DNA-Probe, also die Speichelprobe o.ä. wird vernichtet werden oder höchstens für eine eventuell geforderte Nachuntersuchung für die Dauer des Strafprozesses aufbewahrt. Die entsprechenden Regelungen muss der Gesetzgeber treffen.
Eine Missbrauchsgefahr durch staatliche Behörden, insbesondere durch die Polizei sehe ich daher überhaupt nicht. Im Übrigen darf die Polizei nur Beweise anführen, die rechtlich zulässig sind. Sogar die Art diese zu erheben, ist rechtlich geregelt. Vor Gericht ist die DNA-Analyse als alleiniger Beweis übrigens nicht zulässig.
Gegner der DNA-Analyse halten uns auch immer wieder vor, dass die Polizei auch mit herkömmlichen Methoden immerhin über 90 v.H. der Kapitalverbrechen aufklärt. Da-rauf sind wir stolz, aber die Frage ist erlaubt, mit welchem personellen und zeitlichen Aufwand dies in Einzelfällen geschieht. Manche Mordermittlungen dauern Jahre und in dieser Zeit läuft immerhin ein potentieller Mörder oder ein Sexualstraftäter, bei dem die Wiederholungsgefahr besonders hoch ist, frei herum. Es muss im Interesse der Bürger liegen, dass die Polizei schwere Verbrechen nicht nur aufklären, sondern auch möglichst schnell aufklären kann, um weitere Verbrechen zu verhindern.
Wie in fast allen Diskussionen um Daten und Persönlichkeitsschutz fällt mir immer wieder der krasse Widerspruch zwischen dem Misstrauen und der Skepsis gegenüber kontrollierten und kontrollierbaren staatlichen Stellen und der Fahrlässigkeit der Bürger auf, persönlichste Daten in vielfältiger Form in den unkontrollierten und unkontrollierbaren privaten Wirtschaftsbereich weiterzugeben.
Wenn es richtig ist, dass DNA-Analysen auch für den kodierenden Teil sogar im
Internet angeboten werden, dann sollte man sich eher Gedanken darüber machen, ob man in einem Versicherungsbüro den angebotenen Kaffee trinkt.
Ich denke, hier stellt sich für den Gesetzgeber der dringlichste Handlungsbedarf.


Gewerkschaft der Polizei verabschiedet Papier zur
„Akustischen Wohnraumüberwachung“

Nachdem das Bundesverfassungsgericht mit einem Aufsehen erregenden Urteil am
3. März 2004 die rechtlichen Voraussetzungen der akustischen Wohnraumüberwachung oder wie der Volksmund sagt des „Großen Lauschangriff“ der Verfassung entsprechend neu formuliert hat, ist dieses unverzichtbare Einsatzmittel der Polizei in die öffentliche Diskussion geraten. Dem Gesetzgeber hat das Bundesverfassungsgericht die Verpflichtung auferlegt, bis zum 30.06.2005 eine verfassungskonforme Gesetzeslage herzustellen. Bei den Kolleginnen und Kollegen der Polizei aber auch alle anderen an der Strafverfolgung beteiligten Behörden, ist
hinsichtlich der weiteren Anwendung der „Akustischen Wohnraumüberwachung“ aufgrund der strikten Bedingungen, die das Bundesverfassungsgericht aufgestellt hat, eine starke Verunsicherung spürbar.

Der Geschäftsführende Bundesvorstand der Gewerkschaft der Polizei hat sich auf seiner Sitzung am 17. Dezember 2004 mit dem „Großen Lauschangriff“ beschäftigt, ein Positionspapier verabschiedet und folgende Feststellungen getroffen bzw. Forderungen erhoben.

– Die „Akustische Wohnraumüberwachung“ ist ein unverzichtbares polizeiliches Ermittlungsmittel zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität und des Terrorismus.

– Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich festgestellt, dass die „Akustische Wohnraumüberwachung“ grundsätzlich verfassungsgemäß ist. Damit ist die Polizei auch beauftragt, dieses Mittel immer dann, wenn es das einzige Mittel ist, eine Straftat in dem rechtlichen Bereich, für den sie geschaffen wurde, aufzuklären und wenn es dazu geeignet, erforderlich und verhältnismäßig ist, auch einzusetzen. Zukünftig sollte der Personalbedarf der Polizei auch die neuen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigen.

– Die Durchführung von Wohnraumüberwachungen ist nach dem Urteil der obersten Verfassungsschützer so personalintensiv geworden, dass dies zu Engpässen in anderen polizeilichen Bereich während der Durchführung einer solchen Maßnahme führen kann.

– Die Vorgabe des Live-Mithörens zur Vermeidung von Kernbereichsverletzungen sollte dahingehend rechtlich überprüft werden, ob es zulässig ist, ein den Ermittlungsbehörden unzugängliches, automatisiert aufgenommenes „Richterband“ bei jeder Maßnahme zu erstellen, dass dann für die nachträgliche Auswertung durch den gesetzlichen Richter zur Verfügung steht.

– Die 1:1-Übertragung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts auf präventiv-polizeiliche Maßnahmen ist abzulehnen.

Die Gewerkschaft der Polizei wird ihre Positionen und Forderungen in die derzeit anhaltende rechtliche Diskussion einbringen, um eine möglichst praxisnahe neue rechtliche Regelung zu ermöglichen.