Islamistisch-salafistische sowie jihadistische Akteure und ihre Verbindung zur aktuellen Flüchtlingssituation in Deutschland

Die Verfassungsschutzbehörden gehen davon aus, dass die Zahl der als Flüchtlinge getarnten und eingereisten Mitglieder jihadistischer (islamistisch-terroristischer) Gruppierungen – unter anderem aus Syrien, dem Irak und Afghanistan – nach Deutschland im dreistelligen Bereich liegt.26 Deutlich mehr als 50% der eingegangenen Hinweise auf eine Mitgliedschaft in oder Beziehung zu islamistisch-terroristischen Organisationen beziehen sich auf den IS, der Rest auf die syrische Jabhat Fatah Al Sham/ Jabhat al-Nusra und die Al Qaida. Nur in ca. einem Fünftel der eingegangenen Hinweise auf eine Mitgliedschaft in oder Verbindung zu islamistisch-terroristischen Organisationen konnten die Flüchtlinge identifiziert und in Flüchtlingseinrichtungen, unabhängigen Betreuungseinrichtungen oder bei Verwandten lokalisiert werden.27 Bis zum Frühjahr 2016 sammelten die Verfassungsschutzbehörden mehr als 400 Hinweise auf Aktivitäten von sich in Deutschland aufhaltenden Islamisten, die einen Migrationsbezug haben. Mehr als zwei Drittel dieser Meldungen bezog sich auf bekannte salafistische Akteure, Einzelpersonen und regionale Organisationen beziehungsweise lokale Organisationsvertretungen.28 Die Bundesregierung spricht in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 9646 – „Salafistische Propaganda gegenüber Flüchtlingen“ – von zahlreichen unmittelbaren Kontaktaufnahmen der islamistischen Szene gegenüber Flüchtlingen.29 Die Art und Weise der vor allem in oder im Umfeld von Flüchtlingsunterkünften erfolgenden Kontaktaufnahmen durch islamistisch-salafistische Akteure ist sehr heterogen. Teilweise treten die islamistisch-salafistischen Akteure direkt an die Flüchtlinge heran und verteilen Geld- und/oder Sachspenden (beispielsweise Koranexemplare und Gebetsteppiche), offerieren Unterstützung bei Behördengängen oder als Sprachmittler, laden zum Moscheebesuch oder zur Teilnahme an muslimischen Feierlichkeiten ein und verteilen propagandistische, indoktrinierende Flyer und Islam-Broschüren.30 Die islamisisch-salafistischen Akteure greifen gezielt die Hilfsbedürftigkeit und die Bedürfnisse der Flüchtlinge nach Orientierung, muttersprachlicher Kommunikation sowie Gemeinschaft auf, um sie zu indoktrinieren und/oder zu radikalisieren. Salafisten und andere Islamisten nutzen diese psychologisch extreme Situation taktisch durch oben erwähnte Maßnahmen.31 Insbesondere die extremistische salafistische Ideologie scheint Halt durch einfache Erklärungen und eine Weltsicht zu bieten, die zwischen „Gut“ und „Böse“ unterscheidet.32 Der Bezug auf religiöse Traditionen aus dem arabisch-islamischen Kulturkreis stellt eine breite Ausgangsbasis für eine Kontaktaufnahme dar. Teilweise wird den Flüchtlingen auch eine Unterkunft außerhalb ihrer Einrichtung angeboten oder das Abhalten von Gebeten, religiösen Feiern oder Koranunterricht in Flüchtlingsunterkünften. Die Verfassungsschutzbehörden beobachten einen verstärkten Besuch durch Flüchtlinge in zahlreichen islamistisch-salafistischen Moscheen.33 Aktuell zählen die deutschen Verfassungsschutzbehörden in Deutschland mindestens 90 islamistisch-salafistische Moscheen, die „in Bezug auf die Migrationsbewegungen aktiv geworden sind“.34 In diesen islamistischen Moscheen – in denen zum Großteil Arabisch gesprochen wird – beobachten die deutschen Verfassungsschutzbehörden in den letzten Monaten die Anwesenheit von muslimischen Flüchtlingen bei Predigten oder anderen Veranstaltungen der Moscheen. Über 70% der in Deutschland eintreffenden Flüchtlinge sind Muslime. Daher versuchen Islamisten und Salafisten beziehungsweise islamistisch-salafistische Organisationen in diesem immens großen „Personenpool“ zu missionieren und Anhänger zu rekrutieren. Dabei nutzen sie aus taktischen Gründen eine Kontaktaufnahme unter dem Deckmantel humanitärer Hilfsangebote.35 Die Verfassungsschutzbehörden analysieren die persönliche Situation eines Flüchtlings, die eine Hinwendung zum Islamismus forcieren könnte, als von großer Bedeutung. So können beispielsweise schlechte Aussichten auf eine Einbindung in den Arbeitsmarkt, (subjektiv empfundene oder objektiv festzustellende) Diskriminierungserlebnisse im Alltag zu Frustrationen führen und Radikalisierungsprozesse initiieren.36 Propagandistische Beeinflussung durch islamistisch-salafistische Akteure in Moscheen können dabei mögliche Radikalisierungsprozesse begünstigen bzw. auslösen.37 In der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage 18/9646 werden auch minderjährige Schutzsuchende, die ohne Begleitung ihrer Eltern (und/oder Geschwister) nach Deutschland eingereist als besondere Zielgruppe islamistisch-salafistischer Kontaktaufnahmeversuche beschrieben, da diese Minderjährigen rein altersbedingt – wie deutsche Jugendliche auch – leichter gefährdet seinen, von extremistischen Ideologien beeinflusst und radikalisiert zu werden.38 Diese Personengruppe minderjähriger Flüchtlinge ist aufgrund des fehlenden familiären Umfelds und geringerer Lebenserfahrung in einer fremd wirkenden Gesellschaft eher für vermeintlichen Halt durch zuverlässige Bezugssysteme mit bekannten, klaren Regeln offen. Diesen Zustand nutzen die islamistisch-salafistischen Akteure, indem sie Fremdheitsgefühle der jugendlichen Flüchtlinge gegenüber dem neuen europäischen, deutschen Umfeld bestärken und auf (islamische) Identität durch Abgrenzung (von der westlichen Demokratie Deutschland) abzielen.39 Die Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder erhielten bislang eine Vielzahl an Hinweisen, wonach islamistische Gewalttäter und Jihadisten die Flüchtlingsbewegungen zur Einreise nach Deutschland bereits genutzt haben bzw. noch nutzen.40 Mit Sorge beobachtet der Verfassungsschutz die Versuche radikaler Islamisten bzw. Salafisten, unter den Flüchtlingen neue Mitstreiter anzuwerben. „Es gibt bislang mehr als 340 Fälle, die uns bekannt geworden sind“, sagte der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Aber das sind nur die, von denen wir erfahren haben. Vermutlich gibt es mehr Fälle.“41 Weiterhin führte er aus, dass „bekanntermaßen sind unter den Asylsuchenden sehr viele junge Männer mit sunnitischer Konfession“ sind, die oftmals aus „konservativen islamischen Milieus kommen und Freitags in eine arabischsprachige Moschee gehen.“42 Unter den arabischsprachigen Moscheen in Deutschland gibt es zahlreiche islamistische, salafistische Moscheen.43

Salafistische Dawa in einer Flüchtlingseinrichtung