Vom Informationsfriedhof zu Führungsinformationssystemen

Ein praktischer, ehrlicher Erfahrungsbericht

„Die Anforderungen an Sicherheits- und Justizbehörden bei der Beurteilung von Erscheinungsformen, Ausmaß und Entwicklungen der Kriminalität, bei der Erstellung von Kriminalitätslagebildern, Risikoanalysen und Bedrohungsszenarien und darauf aufbauend bei der Entwicklung neuer Bekämpfungsstrategien, wurden nicht zuletzt durch den Wandel der kriminalpolizeilich relevanten Rahmenbedingungen, wie die Öffnung Osteuropas, die sich dadurch verstärkende grenzüberschreitende Organisierte Kriminalität, die Internationalisierung bei der Kriminalitäts- und Terrorismusbekämpfung, vor allem seit dem 11.September, enorm erhöht.„ So oder so ähnlich beginnen sehr viele Artikel und Fachbeiträge, in denen auf die Wichtigkeit der Informationssammlung und –auswertung und auf die Notwendigkeit von professionellen Analyseeinheiten hingewiesen werden soll. Es folgen dann Absätze von Abhandlungen darüber, wo die Kriminalstrategie vom wissenschaftlichen Standpunkt her einzuordnen ist, wie das Verhältnis von Kriminologie, Kriminalistik und Kriminalstrategie auf Grund neuer Rahmenbedingungen und Interpretationsmöglichkeiten zu sehen und daher neu zu definieren ist. Eine lange Liste von Fußnoten und Literaturhinweisen runden dann den wissenschaftlichen „Touch„ ab.

Mag. Paul Marouschek
Bundeskriminalamt
Österreich
Paul.marouschek@bmi.gv.at

Mit solchen Schlagworten und theoretischen Abhandlungen habe auch ich versucht, Führungskräfte und Entscheidungsträger davon zu überzeugen, dass ich unbedingt Personal brauche, Geld in verschiedenste Analyseprojekte und -vorhaben investiert gehört und dass der Auf- und Ausbau der Abteilung Kriminalanalyse im Bundeskriminalamt Österreich das Non plus Ultra für die Kriminalitätsbekämpfung, die Kriminalprävention und für das strategische polizeiliche Führungsmanagement ist. Diese Abteilung und deren Tätigkeitsfelder wurde nämlich im Rahmen des Projektes „Reform des Kriminaldienstes, insbesondere durch Aufbau des Bundeskriminalamtes„ ab Mai 2000 von meinem Team und mir geplant, verschiedensten Wünschen, ja Befindlichkeiten angepasst und seit Oktober 2002 umgesetzt. Logisch, dass es sich dabei primär nur um die Implementierung von international anerkannten, aber auf österreichische Verhältnisse angepasste Analysestandards und –methodiken handeln konnte. „Die Abteilung Kriminalitätsanalyse, -statistik und -prävention des Bundeskriminalamtes wird als zentrales Servicecenter mit neuen professionelleren, weil wissenschaftlich und international anerkannten Methoden qualitativ hochwertige Entscheidungsgrundlagen für die Kriminalpolizei in Österreich liefern und bundesweit strategische Wissensgrundlagen für das polizeiliche Führungsmanagement erstellen„ war eine unserer Kernbotschaften. Doch was bedeuten diese Stehsätze, diese Schlagworte und Slogans? Sehr geehrter Leser ! Dies ist kein wissenschaftlicher Beitrag, dieser Artikel beschreibt den steinigen Weg von der Idee, der Planung, bis zur Umsetzung verschiedenster Führungsinformationssysteme, er beschreibt die praktische Erfahrungen, die aufgetauchten Probleme, falls vorhanden deren Lösungen. Ich beschreibe Eigenfehler, Fehlplanungen und Rückschläge, ich werde auf Vorurteile und Missverständnisse eingehen und die teilweise aufgetretene Ignoranz und Hilflosigkeit mancher Führungskräfte skizzieren. Ich kann aber auch über Erfolge, positive Rückmeldungen und vor allem über steigende Akzeptanz innerhalb der österreichischen Exekutive berichten. Es ist also ein praktischer, ehrlicher Erfahrungsbericht. Aus diesem Grund, sehr geehrter Leser, und das mögen Sie mir verzeihen, werden sie auf Literaturverweise verzichten müssen. Sollten Sie jedoch trotzdem an einem Erfahrungsaustausch interessiert sein, schicken Sie mir eine Mail, denn dann habe ich mit diesem Artikel mein Ziel erreicht.

Die Ausgangslage in Österreich

Die Informationsauswertung und Kriminalanalyse war vor dem Aufbau des österreichischen Bundeskriminalamtes nur marginal, aber in keiner Weise methodisch standardisiert vorhanden. Einige wenige besonders Interessierte besuchten internationale Analyseveranstaltungen oder nahmen 1999 am ersten österreichischen internationalen Analyseseminar teil. Noch weniger davon hatten nach solchen Kursen und Veranstaltungen die Möglichkeit, diese neuen Methodiken in ihrer täglichen Arbeit zu festigen und zu implementieren. Sie wurden zum Teil in ihrem Arbeitsumfeld als Außerirdische angesehen. Einsperren, sicherstellen und den Häftling einliefern war immer noch wichtiger und ist es zum überwiegenden Teil heute noch, als eine Täterstruktur mit der gesamten dahinter stehenden Logistik in Form einer Tätergruppenanalyse darzustellen, um so vielleicht effektivere Maßnahmen gegen die kriminelle Organisation als Ergebnis einer operativen Kriminalanalyse zu setzen. Im Bereich der strategischen Kriminalanalyse gab es als Führungsinformation einmal im Jahr Daten aus der Kriminalstatistik, die, wie heute, das Kriminalitätsgeschehen meist zum Zeitpunkt der Anzeigeerstattung an die Staatsanwaltschaft, also in vielen Deliktsbereichen oft Monate nach dem eigentlichen Fall, abbildete. Sonderauswertungen waren zwar auf Anfrage möglich, doch die Bedeutung für das strategische Arbeiten war rudimentär bis gar nicht vorhanden. Was das damals für eine Auswirkung auf die Datenqualität hatte, will ich jetzt gar nicht extra beschreiben.

Positive Rahmenfaktoren, Personalauswahl und
Zentralstellenkompetenz


Genug Arbeit also für die Idealisten, die meinem Ruf in das Aufbauteam in die II/BK4 Abteilung Kriminalanalyse folgten. Dies war jedoch einer der großen Vorteile, ich hatte tatsächlich freie Hand bei der Personalauswahl und ich bekam die, die ich wollte und das waren in diesem speziellen Bereich einfach die Besten. Der nächste große Vorteil war und ist, dass es in Österreich keine rechtlich selbständige Länderpolizei gibt. Sicherheits- und Kriminalpolizei ist Bundessache, wir kennen die Probleme des ausgeprägten Föderalismus Deutschlands und anderer europäischer Staaten nicht, wenn wir z.B. aus einem Bundesland Daten und Informationen anfordern. Wir im Bundeskriminalamt haben diesbezüglich die Fachkompetenz, natürlich ist es selbstverständlich, dass man vorher miteinander plant und bespricht, letztendlich hat aber die Zentralstelle diesbezüglich das Sagen und, nicht zu unterschätzen, auch die Verantwortung. Wir haben aber auch nicht wie die Schweiz so viele föderalismusbedingte unterschiedlichen IT Systeme mit all den bekannten Problemen der fehleranfälligen komplizierten technischen Schnittstellen im Bereich der Zweiwege Kommunikation. Unsere Probleme mit den zwei wichtigsten, nämlich PAD (Protokoll-, Administrations- und Dokumenten System) und Sicherheitsmonitor, reichen auch und werde ich sie im entsprechenden Kapitel noch beschreiben.



Positiver Rahmenfaktor IT Infrastruktur und
Kompetenz


Ein weiterer großer, unschätzbarer Vorteil ist, dass wir in Österreich ca. 1300 Polizeidienststellen inklusive der regionalen Zentralstelleneinheiten, wie Landeskriminalämter, haben, die alle netzwerktechnisch in einem sog. Intranet miteinander verbunden sind. Dies bedeutet, dass auf jeder lokalen Polizeiinspektion, auf jeder Organisationseinheit der regionalen Ebene und im Zentralstellenbereich des Innerministeriums die Computer im Intranetverbund sind und dass somit in der gesamten Exekutive incl. der Exekutivverwaltung Österreichs mit einheitlicher Microsofttechnologie gearbeitet wird. Das heißt, es musste seitens des Bundeskriminalamtes in IT im Wesentlichen nicht investiert werden. Auftauchende Leitungsschwächen wurden von der zuständigen Sektion Schritt für Schritt beseitigt. Es wurden auch die zuvor unterschiedlichen Mailsysteme der Polizei und Gendarmerie auf Microsoft Outlook umgestellt. Wir begannen also unsere Systeme „IT Plattform konform„ zu entwickeln und machten uns die Vorteile der Webtechnologie zunutze. Dadurch war es uns möglich, von der Zentralstelle aus die Applikationen dem sich ständigen Bedarf anzupassen. Wir arbeiteten kostengünstig, weil ohne Fremdfirma, das Rollout neuer Versionen war wirtschaftlich und ohne großen logistischen Aufwand zu bewältigen und für den Nutzer unserer Systeme, den Polizisten auf der Straße, hatte es den Vorteil, dass er, unabhängig von seiner organisatorischen Zugehörigkeit, in jede Dienststelle in Österreich gehen und dort seine Informationen speichern und abfragen konnte.
Der Nachteil war, dass wir auf Grund der damals bestehenden Geschäftseinteilung des BMI, nicht zuletzt wegen der kurz zuvor stattgefunden IT Reform, die jegliche IT Kompetenz, vor allem aber die Applikationsentwicklung, in die zentralen Hände einer Sektion legte, aber nicht in die des Bundeskriminalamtes, eigentlich keinerlei Programmiertätigkeit durchführen hätten dürfen. Mangelnde Flexibilität, hohe Kosten und Produktion vorbei am Bedarfsträger sind die wichtigsten Nachteile einer solchen IT Struktur für, und das will ich betonen, kriminalanalytische Spezialapplikationen. Der Vorteil im Bereich des Services und Supports von IT Infrastruktur ist dagegen unbestritten und so konnten wir nach mühevoller Überzeugungsarbeit mit oft heftigen Diskussionen und Auseinandersetzungen im Jahr 2006 das Büro für Informationslogistik in der Abteilung gründen. Die Tätigkeit ist gleich geblieben, offene und ehrliche Kompetenzabgrenzung mit der zuständigen IT Abteilung waren jedoch Garant für die jetzt gute Zusammenarbeit und Kooperation. Derzeit arbeiten wir beruhigt, nur periodisch durch Auslagerungsgerüchte verunsichert, hochoffiziell oberhalb der Motorhaube.

Positiver Rahmenfaktor Strategieentwicklungsprozess

Im August 2003 wurde vom damaligen Direktor des Bundeskriminalamtes, Dr. Herwig Haidinger, der jährliche Strategieentwicklungsprozess des Bundeskriminalamtes mit den Führungsfunktionären aus Sicherheitsbehörden und der Exekutive Österreichs ins Leben gerufen. Ziel war es, mit den Länderverantwortlichen kriminalpolizeilich strategische Ziele verbindlich zu vereinbaren und im Konkreten die kriminalpolizeilichen länderspezifischen Problemfelder und die als geeignet erachteten Lösungsvorschläge zu definieren.Eine der Hauptforderungen der Bundesländer, neben der Einführung der monatlichen Kriminalstatistik, war ein zeitnahes, gemeint war vom kriminalpolizeilichen Informationsgehalt aktuelles, dem wirklichen Geschehen unmittelbar anschließendes Führungsinformationssystem zu bauen. Als unbedingt notwendig wurde dabei die Schaffung eines tagesaktuellen kriminalpolizeilichen Informationspools erachtet. Daraus sollten die Kriminalitätsschwerpunkte länderübergreifend erkannt und sofort sinnvolle Gegenmaßnahmen abgeleitet werden können. Es machte nämlich keinen Sinn, wenn man im Mai in der Kriminalstatistik einen Anstieg bei Schidiebstählen bemerkte, um dann die Polizeistreifen in den Schigebieten zu aktivieren. Wie gesagt, die monatliche Kriminalstatistik bildet das Geschehen aus Gründen gesetzlicher Vorgabe und internationaler Vergleichbarkeit zum Zeitpunkt der Anzeige bei der Staatsanwaltschaft also oft sehr zeitverzögert ab. Dies hat seine Gründe in den mitunter langen Ermittlungsphasen, aber auch, weil viele Ermittler die Aktenbearbeitung für die Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft vor allem bei ungeklärten Massendelikten, wie Autoeinbruch, Handtaschendiebstahl und Wohnungs- und Wohnhauseinbrüchen zusammenkommen ließen. Im Burgenland und anderen Bundesländern wurden Excel Tabellen mit halbwegs tagesaktueller Information an eine Zentralstelle übermittelt, dort zusammengeführt und an regionale Einheiten wieder weitergeleitet. Der Personalaufwand, die Fehlerhäufigkeit und das Datenvolumen der Tabellen ließen die meisten dieser gut gemeinten Initiativen in der Anfangsphase wieder scheitern. Dies und die fast ständigen inbrünstigen Bitten der Burgenländer an uns, endlich etwas zu überlegen, waren der Nährboden für die Entwicklung des Sicherheitsmonitors.

Der Sicherheitsmonitor als Herzstück des heutigen Führungsinformationssystems

Die Anforderungen an das System bei der Planung waren eine userfreundliche einfache Bedienbarkeit durch eine einheitliche Benutzeroberfläche und der damit einhergehende geringe Schulungsaufwand, eine rasche Anpassungsmöglichkeit an den tatsächlich sich oft ändernden kriminalpolizeilichen Bedarf, natürlich eine hohe Qualität der Entscheidungsgrundlagen für Steuerung, Koordinierung und Leitung repressiver und präventiver Maßnahmen, wie Festnahmen, Aufklärungsmaßnahmen der kriminalpolizeilichen Beratungsdienste und Zuordnung von aufgefundenen und sichergestellten Gütern bei bislang ungeklärten Straftaten usw. und Last but not Least, für wirtschaftlich sinnvolle Ressourceneinsätze bei der Streifenplanung. Wir schafften in drei Wochen das Grundsystem! Einer der Erfolgsfaktoren war, dass meine Entwickler, ehemalige Kriminalbeamte, schon Erfahrung mit Webtechnologie und ASP.NET hatten, aber auch genau wussten, was die Leute „draußen an der Front„ brauchen oder nicht. Natürlich kamen wir später drauf, dass nicht alles einfach Programmierte selbsterklärend war und was für uns logisch erschien, bereitete den vielen Nutzern sehr oft Probleme. Wir hatten unser eigenes Tunneldenken und konnten uns davon nur schwer lösen. Geholfen haben uns die vielen ehrlichen Rückmeldungen, aber auch der Umstand, dass die Entwickler zuhören konnten und nicht alles als persönliche Kritik an ihrem Sicherheitsmonitor auffassten. Ein weiterer, in der Planungsphase vieldiskutierter Umstand war, ob wir allen ca. 25.000 Polizisten auch die gleichen Abfragemöglichkeiten zur Verfügung stellen sollten. „Natürlich„ war es unsere Linie, nicht den altbekannten Kardinalfehler schon wieder zu machen, nur liefern zu lassen und nichts geben. Das zerstört nicht nur die essentielle Akzeptanz für so ein System, das würde sie von vornherein nicht einmal in Ansätzen entstehen lassen. Bis dato wurden wir nicht enttäuscht. Informationen aus dem System wurden kaum an die Öffentlichkeit weitergegeben. Es wird durchwegs dem Zweck entsprechend verantwortungsvoll mit dem System gearbeitet.
Nunmehr kann jeder Exekutivbeamte in Österreich von seinem Arbeitsplatz über das elektronische Aktenvorgangsbearbeitungssystem PAD die kriminalpolizeiliche Kerninformation, wie Tatzeit, -ort, Modus Operandi, Täteralter, Geschlecht und Nationalität über das tägliche Kriminalitätsgeschehen (Diebstahl, Einbruch, Raub usw.) erfassen und im Sicherheitsmonitor als zentrale Datenbank speichern. Die Daten stehen dafür minutenaktuell den mehr als 25.000 Exekutivbeamten online zur Auswertung zu Verfügung. Dadurch werden aktuelle, sprengelübergreifende Veränderungen der Kriminalität, sog. Hot-Spots, rasch erkannt. Gezielte Maßnahmen wie z.B. zusätzliche Streifendienste, Information der Bevölkerung im Rahmen der Kriminalprävention und die Zuordnung von Straftaten können unverzüglich gesetzt werden. Weitere Vorteile liegen sicherlich in der höheren Informationsqualität und daraus resultierenden besseren kriminalpolizeiliche Bewertung durch die Experten, der Möglichkeit umfangreicher Abfragen in der tagesaktuellen Führungsinformation und im aktuellen Überblick über die stündliche Sicherheitssituation. Durch das mittlerweile eingebaute Frühwarnsystem in Form von automatisch generierten Mails, Schwellwertberechnungen und Tagesberichtserstellung, der Verknüpfung mit einem Geografischen Informationssystem (GIS) , den auf Datenbasis des Sicherheitsmonitors mit dem wissenschaftlichen Institut Johanneum Research Graz entwickelten Trend- und Prognosemodellen (TMS) und dem Bewertungstool Easy Test Application (ETA) zur Beurteilung der Wirkung von Maßnahmen, Ereignissen und/oder zeitlichen/geografischen Veränderungen, steht nunmehr eine sehr umfangreiche Produktpalette zur Verfügung, deren einzelne Tools noch näher beschrieben werden.

Das Problem der Datenqualität bei zwei unterschiedlichen IT Systemen

„Jede Analyse ist nur so gut, wie die Daten, auf denen sie basiert„. Dieser saloppe Slogan bedeutete für uns, dass wir mehrere Jahre mindestens sechzig Prozent unserer Ressourcen in die Verbesserung des Informationsmanagements investieren mussten. Es war ein steiniger Weg. Ein kleines Stück Wegbeschreibung im folgenden Absatz. Wie gesagt, der Sicherheitsmonitor ist mit moderner Webtechnologie programmiert, befüllt wird er aber über einen komplizierten Replikationsmechanismus mit Daten, die im elektronischen Aktenvorgangsbearbeitungssystem dem PAD der Polizei erfasst werden. Das PAD ist auf Basis veralteter Client Server Technologie von einer Fremdfirma programmiert worden und war von seinem Konzept lediglich als Aktenprotokollsystem geplant, das mit Fortlauf der Implementierung immer mehr Aufgaben wie Unfalldatenmanagement, Auswerteprogramm usw. abdecken musste. Mittlerweile werden unsere Applikation fast ausschließlich über das PAD befüllt, die dortige Datenqualität ist für unsere Auswertungen und damit für unsere Verantwortung, die wir dafür übernehmen, es werden ja oft kostenintensive Maßnahmen deswegen getroffen, essentiell. „Kleinere„ Features machten uns das Leben schwer. Es gibt zum Beispiel im PAD keine Plausibilitätskontrollen bei banalen kriminalpolizeiliche Kerndaten, wie Raub, Einbruch, Sachbeschädigung. So ist es möglich einen Einbruch zu erfassen, ohne Informationen zum gestohlenen Gut oder zur Tatörtlichkeit auszufüllen, oder das System lässt ein Tatzeitende in der Zukunft zu.



Mit unseren systemeigenen Plausibilitätslogiken erfolgt die automatische Datenqualitätsüberprüfung der via PAD übermittelten Fälle. Wir müssen aber auf Basis solcher Daten Auswertungen über das am häufigsten gestohlene Gut erstellen oder wir sollen mittels GIS darstellen, wo die meisten Raubüberfälle stattgefunden haben. Unser System überprüft nun acht Stunden nach Speicherung des Falles im PAD, die Kollegen brauchen oft nur eine Aktenzahl und schreiben die Anzeige im PAD erst später nach dem Außendienst fertig, ob die wesentlichsten Parameter eingegeben wurden. Ist das nicht der Fall, geht automatisch eine Mail an den Datenerfasser mit dem Hinweis auf mangelnde Qualität und mit dem höflichen Ersuchen, den Fall ordentlich nach zu erfassen. Derzeit versenden wir im Schnitt zwischen 250 und 350 solcher Mails pro Tag. Die Rückmeldungen sind durchwegs positiv, die Leute fühlen sich professionell betreut, manche wenige Rückmeldungen können allerdings aus Jugendschutzgründen hier nicht wiedergegeben werden. Ohne diesen Kontrollmechanismus wären im Jahr ca. 91.000 bis 127.000 Fälle der ca. 600.000 Fälle in ihrem wichtigsten Informationsbestand schlichtweg unvollständig! Der Mehrwert der Datenqualitätsmails liegt im raschen, zeitsparenden Erkennen von Fehlspeicherungen, im automationsunterstützten Fehlerbereinigungsprozess und der dadurch erhöhten Datenqualität, die wiederum eine unmittelbare positive Auswirkung auf die Brauchbarkeit der Analyse- und Auswertetools und die daraus resultierende Verbesserung der Entscheidungsgrundlage für Führungskräfte und Exekutivbeamte hat. Im PAD war es auch möglich, bei „Tatörtlichkeit-Bezirk„ Freitext einzugeben, binnen vier Wochen hatten wir plötzlich 1245 politische Bezirke in Österreich. Ein weiterer Fehler, der auf die Akzeptanz des Sicherheitsmonitors einen ausgesprochenen negativen Einfluss hatte war der Umstand, dass die Drop Down Werte des PAD in der entsprechenden Tabelle nicht wie üblich nur mit einem einzigen Zahlenwert belegt waren, sondern mit mehreren. Dazu muss man verstehen, dass alle Informationen aus dem PAD in eine einzige zentrale Datenbank repliziert und von dort über eine komplizierte technische Schnittstelle „abgeholt„ und in unsere verschiedenen Applikationen gespielt werden. Hatte jetzt zum Beispiel das gestohlene Gut „Brille„ im PAD den Wert 120 und 342, wusste die Schnittstelle nicht, welcher Wert für unseren Sicherheitsmonitor zu übersetzten war. Der Wert 342 war aber im SIMO einmalig mit „Autoradio„ belegt und so konnte es schon vorkommen, dass das Abfrageergebnis stark mit der Wirklichkeit differierte und wieder einmal der Sicherheitsmonitor „ein Schmarren„ war.



Die Aktualität der Informationen

Aus den Auswertungen und dem Vergleich von Speicherzeitpunkt eines Deliktes und dessen Tatzeitende wissen wir, dass in einem Beobachtungszeitraum der letzten sieben Tage nur ca. 68% der gespeicherten Delikte auch das Tatzeitende in diesen sieben Tagen haben. Dies betrifft alle Delikte in ganz Österreich, gänzlich unterschiedlich die Werte der einzelnen Bundesländer, die meist zwischen ca. 58% und ca. 72% sind.
Was bedeutet das aber für Auswertungen in denen die letzte Woche mit der Vorwoche oder gar mit der Woche des vergangenen Jahres verglichen wird? Dies hat auch keine unwesentliche Bedeutung für Auswertungen von Monats- und auch noch Quartalszeiträumen mit dem Vorjahr. Komplett sinnlos daher die Tagesbelastung an Delikten für einzelne Bundesländer darzustellen und vielleicht noch den 28.Jänner 2008 mit dem 28.Jänner 2007 zu vergleichen. Lustig hoch wurde die Tagesbelastung, als eines Tages der Server ausfiel und die Datensätze am nächsten Tag neu eingespielt werden mussten. Einer der möglichen Ursachen ist einerseits, dass bestimmte Deliktsarten, wie z.B. Kellereinbruch, von den Opfern erst angezeigt werden, wenn sie erfahren haben, dass sie eine Versicherungsbestätigung benötigen oder tatsächlich erst sehr spät bemerkt werden. Andererseits kann es auch durchaus sein, dass die Anzeigen erst protokolliert, zu einem späteren Zeitpunkt im PAD aber erst geschrieben werden. Andere Delikte, wie z.B. Raub werden in den meisten Fällen sofort angezeigt und verändert sich die Häufigkeitszahl im Wochenverlauf nur mehr unwesentlich. Doch wie haben wir dieses Wissen - Problem ist es ja keines, wenn man damit umgehen kann - gelöst? Nun, einer meiner Mitarbeiter hatte eine geniale Idee. Bei Vergleichen mit dem Vorjahr werden immer „Datentöpfe„ aus dem Vorjahr bei denen keine Nachspeicherungen zu erwarten sind, mit „Datentöpfen„ von heuer, die nicht komplett sind, verglichen. Das ist ein Vergleich „Äpfel„ mit „Birnen„. Die Ergebnisse sind in der folgenden Abbildung unter der Spalte „unbereinigt„ ersichtlich und divergieren oft mit der Spalte „bereinigt„. Um trotzdem einen Vergleich zu ermöglichen, wurden die Daten für den Vergleichzeitraum bereinigt. Die bereinigten Daten entsprechen jenen Werten, die eine Abfrage zum Stichtag vor genau einem Jahr erbracht hätte, somit ohne die Nachspeicherungen. Damit vergleichen wir wieder „Äpfel„ mit „Äpfeln„ und die Ergebnisse geben uns Recht, mit der „unbereinigten„ Methode wurden oft Rückgänge ausgewiesen, die in Wirklichkeit, wenn „bereinigt„ berechnet, sicher Anstiege sind. Von der falschen Methodik zu einer falschen Sicherheit, genau das wollen wir aber vermeiden. Diese Methodik hat sich mittlerweile bei den Auswertungen zum Thema „Schengenerweiterung„ sehr bewährt. Man sieht in der nächsten Abbildung sehr schön, dass im Bereich Kfz ED mit der „bereinigten„ Methode bereits ein beginnender Anstieg sichtbar ist, währenddem die „unbereinigte„ Methodik noch einen Rückgang als Ergebnis ausweist.

Die automatischen Führungsinformationen

Thematische Automails: Mit dem auf Basis der Daten des Sicherheitsmonitors selbst entwickelten Modell der automationsunterstützten Führungsinformation müssen die Polizeiführungskräfte die Abfragen nicht mehr zeitaufwendig selbst erstellen. Das Computersystem erstellt die Auswertungen vollautomatisch und, wenn gewünscht, mit grafischer Aufbereitung. Die Information wird automatisch als Mail zum Arbeitsplatz des Users gebracht. So werden aus den ca. 600.000 Kriminalfällen pro Jahr deren Kerninformationen der ca.1300 Dienststellen vom System verarbeitet, in ca. 500 Automails werden mittlerweile ca. 6000 Abfragen verpackt und die Ergebnisse dann an ungefähr 1500 Empfänger automatisch vom System versendet, sodass er sie in der Früh, wenn er in die Arbeit kommt, am Bildschirm hat. Der primäre Verwendungszweck der Automails liegt im Ersatz für manuelle tägliche, wöchentliche oder monatliche periodische Abfragen aus dem SIMO oder den .BK-Lageberichten, in der regelmäßigen genauen Grundinformation, im raschen Überblick über die Ereignisse und in der Unterstützung auch für den Ermittler bei bestimmten Serien oder Modi Operandi.

Schwellwertmails als Frühwarnsystem



Um entstehende Kriminalitätsproblemfelder rascher und automatisch zu erkennen, werden 1100 Schwellwertüberprüfungen verschiedenster Deliktsbereiche (Handydiebstahl, KFZ Einbruch, WohnungsED usw.) periodisch im 3 Stunden Rhythmus überprüft. Davon werden mittlerweile 900 Schwellwerte automatisch berechnet, und bei Auslösung an vordefinierte Empfänger ebenfalls per Mail, im 65 Wochen Verlauf grafisch aufbereitet, sofort versendet. Der Verwendungszweck von Schwellwertmails ist die kontinuierliche Überprüfung von Überschreitung einer Häufigkeitszahl für ein Kriminalitätsthema wie Einbruch, Jugend- und Fremdenkriminalität in einem vorher definierten Zeitraum und einer definierten Region, somit in der Umsetzung eines effektiven Frühwarnsystems, damit auffallend hohe Zahlen und damit negative Entwicklungen für unterschiedliche Bereiche rechtzeitig erkannt werden können.

Die Schwellwertberechnung



Für ausgewählte Deliktsbereiche, Nationalitäten und Altersklassen von Tätern wird wöchentlich, jeden Dienstag 02:45 Uhr, das Konfidenzintervall für die letzen 26 vollen Kalenderwochen, Montag bis Sonntag, berechnet. Die Berechnung erfolgt für jeden Bezirk und jedes Bundesland getrennt. Der obere Wert des Konfidenzintervalles wird in der Regel bei Bundesländern mit 20% und bei den Bezirken um 30% erhöht und bildet so den rechnerischen Schwellwert. Dieser rechnerische Schwellwert wird mit dem gespeicherten Schwellwert verglichen. Ist dieser niedriger, wird er als neuer Schwellwert übernommen. Ist dieser jedoch höher, wird überprüft, ob der Schwellwert innerhalb der letzen 14 Tage ausgelöst hat. Nur wenn dies der Fall ist, wird der neue, höhere Schwellwert übernommen. Dadurch ist gewährleistet, dass schleichende Konfidenzintervall Erhöhungen nicht zu schleichenden Schwellwert Erhöhungen führen. Die so gewonnenen Schwellwerte werden alle 3 Stunden mit der Anzahl der Straftaten der letzen 168 Stunden, sind gleich sieben Tage, verglichen. Bei einer Auslösung erfolgt eine Verständigung per E-Mail und eine Eintragung unter dem Punkt Auffälligkeiten für den Tagesbericht. Alle Schwellwertauslösungen der letzten sieben Tage sind zusätzlich im Kriminalitätsatlas dargestellt und somit räumlich visualisiert.



Automatische Tagesberichte

Tagesberichte mit Führungsinformationen brauchen nicht mehr in mühevoller Kleinarbeit von Hand geschrieben werden. Derzeit werden schon 165 automatische Tagesberichte an 390 Empfänger vom System per Mail versandt. Sie werden entweder für ein Bundesland, einen Bezirk oder eine Gruppe von Bezirken innerhalb eines Bundeslandes oder bundesländerübergreifend als Region erstellt. Im Tagesbericht werden unterschiedlichste Informationen aus verschiedensten Applikationen, wie Lagebericht Schleppereibekämpfung und Kraftfahrzeugdiebstahl, Sicherheitsmonitor, Personen- und Sachenfahndungsevidenz zusammengestellt und wegen besserer Übersichtlichkeit oft in eigenen Attachments dargestellt. Er umfasst nicht nur statistische Daten, Verlaufsgrafiken und Fallinformationen zu wichtigen Straftaten, sondern auch Detailinformationen zu speziellen Deliktsformen, Schwellwertauslösungen, Schlepperaufgriffe, nachträglichen Klärungen, Fahndungen und Häftlingslisten. Dadurch, dass das gesamte System inhaltlich, zeitlich und geografisch frei konfigurierbar ist, konnten die selbst gestellten hohen Ziele, wie automatische Führungsinformation punktgenau und aktuell am Bildschirm des Users zu bringen, die rasche bedarfsspezifische Anpassungsmöglichkeit und die enorme Arbeits- und Zeitersparnis sehr schnell erreicht werden. Bei Vorhandensein einer entsprechenden Datenqualität ist es auch auf andere Bereiche wie Asyl- und Fremdenrecht einsetzbar. Im ersten Teil meines Artikels habe ich mich mit den positiven Rahmenfaktoren wie Personalauswahl, IT Infrastruktur und Strategieentwicklung befasst, da sie unabdingbare Voraussetzung für die Entwicklung des Sicherheitsmonitors waren. Der Sicherheitsmonitor dient als Basis des heutigen Informationssystems in der Exekutive Österreichs. Die Kenntnis und offenen Auseinandersetzung mit den Problemen der Datenqualität und Datenaktualität ermöglichte erst die Entwicklung sinnvoller Lösungen als Ausgleich. Diese Lösungen steigern wiederum die Qualität des bereits beschriebenen Frühwarnsystems, aber natürlich auch des Geografischen Informationssystems und der Trend- und Prognosemodelle über die ich im zweiten Teil meines Artikels berichten werde. Ein weiterer Schwerpunkt werden die einheitliche Auswertemethodik, das uneinheitliche Begriffsverständnis und die Frage nach einer neuen Qualität der Führungsarbeit, bedingt durch die neuen Systeme sein.