Sexualdelinquenz

Eine kriminologisch-viktimologische Betrachtung

6 Fazit


Die Probleme und Herausforderungen des polizeilichen Umgangs mit Opfern von Straftaten sind in der Diskrepanz zwischen den kriminalistischen Erfordernissen und dem Wunsch nach Berücksichtigung von Opferbedürfnissen zu sehen. Der Sachbearbeiter muss bei Vorliegen einer entsprechenden Straftat u.a. die Spuren am Opfer sichern und konkrete Fragen zum Tatablauf und zur Täterbeschreibung stellen. Damit sind Beeinträchtigungen für das Opfer nicht zu vermeiden. Darüber hinaus sollen die Opferrechte erläutert werden. Dabei handelt es sich um Antragsrechte, die aktiv wahrgenommen werden müssen. Dieses kann aber nur derjenige tun, der um die Existenz weiß und Institutionen kennt, die Hilfestellung vermitteln. Dies setzt bei den Opfern ein Wissen hierüber voraus, welches vielfach nicht vorhanden ist. Die Rechte der Opfer wurden verstärkt, allerdings mangelt es noch an der Umsetzung, d.h. eine umfassende Erläuterung der Opferrechte erfolgt nicht in allen Fällen. Einheitliche Standards gibt es in den Polizeidirektionen und nachgeordneten Dienststellen nicht. „Bereits vor Einschaltung professioneller rechtlicher Unterstützung benötigen Opfer von Straftaten einen einfachen Zugang zu validen Informationen über Anlauf und Beratungsstellen, Ansprüche und Unterstützungsmöglichkeiten sowie die Aufgabenverteilung der verschiedenen Professionen in verschiedenen Verfahren.“29Dieser Zugang kann meines Erachtens weder über das Internet erfolgen noch über das Aushändigen eines Merkblattes. Besser ist es, das Opfer eines Sexualdelikts an einen örtlichen Ansprechpartner zu vermitteln, der fachlich ausgebildet ist und kompetent auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnittene Hilfsangebote unterbreitet und gegebenenfalls an entsprechend örtliche Opferhilfe- und Beratungseinrichtungen weitervermittelt. Die OSB fungieren als Mittler zwischen den Sachbearbeitern und den Opferhilfeeinrichtungen. Perspektivisch wäre eine Ausweitung dieses Konzepts auf die gesamte Polizei empfehlenswert um zur Professionalisierung beizutragen.

Quellenangaben:
Ackermann, Rolf, Clages, Horst, Roll, Holger (2019): Handbuch der Kriminalistik, Kriminaltaktik für Praxis und Ausbildung, 5. Aufl. Stuttgart u.a.

Artkämper, Heiko, Schilling, Karsten (2017): Vernehmungen, Taktik, Psychologie, Recht, 4. Aufl., Hamm.

Balschmiter, P., Bley, R., Bläsing, D., Fischbach, J, Rasch, D. (2019): Abschlussbericht zur Dunkelfeldforschung 2017, Güstrow.

Baurmann M. (1996): Opferschutz und Opferunterstützung in Deutschland, in: Baurmann, M., Schädler, W., Bundeskriminalamt (Hrsg.): Das Opfer nach der Straftat – seine Erwartungen und Perspektiven, BKA Tagungsband 22, Wiesbaden, S. 19-42.

Bliesener, Th., Lösel, F., Köhnken, F. (Hrsg.): Lehrbuch Rechtspsychologie, Bern.

BMJV (Hrsg.) (2018): Opferfibel, Rechte von Verletzten und Geschädigten im Strafverfahren, abrufbar unter bmjv.de.

BMJV (Hrsg.) (2018): Merkblatt für Opfer einer Straftat, abrufbar unter bmjv.de.

Bundeskriminalamt (Hrsg.) (2018): Polizeiliche Kriminalstatistik 2017, Wiesbaden.

Bundesministerium des Innern, Bundesministerium der Justiz (Hrsg.) (2001): Erster Periodischer Sicherheitsbericht, Berlin.

Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (2018): Opferfibel, Berlin.

Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (2017): Merkblatt für Opfer einer Straftat, Berlin.

Clages, Horst, Ackermann, Rolf (Hrsg.) (2017): Der rote Faden, Grundsätze der Kriminalpraxis, 13. Aufl., Heidelberg.

Clages, Horst (2012): Polizeiliche Vernehmung in: Clages, Horst (Hrsg.): Der rote Faden, Grundsätze der Kriminalpraxis, 12. Aufl., Heidelberg u. a., S. 188-226.

Daigle. L.E., Muftic, L.R. (2016): Victimology, Los Angeles, London, New Delhi, Singapore, Washington DC.

Deegener, G. (2005): Formen und Häufigkeiten der Kindesmisshandlung und Vernachlässigung, in: Deegener, G./Körner, W. (Hrsg.), Kindesmisshandlung und Vernachlässigung, Göttingen, 2005, S. 37-58.

Egg, R., (2014): Sexualdelinquenz, in: Bliesener, Th., Lösel, F., Köhnken, F., (Hrsg.): Lehrbuch Rechtspsychologie, Bern, S. 76-86.

Fastie, F. (Hrsg.) (2017): Opferschutz im Strafverfahren. Psychosoziale Prozessbegleitung bei Gewalt- und Sexualstraftaten. Ein interdisziplinäres Handbuch, 3. Aufl., Opladen, Berlin, Toronto.

Fischer, G., Riedesser, P. (2009): Lehrbuch der Psychotraumatologie, München.

Fröhlich-Weber, B. (2014): „Opfer im Blick von Polizei und Justiz – Sicherstellung durch Schulungen?“ Vortrag anlässlich der Tagung des Arbeitskreises der Opferhilfen in Deutschland e.V. (ado), Am Ziel? Stand und Probleme der Umsetzung der europäischen Opferschutzrichtlinie in Deutschland, 3.12.2014, Höchst.

Greve, W., Hellmers, S., Kappes, C. (2014): Viktimologie: Psychologische Aspekte der Opferforschung, in: Bliesener, Th., Lösel, F., Köhnken, F. (Hrsg.): Lehrbuch Rechtspsychologie, Bern, S. 198-222 .

Haas, U. I. (Hrsg.): Tertiäre Kriminalprävention durch Sport. Die Polizei als Akteur kommunaler Kriminalprävention, Frankfurt.

Habschick, Klaus (2012): Erfolgreich Vernehmen, Kompetenz in der Kommunikations-, Gesprächs- und Vernehmungspraxis, 3. Aufl., Heidelberg.

Hartmann, J. (2010): Qualifizierte Unterstützung von Menschen, die Opfer von Straf- bzw. Gewalttaten wurden. Opferhilfe als Professionalisiertes Handlungsfeld Sozialer Arbeit. In: Hartmann, J., ado e.V. (Hrsg.): Perspektiven professioneller Opferhilfe. Theorie und Praxis eines interdisziplinären Handlungsfeldes, Wiesbaden, S. 9-38.

Hartmann, J. (2010): Weiterbildung als ein Beitrag zur Entwicklung von Professionalität im Feld der Opferhilfe. Konzeptionelle Überlegungen und erste Erkenntnisse eines Praxis- forschungsprojekts. In: Hartmann, J., ado e.V. (Hrsg.): Perspektiven professioneller Opferhilfe. Theorie und Praxis eines interdisziplinären Handlungsfeldes, Wiesbaden, S. 199-326.

Fastie, Friesa (Hrsg.): 2017): Opferschutz im Strafverfahren, Psychosoziale Prozessbegleitung bei Gewalt- und Sexualstraftaten, ein interdisziplinäres Handbuch, 3. Aufl., Opladen u.a.

Fröhlich-Weber, B. (2017): Das polizeiliche Ermittlungsverfahren in: Fastie, F. (Hrsg.): Opferschutz im Strafverfahren, Psychosoziale Prozessbegleitung bei Gewalt- und Sexualstraftaten, ein interdisziplinäres Handbuch, 3. Aufl., Opladen u.a., S. 87-111.

Habschick, K. (2012): Erfolgreich Vernehmen, Kompetenz in der Kommunikations- Gesprächs- und Vernehmungspraxis, 3. Aufl., Heidelberg.

Hartmann, U.I. (2002): Psychosoziale Betreuung von Opfern. Ein Modell präventiver Intervention. in: DVJJ-Journal 1/2002, 13. Jahrgang, S. 23-28.

Haupt, H. u.a. (2003): Handbuch Opferschutz und Opferhilfe, Baden-Baden.

Kuhnen, K. (2007): Kinderpornographie und Internet, Göttingen.

Landespräventionsrat Niedersachsen (Hrsg.) (2013): Opferschutzkonzeption der Niedersächsischen Landesregierung, Hannover.

Linke, M. (2010): Die Opferperspektive in der Berliner Polizei – zur notwendigen Vernetzung der Akteure der Opferhilfe. In: Hartmann, J., ado e.V. (Hrsg.): Perspektiven professioneller Opferhilfe. Theorie und Praxis eines interdisziplinären Handlungsfeldes, Wiesbaden, S. 147-152.

Meier, B.-D. (2010): Kriminologie. München.

Ministerium für Inneres und Europa (2019): Rahmenrichtlinie zum Opferschutz in der Polizei Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin.

Pawlik, B. (2010): Rechte und Pflichten von Opfern im deutschen Rechtssystem, in: Hartmann, J., ado e.V. (Hrsg.): Perspektiven professioneller Opferhilfe, Wiesbaden, S. 113-146.

Priet, R. (2010): Fachberatung für Kriminalitätsopfer. Opferberatung in der Opferhilfe Land Brandenburg e.V. in: Hartmann, Jutta, ado e.V. (Hrsg.), Perspektiven professioneller Opferhilfe. Theorie und Praxis eines interdisziplinären Handlungsfelds, Wiesbaden, S. 155-188.

Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren (RiStBV) vom 1. Januar 1977.

Sautner, L. 2014: Viktimologie. Die Lehre von Verbrechensopfern. Wien.

Schroth, K. (2005): Die Rechte des Opfers im Strafprozess, Heidelberg.

Schütte, D. (2008): Tertiäre Kriminalprävention durch Sport? In: Haas, U. (Hrsg.): Tertiäre Kriminalprävention durch Sport. Die Polizei als Akteur kommunaler Kriminalprävention, Frankfurt, S. 37-103.

Schwind, H.-D. (2016): Kriminologie und Kriminalpolitik. Eine praxisorientierte Einführung mit Beispielen, 23. Aufl., Heidelberg.

Stadler, L., Bieneck, St., Pfeiffer, C. (2012): Repräsentativbefragung Sexueller Missbrauch 2011; abrufbar unter: http://www.kfn.de/versions/kfn/assets/fob118.pdf [14.3.2019].

Stompe, Th. (2013): Sexueller Missbrauch, Pädosexualität und Kultur in: Stompe Th., Laubichler, W., Schanda, H. (Hrsg.): Sexueller Missbrauch und Pädophilie, Berlin, S. 15- 34.

Unterstaller, A. (2006): Was ist unter sexuellem Missbrauch zu verstehen? In: Kindler, H.,/Lillig, S., Blüml, H., Meysen, T., Werner, A. (Hrsg.): Handbuch Kindeswohlgefährdung nach § 1666 BGB und Allgemeiner Sozialer Dienst (ASD), München.

Volbert, R., (2017): Belastungen für minderjährige Zeuginnen und Zeugen im Strafverfahren: Viel Reformen und keine Veränderung? In: Fastie, F. (Hrsg.) (2017): Opferschutz im Strafverfahren. Psychosoziale Prozessbegleitung bei Gewalt- und Sexualstraftaten. Ein interdisziplinäre Handbuch, 3. Aufl., Opladen, Berlin, Toronto, S. 240-260.

Zypries, D. (2010): Opferschutz weiter verbessern. In: Hartmann, J., ado e.V. (Hrsg.): Perspektiven professioneller Opferhilfe. Theorie und Praxis eines interdisziplinären Handlungsfeldes, Wiesbaden, S. 93-98.

Weihmann, Robert, de Vries, Hinrich (2014): Kriminalistik für Studium, Praxis, Führung, 13. Aufl., Hilden.

Anmerkungen

  1. Prof. Dr. Rita Bley lehrt und forscht im Fachbereich Polizei der FHöVPR des Landes Mecklenburg-Vorpommern in Güstrow.
  2. Vgl. Egg., R. 2014: 76.
  3. Vgl. Sautner 2014: 18.
  4. Haupt 2003: 32.
  5. Hartmann 2002: 23.
  6. Vgl. Daigle, Muftic 2016: 55.
  7. Vgl. Greve, Hellmers, Kappes 2014: 207.
  8. Vgl. Sautner 2014: 14.
  9. Göppinger (2008), zitiert nach Sautner 2014: 18.
  10. Vgl. ebd.: 19.
  11. Priet 2010: 155.
  12. Ebd.: 159.
  13. RdErl für die Bearbeitung von Sexualdelikten, Nds. Innenministerium vom 6.6.1996, außer Kraft seit 2005.
  14. Vgl. Clages 2012: 214.
  15. Vgl. ebd.: 215.
  16. Vgl. Artkämpfer, Schilling 2017: 285.
  17. Vgl. Clages 2012: 525.
  18. Vgl. Artkämper, Schilling 2017: 275.
  19. RistBV 15 (1) Aufklärung der für die Bestimmung der Rechtsfolgen der Tat bedeutsamen Umstände.
  20. Vgl. ebd.: 218.
  21. Vgl. ebd.: 271.
  22. Vgl. ebd.: 440.
  23. Vgl. ebd.: 443, 444.
  24. Vgl. Volbert 2017: 240.
  25. Vgl. Landespräventionsrat Niedersachsen 2013: 14.
  26. Abrufbar unter www.BMJV.de.
  27. Herausgegeben vom LKA Sachen, abrufbar unter www.polizei.sachsen.de.
  28. „QR-Code“ steht für „Quick-Response-Code“, ein zweidimensionaler Code.
  29. Landespräventionsrat Niedersachsen 2013: 14.
Seite: << zurück1234