Die strafrechtlichen Aufgaben der Wasserschutzpolizeien

Von EPHK Uwe Jacobshagen, Hamburg

 

1 Wasserschutzpolizei – Entenpolizei?

 

Die vierköpfige „Niederhafen Patrouille“, die nach Beschluss des Hamburger Rats vom 26. Oktober 1787 auf jahrzehntelangen Druck von Kaufleuten gegründet wurde, ist die erste verbriefte Einheit auf deutschem Boden, die als Wasserschutzpolizei (WSP) bezeichnet werden kann. Die Wachmannschaft war mit einem kleinen Segelboot, Bajonetten, mit Stadtwappen versehenen Stöcken und Signalpfeifen ausgerüstet, um insbesondere Diebstähle beim Warenumschlag zu verhindern. Bereits damals hatte die WSP also Aufgaben auf dem Gebiet der Prävention und Erforschung von Straftaten. Erfolgreiche Einsätze bedingten 1799 eine weitere Gruppe im Bereich des Oberhafens und beide Patrouillen wurden 1822 unter dem Namen „Hafenrunde“ zusammengefasst. Schon 1835 gehörten 40 Mann zur Hafen- und Zolljachtpatrouille, die ab 1875 in „Hafenpolizei“ umbenannt wurde.2


In vielen Teilen Deutschlands gab es vergleichbar definierte Einheiten nicht, zuweilen wurden entsprechende Angelegenheiten an Flüssen und Seen von den städtischen und regionalen Polizeidienststellen abgewickelt. Für das Rheinland wurde 1919 die „Rheinpolizei“ als Teil des „Reichswasserschutzes“ begründet, dessen Zuständigkeit sich in der Folge praktisch nur auf Preußen und Sachsen beschränkte.3 Nach Auflösung dieser Reichswasserschutzpolizei 1931 wurden die Aufgaben an die Länder übertragen. Die preußische Polizeibehörde wurde zunächst als „Hafen- und Schifffahrtsschutzpolizei“, später als „Wasserschutzpolizei“ bezeichnet. 1937 wurde diese preußische Wasserschutzpolizei und die Rheinpolizeien von Baden, Bayern und Hessen wieder unmittelbar dem Reich unterstellt. Am 4. September 1945 erfolgte auf Beschluss der US-Behörden die Einrichtung einer Flusspolizei für das Gebiet der amerikanischen Besatzungszone, die dem United States Army Transportation Corps unterstellt wurde. Die Zuständigkeit dieser Flusspolizei wurde am 1. April 1947 den Ländern übertragen. Im September 1948 beschlossen die Länder Baden-Württemberg, Bayern und Hessen für die Flüsse Main, Neckar und Rhein dann die Gründung einer Wasserschutzpolizei.4


Das Aufgabengebiet der heutigen Wasserschutzpolizei sei so umfassend, sagte der ehemalige Leiter der WSP Hamburg, Karsten Witt, dass man heute keine WSP mehr sei, sondern eine moderne Hafenpolizei. Vorbei seien die Zeiten, als sie „Entenpolizei“ genannt und bei schwierigen Lagen lieber die „richtige Polizei“ angefordert wurde.5Tatsächlich war die WSP gerade in Hamburg und Dithmarschen in den Wintermonaten dafür zuständig, die Enten auf den zugefrorenen Flüssen und Seen zu füttern. Heute gehen die Aufgaben dieser modernen Behörde weit über den klassischen „Wasserschutz“ hinaus. Gerade in der Erforschung der Straftaten im Bereich der Schifffahrt und auch immer mehr in dessen Randbereichen erfordert eine spezialisierte Ausbildung der Beamten der WSP.

 

 

2 Klassisches Strafrecht


Die grundsätzlichen Aufgaben der WSP unterscheiden sich natürlich nicht von denen einer Landespolizei als Ganzes. Dazu gehören die allgemeinen Zuweisungen nach den landesspezifischen Gefahrenabwehrrechten, die Erforschung von Ordnungswidrigkeiten und Straftaten. Darüber hinaus kann der WSP in einzelnen Ländern die Funktion als Ordnungsbehörde oder Sonderordnungsbehörde zugewiesen werden. So ist z.B. die WSP Hamburg zuständig für die Grenzkontrolle an Bord und die WSP Schleswig-Holstein übernimmt die Aufgabe einer Sonderordnungsbehörde nach dem Terrorabwehrrecht (ISPS-Code).


Im klassischen Strafrecht nach dem StGB gilt die WSP natürlich als „Umweltschutzpolizei“. Der 29. Abschnitt des StGB ist somit ein Hauptarbeitsfeld der WSP, wobei den Taten nach § 324 StGB (Gewässerverunreinigung), § 325 StGB (Luftverunreinigung) und § 326 StGB (Unerlaubter Umgang mit Abfällen) besondere Bedeutung zukommt. Aber auch viele andere Straftatbestände spielen in der Arbeit der WSP eine große Rolle. Gerade die immer wiederkehrenden Einsätze mit Störungen auf dem Wasser, wie beim Bush-Einsatz in Heiligendamm 2006, dem G8-Gipfel in Heiligendamm 2007, der Nato-Gipfel in Kehl 2009 oder letztlich der G20-Gipfel in Hamburg 2017 erforderten von den eingesetzten Beamten einen breiten Ermittlungsansatz. Straftaten wie Nötigung (§ 240 StGB), Gefährliche Eingriffe in den Schiffsverkehr6 (§ 315 StGB) oder Gefährdung des Schiffsverkehrs (§ 315 a StGB) waren dabei vorrangig zu bearbeiten. Aber mittlerweile sind Straftaten nach § 316 StGB (Trunkenheit im Verkehr), auch in Verbindung mit dem Vollrausch (§ 323 a StGB) selbst in der polizeilichen Praxis an der Tagesordnung. Selbst der im November 1998 neugefasste § 316 c StGB (Angriffe auf den Seeverkehr) erhält als sog. „Terrorparagraf“ Bedeutung im polizeilichen Alltag.

2.1 Umweltstrafrecht

Der 29. Abschnitt des StGB spielt in der Arbeit der WSP eine herausragende Rolle. Bereits im Dezember 2017 habe ich in dieser Zeitschrift einen Artikel zur Luftverunreinigung veröffentlicht.7 Tatsächlich wurde die Grenze für den Ausstoß an Schwefel in den Abgasen der Schiffe ab dem 1.1.2020 auf 0,5% begrenzt. Das führte jedoch nicht dazu, dass in der Schifffahrt vermehrt saubere Kraftstoffe eingesetzt werden, sondern dass durch zusätzliche Reinigungsanlagen die Abgase gereinigt werden (sog. „Scrubber“), so dass diese Grenze und die 0,1%-Grenze in Sondergebieten eingehalten werden kann. Jedoch müssen die Reinigungswässer eingeleitet oder gesammelt werden, wodurch der dort enthaltene Schwefel bei einer Fehlbedienung der Anlage oder der Nichteinhaltung des internationalen Rechts zu anderen Rechtsverstößen führen, in der Regel werden dadurch Gewässerverunreinigungen begangen, weil das eingeleitete schwefelhaltige Waschwasser zur Übersäuerung der Meeresumwelt führt.


Im September 2021 wurde dann das Thema Umweltschutz erneut durch Autoren der Wasserschutzpolizei-Schule Hamburg aufgegriffen, so dass dieser Bereich ausführlich dargestellt werden konnte.8 Die Besonderheiten des Umweltrechts im Bereich der Binnenschifffahrt werde ich später etwas detaillierter darstellen. Darauf aufbauend wird nun die Gelegenheit genutzt, die Straftatenerforschung der WSP über das Umweltrecht hinaus zu thematisieren.

 

2.2 Gemeingefährliche Straftaten

Im 28. Abschnitt des StGB sind die gemeingefährlichen Straftaten enthalten, die nur in den o.g. Bereichen für die WSP von Bedeutung ist. Gefährliche Eingriffe in den Schiffsverkehr und die Gefährdung des Schiffsverkehrs werden von der WSP regelmäßig im Zusammenhang mit Störungen des Schiffsverkehrs durch verschiedene Umweltschutzorganisationen ermittelt.

2.2.1 Gefährdungstatbestände

Die Gruppe „Smash Cruiseshit“ besetzte am 9. Juni 2019 einen Kran, blockierte den Zugang zu den Pollern und kreuzte mit kleinen Booten vor dem Bug des Schiffes, teilte die Polizei in Kiel mit. Mit der Aktion wollten die Aktivisten den Schadstoffausstoß des Kreuzfahrtschiffes „Zuiderdam“ unterbrechen und auf die ausbeuterischen Arbeitsbedingungen an Bord aufmerksam machen. Am Abend räumte dann die Polizei die Blockade und die „Zuiderdam“ konnte den Kieler Hafen gegen 22.00 Uhr mit sechs Stunden Verspätung verlassen.9


Diese Einsätze werden mittlerweile durch die sehr hohe Qualität der maritimen Einsatzeinheiten (MEE), die seit 2002 immer besser professionalisiert wurden, im Rahmen der Gefahrenabwehr wahrgenommen und bearbeitet. Bei der notwendigen Straftaterforschung spielt auch die entscheidende Frage in der Subsumtion eine Rolle, ob die Tatbestände der Straftatbestände erfüllt sind (Kausalität) und ob eine konkrete Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert (doppelte Kausalität) dadurch erfüllt wurde.


Regelmäßige Einsätze, gerade mit Beteiligung maritimer Einheiten von Greenpeace, führen immer dazu, die Gefährdungstatbestände zu ermitteln. Jedoch kommt es nur in Ausnahmefällen zu konkreten Gefährdungen durch die Störer, so dass im Rahmen dieser Einsätze selten die Tatbestände der §§ 315 ff StGB erfüllt werden.

2.2.2 Trunkenheit

Besondere Bedeutung in der strafrechtlichen Arbeit der WSP hat natürlich der Verstoß gegen die Vorschriften zur Verhinderung des Führens von Fahrzeugen unter Alkoholeinfluss. Wer kennt nicht das bekannte Seemannslied „What shall we do with the drunken sailor?“ Das Klischee von betrunkenen Seeleuten ist auch heute noch weit verbreitet. Dabei konsumieren Seeleute nicht mehr Alkohol als die durchschnittliche deutsche Bevölkerung. Das ist ein Ergebnis einer Fachkonferenz, die vor kurzem in Hamburg stattfand.10Der Beruf des Seemanns zählt zu den risikoreichen Stressberufen, d.h. sie sind besonderen Anforderungen ausgesetzt. Neben der sozialen Isolation, die durch die lange Abwesenheit von zu Hause kein normales Familienleben oder gar die Pflege von Freundschaften zulässt, stressen zusätzlich die Pflicht zum Schichtdienst und meist eine zu geringe Zahl an Besatzungsmitgliedern. Auch Gefahren durch die Wetterlage, durch Flüchtlinge, die sich nicht selten vor den Augen der Mannschaften in Seenot befinden, belasten die Seeleute. Hier wie auch in der Sportschifffahrt sollte nach Auffassung der Experten der verstärkte Einsatz von präventiven, zufallsgesteuerten nicht angekündigten Messungen von Alkohol und Drogen für risikobehaftete Arbeitsplätze erfolgen. Hierzu fehle aber der politische Wille.11


„(Ein) angeklagter Kapitän fuhr mit seinem Sportmotorboot auf einem Gewässer aus dem Berliner Stadtgebiet kommend in Richtung Brandenburg. Wegen des vorherigen Konsums alkoholischer Getränke war er nicht in der Lage, das Boot sicher zu führen. Er fühlte sich noch fahrtüchtig, hätte aber bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen müssen, dass dies nicht der Fall war. Der Angeklagte wurde mit seinem Boot von der Wasserschutzpolizei gesichtet und sodann kontrolliert. Eine bei ihm entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,26 mg/g. Er war damit absolut fahruntüchtig im Sinne von § 316 Abs. 1 StGB. Der Angeklagte wurde erstinstanzlich wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 20 Euro verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Berufung wurde verworfen.“12


Der für den Straßenverkehr mit Kraftfahrzeugen entwickelte Grenzwert für die absolute Fahruntüchtigkeit von 1,1 Promille ist nach der Auffassung des Schifffahrtsobergerichts beim OLG Brandenburg auch für die motorisierte Schifffahrt anzuwenden.13


Tatsächlich erfordert die Ermittlung dieser einfach erscheinenden Strafrechtsnorm nach § 316 StGB eine tiefgreifende Rechtskenntnis der Kollegen der WSP. Nicht nur der Tatbestand des Verkehrs – und damit die Öffentlichkeit – ist dabei richtig zu subsumieren, sondern auch die nicht im Gesetz genannten, aber durch Rechtsprechung anwendbaren Grenzwerte müssen bei der Erforschung solcher Straftaten berücksichtigt werden. Auch wenn Schiffe meist langsamer unterwegs sind als Autos, gelten Menschen am Steuer ab einem Promillewert von 1,1 nicht mehr als fahrtüchtig. Das Schifffahrtsobergericht beim OLG Karlsruhe hat seine Rechtsprechung geändert und den Wert von 1,3 herabgesetzt.14

 

2.3 Nötigung

Aktivisten von Greenpeace schrieben am 2. Juli 2017, wenige Tage vor Beginn des G20-Gipfels in Hamburg, in zwei Meter großen Lettern die Parole „End Coal“ an die Bordwand eines Kohlefrachters, der nach Greenpeace-Angaben etwa 75.000 Tonnen Steinkohle aus Russland nach Hamburg lieferte. Die Aktivisten aus Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und anderen europäischen Ländern forderten von der damaligen Bundeskanzlerin Merkel und ihren G20-Kollegen, aus der Kohleverstromung auszusteigen. „Nur der Ausstieg aus der Kohle kann verhindern, dass die Energiewende auf halbem Wege stecken bleibt“, sagte Greenpeace-Energieexperte Andree Böhling.15


Gleichzeitig verhinderten Greenpeace-Aktivisten das Anlegen des Frachters im Sandauhafen, indem sie sich mit Überlebensanzügen in das Wasser des Hafens sprangen. Der Kohlefrachter konnte so nicht den eigentlichen Löschhafen anlaufen, sondern musste am Ausweichhafen Finkenwerder festmachen, bis die Störung beseitigt war.

 


Abb. 1: Greenpeace im Hamburger Hafen.


Nach Auffassung der ermittelnden WSP wurden damit die Tatbestände der Nötigung (§ 240 StGB) erfüllt, weil für die Besatzung des Kohlefrachters keine Möglichkeit bestand, die Ladung vertragsgemäß zu löschen und somit ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden eingetreten ist. Ob die Tat dann als rechtswidrig anzusehen ist, weil die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist (§ 240 Abs. 2 StGB), obliegt der Einschätzung der Staatsanwaltschaft bzw. des urteilenden Gerichts.


Über 40 Greenpeace-Aktivisten protestieren am 10.11.2005 mit Schlauchbooten im Hafen von Lübeck gegen Urwaldzerstörung in Finnland. Kletterer befestigen an der Herrenbrücke über der Trave ein zwölfmal 40 Meter großes Transparent mit dem Spruch: „Stoppt Urwaldzerstörung, stoppt Stora Enso“. Sie wollen damit auf den Frachter „Antares“ aufmerksam machen, der Papier aus Finnland nach Lübeck liefert.16 Im Anschluss wurde von Greenpeace der Schriftzug mit weißer Farbe an der Bordwand der „Antares“ angebracht.


Zu ermitteln wäre in den genannten Fällen natürlich auch, ob durch die Beschriftung der Bordwand eine Sachbeschädigung (§ 303 Abs. 2 StGB) vorliegen könnte. In der Regel wurde in der Vergangenheit bei ähnlichen Taten durch die Reedereien als Geschädigte auf den Strafantrag verzichtet und das besondere öffentliche Interesse von den Staatsanwaltschaften verneint.

 

 

3 Nebenstrafrecht


Die wichtigste strafrechtliche Regelung des Nebenstrafrechts stellt mit Sicherheit das Flaggenrecht dar. Bedeutung erlangt diese Regelung aus der Tradition der Schifffahrt und der „Ehre“ stattlicher Hoheitszeichen. Schon seit Beginn der Seefahrt, besonders der Kriegsschifffahrt, hat ist die am Heck geführte Flagge Ausdruck der Zugehörigkeit zu dem Land, für das ein Schiff die Weltmeere befährt. Daher bestand schon immer die Marinetradition, dass Schiffe auf hoher See sich mit dem Flaggengruß zu erkennen geben. International wurde diese Tradition durch das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SRÜ) bereits 1994 zur Pflicht für alle Länder genutzt, die die Hohe See zur Seefahrt nutzen. Darauf aufbauend sind in Deutschland einzigartige Rechtsetzungen entstanden. Das grundlegende Gesetz dazu ist das Flaggenrechtsgesetz (FlaggRG), in dem die Pflicht und Berechtigung zum Führen und Zeigen der Bundesflagge geregelt sind. Gleichzeitig sind als Ahndungsmöglichkeit Ordnungswidrigkeiten sowie Strafvorschriften in diesem Gesetz enthalten. Neben der Vielzahl an Normverstößen die als Ordnungswidrigkeit geahndet werden können, sind Handlungen als Straftaten zu ermitteln, wenn

 

  • der Täter eine andere Flagge als die Bundesflagge führt, obwohl er zur Führung der Bundesflagge berechtigt,
  • der Täter eine Bundes- oder Landesdienstflagge führt, ohne dazu berechtigt zu sein oder
  • der Täter die Bundesflagge führt, ohne dazu berechtigt zu sein.


Die Fälle, die in den Küstenländern regelmäßig ermittelt werden, haben in der Regel damit zu tun, dass große seegehende Sportboote Flaggen führen, die dem Lieblingsland der Schiffsführer entspricht. Die dafür notwendige „kriminelle Energie“ ist dann zwar sehr gering; auch weil die Tat aus Unwissenheit begangen wird. Aber das Legalitätsprinzip zwingt die Beamten der WSP auch hier zum Einschreiten. Und: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht.


Das Flaggenrecht gilt natürlich nur für Seeschiffe, weil auch auf Hoher See Schiffe nach ihren Herkunftsländern identifiziert werden sollen – auch das ist eine Maßnahme zur Unterbindung von Piraterie. Binnenschiffe, die auf den Wasserstraßen innerhalb der Küstenländer oder sogar im Küstenmeer aufhalten benötigen daher keine Flagge. Erst wenn Binnenschiffe die Hoheitsgewässer Deutschlands verlassen, werden sie einem Seeschiff gleichgestellt, was dann auch die Pflicht zum Führen der Bundesflagge nach sich zieht.

 

 

 

4 Besonderheiten der Strafverfolgung im Binnenbereich


Im Bereich der sog. Binnenschifffahrt gelten in der Regel die Rechtsetzungen des internationalen Umweltrechts nicht. Das Übereinkommen zur Reinhaltung der Meere (MARPOL 73/78) gilt grundsätzlich nur im Bereich der Meeresumwelt und kann nach der Seeumweltverhaltensverordnung zum Teil auf den Seeschifffahrtsstraßen geahndet werden. Auch das SOLAS-Übereinkommen, das die Schiffssicherheit und den Umweltschutz auf den Meeren garantieren soll, kann nicht auf klassische Binnenschiffe angewandt werden. Auf den Binnenschifffahrtsstraßen kommen diese Übereinkommen nicht zur Anwendung, so dass eigene Rechtssetzungen zum Umweltschutz über das StGB hinaus beachtet werden müssen.


Das Übereinkommen über die Sammlung, Abgabe und Annahme von Abfällen in der Rhein- und Binnenschifffahrtvon 1996 (CDNI) wurde von der Kommission der Rheinanliegerstaaten in Straßburg mit dem Ziel erlassen, den Transport von Gütern auf den europäischen Binnenwasserstraßen sauberer zu gestalten und die dabei anfallenden Abfälle einem Kreislauf zur weiteren Nutzung zuzuführen. Ausdrücklich wird in diesem Übereinkommen das Wort Umweltschutz durch die Unterzeichnerstaaten dahingehend gebraucht, „dass die Abfallvermeidung sowie die Sammlung, Abgabe und Annahme von Abfällen zur Verwertung und zur Beseitigung aus Gründen des Umweltschutzes sowie im Interesse der Sicherheit und Gesundheit des Schiffspersonals und der Verkehrsnutzer für die Binnenschifffahrt und die mit ihr verbundenen Wirtschaftszweige ein Erfordernis ist“.17 Das CDNI ist in der Anlage 2 in drei Teile, die die einzelnen Vorschriften für die zugeordneten Themen enthalten, gegliedert. Die Teile sind


Teil A – Sammlung, Abgabe und Annahme von öl- und fetthaltigen Schiffsbetriebsabfällen


Teil B – Sammlung, Abgabe und Annahme von Abfällen aus dem Ladungsbereich und


Teil C – Sammlung, Abgabe und Annahme von sonstigen Schiffsbetriebsabfällen.


Grundsätzlich wird in dem Art. 3 I des CDNI festgelegt, dass es verboten ist, von Fahrzeugen aus Schiffsabfälle und Teile der Ladung in die Wasserstraßen einzubringen oder einzuleiten oder auf den Wasserstraßen Dämpfe in die Atmosphäre freizusetzen. Jedoch wird bereits an dieser Stelle die Möglichkeit für Ausnahmen18 genannt, die vielfältig sind und dem Umweltschutz scheinbar zuwiderlaufen.


Schwierig wird dann für die ermittelnden Wasserschutzpolizeien und im Weiteren für die Staatsanwaltschaften, die Befugnis und damit Rechtfertigung der Gewässerverunreinigung durch diese Ausnahmen zu begründen bzw. auszuschließen. Dazu zwei Beispiele:

 

4.1 Ladungsrückstände

Abb. 2: Probe aus einer
Bordkläranlage, Rüdesheim 2021

In Teil B des CDNI sind die Vorschriften enthalten, wie mit der Ladung als Handelsgut und den Resten, die als Abfall angesehen werden, zu verfahren ist. Der Begriff „Ladungsrückstände“ bezeichnet also Ladung, die nicht mehr aus dem Laderaum oder dem Tank entfernt werden kann. Diese Rückstände sind also Abfall und müssen vor der Nutzung des Laderaums mit neuer Ladung entfernt werden. Je nach Art der Ladung besteht die Möglichkeit unter Einhaltung der Bedingungen des CDNI diese Ladungsrückstände mit dem Waschwasser in das Umgebungswasser einzuleiten. So ist es z.B. gestattet, den Laderaum nach dem Löschen von Braunkohle zu waschen, wenn er zuvor besenrein war – also vom Schiffspersonal oder dem Ladungsempfänger gefegt wurde. Die dann noch vorhandenen Ladungsrückstände werden dann mit dem Waschwasser eingeleitet, was auf jeden Fall zu einer mindestens erheblichen optischen Veränderung des Gewässers führt. Besenrein ist ein Laderaum, aus dem die Restladung mit Reinigungsgeräten wie Besen oder Kehrmaschinen ohne den Einsatz von saugenden oder spülenden Geräten entfernt worden ist und der nur noch Ladungsrückstände enthält. Welche Qualität die Reinigung haben sollte oder welche Grenzwerte nicht überschritten werden sollen, ist im CDNI nicht geregelt. Beamte der Wasserschutzpolizei, die wegen des Anfangsverdachts einer Gewässerverunreinigung nach § 324 StGB ermitteln, erkennen regelmäßig eine Beweislücke, weil nicht festgestellt werden kann, ob die Reinigung bestmöglich ausgeführt wurde und somit die aufgetretene Gewässerverunreinigung tatsächlich befugt geschehen ist. Auch der Widerspruch zum eigentlichen Wasserrecht, dem Wasserhaushaltsgesetz, macht die Ermittlung nicht einfacher. Die Konferenz der Vertragsparteien (KVP) tagt regelmäßig in Straßburg, um Änderungen und Verbesserungen zu beschließen. Für alle ermittelnden Beamten wäre eine bessere Rechtsklarheit hilfreich für die tägliche Arbeit und für die Schifffahrtstreibenden notwendig für rechtssicheres Handeln.

 

 

4.2 Sonstige Schiffsbetriebsabfälle

Eine weitere Ausnahme von dem Einleitungsverbot des CDNI besteht im Teil C zu dem häuslichen Abwasser. Grundsätzlich besteht auch hier das Verbot von Fahrzeugen aus Hausmüll, Slops, Klärschlamm und übrigen Sonderabfall in die Wasserstraße einzubringen oder einzuleiten. Jedoch ist die Einleitung von häuslichem Abwasser für Fahrgastschiffe mit mehr als 12 Fahrgästen und für Kabinenschiffe mit mehr als 12 Schlafplätzen verboten. Das bedeutet, auch nach der historischen Auslegung des Gesetzestextes, dass alle Fahrzeuge, die nicht unter diese Einschränkung fallen, häusliche Abwässer einleiten dürfen. Nach der Definition des CDNI sind damit Abwasser aus Küchen, Essräumen, Waschräumen und Waschküchen sowie Fäkalwasser gemeint. Somit ist es allen Binnenschiffen, die keine der genannten Fahrgastschiffe sind, erlaubt, sämtliche Abwässer aus der Küche, den Waschküchen und den Toiletten direkt in die Wasserstraßen einzuleiten. Wenn man dann bedenkt, dass alleine in Deutschland ca. 3.000 Binnenschiffe registriert sind19, kann man den Grad der Verschmutzung der Binnenwasserstraßen erahnen. Problematisch sind dabei nicht nur die eingeleiteten Fäkalien, sondern insbesondere die Chemikalien aus den Küchen und Waschküchen, die in Waschmitteln und Geschirrspülmittel enthalten sind. Mittlerweile siegt aber immer mehr die Vernunft über das Recht, so dass viele Eigner von Binnenschiffen moderne Kläranlagen nachrüsten und betreiben bzw. Tanks für Fäkalien und Schmutzwasser einbauen.


Fahrgastschiffe mit mehr als 12 Fahrgästen und für Kabinenschiffe mit mehr als 12 Schlafplätzen müssen somit mit Sammeltanks oder Bordkläranlagen ausgerüstet sein. Das Einleiten von geklärten Abwässern ist dann erlaubt, wenn das eingeleitete Wasser den technischen Anforderungen an die Bordkläranlagen entsprechen.


Mit dem Leuchtturmprojekt „Überwachung von Bordkläranlagen auf Fahrgastschiffen in Bayern“ wurde im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz durch das Bayerische Landesamt für Umwelt erstmals ein Konzept erarbeitet, das den zuständigen Kontrollbehörden ermöglichen soll, die einwandfreie Funktionsfähigkeit der Bordkläranlagen auf Fahrgastschiffen effizient überwachen zu können. Im Rahmen der Fachtagung im Oktober 2019 in Augsburg wurden die im Projekt gesammelten Erfahrungswerte über den Zustand der Bordkläranlagen und der stichprobenartig untersuchten Fahrgastschiffe präsentiert.20


„Auf Basis der einzuhaltenden CSB-Überwachungswerte wurde aufgezeigt, dass nur zwei Drittel der untersuchten Bordkläranlagen während der Kontrollen im regelkonformen Zustand waren. Nur drei von 13 Bordkläranlagen, die aufgrund ihrer Einbaujahre unter die Härtefallregelung des CDNI fallen, hielten den Überwachungswert von 250mg/l ein. Zudem wurden direkte Einleitungen ungeklärter Abwasserteilströme in die Wasserstraße festgestellt. Valide Nachweise erfolgten hier durch Tracer-basierte Untersuchungen unter Anwendung von Uranin. Alle untersuchten Fahrgastschiffe verfügten über Bypass-Leitungen.“21


Für alle Beteiligten an der Binnenschifffahrt, egal ob auf Seiten der Behörden oder der der Betreiber oder Schiffsführer von Binnenschiffen, bedeuten solch schwierige oder unklare Rechtssetzungen den unbedingten Willen, die Rechtslage nach der Vernunft und den Umweltschutz-Gedanken umzusetzen und mit „Leben zu füllen“. Um das Ziel dieser Normen zu erreichen und den vermeintlichen Widerspruch zwischen den Artikeln sowie den einzelnen Vorschriften des CDNI zu lösen ist zunächst Einsicht und Kommunikation, aber auch Kooperation erforderlich. Und da wären wir wieder bei einem der wichtigsten Prinzipien des Umweltrechts – sowohl im StGB als auch im CDNI: dem Kooperationsprinzip.


Im Verlauf der 1960er- und Anfang der 1970er-Jahre erwachte allmählich das gesellschaftliche Interesse am Umweltschutz und führte zu lebhafter werdenden Diskussionen. Daraus entwickelte sich unter einer sozial-liberalen Koalition das erste Umweltprogramm der Bundesregierung vom 29. September 1971.Verdient gemacht hat sich das Umweltprogramm von 1971 nicht zuletzt auch dadurch, dass die elementaren Prinzipien der (west-)deutschen Umweltschutzgesetzgebung, das Vorsorgeprinzip, das Verursacherprinzip und das Kooperationsprinzip, in ihm erstmals formuliert wurden.22


Und hier schließt sich der Kreis.

 

 

5 Fazit


Dass die WSP nicht die kriminalistische Ausbildung und Aufgabenbreite wie die Kriminalpolizei oder gar das BKA besitzt, liegt natürlich auf der Hand. Die Zeiten, in denen die WSP aber als „Entenpolizei“ belächelt wird liegt lange zurück. Neben den vielfältigen Aufgaben, vor allem auf dem Gebiet des internationalen See- und Schifffahrts- sowie des Völkervertragsrechts, bei denen Entscheidungen der Kollegen nach getroffen werden, die u.a. Schiffe mit bis zu 25.000 Containern an Bord das Auslaufen verweigern, ist die Erforschung von Straftaten tägliche Arbeit der WSP. Im Gegensatz zu anderen Sparten der Landespolizeien haben die Beamten der WSP auch hier vielfach mit ausländischen Beschuldigten zu tun, meistens sogar aus Ländern außerhalb der Europäischen Union.


Tatsächlich unterscheiden sich die Aufkommen und die Arten der genannten Straftaten nach den Schifffahrtsgebieten innerhalb von Deutschland. Grundsätzlich wird daher die Schifffahrt in die Binnen- und Seeschifffahrt unterteilt. An der Wasserschutzpolizei-Schule (WSPS) werden daher auch die Kollegen aus Ländern mit überwiegender Binnenschifffahrt vom Fachbereich Binnen betreut und die Beamten aus Ländern mit Seeküsten vom Fachbereich Küste.


Die Ausbildung wird zwar unterschiedlich organisiert, aber für die gemeinsame Aufgabenwahrnehmung, z.B. auf dem Gebiet der Erforschung von Straftaten, einheitlich durchgeführt. Zuständig dafür ist der Leiter der Aus- und Fortbildung der WSPS, Herr PD Olaf Hagenloch, der in dieser Ausgabe von seiner diesbezüglichen Arbeit und seinen Erfahrungen berichtet.


Mein Kollege EPHK Peter Berg stellt in einem weiteren Aufsatz seine Arbeit als Fachbereichsleiter Küste der WSPS und die Aufgaben der Wasserschutzpolizeien im Bereich der Küsten- und Seeschifffahrt dar.


Im Jahr 2022 fanden gemeinsame Kontrollen aller Wasserschutzpolizeien der Länder statt, bei denen der Gefahrguttransport und die Einhaltung der Umweltvorschriften thematisiert wurde (BAGU). So bestand die Möglichkeit, auch das Aufkommen der begangenen Straftaten in diesen Bereichen zu dokumentieren und zu vergleichen. Das aber ist ein neues Thema, das in einer der nächsten Ausgabe der Zeitschrift „Die Kriminalpolizei“ aufbereitet wird.


Bildrechte:


Jan Michael Ihl, Greenpeace Hamburg (Abb. 1); Uwe Jacobshagen (Abb. 2).

 

 

Anmerkungen

 

  1. Der Autor ist Diplomingenieur für Schiffsbetriebstechnik und Erster Polizeihauptkommissar. Er ist seit 1993 Angehöriger der Landespolizei Schleswig-Holstein und seit Februar 2013 als Fachlehrer im Fachbereich Küste der Wasserschutzpolizei-Schule Hamburg tätig. Seit Oktober 2017 ist er der Leiter des Fachbereichs Technik/Umwelt. Im Oktober 2023 übernimmt wird er im Projektmanagement der Wasserschutzpolizei Schleswig-Holstein eine neue Aufgabe. Uwe Jacobshagen ist Herausgeber und Autor mehrerer see- und seeschifffahrtsrechtlicher Publikationen.
  2. Ulrich Neumann: Geschichte der Hafenpolizei. In: Planet Wissen. ARD, 13. Mai 2020; abger. am 9.11.2020.
  3. Historie: Von Preußen bis zum Niederrhein; abger. am 8. Mai 2022 (englisch).
  4. Michael Wenzel: Geschichte der Hessischen Wasserschutzpolizei. Polizei-Gesang und Musik Verlagsgesellschaft mbH, Gelsenkirchen-Buer 1.11.2017, S. 18.
  5. Https://www.welt.de/print/wams/hamburg/article153708679/Enten-Polizei-war-gestern.html.
  6. Für die bessere Lesbarkeit des Fachbeitrags wurde auf die korrekte Bezeichnung der Straf-tatbestände nach dem StGB zugunsten der Schifffahrt verzeichnet. Natürlich gelten diese Strafvorschriften auch für den Straßen- und Bahn- oder auch den Luftverkehr.
  7. Jacobshagen, Luftverunreinigung durch Seeschiffe, Die Kriminalpolizei 4/2017, S. 24.
  8. Jacobshagen, Umweltschutz als wasserschutzpolizeiliche Aufgabe, Die Kriminalpolizei 3/2021, S. 16; Berg, „Umweltschutz ist wichtig“ – Die Arbeit des Referats E23, Die Kriminalpolizei 3/2021, S. 21; Hagenloch, Umweltschutz lernen – aber richtig, Die Kriminalpolizei 3/2021, S. 24.
  9. Https://www.kn-online.de/lokales/kiel/polizei-raeumt-blockade-kreuzfahrtschiff-verlaesst-kieler-hafen-LJR74HX35RRI53FU63TZH2IMGU.html.
  10. Https://www.deutsche-flagge.de/de/aktuelles/nachrichten-archiv/nachrichten-2018/der-mythos-des-trinkenden-seemanns.
  11. Https://www.deutsche-flagge.de/de/redaktion/dokumente/dokumente-sonstige/pm-alkohol-und-drogenverstosse-auf-see-starker-kontrollieren-2.pdf.
  12. Https://berlin.kanzlei-moegelin.de/trunkenheit-im-schiffsverkehr-gemaess-der-deutschen-gerichtsbarkeit-fuer-binnenschifffahrt.
  13. Urt. v. 11.6.2008, Az. 1 Ss 33/08.
  14. Urt. v. 9.11.2020, Az. Ns 4 Rv 22 Ss 311/20.
  15. Https://www.focus.de/regional/hamburg/g20-greenpeace-aktivisten-demonstrieren-im-hamburger-hafen_id_7307431.html.
  16. Https://www.presseportal.de/pm/amp/6343/747330.
  17. Https://www.cdni-iwt.org/wp-content/uploads/2022/07/CDNI2022_juill_DE.pdf.
  18. Siehe Art. 3 III CDNI.
  19. Https://www.binnenschiffe.de/inhalte/artikel/mittelrhein/flotte.htm.
  20. Https://binnenschifffahrt-online.de/2020/03/schiffstechnik/13585.
  21. Https://binnenschifffahrt-online.de/2020/03/schiffstechnik/13585.
  22. Jacobshagen, Umweltschutz und Gefahrguttransport für Binnen- und Seeschifffahrt, SpringerVieweg-Verlag, 2019.