Cybercrime im Corona-Deckmantel

Bekannte Phänomene in neuem Gewand


Der Gesetzgeber stellt zudem bereits Vorbereitungshandlungen, wie das Entwickeln von Malware, das Anbieten oder den Ankauf von Schadsoftware im Darknet (z.B. durch „Gelegenheitskriminelle“, die sich die benötigte Software i.S.v. „crime-as-a-service“ in der Underground Economy in Form von Baukästen zusammenstellen) über § 202c StGB i.V.m. §§ 303a Abs. 3, 303b Abs. 5 StGB unter Strafe, sofern das Programm gezielt illegalen Zwecken dient. Maßgeblich ist dabei, ob das Programm wenigstens auch dafür hergestellt wurde, eine solche Tat zu begehen. Wird ein nicht für die Straftat bestimmtes Programm zur Tatbegehung „zweckentfremdet“, ist nach h.M. der Tatbestand nicht erfüllt, insbesondere bei „dual use tools“ (legal und illegal nutzbare Software) ist die bloße Eignung unzureichend. Bei der strafrechtlichen Bewertung kommt es insofern auf die Feststellung der konkreten objektiven Funktionsweise des Programmes und den subjektiven Tatbestand des Täters an.

 

Abb. 2: Cybercrime-Phänomene in neuem Gewand (eigene Visualisierung).

 

 

4 Herausforderungen für die Sicherheitsbehörden


Die deliktischen Cybercrime-Ausprägungen lassen drei zentrale Herausforderungen für die Sicherheitsbehörden erkennen. Hierzu zählt als vorbeugende und damit zentrale straftatenverhindernde Maßnahme die Aufklärung über Phänomenologie, modi operandi und Präventionsmöglichkeiten für Privatpersonen und Unternehmen. Insofern sind besonders die zuständigen Organisationseinheiten für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie Kriminalprävention gefordert, proaktiv und crossmedial über Gefahren und Risiken in Zusammenhang mit der COVID-19-Situation zu informieren, die Vorgehensweisen auch für technische Laien nachvollziehbar zu erläutern und konkrete Verhaltensweisen zu empfehlen.

Weiterhin lassen die steigenden Fallzahlen eine Zunahme des diesbezüglichen Strafanzeigenaufkommens erwarten, wobei ein erheblicher Teil der Delikte nach wie vor im Dunkelfeld liegen und der Polizei erst gar nicht bekannt gegeben werden dürfte35. Neben den besonderen Anforderungen, die COVID-19 ohnehin schon an den täglichen Dienst stellt (z.B. neues Schichtsystem oder zeitversetzte Dienstverrichtung in festen Gruppen), müssen die vermehrten Strafanzeigen professionell, übergreifend und zeitnah abgearbeitet werden. Da sich Cybercrime dynamisch entwickelt, verändern sich Täterstrukturen und Vorgehensweisen ebenso schnell. Umso wichtiger ist der personaladäquate Einsatz, der durch Fortbildung insbesondere bei erkannten neuen Phänomenausprägungen gewährleistet werden muss.

 

5 Zusammenfassung und Ausblick


Die COVID-19-Pandemie ist ein Ereignis von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung und hat durch die damit verbundene verstärkte Verlagerung von Alltagstätigkeiten aus der analogen Welt in den digitalen Raum deutliche Auswirkungen auf die Entwicklung von Cybercrime. Cyberkriminelle verkleiden bekannte Deliktsphänomene mit einem neuen Gewand und passen Sie im Kontext der Infektionskrankheit an. Dabei entwickeln sie bekannte Cybercrime-Phänomene weiter, indem sie kreative Virus bezogene Szenarien erstellen. Die der Corona-Krise immanenten besonderen Viktimisierungsfaktoren begünstigen zusätzlich die Opferwerdung in Zeiten von sozialer Distanz, emotionaler Unsicherheit und der Hortung von Konsumgütern.

So wird der bekannte „Enkeltrick“ unter Ausnutzung von Hilfsbereitschaft und Angst älterer Menschen zum „Gesundheitstrick“, Malware durch Adressierung der Interessen/Sorgen der Bevölkerung über neue Kanäle, wie gefälschte Webseiten oder Apps, verbreitet und ein auf Corona gemünztes Social Engineering als Methode eingesetzt, um Phishing-E-Mails noch zielgerichteter verbreiten und sensible Daten erlangen zu können. Die Herausforderungen für Sicherheitsbehörden bestehen darin, diese neuen Abwandlungen bekannter Phänomene frühzeitig zu erkennen, die Öffentlichkeit rechtzeitig zu warnen und effektive Ermittlungsarbeit in diesem komplexen Themenfeld zu gewährleisten.

Die von Cybercrime ausgehende Bedrohung für die Cybersicherheit von Privatpersonen und Unternehmen zeigt sich während der COVID-19-Krise dynamisch und vielfältig. Das Virus wird die Öffentlichkeit noch mindestens solange beschäftigen, bis ein Impfstoff oder ein Medikament gefunden ist – aufgrund der besonderen gesellschaftlichen Auswirkungen wohl eher noch darüber hinaus. Cyberkriminelle werden deshalb auch weiterhin ihre modi operandi proaktiv anpassen und modifizieren, was steigende Deliktszahlen erwarten lässt. Es bedarf deshalb umso mehr einer professionellen und zielgerichteten polizeilichen Auseinandersetzung mit diesen Kriminalitätsphänomenen, damit der „Corona-Effekt“ nicht zu einem neuen Treiber für Cybercrime wird.