Kollaboration gegen den „Kapitalismus“ – Über die Kooperation, Kumpanei und Komplizenschaft von RAF und SED
Von Dr. Harald Bergsdorf, Dümpelfeld¹
3 Ziele der SED-RAF-Kooperation
Besonders eng kooperierte die SED vor allem durch ihr MfS mit der RAF. Zwar ist individualistischer Terror („anarcho-terroristische Kräfte“), wie ihn die RAF ausübte, aus marxistisch-leninistischer Sicht abzulehnen. Daran fühlte sich grundsätzlich auch die SED als Auftraggeber des MfS gebunden. Denn im kollektivistischen Selbstverständnis der SED drohte durch individualistischen Terror eine Entfernung und „Entfremdung“ vom „Proletariat“ als dem „revolutionären Subjekt“. Insofern unterschieden sich die jeweiligen Strategien von SED und RAF zur sog. „Überwindung“ des „Kapitalismus“ gravierend.
Andererseits teilten RAF und SED eben ideologische Affinitäten mit gemeinsamen Feindbildern. So verbanden SED und RAF weltanschaulich ihr Hass auf die rechtsstaatliche Demokratie der Bundesrepublik („Kapitalismus“) und ihre Feindschaft sowohl gegenüber den USA als auch Israel. Mehr oder minder explizit präsentierten sowohl die SED als auch die RAF den „Kapitalismus“ in der Bundesrepublik als die zentrale Ursache des Terrorismus. Neben ihrer ideologischen Nähe pflegten RAF und SED darüber hinaus jeweils enge Beziehungen zu identischen Verbündeten, u.a. zu sog. „Befreiungsbewegungen“ wie der antisemitischen PLO.
Bei aller deutschlandpolitischen Brisanz in Zeiten deutsch-deutscher Verständigung (u.a. Milliardenkredite der Bundesrepublik Mitte der 1980er-Jahre für die DDR gegen Zugeständnisse bei Menschenrechten) zielte die SED daneben darauf, durch ihre Kollaboration mit der RAF den westdeutschen Linksterrorismus stärker aufzuklären, RAF-Mitglieder zu identifizieren, deren private Verbindungen in die DDR aufzudecken und von RAF-Plänen zu erfahren. Denn trotz ihrer Allianz mit der RAF befürchtete die SED offenbar, westdeutsche RAF-„Anarchisten“ könnten auch gegen die DDR mörderische Anschläge verüben, zum Beispiel gegen DDR-Botschaften. Grundsätzlich gehörte „Anarchismus“ zu den traditionellen SED-Feindbildern.
Um die aktive RAF daher präventiv bereits von Anschlagsplanungen abzuhalten, wollte die SED durch die Aufnahme von demobilisierten RAF-Mitgliedern ein Druckmittel („Faustpfand“) gegen die westdeutsche Terrorgruppierung gewinnen. Ferner sorgte sich die SED, durch Großfahndungen nach der RAF in der Bundesrepublik könnten auch Stasi-Agenten im Westen („Operationsgebiet“), die im SED-Jargon „Kundschafter des Friedens“ hießen, auffliegen und westdeutschen Sicherheitsbehörden „ins Netz gehen“.10 Ebenfalls fürchtete die SED später, festgenommene RAF-Terroristen könnten die Kooperation von SED und RAF ausplaudern und damit die DDR-Außenpolitik schädigen. Auch deshalb warnte das MfS – auf Basis von IM-Hinweisen aus dem Westen – aktive RAF-Kader offenbar mitunter vor westdeutschen Fahndungsmaßnahmen.11 Ohnehin wollte die SED Fahndungserfolge des „Klassenfeindes“ aus dem Westen gerade gegen die RAF dringend verhindern. Durch die Zusammenarbeit der SED mit der RAF wollte Honeckers Partei letztlich vor allem Ansätze finden, um die bei ihr verhassten Bundesrepublik politisch zu destabilisieren und die DDR zu stabilisieren. Um die eigenen Interessen zu fördern, mahnte die SED die RAF zum Beispiel kurz vor der Bundestagswahl 1980 zu Zurückhaltung. Umgekehrt wollte die RAF-Spitze einen sicheren Rückzugsort für die demobilisierten „Kämpfer“ finden und deren Festnahme auch deshalb verhindern, weil sie fürchtete, im Gefängnis könnten ihre Genossen, um Strafnachlass („Kronzeugenregelung“) zu erlangen, mit „Repressionsorganen“ kooperieren und Interna ausplaudern, darunter konspirative Wohnungen („KW“) oder Depots der aktiven RAF, Falschidentitäten von aktiven RAF-Kadern und überhaupt Details der RAF-Arbeitsweise im Untergrund bzw. in der Illegalität.
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