Verfassungsrechtliche Anforderungen an eine richterliche Durchsuchungsanordnung

Welche Angaben sollte ein Antrag auf Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses enthalten?

Von Ltd. Oberstaatsanwalt Apel, Staatsanwaltschaft Göttingen



Artikel 13 Abs. 1 GG garantiert die Unverletzlichkeit der Wohnung. Damit wird dem Einzelnen zur freien Entfaltung der Persönlichkeit ein elementarer Lebensraum gewährleistet. In diese grundrechtlich geschützte Lebensspähre greift eine Durchsuchung schwerwiegend ein. Dem Gewicht dieses Eingriffs und der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Schutzes der räumlichen Privatsphäre entspricht es, dass Artikel 13 Abs. 2 GG die Anordnung einer Durchsuchung grundsätzlich dem Richter vorbehält.
Das Grundgesetz geht mithin davon aus, dass der unabhängige Richter als neutrales Kontrollorgan der Strafverfolgungsbehörden in der Lage und verpflichtet ist, präventiv für eine angemessene Begrenzung der Maßnahme Sorge zu tragen und etwaigen Übergriffen vorzubeugen.
Der Richter darf daher die Durchsuchung nur anordnen, wenn er sich aufgrund eigenverantwortlicher Prüfung der Ermittlungen überzeugt hat, dass die Maßnahme rechtmäßig und verhältnismäßig ist.
Der gerichtliche Durchsuchungsbeschluss dient auch dazu, die Durchführung der Eingriffsmaßnahme messbar und kontrollierbar zu gestalten. Dazu muss der Beschluss insbesondere den Tatvorwurf so beschreiben, dass der äußere Rahmen abgesteckt wird, innerhalb dessen die Zwangsmaßnahme durchzuführen ist. Dies versetzt den von der Durchsuchung Betroffenen zugleich in den Stand, die Durchsuchung seinerseits zu kontrollieren und etwaigen Ausuferungen im Rahmen seiner rechtlichen Möglichkeiten von vornherein entgegenzutreten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.03.2002 – StV 2002, S. 345 f.m.w.N.).



1. Tatvorwurf:

Der dem Vorwurf zugrunde liegende Lebenssachverhalt muss durch tatsächliche Angaben umrissen werden. Der Umfang dieser Angaben wird je nach Deliktsart und Stand des Ermittlungsverfahrens zu bestimmen sein. Im Regelfall werden Angaben zum Tatopfer, Tatzeit und Tatbegehung dazugehören.
Diese Angaben müssen den Anfangsverdacht eines Verhaltens ergeben, das unter einen zu benennenden Straftatbestand subsumierbar ist und erkennen lassen, dass der Richter die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme geprüft hat. Dafür ist auch eine zeitliche Eingrenzung des Tatvorwurfs geboten.
Allein die Angabe des Straftatbestandes, etwa „Verdacht eines Mordes“ (BVerfG, NStZ 1992, 91), Verdacht, „mit BtM in nicht geringer Menge Handel zu treiben“ (BVerfG StV 2002, S. 406 f.), oder Lehrformeln wie „Verdacht, andere unter leeren Versprechungen zu Zahlungen veranlasst zu haben“ (BVerfG, NJW 1994, S. 3281 f.) reichen nicht aus.



2. Beweismittel:

Die Durchsuchungsanordnung muss erkennen lassen, dass der Richter sowohl das Bestehen eines Anfangsverdachts als auch die Verhältnismäßigkeit einer Durchsuchung geprüft hat. Diese hängt nicht zuletzt auch von der Schwere des Tatverdachts ab, in ihr müssen daher entsprechend dem Stand des Ermittlungsverfahrens auch die verdachtsbegründenden konkreten Anhaltspunkte benannt sein. Nur so nämlich ist feststellbar, ob der Richter die notwendige Prüfung nachvollziehbar durchgeführt hat. Ausreichend ist allerdings eine nur umrisshafte Darstellung, um den Ermittlungszweck nicht zu gefährden. (Kruis/Webowsky, NJW 1999, S. 682 ff., 683).

Dass zu der vom Bundesverfassungsgericht geforderten Beschreibung der durch die Durchsuchung aufzuklärenden Straftat auch die Darstellung der Beweislage gehört, wird im Beschluss vom 18.02.2003 (StV 2002, S. 406 f.) ausdrücklich klargestellt.
In der Entscheidung heißt es wie folgt: „Ein Durchsuchungsbefehl, der keinerlei tatsächliche Angaben über den Inhalt des Tatvorwurfs enthält und keine Beweisgründe nennt, lässt besorgen, dass es an einer eigenverantwortlichen Prüfung der Voraussetzungen für die Anordnung der Durchsuchung fehlt.“
Bei Gefahr der Gefährdung des Untersuchungszwecks ist eine umfassende Darstellung der Beweislage und eine weiter gehende Konkretisierung des Tatvorwurfs jedoch nicht erforderlich (BGH NJW 2000, S. 84 ff., 85).
Auch das Bundesverfassungsgericht hat in zwei Entscheidungen (StV 1990, S. 483; NStZ 1999, S. 414) deutlich gemacht, dass die Konkretisierung des Tatvorwurfs keine Angaben enthalten muss, „die den Zwecken der Strafverfolgung abträglich sind.“
Das Landgericht Krefeld (Wistra 1993, S. 316 f.) weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass bei der Begründung des Tatvorwurfs auch zu beachten sei, dass durch zu umfangreiche Darlegungen nicht das Recht der Staatsanwaltschaft auf Gewährung oder Verweigerung von Akteneinsicht (§ 147 Abs. 2 StPO) unterlaufen wird.

Von einer Gefährdung der weiteren Ermittlungen ist insbesondere dann auszugehen, wenn bei einer genaueren Darstellung der Beweislage im Durchsuchungsbeschluss, insbesondere der namentlichen Bezeichnung von Zeugen, Verdunklungshandlungen des Beschuldigten im Sinne des § 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO zu befürchten sind.

Insbesondere bei Beweispersonen aus dem näheren Umfeld des Beschuldigten wird meines Erachtens regelmäßig von der Gefahr einer unlauteren Einwirkung des Beschuldigten auszugehen sein. Dies gilt auch dann, wenn die Beweisperson bereits vor der Durchführung der Durchsuchung umfassend vernommen worden ist, weil die bei der Durchsuchung gewonnenen Erkenntnisse und eine Einlassung des Beschuldigten häufig eine ergänzende Vernehmung erforderlich machen.

Dass der Richter bei dem Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses die vom Bundesverfassungsgericht geforderte eigenverantwortliche Prüfung der Eingriffsvoraussetzungen vorgenommen hat, wird auch dann dokumentiert, wenn er die Durchsuchungsanordnung auf die Angaben eines namentlich nicht benannten, aber aus den Akten ersichtlichen Zeugen oder Mitbeschuldigten stützt.
Grundsätzlich sollte jedoch in den vorgenannten Fällen in den Akten dargelegt werden, weshalb eine umfassendere Darstellung der Beweislage und eine weiter- gehende Konkretisierung des Tatvorwurfs die weiteren Ermittlungen gefähr-
den würde.



3. Zu durchsuchende Räumlichkeiten:

Die zu durchsuchenden Räumlichkeiten sind möglichst genau zu bezeichnen, wobei in der Regel die Adressangabe ausreicht. Wird die Durchsuchung der Wohnung und „anderer Räume“ des Beschuldigten angeordnet, ist das nicht ausreichend, wenn die anderen Räume von der Wohnung weit entfernt liegen (BVerfG NStZ 1992, S. 91 f.).
Andererseits wurde nicht beanstandet, dass für die Durchsuchung einer Großbank die Räumlichkeiten nur sehr allgemein beschrieben wurden, dass die Räume der Niederlassung bzw. der Zweigstelle einbezogen und sämtliche in Frankfurt a. M. gelegenen Räumlichkeiten zu durchsuchen waren, da nach der Kenntnis der Ermittlungsbehörden keiner der in Betracht kommenden Räume sicher ausgeschlossen werden konnte (BVerfG NJW 1994, S. 2079 f.).



4. Aufzufindende Gegenstände:

Da der gerichtliche Durchsuchungsbeschluss dazu dient, die Durchführung der Maßnahme messbar und kontrollierbar zu gestalten, muss er die Art und den vorgestellten Inhalt der Beweismittel, nach denen gesucht werden soll, so genau bezeichnen, wie es nach Lage der Dinge geschehen kann. (BVerfG NStZ 2002, S. 372 f.).
Ist eine genaue Bezeichnung des Beweismaterials nicht möglich, so muss das erwartete Beweismittel wenigstens annäherungsweise – zweckmäßigerweise durch einen Oberbegriff mit Beispielen („Kreditunterlagen, insbesondere Kreditverträge, Prüfberichte“ usw.) beschrieben werden (vgl. Karlsruher Kommentar zur StPO, 5. Auflage, § 105 Rdn. 4 m. w. N).
Bei der Durchsuchung einer Bank, gegen deren verantwortliche Mitarbeiter der Verdacht einer Beihilfe zur Steuerhinterziehung bestand, hat das Bundesverfassungsgericht folgende Bezeichnung der Beweismittel als ausreichend angesehen: „Unterlagen, die im Zusammenhang mit der verheimlichenden Transferierung von Geld in das und aus dem Ausland stehen“ (BVerfG, NJW 1994, S. 2079 f.).
„Genügen derartige Angaben den verfassungsrechtlichen Anforderungen an einen Durchsuchungsbeschluss, so werden sie doch häufig den Konkretisierungsanforderungen an eine Beschlagnahmeanordnung (§ 94 StPO) nicht genügen können. Auch wenn eine solche richterliche Anordnung als „Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss“ bezeichnet ist, kann sie dann nicht als eine ausreichend konkrete Anordnung der Beschlagnahme angesehen werden, der Ermittlungsrichter muss vielmehr bei einem Widerspruch des Betroffenen gegen die Sicherstellung gemäß § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO erstmalig über eine Beschlagnahme der nun konkretisierbaren Gegenstände beschließen.“ (Kruis/Webowsky, NJW 1999, S. 682 ff., 684).









5. Durchsuchung bei anderen Personen (§ 103 StPO):

Die inhaltlichen Anforderungen an eine gemäß § 103 StPO ergehende Durchsuchungsanordnung gegen einen Unverdächtigen stehen denjenigen, denen eine Anordnung bei Verdächtigen genügen muss, nicht nach. Insbesondere muss dem Beschluss zu entnehmen sein, aufgrund welcher Tatsachen die Annahme besteht, dass die gesuchten Beweismittel, Spuren oder der Beschuldigte selbst sich in den Räumen des Unverdächtigen befinden (Kruis/Webowsky a.a.O.m.
w.N.).

Die vom Landgericht Krefeld (Wistra 1993, S. 316) unter Berufung auf Schäfer (in: Löwe-Rosenberg, StPO, 24. Auflage, § 105 Rdn. 18a) vertretende Auffassung, dass bei Beschlüssen nach § 103 StPO im Interesse des Beschuldigten unter Umständen auf die tatsächlichen Angaben zum Tatvorwurf verzichtet werden könne, wird m. E. den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine richterliche Durchsuchungsanordnung, Rahmen, Grenzen und Ziel der Durchsuchung zu definieren, nicht gerecht.



6. Verdachtsstärke und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz:

Für die Anordnung einer Durchsuchung reichen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat (Anfangsverdacht) aus (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 46. Auflage, § 102 Rdn. 2 m. w. N.).
Grundsätzlich müssen die Anordnung und Durchführung der Durchsuchung in angemessenem Verhältnis zur Schwere der Tat und der Stärke des Tatverdachts stehen und erforderlich sowie geeignet sein. Inwieweit die Frage der Verhältnismäßigkeit im Durchsuchungsbeschluss erörtert werden muss, ist umstritten. Die überwiegende Auffassung geht davon aus, dass dies nicht erforderlich ist (Meyer-Goßner a.a.O., § 105 Rdn. 5).
Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit dürften aber jedenfalls dann erforderlich sein, wenn es sich um Bagatelldelikte handelt oder sonstige Umstände des Falles sie nahe legen.